Jetzt aber: Es gibt immer noch ein paar Buster-Keaton-Langfilme in meiner Sammlung, und ich habe einen herausgesucht, der allerdings zu seinen schwächeren gehört: „Battling Butler“ (1926). Auch bei uns trägt er inzwischen diesen Titel; früher lief er unter „Buster der Boxer“, „Der Killer von Alabama“ oder in der Väter-der-Klamotte-Serie unter „Schlag auf Schlag“. Auch wenn diese Slapstick-Komödie nicht zu seinen besten zählt, ist sie immer noch sehr lustig und unterhaltsam. Es war übrigens der erfolgreichste von Keatons Stummfilmen, gedreht unmittelbar vor seinem genialen „The General“, der dann sein größter Reinfall und sein Karriereknick wurde.
Keaton hat hier eine am Broadway erfolgreiche Komödie adaptiert, und das ist das Hauptproblem. Es ließ sich kein typischer Keaton-Film daraus machen. In „Battling Butler“ gibt es überhaupt keine Stunts, und ein weiteres wichtiges Element fehlt: Buster setzt sich nicht mit Maschinen auseinander. Wie in „The Navigator“ spielt er einen verwöhnten, lebensuntüchtigen Millionärssproß (namens Alfred Butler). Sein Vater möchte, daß er sich bewährt, statt immer nur mit einem Drink im Sessel zu sitzen, und schickt ihn auf die Jagd in die Wildnis, wo er freilich auf keinerlei Luxus verzichtet. Versehentlich schießt er beinahe eine junge Frau (Sally O’Neill) an. Wider Erwarten freunden sich die beiden an. Dann tauchen aber ihr Vater und ihr Bruder, beide bärige Naturburschen, auf, die von dem verzärtelten Buster überhaupt nichts halten. Sein Diener (Snitz Edwards) versucht, Eindruck zu schinden, indem er den beiden weismacht, Buster sei ein bekannter Boxer, nämlich Battling Butler (es gibt tatsächlich einen, der diesen Namen trägt). Nun steht einer Heirat von Buster und Sally nichts mehr im Wege. Sie wie auch ihre Verwandten wollen Buster nun aber auch kämpfen sehen, und da steht gerade ein Duell mit dem „Killer von Alabama“ an. Er fährt zum Schein hin, bittet sie jedoch, sich niemals anzusehen, wenn er im Ring „zum Tier wird“. Daran hält sie sich natürlich nicht.
Dann wird’s etwas unübersichtlich. Im Training lernt Buster den echten Battling Butler kennen und zieht sich seinen Zorn zu, weil er ein bißchen mit dessen Frau anbandelt (obwohl er eben geheiratet hat). Vor allem muß er nun aber Boxen lernen, und zwar praktisch von Null. Niemand glaubt, daß er in einem richtigen Boxkampf auch nur eine minimale Chance hätte. Die angereiste Sally bekommt bis zum Schluß nicht mit, daß es zwei Battling Butlers gibt. Beim entscheidenden Fight wird sie in einer Besenkammer weggeschlossen. Als der Boxer Butler seinen Kampf gewonnen hat, will er mit Buster abrechnen. Buster versucht, sich in die Besenkammer zu verdrücken. Das führt aber dazu, daß Sally nun sieht, daß er gerade gegen einen anderen Boxer antritt. Unter ihren Augen wächst Buster über sich hinaus und schlägt Battling Butler k.o. Hinterher geht er sofort zu ihr und gesteht, daß er gar kein Boxer ist (obwohl er gerade das Gegenteil demonstriert hat). Sie sagt, daß ihr das so auch lieber ist. Happy end.
Diese wackelige Verwechslungsgeschichte ist in dieser Form Buster-untypisch. Das heißt, es gibt zwar etliche gelungene und komische Szenen, aber der Film insgesamt entspricht nicht dem Keaton-Humor. Box-Filme waren schon damals sehr beliebt, vor allem bei Slapstick-Komikern. Es gibt etwa den berühmten Boxkampf in Chaplins „Lichter der Großstadt“, und Stan Laurel boxt in „Dick und Doof gehen vor Anker“. Im Gegensatz zu diesen Komikern kämpft Keaton völlig ernsthaft, wenn auch dilettantisch. Die Komik liegt bei ihm allein im Boxen-Lernen. Die Liebesgeschichte mit Sally O’Neill, die in der Stummfilmzeit sehr bekannt war – sie bildete unter anderem ein Filmduo mit Joan Crawford – ist wenig ausgearbeitet. Sie wirkt am interessantesten, als sie Buster kennenlernt und zuerst verarbeiten muß, daß er sehr reich ist, und dann, daß sie auch noch eine angeblich berühmte Sportskanone vor sich hat. Wirklich nette Unterhaltung, aber es gibt von Keaton noch viel Besseres.
Noch eine Bemerkung: Anläßlich von „Battling Butler“ habe ich noch ein bißchen über den Niedergang des Keaton-Studios gelesen. Bisher dachte ich, der Grund für den Mißverfolg des „General“ sei gewesen, daß das Publikum die Witze über den amerikanischen Bürgerkrieg übelgenommen habe. Das mag eine Rolle gespielt haben. Aber die Sache hatte wohl noch mehr mit der Verleihpolitik der United Artists zu tun. Bis „Battling Butler“ war Joe Schenck Keatons Produzent und Verleiher gewesen, und Keaton war sein großer Star. „The General“ wurde dann von UA vertrieben, und da war Keaton nur noch einer von mehreren großen Komikern – unter anderem neben Chaplin. Wie ich gelesen habe, hatten die Kinobetreiber bei UA deutlich härtere Konditionen als bisher. Das führte dazu, daß die Kinos die Filme kürzer buchten und auch schneller wieder aus dem Programm nahmen, wenn es nicht gleich einen Publikumsansturm gab. Trotzdem war auch von Nachteil, daß „The General“ so teuer war. Weil die Kosten nicht wieder hereinkamen, mußte Keaton sein Studio verkaufen und sich von anderen Studios engagieren lassen. Dummerweise drehte er vor allem für MGM einige Filme – später auch Tonfilme -, die erheblich mehr Geld einspielten als die, die er allein, beziehungsweise mit seinem eigenen Team hergestellt hatte.