Beiträge von Peter L. Opmann

    Einen alten Skandalfilm habe ich noch. Aber vorher wollte ich mal wieder etwas anderes sehen, „Ein schönes Mädchen wie ich“ (1972), eine Komödie von Francois Truffaut. Hauptfigur ist eine Frau, nämlich Bernadette Lafont, während in der Regel in solchen Filmen Männer den komischen Part übernehmen. Es ist ein leichter, gefälliger Film, eine Burleske, die in meinen Augen Ähnlichkeiten mit Filmen mit Louis de Funes oder Pierre Richard aufweist. Die wurden allerdings in der Regel von Spezialisten gedreht, während Truffaut üblicherweise ernsthaftere Stoffe wählte. „Ein schönes Mädchen wie ich“ ist nicht mißglückt, sondern durchaus komisch und vergnüglich. Aber mir kam doch in den Sinn, daß die Komödienroutiniers das vermutlich noch etwas besser hinbekommen hätten.

    Lafont, ein vulgäres, aber sehr lebenstüchtiges Mädchen vom Lande, wird hier einem Mann (Andre Dussolier) gegenübergestellt, der das genaue Gegenteil verkörpert: Er ist ein weltfremder Soziologe, der sie im Gefängnis besucht, um ihren Fall durch ein Interview akademisch zu verarbeiten: Was sind die Bestimmungsfaktoren, wenn Frauen kriminell werden? Obwohl er immer wieder betont, er habe an ihr ein rein wissenschaftliches Interesse, nimmt er an ihrer Lebensgeschichte immer stärkeren Anteil und bemüht sich, sie durch den Beweis ihrer Unschuld freizubekommen. Doch Lafont ist natürlich gar nicht unschuldig. Ursprünglich entfloh sie ihrer bäuerlichen Herkunft, indem sie ihren groben und brutalen Vater tödlich verunglücken ließ. Aus einer Besserungsanstalt machte sie sich bald ebenfalls davon und heiratete den Sohn einer Tankstellenbesitzerin (Philippe Leotard, Gilberte Geniat), bei dem sie es aber nicht lange aushielt. Bei einem „Unfall“ wurde die Mutter getötet und er zum Krüppel.

    Als nächstes geriet sie in eine als Westernsaloon ausstaffierte Raststätte, wo sie mit dem Rock- und Countrysänger Guy Marchand anbandelte. Weil der Beziehungen mit zu vielen Frauen pflegte, tat sie sich mit einem ziemlich religiösen Rattenbekämpfer (Charles Denner) zusammen, den sie aber schließlich auch ins Bett bekam. Als er ihr nicht länger nützlich war, ließ sie ihn vom Turm einer Kathedrale stürzen. Zu ihrem Vorteil gestaltete sie auch die Bekanntschaft mit dem Rechtsanwalt Claude Brasseur, der ihr das Schmerzensgeld zukommen ließ, das eigentlich für Leotard vorgesehen war. Dann muß auch Leotard sterben, aber Lafont schiebt den Mord der Einfachheit halber Dussolier in die Schuhe, der darauf ins Gefängnis wandert. Dussolier ist von seiner Sekretärin (Anne Kreis), die die Interviews jeweils abtippen mußte, gewarnt worden: „Sind Sie noch nie auf die Idee gekommen, daß sie einfach ein Flittchen ist?“ Worauf er entrüstet antwortet: „Ihre Bemerkung ist nicht eben wissenschaftlich!“ Zum Schluß muß er jedoch erleben, wie Lafont mit Hilfe eines weiteren Rechtsanwalts alle Beweise für seine Unschuld vernichtet und damit den Verdacht von sich selbst ablenkt; der Rechtsanwalt ist offensichtlich ihr Liebhaber – und ihr nächstes Opfer.

    Vielleicht habe ich einfach deshalb nicht so laut gelacht, weil es hier eine Frau ist, über die man lachen soll. Komikerinnen sind im Film selten – heute gibt es immerhin im Fernsehen oder auf der Bühne Künstlerinnen wie Anke Engelke, Hazel Brugger oder Monika Gruber. Truffaut nimmt das hier etwas vorweg – er hatte bekanntlich generell von Frauen eine höhere Meinung als von Männern. Doch sein Film scheint mir auch deshalb nicht ganz geglückt zu sein, weil die Handlung nicht verwickelt genug ist. Nach spätestens einer halben Stunde weiß der Zuschauer, was er zu erwarten hat: eine Riege eher trotteliger Männer und eine Frau, die sie nach Belieben manipuliert und für ihre Zwecke benutzt. Kein typischer Komödienstoff, und vielleicht ist dieses Thema auch eher Kurzfilmen angemessen.

    Nun zu einem vermutlich vergessenen Skandalfilm der 1950er Jahre: „Baby Doll“ (1956) von Elia Kazan. Bekannt ist der so benannte Typ eines weiblichen Nachthemds, aber ich bezweifle, daß viele noch wissen, woher der Name kommt. Der Film ist ein schwüles Südstaatendrama, vor allem aber ein Lehrstück, wie die amerikanische Filmzensur funktioniert – beziehungsweise, wie sie nicht funktioniert. Über „Baby Doll“ gab es bei seinem Erscheinen eine heute kaum vorstellbare Kontroverse, und zwar vor allem deshalb, weil der Film – nach einem kleinen Theaterstück von Tennessee Williams – von seinem Gehalt her höchst unmoralisch, zugleich aber meisterhaft inszeniert, sozusagen künstlerisch wertvoll ist. Deshalb ist der Film es immer noch wert, daß man ihn sich ansieht, auch wenn man vielleicht etwas Mühe hat zu erkennen, was einst den Skandal ausgelöst hat.

    Im US-Bundesstaat Mississippi (tief im Süden) betreibt Karl Malden eine Baumwollmühle. Die geerntete Baumwolle wird hier von Körnern gesäubert, bevor sie weiterverarbeitet werden kann. Maldens Betrieb ist heruntergewirtschaftet, er selbst eigentlich zahlungsunfähig. Im Verlauf des Films werden seine kürzlich neu angeschafften Möbel aus seiner baufälligen Südstaatenvilla wieder abgeholt. Möglicherweise hat ihn ein neu zugezogener Sizilianer (Eli Wallach) zugrundegerichtet – dessen Baumwollmühle ist gut ausgelastet. Malden baut jedoch darauf, daß er unter den Farmern viele Freunde hat, die ihn nicht hängelassen werden. Als Wallach die Farmer jedoch zu einer Versammlung zusammenruft, in der über die künftigen Geschäfte geredet werden soll, steckt er im Schutz der Nacht dessen Fabrik voll Wut in Brand.

    Kern der Geschichte ist jedoch, daß Malden eine junge Frau hat: Carroll Baker. Vor zwei Jahren lag ihr wohlhabender Vater im Sterben, und er versprach ihm, das Mädchen zu heiraten und sich um es zu kümmern. Baker war damals 18 Jahre alt und nach Überzeugung der Männer für die Ehe noch unreif. Malden verpflichtete sich daher vertraglich, die Hochzeitsnacht bis zu ihrem 20. Geburtstag zu verschieben. Er ist aber alles andere als ein fürsorglicher Ehemann: Er ist Trinker, neigt zum Jähzorn und ist zudem geschäftlich eine Niete – abgesehen davon, daß er für Baker viel zu alt ist. Wallach hat nun erfahren, daß Malden der einzige ist, der nicht bei der Versammlung war. Er sucht ihn auf, um ihn als Brandstifter zu überführen. Malden ist gerade damit beschäftigt, eine alte Maschine zu reparieren, und so lernt Wallach dessen Frau, Baker, kennen. Er tut so, als wolle er sie verführen, horcht sie aber dabei vor allem über ihren Mann aus. Baker, die ziemlich unbedarft ist, plaudert tatsächlich aus, daß er die Mühle angesteckt hat. Wallach tändelt weiter mit ihr, und obwohl sie schließlich merkt, daß sie ihren Mann verrät, bringt er sie dazu, eine eidesstattliche Versicherung zu unterschreiben.

    Als Malden endlich von der Reparatur zurückkehrt, wird er mißtrauisch, was Wallach wohl die ganze Zeit in seinem Haus gemacht hat. Der beendet sein Versteckspiel und erzählt ihm offen, daß er seine Frau verführt hat. Mit der eidesstattlichen Versicherung kann er Malden sofort ins Gefängnis bringen. Doch Malden, schon ziemlich betrunken, dreht durch. Er ruft telefonisch seine Freunde herbei und greift zu seiner Flinte, um Wallach auf der Stelle zu erschießen. Statt seiner Kumpane taucht jedoch der Stadtmarshal auf, der in dem Brandfall gern ein Auge zugedrückt hätte, nun aber gezwungen ist, ihn zu verhaften. Baker ist froh, ihren Ehemann loszusein.

    Möglich, daß in der deutschen Fassung eine entscheidende Stelle geschnitten ist. Während Wallach und Baker auf einer Schaukel auf der Veranda sitzen, soll er seine Hände unter ihrem Kleid haben – habe ich aber ehrlich gesagt nicht gesehen. Ansonsten gibt es keine weitere Szene, die formal zu beanstanden sein könnte. Es besteht kein Zweifel, was Wallach vorhat, beziehungsweise tut. Es gibt aber keinerlei sexuelle Action. Man muß dabei beachten, daß die amerikanische Zensur strikt kasuistisch ist. Das heißt, es wird im Detail aufgezählt, was in einem Film vertretbar und was nicht erlaubt ist. Sogar bei einem Kuß ist sekundengenau festgelegt, wie lange er dauern darf. Hitchcock hat in „Berüchtigt“ einen minutenlangen Filmkuß zwischen Ingrid Bergman und Cary Grant gedreht, ihn aber immer wieder durch Schnitte unterbrochen. So konnte er diese Bestimmungen locker umgehen. In „Baby Doll“ sieht man nur das ziemlich laszive Verhalten von Carroll Baker in ihrem Nachthemdchen und die immer drängendere Annäherung von Eli Wallach. Am Ende gibt es dann zwischen ihnen einen Kuß, der aber die Vorschriften genau einhält. Es ist jedoch völlig klar, daß er ihr – außerhalb des Bildes – an die Wäsche geht und vermutlich auch mit ihr schläft.

    „Baby Doll“ ist sehr realistisch inszeniert. Die morbide Südstaaten-Szenerie wirkt vielleicht etwas übertrieben, aber doch überzeugend gezeichnet. Die Figuren sind keine Abziehbilder. Die Baker-Figur muß dennoch ziemlich verbogen werden. Wir sollen glauben, daß sie mit 20 Jahren nicht nur noch nie Sex hatte (obwohl sie hier sicher nicht zum ersten Mal verführerisch wirkt), sondern auch praktisch noch nie daran gedacht hat. Außerdem wird sie als sehr naiv und ungebildet porträtiert: Angeblich hat sie nur vier Jahre lang die Schule besucht. Gelegentlich zeigt sie jedoch im Gespräch mit Wallach durchaus Esprit, und andernfalls wäre die Begegnung ja auch langweilig. 1956 scheint man der Figur das alles aber durchaus abgekauft zu haben – und war wohl schockiert. Es lief ähnlich wie zehn Jahre vorher bei „Duell in der Sonne“ (siehe oben): Die Kirche und die Legion of Decency protestierten scharf gegen „Baby Doll“, was dazu führte, daß viele Kinos den Film nicht vorführten und viele Kinobesucher nicht reingingen. Insgesamt war der Besuch ordentlich, aber laut Kazan erzielte „Baby Doll“ keinen Gewinn. Der Film war für vier Oscars nominiert (gewann freilich keinen) und setzte sich dann bei den Golden Globes durch: Kazan als bester Regisseur, Carroll Baker als „new star of the year“.

    Ich habe noch Karl-May-Bücher gelesen, um die Filme darin wiederzufinden - was nur stückweise gelang. Die Rialto-Filme kamen vermutlich genau zur richtigen Zeit; ohne sie wäre May schon zu dieser Zeit allmählich in Vergessenheit geraten. Die Filme leben ja gewissermaßen heute noch in den diversen Karl-May-Festspielen weiter. Die Romane sind schon lange nicht mehr zeitgemäß. Zum einen, weil Mays aus Enzyklopädien zusammengeklaubtes Wissen heute niemanden mehr beeindruckt, zum anderen, weil sein spezieller Kolportagestil doch eher ermüdet.

    Aber manchmal denke ich bei den Karl-May-Fantasiewelten an Lehning und Hansrudi Wäscher. Auch May hat es geschafft, sich so in seine Romanwelten hineinzuträumen, daß sie einen Sog entfalteten, dem man sich, wenn man sich darauf einläßt, nur schwer entziehen kann. Aber, so mein Eindruck, es läßt sich inzwischen niemand mehr darauf ein. Ich war noch in keiner Bücherei, wo Karl-May-Bücher noch immer ausgeliehen werden.

    Das sind völlig unterschiedliche Zugänge zu einem vergleichbaren Stoff. Bei Fontane ist Tragik untergemischt, weil Effi die Affäre mit dem Offizier ja ziemlich wenig bedeutet hat. Flaubert braucht sowas nicht. Ihm genügt eine Frau, die sich in eine Affäre stürzt, vollauf. Und Flaubert ist ein paar Jahrzehnte früher dran, wenn ich das richtig weiß.

    Ansonsten schreibt Fontane sehr unterkühlt und distanziert. Sind das unterschiedliche deutsche und französische Mentalitäten? Ein bißchen wohl schon.

    Da muß ich daran denken, was Billy Wilder über Bogart sagte, mit dem er "Sabrina" gedreht hat.

    Bogart sei im wirklichen Leben ganz und gar kein Held gewesen, aber nach "Sabrina" (bei den Dreharbeiten hatte es Wilder mit ihm nicht leicht) doch einer geworden, weil dann nämlich Krebs bei ihm festgestellt wurde, an dem er bald darauf starb.

    Angesichts dessen verzichtete Wilder darauf, sich über Bogart zu beschweren. Ein hervorragender Schauspieler war er auf jeden Fall.

    Daß sich Emma mit ihrem biederen Ehemann und in der Provinz sozusagen zu Tode langweilt, ist ja nicht das Ende des Romans. Wolltest Du nicht spoilern?

    Es wäre jedenfalls am Ende festzustellen: Wäre sie doch bei ihrem Charles geblieben...

    Mir gefällt Flauberts Novelle "November". Zwar eine klischeehafte (oder jedenfalls nicht mehr aktuelle) Schilderung des Prostitutionsgeschäfts, aber eine wunderschön beschriebene Begegnung zwischen Ich-Erzähler und der Marie.

    Zum zweiten das Duell der Hymnen, dass den Konflikt noch einmal im kleinen abbildet. Insgesamt schwingt da vieles subtil nebenher, so dass der Klassiker über seinen Plot hinaus seine Wirkung entfalten kann.

    Das habe ich in meiner Zusammenfassung gar nicht erwähnt, ist aber eine Szene, die für die Propagandawirkung des Films sehr wichtig ist: Major Strasser (Conrad Veidt) und seine Getreuen singen im Lokal zusammen "Die Wacht am Rhein", und die übrigen Gäste stimmen dagegen die Marseillaise an und übertönen die Nazis, bis die frustriert den Raum verlassen.

    Der Inbegriff des Kultfilms, und ich begegne ihm immer noch mit einer gewissen Ehrfurcht: „Casablanca“ (1943) von Michael Curtiz. Ist der Ruhm dieses Films inzwischen verblaßt? Ich denke, er würde noch immer seine Wirkung ausüben, wenn er noch – außer bei TNT – im Fernsehen zu sehen wäre und junge Leute ihn sich ansehen würden. Betrachtet man ihn mit etwas Distanz, dann ist verblüffend, wie dünn und unglaubwürdig die Story eigentlich ist. Aber Curtiz und seine Crew haben das Optimum aus dem Stoff herausgeholt, indem sie ihn sehr verrätselt und den Anschein erweckt haben, hier seien private Schicksale und die große Weltgeschichte (der Zweite Weltkrieg) miteinander verflochten. Durch „Casablanca“ konnte Humphrey Bogart den von ihm verkörperten kleinen Gangster zu einer vielschichtigen Figur und einem role model für Generationen von Männern ausbauen. Es macht Spaß, auch die um ihn herum gruppierten Schauspieler/innen zu erleben (ich kann nicht alle erwähnen), von denen viele selbst unter dem Naziregime zu leiden hatten.

    Zunächst wird der Hintergrund der Geschichte aufgehellt. Die marokkanische Stadt Casablanca war eine Station auf der Fluchtroute von Exilanten aus Europa in die USA. Marokko war damals französisches Herrschaftsgebiet, aber Paris war bereits von den Deutschen besetzt, das Vichy-Regime etabliert, was der Stadt angeblich einen neutralen Status verlieh. Der deutsche Gestapo-Offizier Conrad Veidt macht hier Jagd auf Widerstandskämpfer, und auch der französische Stadtkommandant Claude Rains muß ihm gehorchen. Aber Nazi-Feinde können sich doch weitgehend frei bewegen. Schwierig ist es jedoch, ein Ausreisevisum nach Lissabon zu bekommen, von wo man dann in die USA weiterreisen kann. Das geht im Film so weit, daß sich Paul Henreid, einer der führenden Köpfe des Widerstands, mit Veidt treffen und darüber verhandeln kann, wie er nach Lissabon gelangt, am Ende aber doch willkürlich verhaftet werden kann, was Bogart, Inhaber eines Cafés und bestrebt, sich aus allen politischen Verwicklungen herauszuhalten, schließlich verhindert. Alles sehr konstruiert und zweifelhaft.

    Diese Hintergrundstory ist verquickt mit einem Liebesdrama. Henreid hat seine Frau, Ingrid Bergman, bei sich. Mit ihr hatte Bogart vor dem Krieg eine Liebesaffäre in Paris. Sie hatte ihm verschwiegen, daß sie verheiratet ist, nahm aber selbst an, ihr Mann sei in einem KZ umgebracht worden, was sich als Irrtum herausstellte. Irgendwie zögerte sie schon damals, Bogart zu heiraten, und verschwand genau in dem Moment, als er mit ihr (am Vorabend der deutschen Besatzung) Paris verlassen wollte. Später fand sie dann ihren Mann wieder. Bogart ist durch diese Erfahrung vom Idealisten (das heißt, Anti-Nazi-Kämpfer) zum Zyniker geworden. Also auch auf dieser Ebene ist die Story ziemlich abenteuerlich. Curtiz und seine Drehbuchautoren tun das einzig Richtige: Sie enthüllen nur nach und nach die komplizierte Beziehung von Bogart und Bergman. Symbol für das vergiftete Verhältnis des Paars ist das Liebeslied „As Time goes by“, das er so verabscheut, daß er seinem Pianisten Dooley Wilson untersagt, es jemals wieder zu spielen (was er aber auf Wunsch von Bergman doch tut). Man kann nun nachvollziehen, daß Bogart wenig Lust verspürt, ausgerechnet ihr, die sein Herz gebrochen hat, zu helfen, mit Henreid aus Casablanca wegzukommen. Dabei hat er die Mittel dazu: Peter Lorre, ein zwielichtiger Geschäftemacher, hat Nazi-Kurieren zwei Blancovisa abgenommen und ist dafür von den Nazis umgebracht worden; vorher hat er sie aber Bogart zur Aufbewahrung übergeben.

    Bogart will die Visa nutzen, mit ihr in die USA zu fliehen. Doch schließlich gelangt er zu der Überzeugung, daß sie bei ihrem Mann bleiben muß. Er verwandelt sich in einen mitfühlenden Menschen zurück und überläßt die Dokumente Henreid und Bergman, die gleich darauf abfliegen. Veidt will im letzten Moment am Flughafen das Netz zuziehen, aber Bogart erschießt ihn. Gleichzeitig wandelt sich Rains von einer Marionette der Deutschen in einen stolzen Franzosen und deckt Bogart. Sie beide werden weiter in Casablanca bleiben und vielleicht auf die nächste günstige Gelegenheit warten, in die freie Welt zurückzukehren. Der Schluß ist mit relativ wenig Action, aber großem emotionalem Aplomb inszeniert – so gut, daß man die Szenen sofort wieder im Gedächtnis hat, wenn man sie sieht. "Casablanca" ist ein Melodram.

    Mir ging im Kopf herum, daß „Casablanca“ eigentlich ein B-Film war, der zu einem Überraschungserfolg wurde. Das stimmt nur zum Teil. Warner Brothers sahen in dem zugrundeliegenden Theaterstück von Anfang an einen guten Filmstoff, und der Film ist immerhin mit einem Starensemble und einem Budget von nahezu einer Million Dollar gedreht. Trotzdem war er zunächst nur ein Film unter vielen, traf aber auf unerwartete Weise einen Nerv beim Publikum, wohl auch, weil es ein sehr gut gemachter und insgesamt überzeugender Propagandafilm war – Botschaft: Es lohnt sich, für die Demokratie Opfer zu bringen. Würde es hier nicht um den Kampf gegen die Naziherrschaft gehen, an einem Ort, wo sie offensichtlich noch nicht ganz etabliert ist, dann wäre auch die Liebesgeschichte von Bogart und Bergman ziemlich gewöhnlich und schwach erschienen: Ein Mann wird von einer Frau enttäuscht, begreift jedoch nach einer Weile, daß es nicht ihre Schuld war, und verzichtet großmütig auf sie. Wenn ich das genau betrachte, ist die große Liebe gar nicht so richtig zu sehen. Ingrid Bergman tut, was sie kann, um die Balance zwischen ihrem Ehemann, der zudem politisch wichtig ist, und ihrer Affäre mit Bogart zu halten, aber das ist eine undankbare Aufgabe. Sicher war auch zu beachten, was der Hays Code erlaubte und was nicht.

    Daß der Film trotz allem hervorragend gelungen ist, schlug sich auch auf die Oscar-Verleihung nieder. „Casablanca“ wurde 1943 als bester Film, sowie für die beste Regie und das beste Drehbuch ausgezeichnet. Ein trübes Kapitel ist die Aufnahme von „Casablanca“ in Deutschland. Er kam hier 1952 ins Kino und wurde von allen Hinweisen auf die Nazizeit gesäubert und dabei auch um eine Viertelstunde gekürzt. Es ging nur noch um eine Spionagegeschichte, und aus Henreid wurde ein Atomphysiker mit Geheimwissen. 1975 wurde der Film dann fürs deutsche Fernsehen neu synchronisiert und war erstmals vollständig zu sehen. Es wurde Zeit, denn inzwischen gab es bereits zahlreiche Hommagen (zum Beispiel Woody Allens „Mach’s noch einmal, Sam“) und Parodien auf diesen Film (etwa „Eine Nacht in Casablanca“ mit den Marx Brothers).

    Ich habe die "St. Tropez"-Filme nicht in meiner Sammlung. Vielleicht irre ich mich, aber ich würde sagen, wegen Louis de Funes sind die immer noch sehenswert. Da hatte er endlich seine Rolle gefunden.

    Die "St. Tropez"-Filme sind nach meiner Erinnerung ganz auf de Funes zugeschnitten - würde man ihn wegnehmen, dann würde von den Filmen nichts übrigbleiben. Ein Comic im Marcinelle-Stil kann eher auch ohne de Funes-Figur funktionieren, aber ob der sich wiederum gut verfilmen läßt - da bin ich eher skeptisch.

    Mal sehen, ob das Servalan er- oder entmutigt...

    Da wir gerade von Irving Thalberg sprachen. Elia Kazans letzter Film, „Der letzte Tycoon“ (1976) zielt ziemlich sicher auf Thalberg ab. Es ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von F. Scott Fitzgerald, der unvollendet blieb. Der Film ist in meinen Augen sehenswert (auch wegen der vielen mitwirkenden Stars), leidet aber etwas darunter, daß er vermutlich aufgrund des fragmentarischen Charakters seiner Vorlage keine stringente Story erzählt (das Drehbuch schrieb Harold Pinter). Kazan wollte offensichtlich einige Dinge über das Wesen des Hollywood-Geschäfts zum Ausdruck bringen und legte dabei wenig Wert auf die Handlung. Wenn ein Film keine richtige Geschichte erzählt, hat er es jedoch schwer beim Publikum, und so wurde er ein ziemlicher Flop.

    Der junge, dynamische, erfolgreiche Filmproduzent Robert de Niro (sein Rollenname ist nicht Thalberg, sondern Monroe Stahr) hat seinen Laden im Griff. Er erklärt Drehbuchautoren, worauf es beim Film ankommt, richtet alternde Stars in der Midlife-Crisis auf und behauptet sich gegenüber Studiobossen und Geldgebern, die nur Geschäftsbilanzen im Kopf haben. Doch seine Frau ist vor einigen Jahren gestorben, und sein Privatleben ist seitdem völlig verödet. Dann aber sieht er Ingrid Boulting, die ihn sehr an seine Frau erinnert und die er näher kennenzulernen versucht. Sie läßt sich zögernd auf eine Verabredung mit ihm ein, schläft schließlich auch mit ihm, macht ihm aber klar, daß sie in Kürze einen anderen Mann heiraten wird. Das bringt ihn endgültig aus dem seelischen Gleichgewicht. Im Streit mit einer Autorenvereinigung rastet er betrunken aus, was aber nur ihm selbst ein blaues Auge einträgt. Das Studio nutzt freilich seine Entgleisung, um ihn zu entmachten. De Niros Warnung, daß ohne ihn das Studio zusammenbrechen werde, quittieren sie kühl lächelnd. Sie empfehlen ihm, einen längeren Urlaub anzutreten. Er bringt es aber nicht über sich, das Studio zu verlassen – seinen einzig gebliebenen Lebensinhalt.

    Wir sehen hier unter anderem Robert Mitchum als Studioboß und Teresa Russell als seine Tochter, die sich vergeblich Hoffnungen auf de Niro macht, Tony Curtis und Jeanne Moreau als Filmstars in der Krise, Donald Pleasance als relativ unbegabten Drehbuchautor, Jack Nicholson als seinen Interessenvertreter, Dana Andrews als gefeuerten Regisseur und Ray Milland als Rechtsanwalt des Studios. Die Besetzung des Films zeigt, daß sich hier klassisches und New Hollywood begegnen – eine Konstellation, die Kazan offensichtlich keine Mühe bereitete. Die meisten Szenen haben starke Wirkung, nur ergeben sie zusammen nicht mehr als Momentaufnahmen der Arbeit in einem Filmstudio, beziehungsweise des kaputten Privatlebens des Produzenten. Kazan schneidet übrigens ab und zu nachgestellte Szenen aus typischen 30er-Jahre-Filmen dazwischen, was ebenfalls einen schönen Effekt ergibt. Alles das ist übrigens nicht dokumentarisch; Fitzgerald äußerte gegenüber dem „Collin’s“-Magazin, alle Ereignisse in seinem Roman hätten wirklich geschehen können – „ich bin ganz sicher, daß ich tief genug in den Charakter dieses Mannes geschaut habe, damit seine Reaktionen authentisch so sind, wie sie im Leben gewesen wären“.

    Was bringt der Film nun zum Ausdruck? Sicher die Diskrepanz zwischen der Kinoillusion und dem erheblich weniger glamourösen wirklichen Leben. Eine Satire auf Hollywood hat aber Fitzgeralds genauer Blick auf den Betrieb wohl nicht hergegeben. Und auch Kazan, der immer Außenseiter im US-Filmgeschäft war, läßt sich dazu nicht hinreißen. Ein wenig erkennt man in Robert de Niro den Rebellen, den schon Marlon Brando, James Dean oder Eli Wallach für Kazan verkörperten. Ihre Figuren hatten alle Probleme mit Frauen oder erwiesen sich im Umgang mit ihnen ungeschickt oder gewalttätig. Ich habe nicht feststellen können, ob die Figur der Irene Boulting auf eine reale Person anspielt – der wirkliche Thalberg war bis zu seinem Tod mit Norma Shearer, einem Filmstar der 1920er und 30er Jahre, verheiratet. Daß er Affären hatte, kann man sicher annehmen. „Der letzte Tycoon“ ersetzt also im Zweifel eine Biografie über Thalberg nicht.

    Was hat das mit KI zu tun?

    Ein Buch über Film zu schreiben, würde ich mir auch sehr genau überlegen. Ich glaube, der Adressatenkreis ist nicht sehr groß. Ein enzyklopädisches Werk käme wohl tatsächlich nicht in Frage, aber deshalb, weil es schon so viel Filmliteratur gibt. Du könntest subjektiv über Deine Vorlieben schreiben. Das kann eine KI vielleicht auch, aber das wäre dann nicht subjektiv, sondern immer noch nur nachgeahmt. Aber wie viele Leute würden sich für Deine subjektiven Favoriten interessieren?

    Da müßtest Du etwas finden, was eine große Fanbasis hat, worüber aber noch nicht viel geschrieben worden ist - schwierig. Und ich denke auch immer, so ein Buch würde sehr viel Vorarbeit bedeuten; man müßte allein monatelang Filme sichten.

    Was eine Möglichkeit sein könnte: das Thema Filme von Frauen / Frauenfilme. Ich habe nicht nur wenige davon, es gibt wohl auch tatsächlich nicht allzu viel Literatur darüber. Ich habe "Rebellin in Hollywood", herausgegeben von Paul Werner und Uta van Steen, "Der Nähkreis" von Axel Madsen und dann noch "Die Kunst ist weiblich" von Gabriele Presber (kein reines Filmbuch, aber mit Beiträgen über Hanna Schygulla, Karin Brandauer, Ingrid Caven, Helma Sanders-Brahms und Barbara Sukowa).

    Mir scheint Thalberg die interessantere Figur zu sein. Er war zehn Jahre früher aktiv als Selznick, und er ist jung gestorben. Aber er hat viel mehr Filme produziert als Selznick. Ich würde sagen, er hat Studiopolitik gemacht und konnte darauf verzichten, einzelnen Filmen eigenhändig den letzten Schliff zu geben. Vielleicht hatte er auch die Einsicht, daß er vielleicht am besten weiß, welche Filme beim Publikum ankommen, aber sie nicht unbe4dingt am besten inszenieren kann.

    Tja, ich weiß nicht recht, ob ich Dir empfehlen soll, den Film mal ganz zu sehen. Es gibt ihn auf youtube, sogar in einer längeren als der normalen Kinofassung (das könnte Damien interessieren - oder nein, wohl doch nicht :D ).

    Einerseits ist das klassisches Hollywoodkino at its best. Aber andererseits ist Selznick wohl dem Irrtum aufgesessen, er müßte nur die selben Zutaten verwenden wie bei "Vom Winde verweht", und er würde wieder dasselbe bekommen. Das klappt auch beim Kochen in der Regel nicht. Doch die Geschichte um "Duell in der Sonne" herum ist auf jeden Fall bemerkenswert.

    Ein paar Western habe ich noch auf Video, darunter „Duell in der Sonne“ (1946) von King Vidor. Dieses David-O.-Selznick-Epos wird zwar überall in der Filmliteratur als Western abgehandelt, es ist aber eigentlich ein Familiendrama in den Kulissen eines Western. Man muß „Duell in der Sonne“ in Beziehung zu zwei Filmen betrachten, die Produzent Selznick künstlerisch und geschäftlich übertreffen wollte: „Vom Winde verweht“, den er einige Jahre vorher selbst produziert hatte, und „Geächtet“ von Howard Hughes, den bis dahin wohl sexuell offensten Hollywoodfilm, der nur unter größten Schwierigkeiten die Zensur passiert hatte. Inhaltlich ist „Duell in der Sonne“ belanglos und kitschig, die Geschichte einer begehrenswerten Frau zwischen einem „guten“ und einem „bösen“ Mann. Selznick war aber überzeugt, daß er daraus durch immensen Materialaufwand und handwerkliche Perfektion einen Kassenschlager und Oscargewinner wie „Vom Winde verweht“ machen konnte. Filmhistorisch, vor allem im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte, ist der Film also dennoch sehr interessant.

    Die verwaiste Halbindianerin Jennifer Jones wird von einem mächtigen Rancher (Lionel Barrymore) aufgenommen. Er hat zwei sehr gegensätzliche Söhne: den soliden und grundanständigen Joseph Cotten und den aufsässigen Frauenhelden Gregory Peck (das war seine zweite Filmrolle, daher spielte er ungewohnterweise den Bösen). Während Cotten Jones respektiert und Abstand hält, hat Peck nur im Sinn, sie zu verführen. Für ihn ist sie allerdings lediglich ein Abenteuer, für eine ernsthafte Beziehung käme das Halbblut für ihn nie in Frage. Jones ist jedoch zwischen beiden hin- und hergerissen. Barrymore schlägt sich freilich auf die Seite seines mißratenen Sohnes, denn Cotten setzt sich dafür ein, daß über das Ranchland eine Eisenbahnlinie gebaut werden kann, die langfristig mehr Wohlstand bringen wird. Der alte Patriarch ist nicht bereit, Land abzutreten, und verstößt Cotten. Damit kann er Jones nicht mehr vor seinem Bruder beschützen.

    Es dauert einige Zeit, bis sie wirklich begreift, daß zwischen ihr und Peck zwar eine sexuelle Anziehung besteht, er sie aber niemals heiraten würde. Sie versucht, sich in die Ehe mit einem anderen Mann (Charles Bickford) zu flüchten, aber Peck nimmt es nicht hin, daß sie einem anderen gehören soll, und erschießt ihn. Als Cotten zurückkehrt, um Jones zu sich zu nehmen, schießt er auch ihn nieder. Barrymore erkennt endlich, daß er bei der Erziehung von Peck versagt hat, kann aber nichts mehr tun. Peck und Jones verabreden sich an einem markanten Felsen in der Wüste, wo sie sich gegenseitig erschießen und – in inniger Umarmung sterben. Vielleicht wäre eine genauere Untersuchung interessant, inwieweit solche Szenen camp sind.

    Eine sehr undifferenzierte, auf große Gefühle spekulierende Story, die Liebe und Lust ineins setzt. Die Figuren sind sehr unglaubwürdig. Den zugrundeliegenden Roman kenne ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, daß Selznick, der persönlich das Drehbuch verfaßt hat, vieles auf den grellen Effekt hin umgeschrieben hat. Über die Dreharbeiten ließe sich eine Menge erzählen – ich verweise auf das Buch „David O. Selznicks Hollywood“ von Ronald Haver, das dem Film ein ganzes Kapitel widmet. Selznick hat jedenfalls Szenen immer wieder umgeschrieben und die gesamte Filmcrew an den Rand des Nervenzusammenbruchs getrieben. Mehrere Regisseure warfen das Handtuch, darunter William Dieterle, von dem die Eröffnungsszenen stammen, und Josef von Sternberg, der letztlich nur zentralen Szenen mehr Glamour verleihen durfte. Auch Vidor gab auf, so daß Selznick den Film selbst zuendedrehen mußte. Kein Wunder, daß die Kosten auf nahezu sechs Millionen Dollar anwuchsen, was es natürlich schwierig machte, selbst bei einem guten Einspielergebnis in die Gewinnzone zu kommen.

    Selznick machte sich viele Gedanken über die Vermarktung von „Duell in der Sonne“. Bis dahin war es üblich gewesen, Filme zuerst in großen Kinos, dann in kleineren in den Städten und schließlich in der Provinz laufen zu lassen. Er wollte, daß sein Film überall gleichzeitig zu sehen war, um nicht so lange auf Einnahmen warten zu müssen, wofür er nicht nur viele Kopien brauchte, sondern auch die Kinoketten von seiner Strategie überzeugen mußte. Das tat er auch, indem er mehrere, Millionen teure Werbekampagnen startete, was es bis dahin noch nicht gegeben hatte. Das Konzept ging auf, aber obwohl die Kinos gestürmt wurden, konnte er seine gewaltigen Kosten nur knapp decken. Und bei den Oscars ging er leer aus.

    Große Probleme gab es mit der Zensur. Nachdem er sich mit der Motion Picture Association (Hays Code) mühsam auf eine akzeptable Schnittfassung geeinigt hatte, verzichtete er darauf, den Film wie üblich auch der Legion of Decency vorzulegen, weil das Weihnachtsgeschäft vor der Tür stand und er daher nicht noch einmal umschneiden wollte. Die Moralwächter rieten jedoch von dem Film dringend ab – auch die deutsche katholische Filmkommission fand ihn „inhaltlich höchst unerquicklich“. Unmittelbar nach dem Krieg scheint dieser Widerstand, jedenfalls in USA, noch keine reine Werbung für den Film gewesen zu sein. Wir reden hier natürlich nicht von nackten Busen oder gar Sexszenen, aber die sexuelle Leidenschaft von Jones und Peck ist so eindringlich inszeniert und gespielt, daß die Botschaft alle Moralgrenzen sprengte (und darauf hatte es Selznick ja auch angelegt). Er klagte jedenfalls hinterher, daß die Bewertungen des Films dem wirtschaftlichen Ergebnis geschadet hätten.

    Nach „Duell in der Sonne“ produzierte Selznick nur noch wenige Filme. Anfangs hatte er im Schatten des legendären MGM-Produzenten Irving Thalberg gestanden. Ein Erfolg wie „Vom Winde verweht“ gelang ihm nie wieder.

    Also ich bin/war schon auch "Rächer"-Fan, nur eine Generation älter. Mein erstes Heft war "Rächer" # 6, und dann ist es mir bald darauf gelungen, "Rächer" # 4 bei einem Freund einzutauschen. Die Ausgabe, in der die Original-Rächer sich trennen und erstmal nur Cap übrigbleibt, habe ich damals verpaßt (da war das Taschengeld noch sehr knapp), hatte aber immer das Gefühl, etwas sehr Wichtiges versäumt zu haben. Der Kampf der neuen Rächer gegen den Minotaurus war dann gleich... seltsam!

    Daß die Rächer als Team mit der Umformierung erheblich Schlagkraft eingebüßt haben, hat mich als Jungen auch erheblich irritiert. Aber das war ein bewußter Schachzug von Stan Lee. Er wußte, daß man als Leser mit Helden, die ganz und gar nicht unbesiegbar sind, mehr mitfiebert. Das Problem war, daß die US-Leser Falkenauge, Quecksilber und die Scharlachhexe schon aus anderen Serien (Iron Man, X-Men) kannten, die deutschen aber nicht. Sonst war das an sich nicht schlecht ausgedacht. Sonst hätte ich ja gleich "Superman" lesen können (gähn!).

    Schöner Überblick. Danke dafür. Für mich war das bei Williams die Phase, in der ich mich am wenigsten für die Rächer interessiert habe. Es ist irgendwie die "Phase, bevor John Buscema kam", und der Arbeit, die Don Heck hier geleistet hat, kann ich noch heute wenig abgewinnen (obwohl ich ihn nicht generell für einen schlechten Zeichner halte). Man sieht an der Zusammenfassung aber auch, daß das inhaltliche Konzept der Serie ziemlich wackelig war - mich hat die Vielzahl der Figuren damals eher verwirrt, ich habe keinen roten Faden gesehen, und ich habe die Hefte daher wieder in den Ständer zurückgesteckt. Ich habe aber das Gefühl, daß Du nun etwas Ordnung ins Geschehen gebracht hast und ich diesen Jahrgang vielleicht nochmal lesen sollte.