• Jetzt aber: Es gibt immer noch ein paar Buster-Keaton-Langfilme in meiner Sammlung, und ich habe einen herausgesucht, der allerdings zu seinen schwächeren gehört: „Battling Butler“ (1926). Auch bei uns trägt er inzwischen diesen Titel; früher lief er unter „Buster der Boxer“, „Der Killer von Alabama“ oder in der Väter-der-Klamotte-Serie unter „Schlag auf Schlag“. Auch wenn diese Slapstick-Komödie nicht zu seinen besten zählt, ist sie immer noch sehr lustig und unterhaltsam. Es war übrigens der erfolgreichste von Keatons Stummfilmen, gedreht unmittelbar vor seinem genialen „The General“, der dann sein größter Reinfall und sein Karriereknick wurde.

    Keaton hat hier eine am Broadway erfolgreiche Komödie adaptiert, und das ist das Hauptproblem. Es ließ sich kein typischer Keaton-Film daraus machen. In „Battling Butler“ gibt es überhaupt keine Stunts, und ein weiteres wichtiges Element fehlt: Buster setzt sich nicht mit Maschinen auseinander. Wie in „The Navigator“ spielt er einen verwöhnten, lebensuntüchtigen Millionärssproß (namens Alfred Butler). Sein Vater möchte, daß er sich bewährt, statt immer nur mit einem Drink im Sessel zu sitzen, und schickt ihn auf die Jagd in die Wildnis, wo er freilich auf keinerlei Luxus verzichtet. Versehentlich schießt er beinahe eine junge Frau (Sally O’Neill) an. Wider Erwarten freunden sich die beiden an. Dann tauchen aber ihr Vater und ihr Bruder, beide bärige Naturburschen, auf, die von dem verzärtelten Buster überhaupt nichts halten. Sein Diener (Snitz Edwards) versucht, Eindruck zu schinden, indem er den beiden weismacht, Buster sei ein bekannter Boxer, nämlich Battling Butler (es gibt tatsächlich einen, der diesen Namen trägt). Nun steht einer Heirat von Buster und Sally nichts mehr im Wege. Sie wie auch ihre Verwandten wollen Buster nun aber auch kämpfen sehen, und da steht gerade ein Duell mit dem „Killer von Alabama“ an. Er fährt zum Schein hin, bittet sie jedoch, sich niemals anzusehen, wenn er im Ring „zum Tier wird“. Daran hält sie sich natürlich nicht.

    Dann wird’s etwas unübersichtlich. Im Training lernt Buster den echten Battling Butler kennen und zieht sich seinen Zorn zu, weil er ein bißchen mit dessen Frau anbandelt (obwohl er eben geheiratet hat). Vor allem muß er nun aber Boxen lernen, und zwar praktisch von Null. Niemand glaubt, daß er in einem richtigen Boxkampf auch nur eine minimale Chance hätte. Die angereiste Sally bekommt bis zum Schluß nicht mit, daß es zwei Battling Butlers gibt. Beim entscheidenden Fight wird sie in einer Besenkammer weggeschlossen. Als der Boxer Butler seinen Kampf gewonnen hat, will er mit Buster abrechnen. Buster versucht, sich in die Besenkammer zu verdrücken. Das führt aber dazu, daß Sally nun sieht, daß er gerade gegen einen anderen Boxer antritt. Unter ihren Augen wächst Buster über sich hinaus und schlägt Battling Butler k.o. Hinterher geht er sofort zu ihr und gesteht, daß er gar kein Boxer ist (obwohl er gerade das Gegenteil demonstriert hat). Sie sagt, daß ihr das so auch lieber ist. Happy end.

    Diese wackelige Verwechslungsgeschichte ist in dieser Form Buster-untypisch. Das heißt, es gibt zwar etliche gelungene und komische Szenen, aber der Film insgesamt entspricht nicht dem Keaton-Humor. Box-Filme waren schon damals sehr beliebt, vor allem bei Slapstick-Komikern. Es gibt etwa den berühmten Boxkampf in Chaplins „Lichter der Großstadt“, und Stan Laurel boxt in „Dick und Doof gehen vor Anker“. Im Gegensatz zu diesen Komikern kämpft Keaton völlig ernsthaft, wenn auch dilettantisch. Die Komik liegt bei ihm allein im Boxen-Lernen. Die Liebesgeschichte mit Sally O’Neill, die in der Stummfilmzeit sehr bekannt war – sie bildete unter anderem ein Filmduo mit Joan Crawford – ist wenig ausgearbeitet. Sie wirkt am interessantesten, als sie Buster kennenlernt und zuerst verarbeiten muß, daß er sehr reich ist, und dann, daß sie auch noch eine angeblich berühmte Sportskanone vor sich hat. Wirklich nette Unterhaltung, aber es gibt von Keaton noch viel Besseres.

    Noch eine Bemerkung: Anläßlich von „Battling Butler“ habe ich noch ein bißchen über den Niedergang des Keaton-Studios gelesen. Bisher dachte ich, der Grund für den Mißverfolg des „General“ sei gewesen, daß das Publikum die Witze über den amerikanischen Bürgerkrieg übelgenommen habe. Das mag eine Rolle gespielt haben. Aber die Sache hatte wohl noch mehr mit der Verleihpolitik der United Artists zu tun. Bis „Battling Butler“ war Joe Schenck Keatons Produzent und Verleiher gewesen, und Keaton war sein großer Star. „The General“ wurde dann von UA vertrieben, und da war Keaton nur noch einer von mehreren großen Komikern – unter anderem neben Chaplin. Wie ich gelesen habe, hatten die Kinobetreiber bei UA deutlich härtere Konditionen als bisher. Das führte dazu, daß die Kinos die Filme kürzer buchten und auch schneller wieder aus dem Programm nahmen, wenn es nicht gleich einen Publikumsansturm gab. Trotzdem war auch von Nachteil, daß „The General“ so teuer war. Weil die Kosten nicht wieder hereinkamen, mußte Keaton sein Studio verkaufen und sich von anderen Studios engagieren lassen. Dummerweise drehte er vor allem für MGM einige Filme – später auch Tonfilme -, die erheblich mehr Geld einspielten als die, die er allein, beziehungsweise mit seinem eigenen Team hergestellt hatte.

  • Ist schon wieder eine Weile her: Harvey Specter hat hier mal „The Hot Spot“ erwähnt (Post # 1936). Ich habe den Film im Hinterkopf behalten. Er kam etwa gleichzeitig mit „After Dark, my Sweet“ ins Kino, und ich habe beide gesehen und auch beide auf Video. „The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer“ (1990) ist eine der wenigen Regiearbeiten von Dennis Hopper. So etwas wie „Easy Rider“ ist ihm nie wieder geglückt, aber er hat immer wieder versucht, die Hollywood-Grenzen zu überschreiten und die Regeln zu mißachten. Vielleicht war es in diesem Fall so, daß er beweisen wollte, daß er auch einen ganz normalen, kommerziellen Film machen kann. Er hat aber – zumindest in USA – nur einen Bruchteil seiner Produktionskosten eingespielt. Mir hat er damals gut gefallen und heute nicht viel weniger, aber er hat schon seine Macken, auch wenn man nicht gleich drauf kommt.

    Auch „The Hot Spot“ ist ein in die Gegenwart übertragener Film noir. Die Vorlage von Charles Williams hieß „Hell hath no Fury“ und erschien zur passenden Zeit: 1953. Williams ist glaube ich nicht so bekannt, aber nach Romanen von ihm drehte Francois Truffaut „Auf Liebe und Tod“ und Orson Welles „The Deep“, ein Film, der nicht fertig wurde. Philip Noyce hat das dann unter dem Romantitel „Dead Calm“ nochmal verfilmt. Die Handlung von „Hot Spot“ paßt in die Schwarze Serie: Don Johnson kommt in ein gottverlassenes Nest, in dem es aber immerhin einen größeren Autohändler gibt. Johnson ist als Autoverkäufer ganz geschickt und stellt sich sozusagen selbst ein. Er freundet sich mit Jennifer Connelly (ich sah sie kürzlich in „Rocketeer“) an, die für die Autofinanzierung zuständig ist. Kurz darauf lernt er auch noch Viginia Madsen kennen, die Frau des Firmenchefs. Die beiden Frauen sind denkbar gegensätzlich: Connelly ist spröde, aber aufrichtig und liebenswert. Madsen ist offensichtlich von ihrem Mann vernachlässigt und liebeshungrig, aber sie benutzt ihren Körper auch, um ihre Ziele zu erreichen.Unvermeidlich landet Johnson mit ihr im Bett, aber daneben bemüht er sich ernsthaft um Connelly.

    In dem Kaff beobachtet jeder jeden – und einen Fremden ganz besonders. Johnson macht den Fehler, einen Gebäudebrand auszunutzen, um in der allgemeinen Aufregung die örtliche Bank auszuräumen. Er mischt sich zwar unter die Schaulustigen, um sich ein Alibi zu verschaffen. Aber Madsen hat ihn in der Bank gesehen. Als die Polizei ihn als ersten verdächtigt und einbuchtet, sagt sie jedoch zu seinen Gunsten aus. Im Knast nützt er ihr nichts. Kurz darauf erfährt Johnson, daß Connelly von einem Farmer (William Sadler) erpreßt wird. Er hat sie in einer verfänglichen Situation fotografiert. Und er ist zudem ein verflossener Liebhaber von ihr. Johnson regelt die Sache, indem er Sadler windelweich prügelt. Aber der kehrt zurück und läßt durchblicken, daß er auch von dem Bankraub weiß. Nun geht die Erpressung weiter, zudem macht Sadler alte Rechte bei dem Mädchen geltend. Johnson weiß sich nun nicht anders zu helfen, als Sadler zu töten, es wie Selbstmord aussehen zu lassen und dem Toten dazu den Bankraub in die Schuhe zu schieben. Dann will er mit Connelly abhauen. Doch Madsen verhindert das. Sie hat inzwischen ihren Mann umgebracht und will, daß er stattdessen die Firma übernimmt, freilich als ihre Marionette. Seine Beziehung zu Connelly zerstört sie, und falls er nicht mitspielen sollte, will sie verraten, daß er der Bankräuber und der Mörder von Sadler ist. Sie hat Johnson völlig in der Hand.

    Die nette Nachbarschaft, die sich als absolute Hölle erweist – das hat Hopper effektvoll inszeniert. Don Johnson erscheint zu Beginn als einer, der den Provinzlern haushoch überlegen ist, und erweist sich zunehmend als Verlierer, der sich immer mehr in Abhängigkeiten verstrickt. Interessanter noch finde ich die beiden Frauen, die fast bis zum Schluß etwas undurchschaubar bleiben – natürlich sind sie Klischeefiguren: „Good Girl – bad Girl“. Das Problem der Produktion ist, daß sie viel zu pompös geraten ist. So eine Story hätte ich mir gut als einen B-Film der 1940er Jahre vorstellen können. Mit unbekannten Schauspielern, einem kleinen Budget und dem Zwang zu improvisieren. „The Hot Spot“ hat dagegen zehn Millionen Dollar gekostet, was 1990 ein größeres Budget war. Dennis Hopper hatte wohl einen zweifelhaften Ruf als Filmemacher, die Stars waren nicht so groß, daß sie allein das nötige Publikum ins Kino ziehen konnten, und die Sexszenen waren nichts Besonderes mehr. Trotzdem: Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt (wenn man über ein paar logische Holprigkeiten hinwegsieht) und kann den Film noch immer empfehlen.

  • Nun war ich neugierig, mir nochmal „Auf Liebe und Tod“ (1983) von Francois Truffaut anzusehen. An diesen Film kann ich mich vage erinnern – besonders an die Szenen, in denen Jean-Louis Trintignant vorüberlaufende Frauenbeine durch ein Kellerfenster verfolgt. Und es ist der einzige Film mit Fanny Ardant, den ich im Gedächtnis behalten habe. Der zugrundeliegende Roman von Charles Williams hat den Titel „The long Saturday Night“. Truffauts Film heißt eigentlich „Endlich Sonntag!“ Er ist in Schwarzweiß gedreht, aber beim besten Willen kein Film noir. Stattdessen wird hier und da im Stil von Alfred Hitchcock inszeniert. Was für mich das Vergnügen etwas trübt, ist die ziemlich verwickelte Kriminalhandlung. Mir fällt es noch einmal schwerer, ihr zu folgen, da ich so gut wie kein Französisch kann und die Namen der Figuren nur mühsam im Kopf behalte. Auch wenn ich bei der Aufklärung der Morde kaum mitkomme, kann der Film seiner Machart wegen doch gefallen. Es war Truffauts letzter – 1984 starb er an einem Gehirntumor.

    Trintignant ist in „Auf Liebe und Tod“ ein ziemlich durchschnittlicher Immobilienmakler in einer unbedeutenden Provinzstadt und Ardant seine Sekretärin. Kurz nacheinander werden ein Freund von ihm, seine eigene Frau, die Frau seines Freundes und ein Bordellbetreiber umgebracht, und die Polizei hat jedesmal Trintignant im Verdacht. Ardant hilft ihm, täuscht vor, daß er aus Frankreich geflohen ist, versteckt ihn stattdessen im Keller seiner Immobilienagentur und macht sich auf, die Fälle selbst zu lösen.Sie ist nämlich heimlich in ihren Chef verliebt, was beide allerdings nicht daran hindert, sich im Verlauf ihrer Nachforschungen immer wieder heftig zu streiten. Eigentlich hat er sie gleich zu Beginn des Films gefeuert, weil sie sich seiner Frau gegenüber impertinent verhalten hat. Dann ist er aber doch auf ihre Hilfe angewiesen.

    Die Details der Krimihandlung überspringe ich – bin nicht sicher, ob ich alles richtig mitbekommen habe. Jedenfalls hat Trintignants Frau (Caroline Sihol) eine dunkle Vergangenheit als Prostituierte in einem Edelpuff in Nizza. Und sein Freund, den er angeblich auf der Jagd erschossen hat, war ihr Liebhaber. Irgendwer hat gleichzeitig eine Detektei beauftragt, in dieser Sache zu ermitteln – aber wer und warum? Nachdem Ardant etliche falsche Spuren verfolgt hat, stellt sich Trintignants Rechtsanwalt (Philippe Laudenbach), der ebenfalls ein Verhältnis mit Sihol hatte, als der wahre Mörder heraus. Durch einen Trick überführen ihn Ardant und der ermittelnde Kommissar, worauf sich Laudenbach selbst erschießt. Erst kurz zuvor haben sich Trintignant und Ardant ihre Liebe gestanden; am Ende heiraten sie.

    Ich frage mich, was Ardant an der Figur dieses Immobilienmaklers findet, und bei einer Frau wie Ardant frage ich mich zudem, warum er sie immer so chefmäßig herablassend behandelt, sie ihm auf die Nerven geht und ihn in Wut bringt. Doch dieses seltsame Paar ist das Besondere an diesem Film, und mich hat ihr Verhältnis den ganzen Film hindurch interessiert, ohne daß ich die Windungen und Wendungen des Kriminalfalls in den Einzelheiten verstehen mußte. Die Beziehung von Trintignant und Ardant verleiht dem Film einen witzigen Beiklang. Im übrigen konnte kein Film noir daraus werden, weil die Atmosphäre so typisch französisch geraten ist, daß man sich diese Geschichte nicht eine Sekunde in einem amerikanischen Umfeld vorstellen könnte.

    Einem amerikanischen Regisseur wäre wohl auch nicht eingefallen, einer Frau eine so bestimmende Rolle zu geben. Frauen, die Männer manipulieren – das gibt’s dort auch. Aber eine Frau, die den Mann im Keller sitzen läßt und auf eigene Faust und fast im Alleingang den Fall löst, das entspricht keinen Genregesetzen. Das kann wohl nur ein europäischer Filmemacher so gestalten, der die Regeln respektiert, aber sich deshalb noch lange nicht genau an sie hält. Was aber offenbar nicht geändert werden kann: Die Frau bleibt Objekt der Begierde, auch wenn das Truffaut sehr einfallsreich zeigt. Als Fanny Ardant an dem Kellerfenster vorbeigegangen ist, wird ihr bewußt, daß Trintignant sie drinnen beobachtet. Sie kehrt also um und läuft – nur für ihn – noch einmal vorbei. Freilich ist Trintignant zu diesem Zeitpunkt seine Liebe zu ihr noch lange nicht klar.

  • Möglich, daß ich diesen Film noch nie gesehen habe. Es gibt wahrscheinlich etliche Filme in meiner Videosammlung, die ich aufgenommen habe, weil ich sie wichtig fand, aber dann doch nie angeschaut habe. Ebenso habe ich ein paar DVDs gekauft und sie dann – vorerst – nur in den Schrank gestellt. Bei „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (1988) von Pedro Almodovar ist das gleichwohl ein bißchen peinlich, weil ein Freund von mir ein vorzügliches Buch über den Regisseur geschrieben hat: „Almodovar. Kino der Leidenschaften“, aber er konnte mich nicht überzeugen, mich mit ihm mal zu beschäftigen. Ich habe auch sonst keinen Almodovar-Film gesehen, obwohl er eine Weile ziemliches Aufsehen erregt hat (auch etwa mit „Matador“ oder „Fessle mich!“). In der Widmung des Buchs heißt es: „Ein Buch, das zwar kein Comic ist, aber auch tolle Bilder und tollen Text enthält!“

    Diese Art Kino spricht mich nicht so an, weil der Stil über den Sinn gestellt wird. Aber ich muß zugeben, daß es wirklich ein sehr leidenschaftlicher Film ist, der Zuschauer aber wenigstens nicht dauernd in die Irre geführt wird. „Frauen am Rande…“ ist unterhaltsam, originell, mitreißend. Aber Gefühl ist für Almodovar alles und die Handlung, wenn man es recht bedenkt, nur ein Vorwand und ohne Bedeutung. Als Autorenfilmer hat Almodovar das Drehbuch selbst geschrieben. Die Story kann sehr kurz, aber auch in vielen Details erzählt werden, aber jedenfalls ist sie nicht uninteressant. Carmen Maura hat eine Liebesbeziehung mit Fernando Guillen hinter sich. Sie möchte sich noch einmal mit ihm aussprechen. Sie kann ihn aber weder telefonisch noch persönlich erreichen; es scheint, als ließe er sich verleugnen. Am Ende findet sie ihn, als er gerade mit seiner neuen Geliebten Kiti Manver am Flughafen ist, um ins Ausland abzureisen. Seine Frau, Julieta Serrano, will ihn erschießen, aber Maura verhindert das im letzten Augenblick. Nun lehnt sie allerdings ein Gespräch mit ihm ab – er erfährt nicht, daß sie von ihm schwanger ist.

    Der Hauptteil des Films spielt sich in Mauras Wohnung ab, in der sich nach und nach eine Menge Leute versammeln: Die naive Maria Barranco hatte eine Affäre mit einem arabischen Terroristen und hat jetzt Angst vor der Polizei. Die Rechtsanwältin Manver wird eingeschaltet, die sich am Ende als Guillens neue Geliebte herausstellt. Guillens Sohn (Antonio Banderas) schaut herein, um zwischen Maura und ihm zu vermitteln; bei ihm ist seine Freundin Rossy de Palma. Und auch Serrano taucht auf, um herauszufinden, ob Maura etwas mit ihrem Mann hatte. Ein Techniker will ihr Telefon reparieren, das sie vor Wut kaputtgemacht hat. Und dann tauchen zwei Polizisten auf, die aber wenig Ahnung zu haben scheinen. Wie in einer Boulevardkomödie im Theater kommt es zu immer mehr Verwicklungen, aber auch Mißverständnissen. Am Ende haben die Gäste ungewollt eine größere Dosis Barbiturate getrunken und schlafen ein. Nur Serrano, Maura und Barranco bleiben wach und brechen zum Showdown am Flughafen auf.

    Der Film ist nicht nur ganz von Frauen dominiert, sondern vorgeblich auch aus Frauensicht erzählt. Aber man muß aufpassen: Die Story entstammt der Phantasie des Regisseurs, also eines Mannes. Zu Beginn sieht man Ausschnitte aus dem Nicholas-Ray-Film „Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen“, und auch da steht eine Frau, Joan Crawford, im Mittelpunkt (obwohl es formal ein Western ist), und die Gefühle werden überlebensgroß und zerstörerisch inszeniert. Alle Frauen in „Frauen am Rande…“ handeln sehr emotional und machen sich damit ein ums andere Mal zum Narren. Dennoch scheinen sie eine Projektionsfläche für ein weibliches Publikum zu sein. Frauen werden in Almodovars Film in ihren Widersprüchen gezeigt, mit vielen Schwächen und nicht selten als Lachnummer, aber es bleibt festzuhalten, daß sich alles um sie dreht und alles nach ihrem Kopf geht. Nur wenige Regisseure nehmen Frauen so konsequent in den Blick.

  • Ich hatte meine "Almodovar-Phase" in den frühen 90ern. Erinnern kann ich mich neben dem von Dir vorgestellten Film aber eigentlich nur noch an "Labyrinth der Leidenschaften" und "High-Heels"; - ja und natürlich auch an "Fessle mich!" :floet:

    Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.

  • Almodovar hat ja bis praktisch heute unermüdlich weitergefilmt. Wikipedia nennt ihn den "international bekannteste(n) spanische(n) Regisseur des zeitgenössischen Kinos". Aber irgendwann war die "Almodovar-Phase" vorbei, glaube ich. Ich hole sie jetzt leicht verspätet nach. ;)

  • Witzigerweise steht heute ein Filmabend mit Freunden an und zur Auswahl steht u.a. "Die Haut, in der ich wohne". Klasse Film, fand ich damals. Evtl. kann ich heute feststellen, ob das immer noch so ist.

  • Ein Almodovar, den ich nicht mehr mitbekommen habe. Und den auch mein Freund in seinem Buch nicht berücksichtigen konnte (das erschien 2001).

    Wenn der Film läuft, dann schreib' doch noch was dazu.

  • Der folgende Film stand schon eine Weile auf der Warteliste. Mit „Geheimring 99“ (1955) von Joseph H. Lewis habe ich eine Cassette aufgefüllt, auf der ein Don-Siegel-Film ist. Meine Bestände von Siegel-Filmen habe ich hier schon vor einer Weile besprochen. „Geheimring 99“ schien mir dazu zu passen, denn wie Siegel hat auch Lewis hier auf explizite Gewalt gesetzt. Sein Film ist allerdings etwas seltsam geworden, denn auch wenn es brutale Szenen gibt, war Lewis in den 1950er Jahren noch eher gezwungen, manches zu verklausulieren. Heute sind wir gewohnt, daß uns alles offen vor Augen geführt wird, daher wird man sich diesen Film aus Hollywoods schwarzer Serie eher aus filmhistorischem Interesse ansehen. Formal ist er allerdings beachtlich, was die Kameraarbeit wie auch Schauspielerleistungen sowie manche Regieeinfälle angeht. „Geheimring 99“ ist gemeinfrei und zumindest in der Originalfassung auf youtube in voller Länge zu sehen.

    Polizei-Lieutenant Cornel Wilde versucht verbissen, den mächtigen Gangsterboß Richard Conte ins Gefängnis zu bringen, kann ihm aber nie etwas nachweisen. Jean Wallace ist Contes aktuelle Freundin, die er völlig kontrolliert und die sich aus Verzweiflung darüber mit Tabletten umbringen will. Im Krankenhaus murmelt sie den Namen „Alicia“, und Conte, der sich auffallend für sie interessiert, hält diesen Namen für den Schlüssel, mit dem er Conte endlich doch überführen kann. Sobald Wallace genesen ist, kehrt sie allen Bemühungen Wildes zum Trotz zu Conte zurück. Alle Verbindungspersonen, die Wilde nach „Alicia“ fragt, stellen sich aus Angst unwissend und werden hinterher meist doch zum Schweigen gebracht. Das erledigen Contes Gorillas Lee van Cleef und Earl Holliman. Einmal bringen sie sogar Wilde in ihre Gewalt und mißhandeln ihn. Wiederum reicht das alles nicht für eine Anklage gegen Conte.

    Ein aufgetauchtes Foto bringt Wilde schließlich doch auf die Spur von Alicia (Helen Walker), Contes Ex-Ehefrau. Er hat sie für tot gehalten, aber sie lebt völlig unbeachtet in einer Nervenheilanstalt. Aber auch sie kann und will nicht gegen Conte aussagen. Dem gehen die Ermittlungen inzwischen viel zu weit. Er schickt seine Gorillas los, um Wilde umzulegen. Sie erschießen aber eine Freundin (Helene Stanton), die in seiner Wohnung auf ihn gewartet hat. Mit diesem Todesfall setzt Wilde nun Wallace unter Druck: Wenn sie ihm nicht hilft, dann müßten noch mehr Unschuldige sterben. Wallace weigert sich, aber als Conte mit ihr per Flugzeug fliehen will, bekommt Wilde von Walker doch den entscheidenden Tip und kann das Paar stellen. Conte räumt noch eben einen Partner aus dem Weg; das bringt Wallace dazu, Wilde beim Showdown zu unterstützen, indem sie einen Scheinwerfer auf Conte richtet. Polizisten verhaften ihn, und Wilde und Wallace verlassen Arm in Arm die Szene.

    Obwohl das in keiner Szene angedeutet wird, kann man davon ausgehen, daß Wilde deshalb so hartnäckig hinter Conte her ist, weil er mit dessen Freundin Wallace schlafen möchte. Herauslesen kann man immerhin, daß er ein Schuhfetischist ist – da schöpfte das Publikum von 1955 offenbar noch keinen Verdacht. Manche Kritiker sehen zudem ein homosexuelles Verhältnis zwischen den G-Men van Cleef und Holliman – da würde ich ein Fragezeichen setzen. Auf jeden Fall bleibt der Kriminalfall im Vagen – es wird glaube ich nie gesagt, was dem Gangsterboß genau zur Last gelegt wird, und unklar bleibt auch, warum ihm nie etwas zu beweisen ist. Dem widmet Lewis nur wenig Aufmerksamkeit; ihm geht es um das psychologische Verhältnis seiner Figuren. Im übrigen ist „Geheimring 99“ ein Musterbeispiel eines Film noir. Kameramann John Alton hat ihn hervorragend fotografiert. Fast alle Szenen spielen in der Dunkelheit, die durch grelle Lichteffekte aufgerissen wird. Auch die Stimmung von Bedrohung und Hoffnungslosigkeit wird – trotz des happy ends – sehr gut vermittelt.

    Regisseur Joseph H. Lewis wird in Martin Scorseses „A personal Journey through American Movies“ als Könner des B-Films erwähnt. Ich habe von ihm nur diesen Film in meiner Sammlung. „Geheimring 99“ (im Original „The Big Combo“) wurde 1997 vom WDR anläßlich des 90. Geburtstags des Regisseurs ausgestrahlt. Er ist ein Sonderfall, weil er unabhängig produziert und zu einem Gutteil von Cornel Wilde finanziert wurde. Er kostete 500 000 Dollar, was zu dieser Zeit kein ganz kleines Budget war. Die Drehzeit von nur 20 Tagen weist jedoch darauf hin, daß es wohl doch eher ein B-Film war. Wie erfolgreich er in den Kinos lief, ist mir leider nicht bekannt. Die Kritiker waren anfangs geteilter Meinung, und in Deutschland wurde er 1956 „ab 18“ herausgebracht. Erst allmählich wurde er als wichtiges Beispiel des Film noir anerkannt. Als absolutes Meisterwerk würde ich den Film freilich nicht bezeichnen.

  • Es gibt auch Filme in meiner Videosammlung, die ich mir einmal angesehen habe und dann nie wieder. Um einen solchen dürfte es sich bei „In der Stille der Nacht“ (1982) von Robert Benton handeln. Der Titel klingt nach einem Krimi/Thriller/Gangsterfilm, aber ich hatte keine Ahnung mehr, worum es in dem Film genau geht. Der Name Robert Benton sagte mir auch nichts, aber er war in Hollywood durchaus ein großer Name, sowohl als Drehbuchautor als auch als Regisseur. Er taucht zum Beispiel im Zusammenhang mit „Superman“ auf. In meinem Making-of-Buch heißt es (nachdem Mario Puzo ein unbrauchbares Script abgeliefert hatte): „Wir gingen also zu einem der Spitzenteams in Hollywood, Robert Benton und David und Leslie Newman, die schon etliche Hits wie ,Bonnie und Clyde‘ und ,What’s up, Doc?‘ geschrieben hatten.“ Als Regisseur ist Benton vor allem bekannt für „Kramer gegen Kramer“ und „Billy Bathgate“, was mir nicht präsent war.

    Was haben wir hier? Ein Patient des New Yorker Psychiaters Roy Scheider ist ermordet worden. Kurz darauf sucht ihn Meryl Streep auf. Der Patient (Josef Sommer) hatte ihm von ihr erzählt. Beide arbeiteten bei einem renommierten Auktionshaus und hatten ein Verhältnis miteinander. Sonst wußte davon – offenbar – niemand etwas. Nun will Streep, daß Scheider Sommers Frau eine Uhr zurückgibt; auch die Gattin ist von der Affäre ahnungslos. Scheider verliebt sich nun selbst in Streep, die scheu und schutzbedürftig wirkt. Mit der Polizei arbeitet er nicht zusammen – er beruft sich auf das Arztgeheimnis. Aber je besser er Streep kennenlernt, desto mehr wächst sein Veredacht, daß sie mit dem Mord an Sommer etwas zu tun hat. Sie scheint vor Scheider Geheimnisse zu haben.

    Scheider spioniert ihr ein wenig hinterher. Er verfolgt sie nachts im Central Park, läuft dabei aber einem Räuber in die Arme, der ihm Brieftasche und Mantel abnimmt. Am nächsten Morgen wird der Räuber ermordet aufgefunden – womöglich, weil er Scheiders Mantel trug. Scheiders Mutter (Jessica Tandy), die übrigens selbst Psychiaterin ist, rät ihm dringend, zur Polizei zu gehen, aber er weigert sich. Als die Polizei in das Auktionshaus kommt, warnt Scheider Streep. Sie verschwindet. Er findet heraus, daß sie sich im Landsitz ihrer Eltern auf Long Island aufhalten könnte, und fährt hin. Da erzählt sie ihm endlich von ihrer Vergangenheit, und gemeinsam entschlüsseln sie einen Traum, den Sommer gehabt (und Scheider bei einer Sitzung erzählt) hatte. Der Traum weist auf eine andere Mitarbeiterin des Auktionshauses (Sara Botsford) hin, die Sommers Geliebte war, bis Streep auftauchte. Sie will sich nun rächen und befindet sich bereits ebenfalls in der Villa auf Long Island. Doch Scheider und Streep wehren mit vereinten Kräften ihren Angriff ab; sie stürzt von einem hohen Balkon ins Meer.

    Es ist ein auffallend ruhiger Thriller, der teils in Scheiders Praxis, teils in dem Auktionshaus spielt. Er lebt von seinen Figuren, die eine Menge Rätsel aufgeben. Eine von ihnen muß der Mörder sein, der anscheinend entschlossen ist weiterzumorden. Aber erst zum Schluß kommen in rascher Folge die Schockmomente (ähnlich vielleicht wie in Hitchcocks „Psycho“ oder auch „Vertigo“). Gleichermaßen hat mich die simple Küchenpsychologie an Hitchcock-Stoffe erinnert. Ein Mann träumt, freilich symbolisch verschlüsselt, seine eigene Ermordung vorweg – naja. Aber spannend ist das schon. Abgesehen von diesem Einwand und ein paar Ungereimtheiten in der Handlung ist es tatsächlich ein Thriller, wie man ihn selten zu sehen bekommt. Die Darsteller, allen voran Meryl Streep, spielen ihre Rollen vorzüglich, weshalb man dem Film seine Geschichte doch abnimmt. Vielleicht wäre ein Schluß ohne plakative Schockeffekte sogar noch besser gewesen. Aber es kommt mir so vor, als würde Benton dem Publikum lange Zeit das vorenthalten, was es sehen will, um zum Schluß doch ein paar Action-Zugeständnisse zu machen. „In der Stille der Nacht“ war kein Kassenerfolg. Dafür waren vermutlich auch die Stars Roy Scheider und Meryl Streep nicht zugkräftig genug. Aber daß Benton nicht zu sehr nach dem Erfolg schielt und ziemlich konsequent bei einem distinguierten Kammerspiel bleibt, finde ich sehr positiv. Schade, daß ich die Cassette in den vergangenen 30 Jahren nicht ab und zu mal eingelegt habe.

  • In meiner Videosammlung sind ein paar Regisseure gehäuft vertreten: zum Beispiel Woody Allen, Howard Hawks, Alfred Hitchcock, John Huston oder Billy Wilder. Das sagt natürlich etwas über meine Vorlieben aus; in der Video-Ära konnte man aber nur Schwerpunkte bilden, wenn die Filme in den Fernsehprogrammen liefen. Jedenfalls: Von allen diesen Regisseuren habe ich noch etliche Filme zu besprechen. Ein kleiner Schwerpunkt besteht auch bei Rainer Werner Fassbinder. Eher zufällig habe ich jetzt seinen vorletzten Film herausgesucht, „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (1982). Ich dachte, daß er sich vielleicht mit Truffauts „Auf Liebe und Tod“ vergleichen läßt – beide Filme sind schwarzweiß, beide stellen eine Frau in den Mittelpunkt, beide haben Krimielemente, ohne sich nach amerikanischen Genreregeln zu richten. Allerdings war mir von „Veronika Voss“ auch nicht viel im Gedächtnis geblieben.

    Ein konventioneller Film (was mir bei Fassbinder nicht selbstverständlich erscheint), aber auch ein vielschichtiger Film. Er läßt sich schwer klassifizieren. Am ehesten ist es ein Melodram, aber er hat auch etwas von einem Kriminalstück, von einem Mysteryfilm, einem Film im Film, er hat ansatzweise etwas Dokumentarisches, denn er spielt auf das Leben eines UFA-Stars an: Sybille Schmitz (heute wohl kaum noch bekannt). Er soll als Mosaikstein ein wenig von der Atmosphäre der frühen Bundesrepublik wiedergeben (wie auch Fassbinders Filme „Die Ehe der Maria Braun“ und „Lola“). Ich finde ihn nicht völlig geglückt, aber sehr interessant.

    Die 50er Jahre, kurz vor der WM in der Schweiz. Sportreporter Hilmar Thate lernt in München zufällig die Filmdiva Rosel Zech kennen und spannt für sie im Regen seinen Schirm auf. Beide fühlen sich unmittelbar voneinander angezogen; er, weil sie sich sehr geheimnisvoll gibt, sie – wie sie später zugibt -, weil er sie nicht erkennt und nicht wie ein Filmstar behandelt. Zech hat etwas von der Gloria Swanson in „Sunset Boulevard“, verhält sich teilweise sehr eigenartig. Thate beginnt, über sie zu recherchieren (wieder mal ein Journalist, der ein Detektiv ist). Zunächst findet er heraus, daß sie zwar noch von vielen Fans verehrt wird, ihre Karriere aber schon beinahe vorbei ist: Sie bekommt nur noch unbedeutende Nebenrollen, wenn überhaupt. Ihre große Zeit war im „Dritten Reich“. Dann stellt er fest, daß sie bei der Nervenärztin Annemarie Düringer in Behandlung ist, und allmählich, daß ein Abhängigkeitsverhältnis zu der Ärztin besteht. Thate hat eigentlich eine Lebensgefährtin, nämlich Conny Froboess, aber sie ist ein echter Kumpel, sieht ihm seine Gefühlsverwirrung nach und hilft ihm nach Kräften.

    Froboess deckt für ihn die Machenschaften von Düringer auf. Die setzt ihre Patienten aus der besseren Gesellschaft unter Drogen (Morphium), bis sie daran sterben, und bemächtigt sich dann ihres Vermögens. Auch Froboess hat von ihr ein Morphium-Rezept bekommen (sie hat der Ärztin vorgemacht, sie sei eine reiche und leidende Frau). Direkt vor der Praxis ruft sie von einer Telefonzelle aus Thate an, um ihm von ihrem Erfolg zu berichten. Düringer beobachtet sie dabei natürlich und bringt sie zum Schweigen, indem sie sie von einem Auto überfahren läßt. Thate verständigt nun die Polizei, aber der Ärztin ist nichts nachzuweisen. Auch Zech, die nun völlig von dem Morphium abhängig ist, will sich nicht mehr helfen lassen. Sie wird in ihr Patientenzimmer eingesperrt, wo sie sich mit einer Tablettenüberdosis umbringt.

    Zu Beginn sieht sich Rosel Zech übrigens im Kino einen ihrer alten Filme an, und schräg hinter ihr sitzt Fassbinder als anonymer Kinobesucher (allerdings ordentlich frisiert und mit getrimmtem Bart). Weiter wirken mit Peter Zadek als Zechs Regisseur und Elisabeth Volkmann als eine Kollegin von Thate. Und Armin Mueller-Stahl spielt Zechs abgelegten Ehemann, der früh weiß, daß ihr nicht mehr zu helfen ist. Für Insider ist also manches zu entdecken.

    Als Krimi hat diese Geschichte keine große Wirkung, daher käme es mir unpassend vor, einen Vergleich zu Truffaut zu ziehen. Die Szene, in der Thate mit der Polizei in die Praxis eindringt, mutet wie aus einem Amateurfilm an – dafür hat sich Fassbinder offenbar sehr wenig interessiert. Er treibt seine Geschichte nicht voran, möchte vielmehr dem Zuschauer Raum geben, über das Dargestellte nachzudenken. Ihm kommt es offenbar vor allem darauf an, desillusionierte Menschen zu zeigen, die von den langen Schatten der Nazizeit verfolgt werden und keinen Lebensmut mehr haben. Morphiumopfer sind auch Rudolf Platte und Johanna Hofer (beide UFA-Altstars), die im KZ waren und ebenfalls morphiumsüchtig geworden sind. Das Rauschgift kommt von einem US-Soldaten (Günther Kaufmann), also einem Repräsentanten der neuen Zeit, die anscheinend nicht viel besser ist als die alte. Froboess hat eine undankbare Rolle, aber Fassbinder wollte offensichtlich kein Eifersuchtsdrama. Auffallend oft ist in „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ vom Sterben die Rede. Ich habe gelesen, daß sich Fassbinder selbst immer wieder offen und ausführlich zu dem Thema äußerte; allerdings denke ich, daß er mit seinem eigenen Tod wenige Monate nach Abschluß dieses Films nicht gerechnet hat.

  • Den Film habe ich mir sogar im Kino angeschaut: „Der Android“ (1983) von Aaron Lipstadt. Ich war zu dieser Zeit völlig geflasht von „Blade Runner“ (bin ich heute noch) und dachte, das sei etwas Vergleichbares. Entsprechend enttäuscht war ich, denn „Der Android“ ist eine Billigproduktion aus dem Umfeld von Roger Corman und behauptet eher, Science Fiction zu sein, als daß er das wirklich ist. Man bekommt nicht mehr zu sehen als einfache Computergrafik und Kulissen wie in „Star Trek“ TOS. Natürlich mochte ich die special effects in „Blade Runner“ nicht deshalb, weil sie teuer waren, sondern weil sie einfallsreich eine ziemlich bizarre Zukunftswelt heraufbeschworen. Aber in „Der Android“ gibt es fast gar keine Effekte – laut wikipedia kostete er weniger als eine Million Dollar. Eher aus Pflichtgefühl habe ich ihn dann aufgenommen, als er in SAT1 lief. Heute sehe ich den Film mit anderen Augen.

    Man sollte an ihn nicht mit falschen Erwartungen herangehen. Es handelt sich nicht um Überwältigungskino; es ist nicht einmal im strengen Sinn Science Fiction. Ronald M. Hahn schrieb im Lexikon des Science Fiction Films: „Mit einer dermaßen abgelutschten Idee würde kein Perry Rhodan-Autor seinen Lesern zu kommen wagen“ – und lag damit auch falsch. Vielmehr werden ein paar SF-Elemente genutzt, um ein beinahe absurdes Kammerspiel zu inszenieren. Letztendlich ist es eine Geschichte über sexuelles Erwachen (wobei Freunde expliziter Szenen enttäuscht sein werden). Es ist das Jahr 2036. Auf einer einsamen Raumstation hat der Wissenschaftler Klaus Kinski den Androiden Max 404 (Don Keith Opper – sein Name wird nicht angegeben; er wurde später noch etwas bekannter durch die Serie „Critters“) konstruiert, der sich von einem Menschen nur durch seine Naivität unterscheidet. Kinski werkelt gerade an einem noch perfekteren Androiden. Max beginnt derweil wie ein Junge, der eben in die Pubertät kommt, sich für Sexuelles zu interessieren.

    Da nähert sich ein Raumkreuzer, an Bord drei entflohene Sträflinge (Norbert Weisser, Crofton Hardecker und Brie Howard). Sie haben ein paar Polizisten erledigt, die sie verfolgt haben; dabei wurde ihr Schiff allerdings schwer beschädigt. Max läßt sie landen und begrüßt sie arglos. Zum ersten Mal sieht er eine richtige Frau (Howard). Kinski will den ungebetenen Besuch zunächst unbedingt wieder loswerden, wird aber ganz freundlich, als er Howard sieht. Sie dürfen bleiben und ihren Raumkreuzer reparieren. Es zeigt sich, daß Hardecker und Howard ein Paar sind, und es kommt zu Konflikten mit Weisser. Der ist der Kopf des Trios; er argwöhnt, daß auf der Station irgendwelche illegalen Experimente durchgeführt werden, und will davon profitieren. In der Tat ist der Bau von Androiden verboten. Sie haben auf der Erde bereits einmal einen Aufstand angezettelt; niemand kann sie jedoch von echten Menschen unterscheiden (siehe „Blade Runner“). Kinskis Auftraggeber verlangen jedenfalls, daß er seine Forschungsarbeit einstellt. Er denkt jedoch so kurz vor dem Ziel nicht daran. Seinen neuen Androiden namens Cassandra (Kendra Kirchner - eine moderne Elsa Lanchester) will er jetzt noch mit sexueller Energie aufladen, und die soll Howard ihm liefern.

    Sie hält davon nichts, ist dagegen bezaubert von Max‘ unschuldiger Zuneigung. Heimlich trifft sie sich mit ihm zu einem „Date“ in dem Labor, in dem sich die noch leblose Androidin befindet. Als sie Max in die Liebe einführt, überträgt sich die Energie von selbst auf Cassandra, und sie erwacht zum Leben. Hardecker bringt Howard aus Eifersucht um und schlägt kurz darauf auch Weisser den Schädel ein. Kinski sperrt ihn darauf ein und programmiert Max so um, daß er Hardecker mit übermenschlicher Kraft tötet. Dann bemerkt er, daß Cassandra bereits aktiviert ist, und will Max abschalten. Aber Max und Cassandra verhindern das gemeinsam. Es stellt sich heraus, daß Kinski selbst ein künstlicher Mensch ist – Max reißt ihm in einer bizarren Szene den Kopf ab, und Cassandra entsorgt ihn im Müllschlucker. Kurz darauf landet ein zweiter Polizeitrupp auf der Station. Sie finden nur die drei toten Verbrecher. Max und Cassandra halten sie für den Wissenschaftler und seine Assistentin und nehmen sie mit auf die Erde.

    Das ist natürlich eher Kolportage als ein Film mit Anspruch, aber doch einfallsreich erdacht, immer wieder mit überraschenden Wendungen, zugleich aber ruhig und zurückhaltend inszeniert. Daß Kinski sich am Ende als Android entpuppt, macht zwar sein exaltiertes Spiel plausibel, ist aber für mich eher eine Wendung zuviel und erklärt nichts. Andererseits: Was hätte man mit Kinski, dem verrückten Wissenschaftler, sonst machen sollen? Ich kann mir den Film heute mit größerem Vergnügen ansehen als zu der Zeit, als ich noch Schüler war. Mich hätte auch interessiert, mehr über die Produktion zu erfahren. Woher stammen die Kulissen der Raumstation? Ließ sich sowas billig und schnell aus Styropor bauen, oder waren die schon vorhanden? Wie kam der Cast zusammen? Kinski fungiert zweifellos als Star des Films, spielt aber nicht die Hauptrolle. Der ebenfalls deutschstämmige Norbert Weisser ist immerhin ein versierter Nebendarsteller in Hollywood, Brie Howard dagegen ist hauptsächlich Rockmusikerin (Bandmitglied unter anderem bei Carole King und Robert Palmer). Crofton Hardecker scheint eher in Pornos mitgewirkt zu haben. Und was man noch lesen kann: Corman merkte früh, daß der Film wohl keinen Gewinn abwerfen würde, und verkaufte ihn an Mitglieder des Filmteams. Vertrieben wurde er von Warner Brothers.

  • Ein Film mit dem ich damals nicht viel anfangen konnte, zu "inszeniert" war mir das ganze.
    Heute sehe ich den auch anders, der von dir gewählte Begriff Kammerspiel trifft es.

  • Der Journalist Peter Lanz nennt „Was gibt’s Neues, Pussy?“ (1965) von Clive Donner in seiner Woody-Allen-Biografie das „einträglichste Filmlustspiel der Nachkriegszeit“. Es war Allens erste Filmarbeit (Originaldrehbuch und Nebenrolle). Außerdem machte der Film den Komponisten Burt Bacharach bekannt und brachte auch Tom Jones, der das Titellied sang, den Durchbruch. Darüber hinaus ist es ein All-Star-Movie: Peter O’Toole, Romy Schneider, Peter Sellers, Ursula Andress, Francoise Hardy und viele heute nicht mehr so bekannte Mitwirkende. Grund genug für mich, den Film aufzunehmen, als er mal auf Pro7 lief (eindreiviertel Stunden ohne Werbeunterbrechungen!). Man merkt dieser Schmonzette allerdings ihr Alter an. Sie wurde mal als „Sex-Komödie“ bezeichnet, doch davon ist aus heutiger Sicht nur noch eine Galerie von zugegeben ziemlich sexy Frauen übrig geblieben.

    Die äußerst dünne Handlung nervt eher. O’Toole und Schneider sind Verlobte – sie ist scharf darauf, endlich geheiratet zu werden, er möchte lieber noch ein paar Erfahrungen mit anderen Frauen sammeln, wobei der Verdacht naheliegt, daß er womöglich nie ein Ende finden wird (geschweige denn die Frauen mit ihm). Alles Übrige ist schmückendes Beiwerk und zerfällt meist in wenig zusammenhängende Einzelszenen. Die sind teilweise schon typisch für Woody Allen, aber Produzent Charles K. Feldman sorgte dafür, daß aus seiner Neben- nicht am Ende eine Hauptrolle wurde. Manches andere ist eher Boulevardkomödie (Tür auf – Tür zu), manches mag 1965 gewagt gewesen sein, regt aber den Zuschauer heute überhaupt nicht mehr auf. Am Ende mündet die Geschichte in eine wilde Verfolgungsjagd mit Go-Karts, die Anklänge an Slapstickfilme der 1920er Jahre zeigt, und dann stehen O’Toole und Schneider endlich vor dem Standesbeamten, aber es ist klar, daß er wohl kaum im Hafen der Ehe vor Anker gehen wird.

    Der Name Feldman sagte mir nichts, aber er steht für eine Reihe namhafter Filme: „Red River“, „Endstation Sehnsucht“, „Das verflixte siebte Jahr“, „Casino Royale“. Über die Produktion von „Was gibt’s Neues, Pussy?“ kann man manches Interessante in der englischen wikipedia lesen. So hatte sich zunächst Warren Beatty dieses Projekt als Starvehikel für sich selbst zugedacht, wurde aber ausgebootet. Und die Rolle von Sellers als durchgeknalltem Psychoanalytiker sollte anfangs Groucho Marx spielen. Auch Romy Schneider wurde erst relativ spät gecastet. Sie bemüht sich redlich, in dem Chaos der Handlung nicht unterzugehen, hat aber doch den undankbaren Part, lediglich ihren Verlobten O’Toole nach Möglichkeit einzufangen. Abgesehen davon, daß man ein paar Stars in Jugendlichkeit und Frische erleben und über eine Handvoll gelungene Gags von Woody Allen lachen kann, gibt es heute, finde ich, eigentlich keinen Grund mehr, sich diese Klamotte anzusehen.

  • Heute mal wieder ein richtiger Klassiker: „Moby Dick“ (1956) von John Huston. Der Roman von Herman Melville ist zu einem Jugendbuchklassiker geworden (ich habe auch eine Ausgabe mit 270 Seiten, dennoch natürlich stark gekürzt). Kaum zu glauben, daß der 1851 veröffentlichte Roman bis vor etwa 100 Jahren nahezu vergessen war und dann erst zum Welterfolg wurde, von dem sein Autor nichts mehr hatte. Was die Verfilmung betrifft, war ich auch überrascht, daß es vorher bereits zwei Filme gab, einmal 1926 unter dem Titel „The Sea Beast“, einmal 1930. Hier versagt erstmals mein sonst sehr zuverlässiges Remake-Handbuch. Aber vielleicht liegt es daran, daß die frühen Versionen beide mit dem Stoff sehr frei umgingen: Kapitän Ahab, ein typischer, kein bißchen wahnsinniger Abenteurer, tötet jeweils den weißen Wal und kehrt dann glücklich zu seiner Frau zurück. Huston verfilmte „Moby Dick“ erstmals grundsätzlich werkgetreu. Er interessierte sich speziell für scheiternde Charaktere und kämpfte lange dafür, diesen Film machen zu dürfen. Erwähnt wird im Remake-Buch der Fernseh-Zweiteiler von 1998 mit „Captain Picard“ als Ahab.

    Vielleicht wäre Ricardo Montalban der bessere neue Ahab gewesen, denn er zitiert „Moby Dick“ in „Star Trek II“: „Bis zum letzten Atemzug will ich dich bekämpfen, noch aus der tiefsten Hölle schleudere ich meine Lanze nach dir, mit meinem letzten Atemzug sprühe ich dir noch meinen Haß ins Gesicht!“ Doch zurück zu unserem Klassiker. Die Handlung brauche ich wohl ausnahmsweise nicht zu referieren. Mich hat dieser Abenteuerfilm, den ich schon einige Male im Fernsehen gesehen habe, jetzt mehr gepackt, als ich erwartet hatte. Die Spezialeffekte, erzeugt unter anderem mit Hilfe von Walattrappen, sind zwar nicht perfekt, aber doch recht überzeugend. Huston hat beinahe die Hälfte des Films mit einem realen Schiff auf dem Meer gedreht, und dieser Realismus schlägt durch. Ein Problem gibt es mit dem Star der Produktion, Gregory Peck, der den Ahab spielt. Huston verfolgte jahrelang den Plan, „Moby Dick“ zu verfilmen. Aber Warner Brothers, die zweimal mit dem Stoff gute Erfahrungen gemacht hatten, zögerten diesmal, weil Huston nicht nach Hollywoodregeln spielen wollte: keine Liebesgeschichte, kein happy end. So machten sie zur Bedingung, daß ein big household name dabei ist, und das war Peck.

    Er macht seine Sache nicht schlecht; man kauft ihm in vielen Szenen den Rachewahnsinn, in den er sich hineinsteigert, tatsächlich ab, obwohl er dafür hart an der Grenze zum Chargieren grimassieren muß. Aber es scheint doch immer mal der ehrenwerte Gentleman durch, für den der Schauspieler damals schon lange stand, und dann sind alle Bemühungen, Ahab plausibel zu machen, mit einemmal umsonst. Kapitän Ahab ist kein Leuteschinder wie Bligh (Charles Laughton oder Trevor Howard), kein menschliches Raubtier wie Kapitän Larsen (Edward G. Robinson). Ahab schafft es immer wieder, die Mannschaft auf seine Seite zu ziehen, und sein Gegenspieler, der erste Offizier Starbuck (Leo Genn) bringt es nicht fertig, ihn zu stoppen. Aber es gibt immer wieder Anzeichen dafür, daß Ahab das ganze Schiff mit seinem Fanatismus ins Verderben reißen wird. Dieser Fatalismus ist das, worauf es Huston ankam.

    Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele biblische Anspielungen Roman und Film enthalten. Der Ich-Erzähler (Richard Basehart) heißt Ismael, im Alten Testament Abrahams illegitimer, verstoßener Sohn. Ahab war ein böser biblischer König, der (allerdings angetrieben von seiner heidnischen Frau Isebel) hemmungslos Götzenkult trieb. Bevor das Schiff, die Pequod, ausläuft, tritt ein gewisser Elias mit einer verwirrenden Prophezeiung auf: Ahab werde auf dieser Fahrt sterben, aber wieder auferstehen und seinen Leuten mit dem Arm winken. Die Vorhersage erfüllt sich wörtlich, aber anders, als man meinen sollte. Orson Welles hat seinen denkwürdigen Kurzauftritt als Father Mapple, der in der Quäkerkirche in New Bedford eine Predigt über Jona und den Wal hält: Jona wird von ihm verschlungen, weil er sich gegen Gottes Plan aufgelehnt hat. Auch das läßt sich exakt auf Kapitän Ahab anwenden. Am Ende überlebt Ismael als einziger, weil er sich an den Sarg klammert, den sein Freund Queequeg in Vorahnung seines Todes hat zimmern lassen – gute Nebenwirkung der Strafe Gottes? Herman Melville, der im Übergang von der Romantik zum Realismus schrieb, war aber kein gläubiger Mensch, sondern Agnostiker, der auch in seinem Roman vorführt, daß da kein gütiger Gott, sondern ein blindwütiges Schicksal waltet.

    Hustons „Moby Dick“ wurde zu seiner Entstehungszeit gut besprochen, auch wegen der vorzüglichen Kameraarbeit und der eigenwilligen, aber passenden Farbgebung. Ich glaube, es gibt wenig, was es an dem Film zu bemängeln gäbe. Aber das Publikum strömte nicht so hinein, wie es nötig gewesen wäre – es fehlten eben eine attraktive Frau, eine Liebesgeschichte, ein happy end. Und wieder einmal wurden die hohen Produktionskosten dem Film zum Verhängnis. Es traten vielfältige Schwierigkeiten auf, und insgesamt dauerten die Dreharbeiten drei Jahre. Und doch wurde der Film zu einem Meisterwerk, das vielen bis heute im Gedächtnis geblieben und auch immer wieder mal irgendwo zu sehen ist. Und eins muß ich noch hinzufügen: Obwohl der Film im Großen und Ganzen ernst und tragisch ist, ist es doch auch ein guter Abenteuerfilm mit einigen komischen Momenten und Figuren, die der Gefahr ins Gesicht lachen. Er ist weniger als zwei Stunden lang und nach meinem Empfinden keine Sekunde langweilig.

  • Habe vergessen zu erwähnen, daß Ray Bradbury das Drehbuch zu „Moby Dick“ schrieb, was sicher zum positiven Gesamteindruck beiträgt. Bradbury war ein erfolgreicher Kurzgeschichtenautor. In den 1950er Jahren revolutionierte er die Science Fiction. Deshalb habe ich jetzt zu „Der Tätowierte“ (1969) von Jack Smight gegriffen, die Verfilmung einer bekannten Storysammlung von Bradbury („Der illustrierte Mann“). Leider ist sie nicht gelungen. Bradbury war nicht beratend oder gar bei der Drehbucharbeit einbezogen. Ich habe mir jetzt beim Wiederansehen vor allem überlegt, was sich das Filmteam gedacht haben könnte und warum die Bearbeitung nicht funktioniert.

    Es gibt Episodenfilme, meist mit mehreren beteiligten Regisseuren. So etwas hätte man auch aus dieser Vorlage machen können. Aber Smight und Warner Brothers gingen einen anderen Weg. Sie suchten sich drei von den 18 Kurzgeschichten in dem Band aus und stellten einen Zusammenhang zwischen ihnen her. Die kurze Rahmenhandlung, die Bradbury seiner Sammlung gegeben hatte, bauten sie kräftig aus. Die geht etwa so: Ein junger Herumtreiber (Robert Drivas) begegnet auf der Landstraße einem älteren Tramp (Rod Steiger) und findet heraus, daß der am ganzen Körper tätowiert ist. Diese kunstvollen Hautbilder stammen von Claire Bloom, die nach Vollendung ihres Werks verschwunden ist. Steiger will sie finden und umbringen, weil er sich von ihr mißgestaltet fühlt. Überall sucht er ihr Farmhaus und kann es nicht wiederfinden. Drivas gibt schließlich zu, er habe es gesehen.

    Während die beiden Landstreicher an einem Lagerfreuer übernachten, führt Steiger aber zunächst vor, was es mit seinen Tätowierungen auf sich hat: Es sind Bilder, die jeweils angeblich die Zukunft vorhersagen. Da ist zunächst das Bild von den Eltern, die im vollautomatischen Kinderzimmer ihrer Kinder den Tod finden. Dann sehen wir ein paar Überlebende eines havarierten Raumschiffs, die sich auf einem lebensfeindlichen Planeten zu „Sonnenkuppeln“ durchzuschlagen versuchen und dabei fast alle sterben. Schließlich geht es wieder um ein Elternpaar, das seinen Kindern zu verheimlichen versucht, daß die letzte Nacht vor dem Weltuntergang angebrochen ist. Der Vater tötet sie, aber die Welt dreht sich doch weiter. Alle Zukunftsvisionen sind also negativ, und deshalb empfindet sich Steiger als Unheilbringer. Ein Kniff des Films ist, daß in allen drei Episoden Steiger, Bloom und Drivas wiederum Rollen haben. Zum Schluß sieht Drivas auf Steigers Rücken ein angedeutetes viertes Bild: Darauf wird er von Steiger erwürgt. In Panik will er den Tätowierten mit einem großen Stein erschlagen, aber der bleibt am Leben. Drivas flieht, Steiger hinter ihm her...

    Der Versuch, aus der Kurzgeschichtensammlung – von der der Hauptteil gestrichen wurde – eine zusammenhängende Story zu machen, mißlingt. Damit fehlt dem Film bereits das Wichtigste. Man wollte sich einfach an den guten Namen des Buchs dranhängen. Ich finde, Smight ist ein durchaus ambitionierter Regisseur, und er hat auch gute Schauspieler zur Verfügung, aber er ist kein SF-Spezialist, und er scheitert auch daran, die Poesie, die Bradburys Schreibe ausmacht, ins Medium Film zu übertragen. Ich finde es nicht schlimm, daß es nur wenige typische SF-Elemente gibt (zum Beispiel automatische Türen und ein Videofon). Aber die Geschichte, die Smight präsentiert, wirkt nur verrätselt, sie erzählt eigentlich nichts. Bradbury hatte keine Verbindungen zwischen seinen Kurzgeschichten vorgesehen. Schön, auch Kubricks „2001“ (beinahe aus demselben Jahr) ist verrätselt und interpretationsbedürftig. Daß es sich aber um SF handelt, daran besteht kein Zweifel. Und der Zuschauer hat doch den Eindruck, daß ihm eine Botschaft vermittelt wird. Bei „Der Tätowierte“ – Fehlanzeige. Das Publikum merkte das auch schnell. Der Film gewann weder Preise, noch war er an der Kasse erfolgreich. Was ich wegen Bradbury schade finde. Truffaut hat aus seinem Roman „Fahrenheit 451“ etwas Besseres gemacht – aber den Film habe ich leider nicht auf Video.

  • Ein Film aus meiner "Sammelschiene".

    Leider kann ich da nichts kommentieren, ich hab den vermutlich irgendwo auf VHS aber das erste und letzte mal damals beim aufnehmen gesehen und erinnere mich noch gelangweilt gewesen zu sein.

  • Das Programm auf der folgenden Cassette habe ich sicher aufgenommen, nachdem ich irgendwo von Hal Hartley gehört hatte. Die Süddeutsche Zeitung schrieb 1992: „Ein großes Talent ist zu entdecken.“ In 3sat liefen drei Frühwerke von ihm, die ich jetzt auf zwei Betrachtungen aufteile. Zunächst wurde „Unsterbliches Verlangen“ (1991) gezeigt, ein 55 Minuten langer Spielfilm. Dann folgten zwei kürzere Filme, jeweils etwa eine halbe Stunde lang. Seit 1989 dreht Hartley abendfüllende Spielfilme. Er galt von Anfang an als vielversprechender Vertreter des amerikanischen Independent-Kinos. Ich denke, die Bekanntheit von Jim Jarmusch erreichte er nicht. Aber er scheint bis heute im – vor allem europäischen – Kunstbetrieb etabliert zu sein.

    „Unsterbliches Verlangen“ ist prinzipiell eine einfache, nicht sehr originelle Liebesgeschichte zwischen einem Literaturprofessor (Martin Donovan) und einer seiner Studentinnen (Mary B. Ward). Sie wird durch endlose reflektierende Dialoge verkompliziert und bricht so auch aus den Regeln des Genres des Melodrams aus. Der Professor behauptet lange, sich über seine Gefühle nicht im Klaren zu sein. Die Studentin betont demgegenüber immer wieder, sie wolle sich auf ihr Studium konzentrieren und wolle keine Liebesaffäre. Beide verhalten sich teilweise widersprüchlich und irrational. Sie treffen sich mehrmals für enervierende quasiphilosophische Streitgespräche. Am Ende schlafen sie doch miteinander, aber damit ist dann die Beziehung auch so gut wie beendet. Hartley konterkariert diese seltsame Geschichte durch Seitenblicke auf eine Prostituierte (Rebecca Nelson), die jedem Vorübergehenden anbietet, sie zu heiraten. Mit ihr läßt sich ein Freund Donovans, ein Theologiestudent, der gerade an seinem Doktor sitzt (Matt Malloy), ein. Das führt zu weiteren Diskussionen zwischen Donovan und Malloy.

    Insgesamt ähnelt der Film manchen Werken des Neuen Deutschen Films. Offensichtlich hat Hartley mit einer Gruppe von Freunden gearbeitet und seine Kamera irgendwo an der Ecke aufgestellt, um Szenen zu drehen, die in einem herkömmlichen Film vermutlich herausgeschnitten worden wären. Ihm ist das bewußt; wohl deshalb streut er auch extra ein paar unterhaltsame Musik- und Tanzszenen ein. Daß „Unsterbliches Verlangen“ Independent-Kino ist, merkt man freilich auch am Soundtrack, an dem einige damals bekannte Independent Bands wie Das Damen und Yo La Tengo mitwirken. Es verwundert nicht, daß die Werke von Hal Hartley überwiegend auf Filmfestivals zu sehen sind, überwiegend in Europa laufen und ein Publikum ansprechen, das nicht auf das kommerzielle Hollywoodkino abfährt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich einen Film von Hartley auch mal im Kino gesehen habe – möglich wär’s; damals habe ich mich in einem studentischen Umfeld bewegt und öfters Filmkunstkinos besucht. Dabei habe ich aber dem Unterhaltungsfilm nicht völlig abgeschworen. Auf jeden Fall bin ich jetzt ziemlich gespannt auf die beiden Kurzfilme, die zu dem 3sat-Programm gehörten.

  • Ich mache das genauso wie im alten Forum: Ich schreibe den Text in meinen PC (dauert ja ein bißchen) und kopiere ihn dann hier rein. Dabei wird die Schrift ohne mein Zutun verändert. Früher kam dabei die normale Forenschrift raus. Ich sehe aber hier auch gar keine Möglichkeit, die Schriftart festzulegen.

  • Auf die drei Punkte über der Texteingabe klicken. Dann kannst Du Farbe, Größe Schriftart u.s.w. auswählen.

    Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.

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