Kürzlich hatte ich hier ein paar Filme von Robert Wise, von dem beim Filmfest München mal eine Werkschau gezeigt wurde. Ich habe noch einen Film von ihm auf Video, der nicht zu dieser Werkschau gehört: „Die Hindenburg“ (1975). Den habe ich mir ein paarmal auf Video angesehen; er ist teils etwas verwirrend, aber auch ein großartiges Schaustück. Diesmal habe ich ein paar Parallelen zu anderen Filmen entdeckt, die mir bisher nicht aufgefallen waren – zunächst zu Wises „Star Trek – der Film“, dann auch zu Camerons „Titanic“ und Weirs „Fearless“, die sich möglicherweise beide an Bildern aus „Die Hindenburg“ bedient haben. Es ist ein eigenartiger Film, mit 15 Millionen Dollar Produktionskosten nicht einmal so teuer. Ein All-Star-Film, aber mit lauter Leuten, die sonst in markanten Nebenrollen zu sehen sind: George C. Scott, Burgess Meredith, Gig Young, Charles Durning, William Atherton. Nazis läßt Wise nicht von Deutschen spielen. Der einzige große Star des Films ist wohl Anne Bancroft, die mich an ihre Rolle in „Die Reifeprüfung“ erinnert hat.
Ulrich Gregor nennt „Die Hindenburg“ einen „Katastrophenfilm“ (in Anführungszeichen). Wise nimmt sich die letzten gut zehn Minuten des Films Zeit, um zu zeigen, wie das Luftschiff in Flammen aufgeht und sich Besatzung und Passagiere zu retten versuchen – teils sterben und teils überleben. Trotzdem ist das für mich eher ein Politthriller, denn er behauptet, das Unglück von Lakehurst 1937 sei ein Bombenanschlag auf ein Symbol von Hitlerdeutschland gewesen, was nie bewiesen werden konnte. Ein LZ 129 „Hindenburg“ ist 1937 tatsächlich am Ende einer Atlantiküberquerung am Flugplatz Lakehurst/New Jersey in Flammen aufgegangen, was für diese Gefährte lange Zeit das Ende der Passagier-Luftfahrt bedeutete. Zeppeline konnten damals deutlich mehr Personen mit wesentlich größerem Komfort befördern als Flugzeuge, und sie konnten auch mit Schiffen konkurrieren. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie noch mit Wasserstoff, nicht mit dem schwerer brennbaren Helium befüllt, galten aber als sicher. Die Deutschen rechneten jedoch mit Anschlägen auf ihre Luftschiffe, die als Symbol für den Kampf gegen die Nazis benutzt werden konnten.
Im Film reisen zwei Gestapo-Offiziere mit; einer von ihnen (Scott) sucht nach einem möglichen Attentäter, der andere (Roy Thinnes) überwacht ihn, weil er im Verdacht steht, dem Dritten Reich selbst kritisch gegenüberzustehen. Scott überprüft einen Mitreisenden nach dem anderen und klettert unermüdlich im Inneren des Ballonkörpers herum, bis er schließlich auf einen Mechaniker (Atherton) stößt, der den geplanten Anschlag zugibt, aber das Versteck der Zeitzünderbombe nicht verrät. In Verhandlungen erreicht Scott, daß er die Bombe erst dann hochgehen läßt, wenn alle Passagiere und die Bordcrew den Zeppelin sicher verlassen haben.
Doch auch Thinnes kommt Atherton auf die Spur. Er wendet die üblichen Gestapo-Methoden an – er foltert ihn. Wegen schlechten Wetters in Lakehurst entscheidet derweil der Kapitän (Durning), über dem Flugplatz zu kreisen und erst später zu landen. Scott sucht Atherton, um ihn zu bewegen, die Explosion zu verschieben. Doch der ist in den Händen der Gestapo und muß erst befreit werden. Der Attentäter verrät ihm mit letzter Kraft das Versteck der Bombe, doch während Scott sie zu entschärfen versucht, geht sie hoch. Der Schluß des Films ist sehr eindrucksvoll, denn Wise hat historische Filmaufnahmen des echten Zeppelinbrands mit Trickaufnahmen der Riesenkonstruktion vermischt (dafür wurde mit einem sieben Meter langen Modell gearbeitet). Gleichzeitig sieht man Menschen, die beim Sprung aus den Kabinen ums Leben kommen, verbrennen oder halb besinnungslos auf dem Flugfeld herumwanken. Auch Aufnahmen des vorher durch Wolkenbänke gleitenden Zeppelins sind beeindruckend; sie wurden mit Hilfe von Matte Painting erzielt. Dafür gab es einen Oscar für die besten Spezialeffekte, einen weiteren für den besten Sound.
Leider bleibt der Film in kalter handwerklicher Perfektion stecken. Die handelnden Personen bleiben dem Zuschauer merkwürdig fremd, auch wenn es keine Klischeefiguren sind und ich die Schauspielerleistungen als überdurchschnittlich bezeichnen würde. Aber, wie schon erwähnt, den Nachforschungen von George C. Scott kann man nicht recht folgen. Wer warum verdächtig ist oder aus dem Kreis der Verdächtigen ausscheidet, wird nicht deutlich und interessiert auch irgendwie niemand. Das Luxusleben an Bord und die Neigungen und Zielsetzungen der Passagiere verfolgt man immerhin gespannt. Und die Bombe, von der zunächst niemand etwas ahnt, die dem Zuschauer aber schon bald enthüllt wird, sorgt für zusätzlichen Nervenkitzel. Alles in allem finde ich den Film sehenswert und werde ihn mir sicher irgendwann auch noch einmal ansehen.