Einen alten Skandalfilm habe ich noch. Aber vorher wollte ich mal wieder etwas anderes sehen, „Ein schönes Mädchen wie ich“ (1972), eine Komödie von Francois Truffaut. Hauptfigur ist eine Frau, nämlich Bernadette Lafont, während in der Regel in solchen Filmen Männer den komischen Part übernehmen. Es ist ein leichter, gefälliger Film, eine Burleske, die in meinen Augen Ähnlichkeiten mit Filmen mit Louis de Funes oder Pierre Richard aufweist. Die wurden allerdings in der Regel von Spezialisten gedreht, während Truffaut üblicherweise ernsthaftere Stoffe wählte. „Ein schönes Mädchen wie ich“ ist nicht mißglückt, sondern durchaus komisch und vergnüglich. Aber mir kam doch in den Sinn, daß die Komödienroutiniers das vermutlich noch etwas besser hinbekommen hätten.
Lafont, ein vulgäres, aber sehr lebenstüchtiges Mädchen vom Lande, wird hier einem Mann (Andre Dussolier) gegenübergestellt, der das genaue Gegenteil verkörpert: Er ist ein weltfremder Soziologe, der sie im Gefängnis besucht, um ihren Fall durch ein Interview akademisch zu verarbeiten: Was sind die Bestimmungsfaktoren, wenn Frauen kriminell werden? Obwohl er immer wieder betont, er habe an ihr ein rein wissenschaftliches Interesse, nimmt er an ihrer Lebensgeschichte immer stärkeren Anteil und bemüht sich, sie durch den Beweis ihrer Unschuld freizubekommen. Doch Lafont ist natürlich gar nicht unschuldig. Ursprünglich entfloh sie ihrer bäuerlichen Herkunft, indem sie ihren groben und brutalen Vater tödlich verunglücken ließ. Aus einer Besserungsanstalt machte sie sich bald ebenfalls davon und heiratete den Sohn einer Tankstellenbesitzerin (Philippe Leotard, Gilberte Geniat), bei dem sie es aber nicht lange aushielt. Bei einem „Unfall“ wurde die Mutter getötet und er zum Krüppel.
Als nächstes geriet sie in eine als Westernsaloon ausstaffierte Raststätte, wo sie mit dem Rock- und Countrysänger Guy Marchand anbandelte. Weil der Beziehungen mit zu vielen Frauen pflegte, tat sie sich mit einem ziemlich religiösen Rattenbekämpfer (Charles Denner) zusammen, den sie aber schließlich auch ins Bett bekam. Als er ihr nicht länger nützlich war, ließ sie ihn vom Turm einer Kathedrale stürzen. Zu ihrem Vorteil gestaltete sie auch die Bekanntschaft mit dem Rechtsanwalt Claude Brasseur, der ihr das Schmerzensgeld zukommen ließ, das eigentlich für Leotard vorgesehen war. Dann muß auch Leotard sterben, aber Lafont schiebt den Mord der Einfachheit halber Dussolier in die Schuhe, der darauf ins Gefängnis wandert. Dussolier ist von seiner Sekretärin (Anne Kreis), die die Interviews jeweils abtippen mußte, gewarnt worden: „Sind Sie noch nie auf die Idee gekommen, daß sie einfach ein Flittchen ist?“ Worauf er entrüstet antwortet: „Ihre Bemerkung ist nicht eben wissenschaftlich!“ Zum Schluß muß er jedoch erleben, wie Lafont mit Hilfe eines weiteren Rechtsanwalts alle Beweise für seine Unschuld vernichtet und damit den Verdacht von sich selbst ablenkt; der Rechtsanwalt ist offensichtlich ihr Liebhaber – und ihr nächstes Opfer.
Vielleicht habe ich einfach deshalb nicht so laut gelacht, weil es hier eine Frau ist, über die man lachen soll. Komikerinnen sind im Film selten – heute gibt es immerhin im Fernsehen oder auf der Bühne Künstlerinnen wie Anke Engelke, Hazel Brugger oder Monika Gruber. Truffaut nimmt das hier etwas vorweg – er hatte bekanntlich generell von Frauen eine höhere Meinung als von Männern. Doch sein Film scheint mir auch deshalb nicht ganz geglückt zu sein, weil die Handlung nicht verwickelt genug ist. Nach spätestens einer halben Stunde weiß der Zuschauer, was er zu erwarten hat: eine Riege eher trotteliger Männer und eine Frau, die sie nach Belieben manipuliert und für ihre Zwecke benutzt. Kein typischer Komödienstoff, und vielleicht ist dieses Thema auch eher Kurzfilmen angemessen.