Jenseits von Reclam: Klassiker entstaubt

  • Zitat

    Miguel de Cervantes hat wirklich ein eher trauriges und erfolgloses Leben geführt.

    Aber kaum trauriger als das der meisten anderen Hidalgos seiner Zeit. Es ist immer relativ und Genies können meist schlecht mit Geld umgehen (Siehe Mozart oder Rembrand). Und vom Schreiben konnte man damals wohl wirklich nicht leben, was sich auch an seinem Zeitgenossen Lope de Vega zeigt. Von dem kenne ich allerdings auch nur das eine Stück Der Richter von Zalamea

    Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.

  • Friedrich Schiller hatte einige Zeit später auch diese Idee und schrieb ziemlich populäres Zeug, hat's aber ebenfalls nicht geschafft. Doch ich glaube, der Fürst von Sachsen-Weimar-Eisenach ermöglichte ihm doch ein einigermaßen armutsfreies Leben.

  • Ja, das meinte ich. Ohne Protektion hätte es das meiste damals nicht gegeben. Wobei schon eine entscheidende Zeitspanne zwischen 1600 und 1800 mit seinen ganzen literarischen Salons und überhaupt einem "Bildungsbürgertum" liegt.

    Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.

  • Aber die wirtschaftliche Situation eines Schriftstellers war die gleiche.

    Wann gab es eigentlich die ersten professionellen Schriftsteller? Ich weiß, daß amerikanische Magazine ab etwa 1850 Honorare für Kurzgeschichten und Novellen zahlten (siehe Edgar Allan Poe).

  • Ludovico Ariosto: Orlando furioso (1516, 1521, 1532) | Der rasende Roland (1783, Nübling 1910, Winkler 1980, Deutscher Taschenbuch Verlag 1987)

    Da hätte ich vielleicht etwas, das zur Diskussion beitragen könnte.
    Ariost (1474 - 1533) stand im Dienste der Fürstenfamilie d'Este, die damals Ferrara und Modena beherschten. Genauer gesagt, arbeitete Ariost zunächst unter Kardinal Ippolito I. d’Este, dann unter Ercole I. d’Este und führte ein abenteuerliches Leben als Soldat, als Sekretär des Kardinals; bekam ein Angebot, Botschafter in Rom zu werden, was er ablehnte, und zog sich später ins Privatleben zurück.
    Seine frühesten literarischen Werke entstanden noch auf Latein. Am Hofe der d'Este befaßt er sich mit dem Rolandslied, einem klassischen mittelalterlichen Epos, indem er den Orlando innamorato | Der verliebte Roland von 1505 fortsetzt. Diese Tradition zeigt sich darin, dass er seinem Patron den Vortritt läßt und seine Familie in Versen verherrlicht, so dichtet er ihr eine Herkunft von Herkules von Troja an, dem Helden der griechischen Antike, und setzt Isabella d'Este ein Denkmal. Die erste Fassung entsteht noch für ein höfisches Publikum, das direkt und konkret angesprochen wird. Später überarbeitet er sein italienisches Werk für ein anonymes Publikum, sprich den entstehenden Buchmarkt.
    Bei diesen Rahmenbedingungen glaube ich kaum, dass er bei der Veröffentlichung daran gedacht hat, reich zu werden. Wer zu der Zeit geschrieben hat, muss sein Einkommen wohl aus anderen Quellen bestritten haben; eher ging es darum, für ein Werk anerkannt zu werden und der Nachwelt etwas hinterlassen zu haben.

    Das Fundament der Verserzählung bildet der Kampf Karls des Großen gegen die Sarazenen, verkörpert in Rolands Hauptgegner Agramante. Am Hofe Kaiser Karls verdreht die zauberkräftige, chinesische Prinzessin Angelika den Rittern den Kopf und treibt Roland in seine Liebesraserei. Ein Nebenstrang widmet sich dem britischen Prinzen Astolfo, der auf seinem Hippogryphen zum Mond fliegt. Ariost nimmt sich zahlreiche künstlerische Freiheiten heraus und schildert in seinem Geflecht von Erzählungen eine höfische Gesellschaft mit phantastischen Elementen.
    Als ich das Buch bekam, habe ich es weggesuchtet und trotz der Verse als Proto-Fantasy gelesen. Meine Eltern konnten nicht begreifen, was mir an dem merkwürdigen Buch gefallen hat, die waren ratlos. Der italienische Klassiker verlangt natürlich, sich erst einmal auf seine Form einzulassen, dann steht dem Vergnügen nichts mehr im Wege.

  • Ich habe zumindest zwei Dinge gefunden: 1837 wurde in Deutschland das "Gesetz zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst in Nachdruck und Nachbildung" in Kraft gesetzt, ein erstes Urheberrecht, mit dem Raubdrucke verboten wurden. 1871 kam dann das "Gesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken".

    Ich glaube, daß amerikanische Magazine den Lieferanten von short storys erstmals ein festes und auskömmliches Honorar zahlten. Ursprünglich wurden darin literarische Texte aus England nachgedruckt, natürlich ohne Bezahlung. Dazu habe ich aber nichts Konkretes gelesen, auch keine Jahreszahl. Der Wandel dürfte um 1830/40 eingesetzt haben.

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