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17.08.2017, 12:50 | #1 |
Moderatorin Internationale Comics
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Schön, endlich Leben in der Bude.
Natürlich habe ich eine Vorstellung davon, was Kunst ist und was nicht. Aber die läuft bei mir unter persönlicher Meinung. In der Praxis gehe ich das pragmatisch an und achte darauf, was so an Debatten läuft, zum Beispiel in den Feuilletons. Um es kurz zu machen: Kunst ist für mich das, was in der Branche als solche gehandelt wird. Kunst ist das, was als solche an Kunsthochschulen gelehrt wird. Kunst ist das, was in der Kunstgeschichte gelehrt wird. Mein Einfluß in dieser Hinsicht ist vernachlässigbar. Über manche Kapriolen kann ich nur den Kopf schütteln. Was jetzt oder später das Etikett Kunst bekommen wird, das bestimmen andere - und die kommen aus dem Großbürgertum. Wer seine eigene Duftmarke in Sachen Kunst setzen will, braucht eine Menge Geld, viel Zeit und gute Verbindungen zu Verbänden und Institutionen. Eine Möglichkeit wäre es, sein eigenes Museum zu gründen - wie Lothar-Günther Buchheim (Das Boot) oder das Museum Ludwig in Köln. Die Guggenheim-Museen sind inzwisches ein internationales Franchise - wie Starbucks oder H&M. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Ausstellungen in berühmten Museen zu kuratieren. Auf der Ebene fällt mir spontan Harald Szeemann ein. Wer eine documenta zusammenstellen darf, muß zumindest beachtet werden. Dann gibt es einflußreiche Kunstkritiker und Journalisten wie Clement Greenberg, Leslie Fiedler oder Bazon Brock, die sich Gehör verschaffen können. Und selbst bei denen kann das eigene Projekt in die Hose gehen. Leute ändern sich, Jüngere haben einen anderen Geschmack und andere Vorlieben als Ältere. Da ist nix in Stein gemeißelt. Was unter Kunst verstanden wird, ändert sich. Heutige Kunsthistoriker bekommen leichter Forschungsmillionen für Studien zur Wahrnehmung (am besten mit Computertomographen) als für "ausgeforschte Alte Meister". Wenn die neuen Shootingstars sich allerdings plötzlich alle naslang auf Tintoretto beziehen, kann der "wiederentdeckt" werden. Ich glaube, ich bin ziemlich dicht dran an eck@rts Standpunkt. Geändert von Servalan (20.12.2017 um 18:33 Uhr) |
17.08.2017, 19:08 | #2 |
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Wenn man die Kunstgeschichte ganz grob erzählt, dann war Tizian der letzte der großen Italiener. Danach kommt El Greco, aber der bleibt nicht in Italien und geht nach Spanien, und wird deshalb als der erste in der Ära der großen Spanier gezählt.
Tintoretto fällt dabei unten durch. |
17.08.2017, 19:13 | #3 |
Moderator Deutsche Comicforschung
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17.08.2017, 19:15 | #4 |
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Wer sind da die eigentlichen Künstler - die Canalettos oder die Baumeister Venedigs?
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17.08.2017, 21:13 | #5 | |
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Zitat:
Canaletto hat nicht seine Zeit wiedergegeben – im Sinne von Sozial-Kritik –, sondern die Architektur seiner Zeit. Deshalb trifft es das wohl eher ... Eindeutig die Baumeister Venedigs und anderer Städte. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde auch München von Canaletto im Auftrag gemalt. Wenn es damals schon Fotografie gegeben hätte, würde es diese Gemälde nicht geben. |
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18.08.2017, 07:42 | #6 | |
Moderator Deutsche Comicforschung
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Zitat:
Noch was vom Oberlehrer: Wir reden hier immer von "Canaletto"; es gab deren aber zwei: Giovanni Antonio Canal (1697–1768) und Bernardo Bellotto (1722–1780). Die meisten Venedigbilder stammen vom ersteren. eckrt |
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20.08.2017, 14:08 | #7 |
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Wenn er stattdessen moderne Kunst gemacht hätte, hätte er es weit bringen können.
Reden konnte er ja. Und für Sebstdarstellung hatte er auch Talent. |
20.08.2017, 14:19 | #8 |
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Ich finde, er hat es schon weit genug gebracht. Zu weit.
Ehrlich gesagt fehlt mir die Fantasie, in welchem Beruf "Hüttlär" gut aufgehoben gewesen wäre. |
21.08.2017, 11:24 | #9 |
Moderatorin Internationale Comics
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Na ja, den Titel des Thread habe ich schon mit einem gewissen Hintersinn gewählt.
Einerseits gehört das erste Gemälde von Édouard Manet aus dem Jahr 1863 zu den frühen Werke der Moderne, das auf dem Pariser Salon zuerst abgelehnt wurde. Die Abgelehnten haben sich jedoch zusammengetan und was Eigenes auf die Beine gestellt, nämlich den Salon des Refusés. Das sollte fortan Methode machen: Sezession, Avantgarde, Manifeste und die ganzen Rebellionen gegen den Kunstbetrieb. Ein paar Generationen später hat sich die Aufregung dann gelegt, und die Rebellen von gestern sind Klassiker der Moderne. Das erste Cover von Claude Monet 1865 hängt heute ebenfalls im Musée d'Orsay. Wie bei einem Song von den Beatles gibt es Cover zuhauf, darunter von Picasso. Zola hat die Entstehungsgewschichte in seinem Künstlerroman Das Werk (aus dem 20bändigen Zyklus Die Rougon-Macquart) verewigt. Was dabei abgelaufen ist, das weist schon in die Richtung, die später Warhol auf den Punkt bringen wird und von den Nazis als "entartete Kunst" diffamiert und diskreditiert wurde. Um meine These ketzerisch zuzuspitzen: Ein Kunstwerk braucht auch einen Teil des Publikums, das gar nichts damit anfangen kann, das es lächerlich findet. Wenn es wirklich allen gefällt, ja, das wäre die wahre Katastrophe ... Geändert von Servalan (21.08.2017 um 11:32 Uhr) |
21.08.2017, 12:37 | #10 | |
Moderator Deutsche Comicforschung
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Zitat:
Wie ich aber schon sagte, ich glaube daran, dass Kunst allein Konvention ist. Voraussetzung ist, dass jemand das "Kunstwerk" zum Kunstwerk erklärt und dass der geneigte Betrachter qua eigener Voraussetzung (Bildung, Indoktrination) "empfindet", das er vor einem Kunstwerk steht. Unter dieser Voraussetzung kann auch etwas "Kunst" sein, wenn nur ganz wenige es gut finden. eckrt |
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21.08.2017, 13:49 | #11 |
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22.08.2017, 10:03 | #12 | |
Moderatorin Internationale Comics
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Zitat:
Allerdings darf Hinz und Kunz bei dem Spiel mit Konventionen nicht mitmischen, Krethi und Plethi bleiben außen vor. Die richtigen Leuten müssen reagieren - siehe die Aufregung um die Performance "Auschwitz on the Beach" bei der laufenden documenta. Je mehr Leute von Gewicht sich an der Debatte beteiligen, umso besser. Wenn das Werk weitere Werke von anderen Künstlern provoziert, sorgt das für eine enorme Resonanz. Wenn sich immer wieder nachwachsende Generationen darauf beziehen, verschafft das eine gewisse Reputation. Jede Hommage, jede Parodie, jedes Pastiche wird zu einer Auszeichnung. Moderne Kunst funktioniert meiner bescheidenen Meinung nach ähnlich wie Vexierbilder. Spätestens mit der Erklärung sollte es einen Aha-Effekt geben. Und wer den kennt, kann sich als eingeweiht betrachten. Leute können sich guten Gewissens ein Leben lang damit beschäftigen, obwohl es keine simple Gebrauchsanweisung gibt. Irritationen und ein leicht flaues Gefühl in der Magengrube gehören dazu wie das Salz in der Suppe. Aber solche Werke können nicht am Reißbrett entworfen werden. Dann müssen sie auch noch funktionieren und den richtigen Leuten in die Finger geraten. Eine Gleichung mit zu vielen Variablen ... |
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31.12.2017, 21:11 | #13 | |
Moderatorin Internationale Comics
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Zitat:
Und der gute Gerhard Richter gehört ja seit Jahren zu den internationalen Superstars der Kunstszene. Manchmal legt er es sogar darauf an, daß sich sein Publikum unwohl fühlt: Die sollten froh sein, wenn sie den Raum mit seinen Porträts im kalten Licht verlassen, sagt er in Gerhard Richter - Painting. "Jedes Bild ist der Todfeind des anderen", so ein weiteres Zitat von ihm. Danach reduziert jede Kunstgeschichte jeweils auf ein einziges Werk. |
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21.08.2017, 12:46 | #14 |
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Mawil: Le Picnic
http://www.mawil.net/wp-content/uplo...tsp_picnic.jpg ("The Singles Collection", Seite 75) |
27.08.2017, 09:45 | #15 |
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Der rote Tisch ist ist genau im richtigen Stil.
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27.08.2017, 12:07 | #16 |
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