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01.07.2018, 12:21 | #1 |
Moderatorin Internationale Comics
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Das lag vermutlich an zwei Faktoren: Von Hobbits hatte ich vorher nie gehört. Insofern gehörte ich zu Tolkiens Zielgruppe für seinen umständlichen Prolog, in dem er ein Panorama seines Universum gibt. Ich habe sehnlichst darauf gewartet, daß die Geschichte endlich Fahrt aufnimmt - und das erste, was mir gefallen hat, war das Geburtstagsfest. Letzten Endes bin ich bis zur Schlacht um Helms Klamm gekommen, bis Merry und Pippin sich auf ihrer Flucht vor den Orks im Wald der Ents verlaufen habern. Meine Mutter hatte die leidige Eigenschaft, mich immer wieder in meiner Lektüre zu unterbrechen. Irgendwann bin ich dabei aus dem Takt gekommen und habe den Draht zur Story verloren. Vor einigen Jahren fiel mir einem Antiquariat eine englische, gebundene Omnibusausgabe in die Hände. Und obwohl ich tagsüber beschäftigt war, habe ich jeden Tag 200 Seiten gelesen und jedes Wort von Tolkien genossen. Wie Lynchs Version von Herberts Wüstenplanet Dune habe ich Ralph Bakshis Verfilmung im gleichen Schachtelkino gesehen. Der war damals Teil eines besonderen Sommerprogramms, in dem Klassiker aus Fantasy und Science Fiction jeweils eine Woche lang neu aufgeführt wurden. Star Wars, Rocky Horror Picture Show, Little Shop of Horrors | Der kleine Horrorladen und Kubricks 2001 - Odyssee im Weltall zum Beispiel. Die Verfilmung bleibt vergleichsweise dicht an der Vorlage, bricht jedoch mitten in der Erzählung ab. Bakshi war durch seine Zeichentrickfilme für Erwachsene bekannt: in erster Linie Fritz the Cat nach Robert Crumb. Erotik kommt im Mittelerde weniger vor. Damals war ich zufrieden, weil Bakshi elliptisch erzählt und eine Menge passiert. Die Tricktechnik hat mir gefallen, obwohl Gandalf und die Hobbits sich problemlos in einen Disney-Film aus derselben Zeit (Bernhard und Bianca) eingefügt hätten. Der erste Auftritt der Nazgûl hat mir Gänsehaut eingejagt: Ich habe mit Frodo, Sam, Merry und Pippin mitgefiebert, daß sie der Reiter sie im Dickicht nicht entdeckt. Der Film hat sicherlich seine Schwächen und kann seine Entstehungszeit nicht leugnen. Aber heute gefällt er mir besser als damals. Die rotoskopierten Orks wirken immer noch modern: Stilistisch erinnern sie mich an Moebius'/Jodorowskys Bösewichte in der Incal-Saga. In Corbens DEN-Universum passen sie ebenso gut wie in Mike Mignolas Hellboy-Universum. Das Storytelling hat jedenfalls keinen Staub angesetzt. Chapeau, Mister Bakshi! Geändert von Servalan (26.12.2019 um 20:29 Uhr) |
28.10.2019, 15:23 | #2 |
Moderatorin Internationale Comics
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Mitchell glorifiziert Georgia und wäscht die Sklavenhalter ziemlich weiß. Als handelnde Figuren kommen überwiegend Haussklaven vor, die zur Familie gehören; die übler behandelten Feldsklaven eher am Rande. Auf diese Weise bildet sie verschiedene Arten von Rassismus ab. Die Yankeefrauen im besetzten Georgia beschweren sich, daß sie keine Nannys für ihre Kinder finden. Scarlett O'Hara findet die Aussage lächerlich, denn es gibt viele ehemalige Sklavinnen, die Kinder erziehen können. Aber die Yankees verlangen weiße Kindermädchen, deutsche oder irische Nannys. Am schlechtesten kommen bei Mitchell ehemalige Sklaven weg, die Abgeordnete geworden oder in die Politik gegangen sind. Den Ku-Klux-Klan schreibt sie schön, was den Roman schwer verdaulich macht. Die Verfilmung weicht dem KKK eher aus, was ihm zugute kommt. Mitchell setzt mit ihrem langatmigen Roman dem Bundesstaat Georgia ein Denkmal, dabei erscheint das alte Georgia am Vorabend des Bürgerkrieges als Idylle aus der Sicht Scarlett O'Haras - und Margaret Mitchells. Geändert von Servalan (28.10.2019 um 15:58 Uhr) |
29.12.2019, 16:29 | #3 |
Moderatorin Internationale Comics
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Mittlerweile dürfte Fontanes Roman leichter zugänglich sein als diese Verfilmung. (Von Fontane habe ich in der Schule nur Unterm Birnbaum als Lektüre gehabt, andere Fontanes habe ich nicht gelesen.) Irgendwie hat Fontane Effi Briest dennoch einen eigenen Sog entfaltet. Ich habe ihn wie eine Märchenverfilmung für Erwachsene gesehen. Bei Märchen wird der Plot ja auch als bekannt vorausgesetzt, so daß Spoilern nichts am Film ändert. Fassbinder schließt manchmal das Erzählen kurz: Das Duell von Innstetten gegen Major Crampas zeigt er erst, als Major Crampas nach dem Schußwechsel schon im Sterben liegt. Der Seitensprung von Effi Briest mit Major Crampas wird bloß mit Strandszenen und einem Sitz in einer gemeinsamen Kutsche angedeutet. Kinder dürften dem Film wohl als langweilig empfinden, auch viele Zwölfjährige. |
29.12.2019, 17:41 | #4 |
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"Effi Briest" habe ich in den 80er Jahren als Reclam-Bändchen gelesen. Den Faßbinder-Film habe ich auch vor etlichen Jahren zuletzt gesehen, aber er hat mir sehr gut gefallen. Gustaf Gründgens hat den Stoff bereits 1939 mit seiner Frau Marianne Hoppe in der Hauptrolle als "Der Schritt vom Wege" verfilmt, aber er kommt an Faßbinder, finde ich, bei weitem nicht heran. Was mir gefallen hat, war die Kühle und Distanziertheit des Faßbinder-Films. Das paßt sehr gut zur Vorlage.
Der Clou an der Geschichte ist: Es gibt gar keine Affäre zwischen Effi und Crampas. Sie haben nur daran gedacht und sich entsprechende Briefe geschrieben. Es wäre also für Instetten ein Leichtes gewesen, den Vorfall abzutun und zu vergessen. Aber die Konvention verlangte, daß er so reagierte, wie er reagierte. Obwohl das nur Leid brachte. |
01.01.2020, 18:00 | #5 |
Moderatorin Internationale Comics
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Von der Atmosphäre her erinnert der Stoff an Chabrol-Krimis oder Nicht-Maigret-Simenon-Krimis. Das sind schon unterhaltsame anderthalb Stunden. Großes Kunstkino ist das nicht, eher handwerklich gutes Erzählkino. Die Darsteller tragen die Erzählung, obwohl die starke Rolle des Pfarrers etwas Provinzielles hat. Ein Krimi für Erwachsene, die sich mal von Polizeikrimis erholen wollen. Die Faßbinder-Verfilmung Fontane Effi Briest spielt in einer anderen Liga, einer höheren Liga als dieses Fernsehspiel. |
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