Beiträge von Servalan

    Die ganzen Merkel-Fans - und ich war erstaunt, wie viele es davon gibt - stellen sich den Schinken sicher gerne ins Regal; ob sie ihn dann lesen, wäre eine andere Frage.
    Zudem gehe ich davon aus, dass es einige Institutionen gibt, für die ihre Memoiren quasi Pflichtlektüre sind; konkret denke da natürlich an ihre Partei, die CDU/CSU, und dann an die Fakultäten der Politologie im In- und Ausland. Da wird schon eine gehörige Mege zusammenkommen. Was dann trotzdem liegenbleibt, landet irgendwann billig im Grabbel bei den Sonderangeboten; und das ziemlich plötzlich geschehen.

    Am interessantesten bei dem Buch finde ich den Preis: Ob der eine Hommage an Douglas Adams' Per Anhalter durch die Galaxis gewesen ist?

    Wie es aussieht, ist gerade eine Debütantin dabei, den Buchmarkt aufzumischen. Dabei geht es aber nicht um Belletristik, sondern um eine Autobiographie, und zwar um die einer äußerst prominenten Person, nämlich Angela Merkel. Üblicherweise suchen sich Elder Statesmen wie Politiker in Rente eine Agentur, die einen Vertrag mit einem Verlag aufsetzen und das Buch dann von einem Ghostwriter schreiben lassen.
    Angela Merkel ist anders vorgegangen. Als einer der Gründe werden die Memoiren Helmut Kohls angeführt, der einen langen Streit mit seinem Ghostwriter, dem Journalisten Heribert Schwan, hatte. Deswegen ist Merkel ist von sich aus aktiv geworden und hat beschlossen, ihre Memoiren zusammen mit ihrer ehemaligen Büroleiterin Beate Baumann zu schreiben. Als diese Pläne bekannt wurden, gab es Offerten von der Verlagsgruppe Penguin Random House, C.H. Beck und dem Aufbau Verlag.
    2022 bekam die Holtzbrinck Publishing Group den Zuschlag, die die deutsche Ausgabe bei ihrem Verlag Kiepenheuer und Witsch herausbringt. Zeitgleich erscheinen Übersetzungen in mehr als 30 Ländern, darunter die US-Ausgabe bei Pan Macmillan St. Martin's Press. Es wird von einem Vorschuss zwischen 7,5 Millionen und einer zweistelligen Millionensumme geraunt; so viel, wie sie in 16 Jahren als Bundeskanzlerin verdient hat.
    Damit dürfte Merkel auf Anhieb die erfolgreichste deutschsprachige Autorin 2024 sein. Allerdings gibt es auch die Klage, dass ihre Memoiren in den Buchhandlungen wie Blei in den Regalen lägen.

    Quellen: Börsenblatt, Stuttgarter Zeitung

    Bei Panini Deutschland gibt es sicher auch Leute, die das Medium Comic lieben und für ihren Beruf brennen. Es ist ja nicht so, dass die ihre Hände in den Schloß legen; die sind schon ziemlich aktiv, beispielsweise hier im Forum. Von daher gehe ich davon aus, dass Panini auch seine Spielräume ausreizen will und neue Leser für seine Comics begeistern will.
    Aber Panini arbeitet mit begrenzten Ressourcen, die klug eingesetzt werden wollen, und ist außerdem Teil eines multinationalen Medienkonzerns. Ich weiß nicht, wie unabhängig die von der Zentrale schalten und walten können, und was unbedingt abgesprochen werden muß.
    Sicherlich nehmen die Anregungen aus der Leserschaft auf, aber sie springen gewiß nicht über jedes Stöckchen, das ihnen unter die Nase gehalten wird.
    Panini bringt auch Liebhaberobjekte in kleiner Auflage für die Fans, das sollten wir dem Verlag hoch anrechnen.

    Jewgeni Iwanowitsch Samjatin: Мы (1920) | Wir (Kiepenheuer & Witsch 1958, Ganymed Edition 2015, Neuer Deutscher Verlag 2020, Litera Eurasia 2022)

    Mittlerweile hat sich bei den Dystopien ein Kanon herausgemendelt, der das Genre geprägt hat. Den meisten werden zuerst sicher George Orwells 1984 (1949), Aldous Huxleys Schöne Neue Welt (1932) und Ray Bradburys Fahrenheit 451 (1953) einfallen; aber diese Klassiker haben ihre Vorläufer in Werken, die heute eher weniger bekannt sind. Neben Jack Londons Die eiserne Ferse (1907) zählt Samjatins Roman zu den frühen Vertretern dieses damals jungen Genres.
    Dabei ist auch der biographische Hintergrund interessant: Samjatin studierte in Sankt Petersburg, um Schiffsbauingenieur zu werden, als er sich den Bolschwiki anschloß und Revolutionär wurde. Er agitierte für die Partei, organisierte den legendären Aufstand auf dem Panzerkreuzer Potemkin und nahm aktiv an der Oktoberrevolution 1917 teil. Was er erlebt hat, muß ihn ernüchtert haben, denn Wir wurde der erste Roman, der in der Sowjetunion offiziell verboten wurde. Heute würde es heißen, dass ihn ein Shitstorm erreichte; 1924/1925 erschien die Dystopie in verschiedenen Sprachen im Ausland. 1929 verließ Samjatin den sowjetischen Schriftstellerverband, und 1931 erhielt er über Maxim Gorki die Erlaubnis Stalins, nach Frankreich auszureisen.
    Erst 1988 kam im Zuge von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion eine erste vollständige Ausgabe in den Handel. Zudem läßt sich ein direkter Einfluß auf George Orwell nachweisen, der den Roman 1946 für die Zeitung Tribune rezensierte.

    Samjatins Dystopie spielt in einem totalitären Staat, dem Einzigen Staat, der nach einem 200jährigen Krieg und der allerletzten Revolution entstand. Die Menschen haben keine Namen mehr, sondern tragen nur noch Nummern und leben in gläsernen Häusern. Das Leben ist bis ins kleinste Detail geregelt, Ausnahmen werden nicht geduldet, und über allem thront der "Wohltäter". Um das Kollektiv des Staates zu verherrlichen, wird der Ingenieur D-503 damit beauftragt, eine Rakete zu bauen, ein Raumschiff, mit dem das All erobert werden soll. Das Publikum schaut ihm, dem Ich-Erzähler, dabei über Schulter, wie er sein Tagebuch verfaßt und über die Integral berichtet.
    Bislang war D-503 immer auf Linie und ein treuer Staatsbürger, der die Logik schätzt und die imaginäre Zahl i verabscheut. Doch auf einem Spaziergang trifft er die Frau I-330, für die er Zuneigung empfindet. I-330 bringt ihn aus dem Gleichgewicht, indem sie ihn mit Hunger und Liebe vertraut macht. Nach und nach kommt er zwar dahinter, dass I-330 eine Rebellin ist, die den Start der Integral sabotieren will, aber er liebt sie und wird immer mehr zum Individuum. D-503 hat Angst, dass sein Tagebuch gefunden wird und ihm deswegen die Todesstrafe droht ...
    Wer die dystopischen Klassiker kennt, wird hier zahlreiche vertraute Elemente wiedererkennen. Gerade die letzten neuen Auflagen zeigen, dass der Stoff auch heute noch aktuell ist. Ich persönlich denke, die beiden Extrempunkte einer rein kolllektivistischen Gesellschaft und eines atomisierten Individualismus (siehe zum Beispiel Ayn Rand) weisen beide in die Irre, weil Menschen sowohl das eine als auch das andere brauchen, und sich die meisten irgendwo dazwischen am wohlsten fühlen.

    Ähem, ich glaube, Panini weiß schon sehr gut, was der Markt hergibt und was nicht.
    Wahrscheinlich bis du es, Car-Ell, der überschätzt, was möglich ist. Verglichen mit anderen Ländern ist Deutschland ein kleiner Markt, das heißt, auf die Bevölkerung umgerechnet, gibt es hier weniger Leute, die an Comics interessiert sind (auf das Kino trifft das ebenfalls zu). Dementsprechend sind die Chancen für einzelne Titel geringer, hier übersetzt zu werden. Letztlich bedeutet das, nicht jeder mögliche Titel kommt hier auf den Markt, und Panini muß am Markt wirtschaftlich kalkulieren, wenn sie weiterhin bestehen wollen.

    Deinen Hinweis auf die Influencer kann dementsprechend interpretieren: Der englischsprachige Markt ist um ein Vielfaches größer als der deutschsprachige, und dieses Verhältnis spiegelt sich in den Klickzahlen und den Likes. Diese Tatsache mußt du anerkennen, der Rest ist Wunschdenken im Wolkenkuckucksheim.

    Dan Watters (Szenario) / Jon Davis-Hunt (Zeichnungen): The Incal: Dying Star (Humanoids 2023), 128 Seiten, französische Ausgabe: L'Incal : Capitaine Kaimann (Humanoïdes associés 2023), niederländische Ausgabe: De Incal: Kapitein Kaïmann (Silvester Strips 2024)

    Der Incal wuchert munter vor sich hin. 2023 erschien das neueste Spin-off vom britischen Team Watters und Davis-Hunt im angelsächsischen und französischen Sprachraum.
    Ich hoffe doch stark, dass sich ein deutschsprachiger Verlag findet, der diese Fortsetzung hier auf den Markt bringt.

    So langsam tauchen in den Mediatheken die beliebten Weihnachtsklassiker wieder auf.

    Drei Haselnüsse für Aschenbrödel in der WDR-Mediathek (bis 13. Januar 2025)

    Drei Haselnüsse für Aschenbrödel - hier anschauen
    Spielfilm Tschechoslowakei/DDR 1973 +++ 'Drei Haselnüsse für Aschenbrödel' gehört inzwischen zu den Klassikern im Weihnachtsprogramm. Die Handlung des Märchens…
    www.ardmediathek.de

    Der kleine Lord mit Alec Guinness in der ARD-Mediathek (bis 5. Februar 2025)

    Filme in der ARD: Der kleine Lord - hier anschauen
    Spielfilm Großbritannien 1980 Der achtjährige Ceddie Errol (Ricky Schroder) lebt zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seiner verwitweten Mutter (Connie Booth)…
    www.ardmediathek.de

    Ist das Leben nicht schön? kommt im Dezember in der arte-Mediathek
    ???

    Der Fall Kafka zeigt aber auch, wie die Gesellschaft immer wieder ihre Urteile über Personen revidiert - zwangsläufig.
    Bei mir im Regal steht das Buch von Hanns Zischler Kafka geht ins Kino, das erstmals 1996 im Rowohlt Verlag erschien. Aber wie seine Zeitgenosse hat Kafka viele Facetten, die es noch zu entdecken gibt; der Soziologe Georg Simmel (nicht verwandt oder verschwägert mit Johannes Mario) war teilweise sein Zeitgenosse, und zu der Zeit sprach er von sozialen Kreisen, in denen Menschen jeweils andere Rollen einnehmen.

    Zu Kafkas 100. wird er gerade als Sportler wiederentdeckt. Stefan Osterhaus schreibt in seinem Beitrag für den Deutschlandfunk Kultur von Kafkas Leidenschaft für Rudern, Tennis und Schwimmen.

    David Prudhomme, Étienne Davodeaux, Pascal Rabaté, Marc-Antoine Mathieu, Troubs und Emmanuel Guibert (Szenario und Zeichnungen): Rupestres ! (Futuropolis 2011), 208 Seiten
    Über Höhlenmalereien aus dem Paläolithikum

    Edmond Baudoin, Chloé Cruchaudet, Étienne Davodeux, Emmanuel Guibert, David Prudhomme, Marc-Antoine Mathieu, Pascal Rabaté und Troubs (Szenario und Zeichnungen) / Marc Azéma (Text) / Rémi Flament (Fotografien): Pigments (Futuropolis 2024), 160 Seiten
    Über die Höhlenmalerei von Pech Merle

    Emmanuelle Vagnon (Szenario) / Jean Leveugle (Zeichnungen): Geographia. L'odyssée cartographique de Ptolémée (Futuropolis Albums 2024), 160 Seiten
    Über die Kartographie des Claudius Ptolemäus (um 100 - nach 160) aus der Römischen Provinz Ägypten

    Benoît Vieillard: Le Passage (Éditions Ouest-France 2024), 88 Seiten
    Über die inzwischen unter Denkmalschutz stehende Passage Pommeraye (1843) in Nantes

    Jean-Claude Bourret (Szenario) / Julien Grycan und Marion Weasel (Zeichnungen): Au cœur de Notre-Dame (Guy Trédaniel Éditeur 2024), 88 Seiten
    Über die Kathedrale Notre-Dame de Paris

    Mit Märchen bin ich aufgewachsen, nicht nur mit Büchern, sondern auch mit Filmen. Besonders erinnere ich mich noch an die ZDF-Zeichentrickserie Märchen der Völker, in der es einige verstörende Folgen gab, die heute wohl mit einem Triggerhinweis bedacht werden müßten.

    Aus der Bibliothek meiner Mutter habe ich drei dicke, gebundene Märchenbücher geerbt. Zusammen dürften das mehr als tausend Seiten sein.

    • Edmund Mudrak (Hrsg.): Das goldene Märchenbuch (Ensslin & Laiblin Verlag 1957)
    • Erik Jelde: Knaur Märchenbücher. Märchen der Welt (Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. 1956)
    • Hans Christian Andersen: Andersens Märchen (Hoch-Verlag 1954)


    Keines der Bücher habe ich von vorne bis hinten gelesen, sondern mir immer mittendrin etwas herausgepickt. So nach und nach habe ich besonders im Goldenen Märchenbuch und Märchen der Welt trotzdem fast alle Märchen gelesen. Von Andersen habe ich natürlich die Klassiker "Die kleine Seejungfrau", "Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern" und "Die Prinzessin auf der Erbse" gelesen; aber damals habe ich mich gefragt, warum das Märchen sein sollen, weil die einfach nur traurig waren, so gar nicht märchenhaft.

    In der Schule gehörte zu meinen frühen Lektüren Das Wirtshaus im Spessart von Wilhelm Hauff, von der nur "Das kalte Herz" bei mir hängengeblieben ist. Besser erinnere ich mich an die Verfilmung von 1958 von Kurt Hoffmann mit Liselotte Pulver sowie Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller; da hat mir der lockere Ton gefallen.

    Als Comicfan habe ich mir die Serie Grimm aus dem Zwerchfell Verlag zugelegt, soweit ich sie bekommen konnte. Daran hat mich natürlich gereizt, dass die auf den derberen Versionen basieren, die sich explizit an Erwachsene wenden; und auf diese Weise habe ich auch deutschen Comicmarkt und die deutschen Comickünstler unterstützt.

    Apropos Crossover: Zugunsten des Roten Kreuzes Flandern findet ab dem 24. April eine Aktion stammt, bei der mit dem Comicfiguren Jommeke sowie Suske und Wiske bedruckte Pflaster gekauft werden können.
    Darüber hinaus wird es ein Crossover-Comicalbum der beiden langlebigen flämischen Serien als Special geben. Das Szenario wird Kristof Berte schreiben, gezeichnet wird es von Dirk Stallaert. Weitere Details dazu werden später bekanntgegeben.

    Quelle: stripspeciaalzaak.be

    Octavia E. Butler: Kindred (Doubleday 1979) | Vom gleichen Blut (Bastei Lübbe Science Fiction 1983) und Kindred – Verbunden (w_orten & meer 2016)

    Hiermit erlaube ich mir einerseits, den alten Thread wiederzubeleben; andererseits verstoße ich im gewissen Sinne gegen meine Prämisse, denn bei dem vorgestellten Roman handelt es sich um einen modernen Klassiker, der noch gar keinen Staub angesammelt hat. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass er in absehbarer Zeit ins Reclam-Programm oder das eines ähnlichen Klassikerverlages aufgenommen wird.

    Ich muß gestehen, dass ich Octavia E. Butler ihrer Namensvetterin Judith Butler vorziehe. Octavia E. Butler stammt aus kleinsten Verhältnissen, denn ihr Vater war Schuhputzer und ihre Mutter Dienstmädchen; zudem war sie schüchtern und litt an Legasthenie. Trotz der widrigen Umstände gelang ihr der Collegeabschluß, und später fand sie in Harlan Ellison und Samuel R. Delaney Mentoren, die sie dabei unterstützten, eine freiberufliche Schriftstellerin zu werden. 1976 wurde sie mit ihrem Science-Fiction-Roman Patternmaster der Öffentlicht bekannt, doch mit Kindred gelang es ihr, endlich vom Schreiben leben zu können.
    Kindred ist ein Zeitreiseroman, in dem die afroamerikanische Schriftstellerin Dana zu Beginn in einem Hospital aufwacht, als ihr ein Arm amputiert wird. Das ist das Ergebnis ihrer Zeitreise aus dem Jahr 1976, als die USA ihr 200jähriges Jubiläum feierten, und Dana 26 Jahre alt wurde. Ohne weitere Erklärung findet sie sich um 1815 in Maryland auf der Plantage der Weylins wieder, wo sie nach und nach erkennt, dass es sich dort um ihre Vorfahren handelt, die Sklaven und Sklavenhalter waren. Letztlich reflektiert der Roman das Verhältnis zwischen der Erfahrung in der Vergangenheit, Sklave gewesen zu sein, und dem modernen Leben, das zwar immer noch rassistisch geprägt war, aber den Nachfahren der Sklaven ein wesentlich freieres Leben erlaubte als ihre Vorfahren.
    Den Roman habe ich damals bei einer Buchhandlung auf dem Unigelände gekauft, die ihn vorrätig hatten, weil der Titel in einem Anglistikseminar als verpflichtende Lektüre vorgesehen war. Ich mag Science Fiction und hatte mir deshalb zum Reinschnuppern die Kurzgeschichtensammlung Bloodchild and Other Stories gegönnt, die ich regelrecht verschlungen habe. An Butler schätze ich den Umstand, dass sie eine profunde Menschenkenntnis hat, die sie in ihren Stories auf faszinierende Weise vermittelt und dadurch ihr Publikum verblüfft. Sie weiß, wie unsere Spezies tickt, und zeigt das auf häufig verstörende Weise, die zum Nachdenken anregt. Butlers Kurzgeschichten und Romane haben noch lange in mir nachgehallt, und ich bin mir sicher, dass ich nicht allein bin mit dieser Ansicht.
    Butler kritisiert Rassismus und Sexismus, ohne jemandem nach dem Munde zu reden, weshalb ich glaube, dass sie politsch unbequem war, aber gerade dadurch wirkt ihr Werk zeitlos. Ich fände es interessant, darüber nachzudenken, was sie von einer Bewegung wie Black Lives Matter gehalten hätte; wahrscheinlich wäre sie auch heute noch ein Stachel im Fleisch all derer, die keine Zwischentöne kennen.

    In vielen Medien wird heute Diversität betrieben, indem erfolgreiche Titel und Franchises gegen den Strich gebürstet und auf woke getrimmt werden. Diese Vorgehen empfinde ich als halbherzig, weil es auch dazu kommen kann, dass der ästhetische Ansatz hinter den Werken unterlaufen wird. Besser finde ich es, wenn Medienmacher aus bisher entlegenen Regionen eine Chance bekommen, mit ihrem kulturellen Hintergrund etwas Eigenes zu schaffen, das es bisher auf dem Markt nicht gegeben hat.

    Ein Beispiel dafür ist eine Comicserie, die BOOM! Studios für den 5. Februar 2025 angekündigt hat; wieviele Hefte sie dann schließlich umfassen wird, das läßt die Ankündigung offen.
    Der Verlag kündigt die Serie mit dem Untertitel A Nigerian Cultural Horror Story an: In Bronze Faces geht es um die Benin-Bronzen, die im Sklavenhandel eine unrühmliche Rolle gespielt haben und als Raubkunst gelten. Damit gibt der Verlag einem kreativen Team aus Nigeria eine Chance auf dem internationalen Markt.
    Das Szenario stammt von den Autoren Shobo und Shof, die aus dem kulturellen Erbe Nigerias schöpfen; gezeichnet wird die Serie vom Eisner Award-Gewinner Alexandre Tefenkgi. Das Team kombiniert in ihrem Comic das Heist-Genre mit einer Heimkehr und der Mythologie.

    Timi, Sango und Gbonka waren in ihrer Kindheit Freunde, haben sich aber aus den Augen verloren. Nun kommen im Londoner Stadtteil Soho an einem Abend wieder zusammen, an dem Timis Vater im British Museum eine historische Neuerwerbung vorstellt. Aber das Trio sieht in der Akquise Raubkunst und beschließt, diese zurückzustehlen. Bei ihrem Diebstahl stoßen sie auf ein "Register", eine Liste von 1.500 kolonialen Kunstwerken, die das British Museum als Hehlerware besitzt ...

    Ich drücke die Daumen und wünsche der Serie viel Erfolg.

    Quelle: BOOM! Studios

    • Valerian & Veronique Gesamtausgabe Band 3


    Hier endet dann die Strecke der Geschichten, die ich aus meiner Kindheit kenne. Irgendwann habe ich nämlich einen Comicladen entdeckt, der ein breiteres Angebot hatte, und dort habe ich mich nicht mehr getraut, im Laden ganze Alben zu lesen. Ab Band 4 wird für mich die Serie Neuland sein.

    Zur Zeit besitze ich leider keine Legos mehr, und Platz dafür hätte ich auch nicht.

    Aber in meiner Kindheit gehörte Lego zu meinen liebsten Geschenken unterm Weihnachtsbaum oder zum Geburtstag. Am selben Tag habe ich die Modelle nach den Bauplänen zusammengesetzt und sie einige Zeit bewundert. Aber je älter ich wurde - nachher kam noch mein jüngerer Bruder dazu -, desto kurzer wurde die Frist, bis ich die Teile auseinander genommen habe. Aus dem, was wir hatten, haben wir dann eigene Kreationen gebastelt. Zuletzt hatten wir gemeinsam vier oder fünf blaue Lego-Sammelkisten.
    Eines Tages hat dann mein Bruder auf einer 32x32-Lego-Grundplatte ein monumentales Haus gebaut, wofür er die meisten Teile verwendet hat. Als ich das dann auseinander nehmen wollte, um was anderes zu basteln, hat mir meine Mutter das verboten. Das hat mich damals tief getroffen. Bei mir kam das so rüber, als wenn ich jetzt zu alt für das Kinderspielzeug gewesen wäre. Dieser Bann hat Monate gedauert.
    Irgendwann hatte ich dann anderes zu tun, so dass die Klemmbausteine völlig aus meinem Blickfeld geraten sind.
    Als mein Bruder und ich jeweils eigene Zimmer bekommen haben, wurden die Brettspiele bei mir gelagert, während mein Bruder die Lego-Kisten bekam. Das fand ich unfair. Ich hatte das Gefühl, mein Bruder hätte mir die Legos geraubt, und das mit dem Segen meiner Eltern.

    • Alexandre Dumas (der Ältere): Les Trois Mousquetaires (Éditions P. Baudry 1844) | Die drei Musketiere (Wesché’sche Verlagsbuchhandlung in Frankfurt am Main 1844)
    • D’Artagnan et les trois mousquetaires | Die drei Musketiere (Frankreich / Kanada / Großbritannien / Tschechische Republik 2005), Drehbuch: Pierre Aknine und Gérard Walraevens, Regie: Pierre Aknine, 180 min, FSK: 12


    Eine Inhaltsangabe kann ich mir wohl ersparen. Sicher reicht das Motto: Einer für alle, alle für einen, um Erinnerungen an diesen klassischen Abenteuerroman wach werden zu lassen. Allerdings gibt es da einen Haken, denn einige werden den Stoff in gekürzten und gestrafften Jugendbuchfassungen kennengelernt haben; möglicherweise kennen andere die 65 Folgen umfassende Heftromanserie Die vier Musketiere, die 1976 und 1977 beim Pabel Verlag erschien.
    Bei mir dauerte es bis zum Studium, bis ich mir das knapp 900 Seiten lange Original zugelegt habe - eine Taschenbuchgesamtausgabe der Reihe Les Classiques du Poche aus dem Verlag Le Livre de Poche. Mit dem unschlagbar günstigen Preis dürfte sie das französische Pendant zu unseren Reclamheften sein. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Plot schon allgemein bekannt ist, eignet sich der Roman gut dazu, sein Französisch zu vertiefen. Mit den Details und den Subplots bietet er zugleich den Reiz, Neues zu entdecken.
    Dagegen sind die beiden anderen Bände der Trilogie um die Musketiere, Zwanzig Jahre danach (1845) und Der Vicomte von Bragelonne oder Zehn Jahre später (1847-1850), fast schon Geheimtipps für Nerds und Fans klassischer Literatur.

    Adaptationen des Stoffes gibt es in sämtlichen Medien zuhauf, so dass die einzelne Verfilmung in der Masse untergeht. Diese zweiteilige Miniserie wurde für das Fernsehen produziert, und das ist der Version auch anzumerken. Besonders bei den Sets fällt das auf, die fast wie Spielszenen aus Dokus im Stil von Terra X wirken; an den Effekten hat der Zahn der Zeit ordentlich genagt. Während der erste Teil um das Collier der Königin noch der Vorlage folgt, nehmen sich Aknine und Walraevens bei dem gemeinfreien Stoff eine ziemliche Freiheit heraus. Sicher, schon in der Vorlage ist Milady de Winter eine rätselhafte, gefährliche Frau, aber daraus einen Teufelspakt zu machen und ihr einen glatzköpfigen Minion als Sidekick zu geben, finde ich schon grenzwertig.
    Die Kameraführung empfand ich als einfallslose Hausmannskost; und die Dramaturgie war schlicht unmißverständlich, damit auch diejenigen bei der Sache bleiben können, die nebenbei bügeln oder manchmal abgelenkt sind. Am eindrucksvollsten schauspielerte noch Emmanuelle Béart, die schöne Querulantin; Heino Ferch war als Athos zur Abwechslung mal mit langer Mähne zu sehen; und Tchéky Karyo legte seinen Kardinal de Richelieu mit seinen Blofeld-Katzen wie ein anderswo bekannter Bösewicht an.
    Diese Verfilmung bietet familiengerechte Unterhaltung, nicht mehr und nicht weniger, im Vergleich zählt sie jedoch zu den Schwächeren. Mich persönlich hat Richard Lesters Verfilmung (1973/1974) mit Michael York, Oliver Reed, Faye Dunaway und Raquel Welch in meiner Kindheit geprägt, und deswegen würde ich sie der 2005er Fassung immer vorziehen.

    Robert Palfrader:

    • Ein paar Leben später. Roman (Carl Ueberreuter Verlag 2024)

    Robert Palfrader: "Teilleistungsschwäche bei der Nächstenliebe"
    Der Schauspieler und Kabarettist hat mit "Ein paar Leben später" einen liebevollen Roman über seine Südtiroler Vorfahren geschrieben
    www.derstandard.at
    Buch-Tipp: „Ein paar Leben später“ von Robert Palfrader | schauvorbei
    Robert Palfrader, bekannt als Schauspieler und Kabarettist, hat mit "Ein paar Leben später" seinen ersten Roman veröffentlicht, in dem er eine spa ...
    schauvorbei.at
    • Christophe: "Histoire sans paroles – un Arroseur public" (1889)
    • "L'Arroseur arrosé" | "Le Jardinier et le Petit Espiègle" | "Arroseur et Arrosé" | "Der begossene Gärtner" (Frankreich 1895, Société Lumière), Kamera und Regie: Louis Lumière, 49 Sekunden


    Meines Wissens ist das die erste Literaturverfilmung, die erste Verfilmung eines Comics. Und sie stellt etwas Außergewöhnliches dar, denn die Gebrüder Lumière sind in erster Linie für ihre Dokumentarfilme bekannt. Ihre Filme bestehen aus einer einzigen Einstellungen, deren Länge durch die Filmrolle von 17 Metern begrenzt wurde. Gedreht wurde der Film im Garten des lumièreschen Landhauses in Clos des Plages bei La Ciotat im Frühling. Seine Premiere hatte der Film am 10. Juni 1895 bei einem Kongreß der französischen Fotografenvereinigung in Lyon.

    Der Film zeigt einen Gärtner beim Rasensprengen. Ein Junge spielt ihm einen Streich, indem mit seinem Fuß den Schlauch abklemmt, bis der Gärtner irritiert ist. Als der den Schlauch anguckt, läßt der Junge der Wasser spritzen. Der Gärtner bestraft den Jungen, indem ihn an den Ohren zieht und ihm den Hintern versohlt.

    In den nächsten Jahren entstanden diverse Plagiate, wodurch er zu einem Vorläufer des Slapstick wurde. Aber auch von dem Original, das inzwischen frei im Internet steht, gab es drei Fassungen. Durch Presseartikel gab es eine Nachfrage, und bei der berühmten Vorführung im Grand Café am Pariser Place de l’Opéra am 28. Dezember 1895 lief er als sechster von zehn Filmen. Insgesamt hatte die erste öffentliche Aufführung nur 33 zahlende Besucher. Doch deren Anzahl wuchs stetig, so dass im Januar 1896 täglich schon bis zu 2.500 Zuschauer kamen, die einen Franc Eintritt zahlten.

    Jeanne Dielman, 23, quai du Commerce, 1080 Bruxelles | Jeanne Dielman (Belgien / Frankreich 1975, Paradise Films und Unité Trois), Drehbuch und Regie: Chantal Akerman, 201 min, FSK: 16

    Chantal Akerman drehte seit 1968 Kurzfilme, doch ihr internationaler Durchbruch gelang ihr erst mit ihrem zweiten Langfilm. Vorher lebte sie mehrere Jahre in New York City, wo sie ihren Stil herausbildete. Für diesen Film bekam Akerman eine Förderung im Wert von 120.000 US-Dollar vom belgischen Staat, und seine Premiere feierte er in der renommierten Quinzaine des Réalisateurs auf den 28. Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1975.
    Doch die Kritik nahm ihn zunächst zwiespältig auf, dann entwickelte er sich langsam zu einem Kultfilm, und heute gilt er als das erste Meisterwerk des feministischen Films, als einer der besten Filme überhaupt. Sofia Coppola, Gus van Sant und Kelly Reichardt zählen zu den Bewunderern, die sich auf Akermans Opus magnum berufen.

    Damit macht es der Film dem Publikum nicht leicht. In langen, statischen Einstellungen wird das alltägliche Leben von Jeanne Dielman gezeigt, einer 40jährigen Mutter, die vor sechs Jahren ihren Ehemann Georges verloren hat. Trotz der beengten Verhältnisse kümmert sie sich um ihren 16jährigen Sohn Sylvain, der gerne liest. Das Prozedere der Tage ist streng getaktet, weshalb es bei Unstimmigkeiten leicht aus dem Takt gerät. Bevor Sylvain nach Hause, empfängt Jeanne jeden Tagen einen Freier, um Geld zu verdienen; ansonsten lebt sie ziemlich isoliert. Zeitweise paßt sie auf das Baby ihrer Nachbarin auf, und in ihrem Stammcafé kennt sie noch die Bedienung Giselle, ansonsten verläuft ihr Leben eintönig. Außerdem muß sie sparsam haushalten; so läßt sie das löchrige zweite Paar Schuhe Sylvains von einem Schuster flicken; zur Nacht muß das Schlafsofa im Wohn- und Eßzimmer ausgeklappt werden, damit Sylvain schlafen kann. Im Gegenzug gibt es unter der Woche täglich warme Fleischgerichte.
    Akermans Meisterwerk zählt zum Slow Cinema und überläßt es dem Publikum, sich mit dem Gesehenen zurechtzufinden, denn im Finale wird deutlich, dass es sich um die Backstory eines Genrekrimis handelt. Mit den gezeigten drei Tagen bleibt der Film bei der klassischen Dreiaktstruktur, die jedoch unspektakulär und ohne Rotlichtklischees daherkommt. Zunächst mag der Film realistisch wirken, doch je länger sich jemand darauf eingelassen hat, umso deutlicher wird, wie Akerman Tageslicht, elektrisches Licht und Dunkelheit dramaturgisch setzt. Auf mich hat er deshalb weniger wie ein in sich abgeschlossener Spielfilm gewirkt, sondern eher wie eine dreiteilige Miniserie, die langsam ihren Sog entwickelt.

    Kafka ist inzwischen zu einer Marke geworden, und heute strahlt er in einem Glanz, der weit über seine Biographie hinausreicht. Ähnlich wie Vincent van Gogh in der Kunst ist er zu einem Inbegriff von etwas geworden, das ihn zu einem Popstar gemacht hat.
    Zum 100. Jubiläum seines Todestags ist er der Protagonist einer sechsteiligen Miniserie geworden, an der auch der Erfolgsautor und Bestseller Daniel Kehlmann mitgewirkt hat. Die Dynamik seiner Rezeption hat ein Eigenleben gewonnen, das ihn übergroß werden läßt. Dabei wollte er doch eigentlich, dass Max Brod seinen Nachlaß vernichtet; und zu Lebzeiten hat er auf Lesungen über seine Texte gelacht ... also da liefert er eine Menge, an dem sich Kreative heute noch reiben können.
    Mit kafkaesk hat er ein eigenes Adjektiv geprägt, das soll ihm erstmal einer nachmachen.

    Auf diese Weise werden immer wieder Anstöße geliefert, sich mit seinem Werk zu befassen; jede Generation kann neu für sich entdecken, und das hält seine Literatur lebendig.

    Zum Glück haben wir unterschiedliche Geschmäcker, sonst wäre es langweilig.
    Außerdem bin ich mir sicher, dass unsere Mitleser ihren eigenen Geschmack haben, der weder mit deinem noch mit meinem überstimmt. Das liegt daran, dass wir alle unser eigenes Leben haben, von dem wir geprägt werden.
    Wir können uns unterhalten, ohne uns in die Wolle zu kriegen; ein Dialog auf Augenhöhe.

    Na ja, mich interessieren ausgewählte Fernsehserien; häufig treffe ich nach Motiven der Thumbnails und den Inhaltsausgaben eine erste Vorauswahl. Da picke ich mir die Rosinen heraus, und das betrifft dann auch Serien, mit denen ich eigentlich wenig anfangen kann, zum Beispiel „Die Rosenheim-Cops“. Auch wenn ich mich da einzelnen Episoden widme, fremdele ich mit Serie. Aber ja, ich mag Abwechslung.

    Du kannst hier ja aus dem Vollen schöpfen, und auch Filme ins Spiel bringen, die dir gefallen, solange sie alt genug sind. Bei meinen Thread im Kunstforum muss ich schon strengere Maßstäbe anlegen, also qualitätsmäßig die Latte höher legen. Außerdem bringe auf jeder Seite mit 25 Posts in der Regel zwei bis drei Klassiker, weil die anderen Anteile wie Biopics von Künstlern und Serienfolgen auch bedient sein wollen.

    Wie es aussieht haben wir einen unterschiedlichen Geschmack. Lubitsch magst du nicht, Fritz Lang auch nicht ... Ich hingegen schalte bei Zynismus und Gewaltverliebtheit ab, damit kann mittlerweile nichts mehr anfangen. Aber wenn es um Klassiker geht, nehme ich Abstand zu meinem eigenen Geschmack, weil ich da neutral und objektiv sein möchte.