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Alt 16.12.2022, 06:45   #426  
Peter L. Opmann
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Dann muß ich sehen, daß ich mir "Wilde Kreaturen" auch mal anschaue.

Nun zu „Andrej Rubljow“ (1966) von Andrej Tarkowski, ein Film, um den ich in gewissem Sinn schon kreise, seit ich diesen Thread schreibe. Ich habe ihn schon in sehr jungen Jahren (ich hatte noch keinen Führerschein) in einem großen Frankfurter Kino gesehen. Leider bin ich nicht mehr ganz sicher, ob ich zusammen mit dem Comic Labor oder mit ein paar Kunstfreunden hingefahren bin. Aber es war eine gut besuchte Spätvorstellung, und ich saß ziemlich weit vorne vor einer riesigen Leinwand.

Gleich die ersten Szenen, in denen es um den Start eines Heißluftballons geht, haben sich mir unvergeßlich eingeprägt. Es gibt eine Auseinandersetzung unter mittelalterlichen Menschen (die Zusammenhänge konnte ich nicht gleich erfassen), und dann erhebt sich der Ballon in die Luft, die Kamera blickt nach unten, wo ein Menschenknäuel immer kleiner und leiser wird, und er schwebt, den Beschwernissen der Welt entrückt, über eine Klosteranlage. Ursache des Streits war, daß die Leute einen menschlichen Flug für gotteslästerlich halten. An den bei wikipedia vermerkten Absturz des Ballons habe ich keine Erinnerung, obwohl ich den Film später nochmal im Fernsehen gesehen habe. Aber ich hatte die Empfindung, daß ich mitfliege – ich machte dieselbe wunderliche Erfahrung wie ein Mensch des 14. Jahrhunderts, für den das absolut keine Alltäglichkeit war.

Eine lineare Handlung gibt es in diesem Film nicht, sondern einzelne Episoden, die Lebensstationen von Rubljow, dem wichtigsten russischen Ikonenmaler, beleuchten. Man kann das bei wikipedia nachlesen, ich habe allerdings vieles davon vergessen. Die Inszenierung ist sehr ruhig und eindringlich; ich bilde mir ein, daß der Film mit leiser Sphärenmusik oder Mönchsgesängen unterlegt ist. Sehr lebhafte Erinnerungen habe ich noch an eine längere Szene, in der Rubljow (oder ein anderer Maler?) auf einem Gerüst im Freskostil einen riesigen Christuskopf an eine Kirchenwand malt. Vielleicht sah das bei Michelangelo genauso aus; jedenfalls wirkt der Kirchenbau dunkel und feucht, und es ist für den Künstler eine große Anstrengung, auf dem Gerüst zu hocken, aber der Christus, der den Zuschauer direkt anblickt, wirkt dennoch beeindruckend. Insgesamt geht es um das Verhältnis des Künstlers zu anderen Künstlern, mit denen er zusammenarbeitet oder auch nicht, zu der russischen Lebenswelt, die von Armut und Schäbigkeit – und Gewalt – geprägt ist, und zur Kirche: Rubljow ist Mönch, tiefgläubig, hat aber mit den Kirchenstrukturen – schon damals – auch seine Schwierigkeiten.

Ich muß gestehen, daß ich den mehr als drei Stunden langen Film teilweise ermüdend fand. Als ich im Frankfurter Kino saß, war es ohnehin schon gegen Mitternacht, und man kann sich als Zuschauer eben an keiner Handlung entlanghangeln. Und zudem erschloß sich mir der Sinn der meisten Episoden nur bruchstückhaft oder erst im Nachhinein. Trotzdem gab es immer wieder großartige Szenen, die mich schlagartig wieder wachmachten und in ihren Bann zogen. Im Fernsehen ließ sich das Erlebnis leider nicht wiederholen. Das alles wirkte auf dem kleinen Bildschirm einfach nicht. Es wäre sicher gut gewesen, wenn ich mich auf die Vorführung hätte vorbereiten können und damit so manches besser verstanden hätte. Trotzdem glaube ich, daß „Andrej Rubljow“ in seiner Grundstruktur nicht schwer zu verstehen ist. Es geht exemplarisch um die Künstlerexistenz in seinen Gefährdungen und dem Streben nach vollkommenem Ausdruck. Das war für mich zu diesem Zeitpunkt immerhin noch eine Option: Künstler werden.

Bezüge zu Rußland und zum Kommunismus, beziehungsweise der Konfrontation der westlichen und der östlichen Welt nach dem Zweiten Weltkrieg sind an mir natürlich völlig vorbeigegangen. Teils wird auch hervorgehoben, daß Tarkowski sich bewußt vom Stil des sozialistischen Realismus abwandte und deshalb in der Sowjetunion eine Menge Probleme hatte. Vielleicht kann jemand von Euch, der sich da besser auskennt, noch das eine oder andere ergänzen – oder mich korrigieren. Der Film wurde 1969 beim Filmfestival in Cannes erstmals öffentlich vorgeführt und kam schließlich erst 1971 in der UdSSR in die Kinos.
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Alt 16.12.2022, 08:58   #427  
Nante
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An Tarkowski habe ich mich nie richtig rangewagt. Da hatte (und habe) ich die Angst, das ist für mich "zu harter Stoff".

Liegt vielleicht auch daran, daß ich damals im Kinderprogramm des DDR-Fernsehens mal völlig unvorbereitet "Iwans Kindheit" gesehen habe. Der war so völlig anders als die üblichen sowjetischen Filme, in denen Kinder und Jugendliche den faschistischen Besatzern heldenhaft entgegen treten.
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Alt 16.12.2022, 09:19   #428  
Peter L. Opmann
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Ich will nicht ausschließen, daß es in "Andrej Rubljow" auch brutale Szenen gibt, aber die haben sich mir überhaupt nicht eingeprägt. Die Grundstimmung ist eher meditativ. Es ist kein typischer "Mittelalterfilm" - mir kam vieles fremdartig vor.

"Iwans Kindheit" habe ich nicht gesehen - ich kenne sonst von ihm noch "Solaris" und "Opfer", seinen letzten Film, der mir aber auch sehr verrätselt erscheint. "Opfer" habe ich besprochen; ich müßte nachsehen, was ich damals daraus gemacht habe.
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Alt 16.12.2022, 09:49   #429  
pecush
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Tarkowski ist auch nicht meine Baustelle.
Ich erinnere mich aber daran, dass ich mal in einer in Deutschland damals sehr guten und erfolgreichen Spielfilm-Redaktion ein Zeitschriften-Praktikum machte. Im TV lief zu diesem Zeitraum eine Wiederholung von "Stalker", den ich zu besprechen hatte. Da mir dieser Film nichts sagte, wollte ich mir Hilfe bei den Kollegen holen - alles Filmfans,-Nerds,-Experten. Aber keiner kannte den!
Sie schickten mich zu ihrem Abteilungsleiter - und der kannte den und konnte mir helfen.
Ein Mann, der es komisch fand, dass ich in dieser Woche damals nur zweimal im Kino war - er war 5x im Kino und nahm sich nur Urlaub, um auf die Filmfestivals zu fahren.
Habe viel von ihm gelernt; dann und wann mailen wir heute noch.
Nur über Tarkowski sprechen wir nicht mehr.
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Alt 16.12.2022, 18:26   #430  
Servalan
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Direkt mit Tarkowski auseinandergesetzt, habe ich mich nicht; wenn ich es jetzt rückblickend betrachte, wundere ich mich, daß ich doch große Teile seines - sagen wir - recht übersichtlichen Werkes teilweise mehrfach gesehen habe.

Vielleicht liegt das meiner Vorliebe für Science Fiction aus dem Ostblock: Stanisław Lem gehört da zu meinen unangefochtenen Favoriten (das ist wohl anderswo im Forum längst deutlich geworden) und auch für Brüder Strugatzki hege ich eine gewisse Sympathie. "Stalker" (1979) war vermutlich der erste Film von ihm, den ich damals im Fernsehen schauen konnte. Den fand ich ziemlich verstörend und rätselhaft, besonders die Telekinese-Szene von Stalkers Tochter zum Schluß.
Als nächstes habe ich "Opfer" (1985/86) im Fernsehen verfolgen können, der mir eher wie eine lutheranische Meditation über den Weltuntergang vorkam. Der Sinnspruch mit dem Pflanzen des Apfelbaumes als letzte Tat vor der Apokalypse drängte sich ja damals dermaßen auf, daß Hoimar von Ditfurth ihn als Titel für seinen Sachbuch-Bestseller genutzt hat.
"Andrej Rubljow" (1966) habe ich dann im Kommunalen Kino gesehen, einem Programmkino. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob einmal oder zweimal. Im Sammlerforum Kunst habe ich mich ausführlicher zu dem Film geäußert.
Bei "Der Spiegel" (1975) und "Nostalghia" (1983) bin ich unsicher, ob ich die jemals gesehen habe oder ob ich nur Ausschnitte daraus kenne.

Zuletzt habe ich vor einigen Jahren "Stalker" im Kommunalen Kino gesehen, und diese Erfahrung habe ich nicht bereut. Tarkowski konnte mit einer Bildgewalt inszenieren, die erst auf einer großen Leinwand ihre volle Pracht entfaltet. Dazu zählt für mich auch der Umstand, sich in einem geschlossenen, dunklen Raum abseits des Alltags für gut drei Stunden ungestört darauf einlassen zu können. Zumal Tarkowski nicht so stringent erzählt wie das klassische Hollywoodkino und einzelne Szenen meist eindrucksvoller sind als der komplette Film.
Tarkowski ist in meinen Augen eine Klasse für sich, aber nichts, um sich mal nebenher unterhalten zu lassen.
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Alt 16.12.2022, 19:30   #431  
Peter L. Opmann
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Also "Solaris" hast Du auch gesehen, oder?

Ich schätze Lem eher als Theoretiker. Bei SF bleibe ich doch lieber bei den angelsächsischen Hervorbringungen. Was mich an SF immer gefesselt hat, ist die Mischung aus Trivialität und geistigen Höhenflügen. Wird es auch stilistisch zu intellektuell, nehme ich lieber Abstand...

Geändert von Peter L. Opmann (16.12.2022 um 20:34 Uhr)
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Alt 16.12.2022, 20:23   #432  
Nante
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Zum Start ins Wochenende noch einmal ein Ausflug in die Welt der leichten Muse. Ich hatte „Bluebeard's eighth Wife“ von 1938 ja bereits schon mal genannt. Für mich eine der besten Screwball-Comedies. Einmal war Lubitsch hier auf dem Höhepunkt (der nächste Film war, glaube ich, „Ninotschka“). Und zum anderen war es der Start der Zusammenarbeit von Billy Wilder und Charles Brackett als geniales Drehbuchschreiber-Duo.

Im Film lernt ein US-Millionär Michael Brandon (Gary Cooper) an der Riviera die junge französische Adlige Nicole de Loiselle (Cloudette Colbert) und ihren verarmten Vater kennen und verliebt sich in ihre forsche selbstbewußte Art. Rasch kommt es zur Hochzeit.

Vor der Trauung erfährt sie, daß er bereits 7x verheiratet war. Allerdings sind die Verflossenen nicht wie beim echten Blaubart oder Heinrich VIII. getötet wurden sondern alle mit einer (für damalige Verhältnisse fürstlichen) Summe von 50 000$/Jahr abgefunden wurden. Brandons Angewohnheit, JEDES Problem kurzerhand mit Geld zu lösen, hat auch vor seinen Ehefrauen nicht Halt gemacht.
Nicole ist empört, läßt aber (zur großen Erleichterung ihres Vaters) die Hochzeit nicht platzen sondern handelt nur eine Verdoppelung der Abfindungssumme heraus.

Im folgenden Honeymoon hält sie ihn nun auf Abstand, legt es ersichtlich auf die baldmöglichste Scheidung an und trotzt allen seinen Annährungsversuchen. Heute würde man wahrscheinlich über die Folgen „sexuellen Entzugs“ psychologisieren, damals mußten sich die Macher auf Andeutungen beschränken, die aber teilweise doch recht deutlich sind. Selbst Anleihen bei Shakespeare („Die gezähmte Widerspenstige“) helfen ihm nicht: Er schlägt sie, sie beißt ihn!

Schließlich kapituliert er und sie ist nun eine freie (und reiche Frau) während er erst mal jegliche Lust auf weitere Ehen verloren hat. Am Ende sehen wir ihn dann in einem Sanatorium, wo sie ihn aufsucht, denn schließlich liebt sie ihn ja doch. Nachdem sie dafür gesorgt hat, daß er in eine Zwangsjacke gesteckt wurde, kann sie ihm erst einmal in aller Grausamkeit ihr glückliches Leben ohne ihn schildern, bis er die Jacke sprengen kann und sie in die Arme nimmt. Happy end!

Die Colbert gibt hier für mich eine Glanzvorstellung und auch Edward Everett Horton als ihr Vater ist großartig. Cooper dagegen ist hier völlig gegen sein Image besetzt und macht sich den größten Teil des Films zum Trottel. Angeblich hat das wohl auch dem Erfolg des Films geschadet.

Das beste aber sind die vielen kleinen Gags und Frivolitäten am Rande. Bereits am Anfang, denn welches Paar lernte sich beim Kauf eines Pyjamas kennen? Eine geniale Spitze der Immigranten Lubitsch und Wilder ist auch ein Schild im Schaufenster des französischen Ladens:
Man spricht Deutsch
Si parla Italiano
English spoken
American understood.
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Alt 16.12.2022, 20:34   #433  
Peter L. Opmann
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Das ist wohl ein Film, der nicht unbedingt von seiner verwickelten Story lebt. Was ist es dann? Die Gags? Die Erkenntnis, daß sich Frauen für Männer nur ihres Geldes wegen interessieren, ist ja auch nicht gerade erfreulich (jedenfalls für mich).

"Blaubarts achte Frau" habe ich auch mal im Fernsehen gesehen, aber ich habe ihn nicht so gut im Gedächtnis, daß ich hier über ihn schreiben könnte.

Ich kenne übrigens keinen schlechten Film von Lubitsch. Aber er führt Menschen für meinen Geschmack zu gern auf ihre schlechten Eigenschaften und niedrigen Instinkte zurück, und deshalb zählt er nicht zu meinen Lieblingsregisseuren.
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Alt 16.12.2022, 20:53   #434  
Nante
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
... Die Erkenntnis, daß sich Frauen für Männer nur ihres Geldes wegen interessieren, ist ja auch nicht gerade erfreulich (jedenfalls für mich).
.
Das ist es ja eben NICHT! Sie liebt ihn ja, ist aber nicht gewillt, zwischen Ehefrau 7 und Ehefrau 9 die Nummer 8 zu geben. Darum nimmt sie sich heraus, was sonst eigentlich nur den Männern zusteht.

Und ja, es sind viele Gags. Und nebenbei sind die Filmmacher offensichtlich schon weiter als 10 Jahre später die Macher von "Kiss me, Kate", wo die erwähnte Shakespeare-Anleihe wesentlich machohafter ausfällt.
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Alt 16.12.2022, 21:08   #435  
Servalan
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Also "Solaris" hast Du auch gesehen, oder?

Ich schätze Lem eher als Theoretiker. Bei SF bleibe ich doch lieber bei den angelsächsischen Hervorbringungen. Was mich an SF immer gefesselt hat, ist die Mischung aus Trivialität und geistigen Höhenflügen. Wird es auch stilistisch zu intellektuell, nehme ich lieber Abstand...
Natürlich habe ich "Solaris" gesehen, allerdings nur die Verfilmung von Tarkowski. Das Remake (2002) von Steven Soderbergh mit George Clooney habe ich mir mit Absicht entgehen lassen. Nach all dem, was ich über ihn gelesen habe, empfand ich ihn als überflüssig. Damit wollte ich meine Lebenszeit nicht verschwenden.

Lems Roman habe ich mit Anfang 20 gelesen, als mir der Blinddarm entfernt wurde. Dabei geht er sehr literarisch der Frage nach, wie eine nichtmenschliche Intelligenz (der Ozean des Planeten Solaris) mit den Menschen kommuniziert und wie diese fremde Spezies mit menschlichen Maßstäben theoretisch überhaupt zu erfassen ist. Für mich fällt er ins Meta-Genre: Die Lektüre hat mich an wissenschaftliche Essays erinnert. Für eine Filmvorlage bleibt das Material ziemlich dünn.
Insofern finde ich Tarkowskis Ansatz legitim, auch wenn Lem ihn nicht mochte. Tarkowski schafft sich eine filmische Grundlage und geht einen Kompromiß mit der Vorlage ein, respektiert aber die erzählerische Prämisse, ohne sie zu verraten. Das sind letztlich zwei eigenständige Werke in zwei eigenständigen Medien.
"Solaris" wirkt am besten im Kino, auf dem kleinen Monitor verliert er einiges von seiner Imposanz.
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Alt 17.12.2022, 10:23   #436  
Peter L. Opmann
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@ Servalan: Hab' nur nachgefragt, weil Du "Solaris" nicht erwähnt hattest.

Bin gerade mit einem Freund per Mail im Gespräch über den Film „Der Blaue Engel“ (1930) von Josef von Sternberg. Er schrieb mir:

Zitat:
Professor Unrat vermutet ja anfangs eher Kulturell-harmloses, eine "Barfußtänzerin" (jedenfalls im Theaterstück heißt das so), und erliegt dann der Faszination. Da hat mich immer nur gewundert, dass sich die fesche Lola tatsächlich mit ihm einlässt. XD Das ist so ähnlich wie bei Woody Allen oder Pierre Richard, die trotz aller Trotteligkeit die Tussi abbekommen.
Ich denke, von diesem Film hat fast jeder schon gehört und irgendeinen Ausschnitt gesehen oder etwas, das auf ihn Bezug nimmt (mein Freund unterliegt oben sicher dem einen oder anderen Irrtum). Hier ist der filmhistorische Blickwinkel weitaus interessanter als die Handlung des Films, die vielleicht sogar ein bißchen läppisch ist. Unter „filmhistorisch“ würde ich auch die Beziehung zwischen Romanvorlage und Film oder die Bedeutung der Darsteller (allen voran Marlene Dietrich und Emil Jannings) fassen. Trotzdem kurz die Story:

Emil Jannings ist ein wohl aus der Kaiserzeit übriggebliebener Schullehrer (damals noch immer eine Respektsperson), der mitbekommt, daß seine Schüler das Nachtlokal „Blauer Engel“ besuchen. Das muß er von Amts wegen unterbinden. Er besucht also selbst den „Blauen Engel“, schickt die Buben nach Hause und sieht sich dann, aus rein dienstlichem Interesse, einen Teil des Revueprogramms an. Dabei wird er jedoch vom Auftritt der Halbweltdame Marlene Dietrich völlig gepackt, gibt darauf seine geachtete Lehrerexistenz auf, heiratet sie und schließt sich als Mitarbeiter der Revue an. Was in seiner Stadt geredet wird, kümmert ihn nicht im geringsten. Die Revue ist zudem auf Tournee und verlässt bald darauf die Gegend. In wikipedia steht, Dietrich sei nur an seinem Geld interessiert gewesen (das Thema hatten wir ja schon öfter); das entspricht aber nicht meiner Wahrnehmung. Ich sehe es eher so, daß sie sich durch die Aufmerksamkeit eines „Gymnasialprofessors“ geehrt und aufgewertet fühlte.

Aber Jannings kann nicht alle ihre Bedürfnisse erfüllen. Nach einiger Zeit bandelt sie mit einer frühen Zampano-Version, gespielt von Hans Albers, an und läßt Jannings zunehmend links liegen. Hinzu kommt, daß das Ensemble nun in Jannings‘ Heimatstadt zurückkehrt. Der Manager Kurt Gerron läßt sich darüber hinaus für ihn eine komische Rolle einfallen, die ihn zum Gespött machen muß: Jannings soll ein Huhn darstellen, das ein Ei legt und darauf laut kräht. Und das einem umfassend gebildeten Philologen! Jannings spielt das einmal. Als er dann aber erkennt, daß er Dietrich unter keinen Umständen zurückgewinnen kann, verläßt er die Bühne, schleppt sich in seine alte Schule und beugt sich über sein Katheder und stirbt.

Vorlage war der Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann, von dem aber nur das zentrale Motiv übriggeblieben ist. Mann hatte vorgesehen, daß die Titelfigur über bürgerliche Enge und Kleingeist triumphiert – im Film machte man eine Tragikomödie daraus. Ausgangspunkt des Films war die Zusammenarbeit von Jannings mit UFA-Produzent Erich Pommer. Jannings hatte mehrere Jahre erfolgreich in Hollywood gearbeitet und wollte nun in seiner Heimat daran anknüpfen. Im Schlepptau hatte er den erfolgreichen Regisseur Josef von Sternberg. Die UFA war zu dieser Zeit – in der Endphase der Weimarer Republik, aber noch vor der Machtübernahme der Nazis – in der Hand des stockkonservativen Medienmoguls Alfred Hugenberg, dem der Stoff nicht paßte. Das Projekt schien aber kassenträchtig; die UFA brauchte auch dringend einen Kassenerfolg, und so ließ es sich durchsetzen, auch mit zahlreichen jüdischen Mitwirkenden. (Der erwähnte Kurt Gerron zum Beispiel, ein sehr beliebter Filmstar, wurde später mit Berufsverbot belegt, verfolgt und schließlich 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.)

Entscheidend war aber, daß Sternberg keinen Jannings-Film machen wollte, sondern sich vor allem für die Rolle der Revuedame interessierte. Dafür suchte er zunächst die passende Darstellerin und stieß schließlich auf Dietrich, die ihre Filmkarriere schon in der Stummfilmzeit begonnen hatte, aber bisher nicht sonderlich aufgefallen war. In seinen Augen stand sie perfekt für das „Ewig-Weibliche“. Sie war nicht sicher, ob sie die moralisch zweifelhafte Rolle bewältigen konnte – zur Figur der Lola Lola hatte sie wohl tatsächlich nur wenig Berührungspunkte, aber daß sie das schaffte, dafür sorgte schon Sternberg. So wurde „Der Blaue Engel“ schließlich zum Ausgangspunkt der internationalen Karriere von Marlene Dietrich, und der berühmte Jannings fand sich in ihrem Schatten wieder.

„Der Blaue Engel“ war ein früher Tonfilm, und viele sagen, zum Erfolg trug maßgeblich auch die Musik von Friedrich Hollaender bei. Am bekanntesten ist sicher die Revuenummer „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt". Das Wort „Liebe“ kann man in diesem Film getrost durch „Sex“ ersetzen, und ich bin beim Ansehen dieses Films immer wieder überrascht, wie direkt sich das mitteilt, ohne daß es natürlich irgendetwas Explizites gibt. Der Film hat eigentlich auch wenig Sinnliches, sondern Sex wirkt hier fast nur zerstörerisch, was an „Professor Unrat“ beispielhaft vorgeführt wird. Aber ich denke, ein Remake mit expliziten Szenen könnte – anders als etwa bei „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ – an diesem Film nichts verbessern.

Geändert von Peter L. Opmann (17.12.2022 um 10:28 Uhr)
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Alt 17.12.2022, 18:02   #437  
Servalan
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Zitat:
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Ich kenne übrigens keinen schlechten Film von Lubitsch. Aber er führt Menschen für meinen Geschmack zu gern auf ihre schlechten Eigenschaften und niedrigen Instinkte zurück, und deshalb zählt er nicht zu meinen Lieblingsregisseuren.
Ich habe ein völlig anderes Bild von ihm.
In den 1980ern und 1990ern liefen seine Hollywoodkomödien regelmäßig in den Öffentlich-Rechtlichen, und während meines Studiums der Medienwissenschaften habe ich dann etliche seiner Stummfilme sehen können, die vor seiner Emigration entstanden sind: "Schuhpalast Pinkus" (1916), "Ich möchte kein Mann sein" (1918), "Die Austernprinzessin" (1919), "Madame Dubarry" (1919) und "Die Bergkatze" (1921). Von seinen amerikanischen Filmen sind mir vor allem "Sein oder Nichtsein" (1942), "Ninotschka" (1939), "Ärger Im Paradies" (1932) und "Serenade zu dritt" (1933) im Gedächtnis geblieben.

Ich empfand ihn auf der Höhe der Zeit. Lubitsch hatte Gespür dafür, wie seine Mitmenschen leben wollten und sich dagegen gewehrt haben, in starren Konventionen zu erstarren.
Der Lubitsch Touch basiert ja auf einem erotischen Dreiecksverhältnis, das er für meine Begriffe einfach nur nüchtern zur Kenntnis genommen hat. Mit Moralin hat Lubitsch so gar nichts am Hut und vieles überläßt er der Phantasie des Publikums, weil er nicht alles haarklein ausbuchstabiert, bis die letzte Dummbratze es kapiert hat.
Mit einer gewissen Lebenserfahrung kann ich Lubitsch bestätigen: Wer verliebt ist, dem fliegen die Herzen leichter zu. Außerdem stellt sich die Frage, inwieweit Freundschaften einen erotischen Unterton haben, der urplötzlich akut werden kann. (Wer hingegen einsam aufdringlich um Zuneigung bettelt, kann sich häufig ein Bein ausreißen, ohne erhört zu werden. Wer nach Liebe hungert, verschreckt eher potentielle Partner.) Auch in der Liebe herrscht das biblische Matthäus-Prinzip, Michel Houellebecq nennt das die "Ausweitung der Kampfzone".
Lubitschs Ton ist wesentlich sanfter als der von Houellebecq, weil der sich nicht zum Richter über seine Mitmenschen aufschwingt. Wie ein Lubitsch-Film auf dich wirkt, dürfte von der Stimmung abhängen, in der du dich befindest: Wenn du gerade Liebeskummer schiebst, bestätigt er eher deine schlechten Vorstellungen von der Welt. Wenn du hingegen frisch verliebt bist, zeigt er, wie dir die Welt offensteht ...
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Alt 17.12.2022, 18:33   #438  
Peter L. Opmann
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Was ist der Lubitsch-Touch?

Ich verstehe darunter, daß er jemanden auf sehr elegante Weise bloßstellt. Etwa durch eine Affäre. Ich glaube, Billy Wilder erklärt es einmal so: Das Ehepaar ist zusammen im Schlafzimmer, der Mann zieht sich an und geht zur Arbeit. Die Schlafzimmertür schließt sich. Nach einiger Zeit merkt der Mann, daß er seinen Hut (oder sowas) vergessen hat. Er kommt zurück und holt seinen Hut aus dem Schlafzimmer - und geht wieder. Als er aber einige Schritte gegangen ist, merkt er, daß es gar nicht sein Hut ist (er ist zu groß oder zu klein).

Wir Zuschauer wissen, daß die Frau inzwischen ein Schäferstündchen mit ihrem Liebhaber hatte, auch wenn wir das nicht gesehen haben. Der Mann weiß es nicht und ist verwirrt. Auf diese Weise wird meiner Meinung nach vor allem die Frau desavouiert. Sie hat, nachdem ihr Mann gegangen ist, nichts Eiligeres zu tun, als in die Arme ihres Liebhabers zu sinken. Es ist sehr delikat gemacht, unterhaltsam und lustig. Aber Lubitsch geht vom Schlechten im Menschen aus. Solche Dinge geschehen nämlich in seinen Filmen pausenlos.

In "Sein oder Nichtsein", den ich ja hier angeführt habe, macht Lubitsch es so, daß der Liebhaber von Carole Lombard immer aufsteht und geht, wenn Jack Benny zu seinem Monolog auf der Bühne ansetzt. Er weiß nicht, warum der Zuschauer geht - wir wissen es.
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Alt 19.12.2022, 06:20   #439  
Peter L. Opmann
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„Der dritte Mann“ (1949) ist ein britischer Film, der mich sehr berührt hat. Es geht – unter anderem – um eine Frau, die von ihrer alten Liebe nicht lassen kann, obwohl ihr Geliebter sie schlecht behandelt hat. Am Ende ist er nicht mehr am Leben, und doch ist sie nicht in der Lage, eine neue Beziehung einzugehen. So etwas ähnliches habe ich auch einmal erlebt. Ich habe das in meinem Comic „Daphne erstarrt“ verarbeitet, er endet folgerichtig mit der Schlußszene dieses Films. Obwohl er von Carol Reed meisterhaft inszeniert ist, liegt seine Faszination doch in den Wendungen der Story, die von einem großen Autor stammt: Graham Greene. Im Kern geht es darum, daß ein Urteil über einen Abwesenden gefällt werden muß, was für große Spannung sorgt, aber auch moralische Fragen aufwirft (Greene schrieb von einem dezidiert religiösen Standpunkt aus). Der Abwesende ist Orson Welles – seinen Part kann man prinzipiell mit dem von Marlon Brando in „Apocalypse Now“ vergleichen.

Kann man die Handlung noch als allgemein bekannt voraussetzen? Ich erzähle sie lieber mal: Joseph Cotten, ein amerikanischer Groschenromanautor, kommt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nach Wien, weil er finanziell in der Klemme steckt und sein Freund Welles ihm angeboten hat, ihm hier ein Auskommen zu verschaffen. Aber als Cotten eintrifft, erfährt er, daß Welles gerade bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Er kommt gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung. Als er Näheres über die Todesumstände seines Freundes herauszufinden versucht, stößt er auf lauter Ungereimtheiten und Widersprüche. Ein Portier, der ihm erzählt, ein dritter Mann sei bei dem Unfall dabei gewesen, wird kurz darauf ermordet. Die Polizei der britischen Besatzungszone klärt Cotten darüber auf, daß er es mit einer gefährlichen Schieberbande zu tun hat. Welles stand im Verdacht, in der kargen Nachkriegszeit mit gestrecktem Penicillin zu handeln – also einem Medikament, das so Kranken nicht hilft, sondern sie zu Krüppeln macht oder umbringt. Cotten kann das nicht glauben. Auch Welles‘ Freundin Alida Valli ist überzeugt, er sei ein guter Mensch gewesen.

Die Nachforschungen Cottens bringen die Polizei dazu, Welles‘ Leiche zu exhumieren. Es stellt sich heraus, daß jemand anders im Sarg liegt. Welles ist also offenbar untergetaucht. Cotten erklärt sich bereit, bei der Fahndung mitzumachen, und läßt Welles wissen, er wolle sich mit ihm treffen. Als er bei Nacht Valli besucht, um ihr seine Liebe zu gestehen, merkt er, daß eine Gestalt die Wohnung beobachtet. Es ist Welles, aber gleich darauf ist er verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Er verabredet sich ein zweites Mal mit ihm im Prater. Bei einer Fahrt auf dem Riesenrad gibt Welles zu, daß er Medikamente verfälscht. Jeder muß sehen, wo er bleibt, ist seine neue Devise. Auch an seine Freundin, die ohne seine Protektion in Schwierigkeiten geraten ist, denkt er kaum noch. Dann taucht er wieder unter. Cotten ist in einem Loyalitätskonflikt: Soll er zu seinem Freund halten oder einem mörderischen Geschäft ein Ende bereiten? Schließlich ist er bereit, den Lockvogel zu spielen. Er bittet Welles zu einem weiteren Treffen und bringt dazu die Polizei mit. Welles flieht in die Wiener Kanalisation – so ist er auch bisher abgetaucht. Der Polizei gelingt es jedoch, ihn einzukreisen. Darauf bittet Welles seinen Freund, ihn zu erschießen. Cotten will noch einmal Valli treffen und sich mit ihr aussprechen. Aber sie geht, ohne ihn anzublicken, an ihm vorbei.

Wieder steht eine Figur, die im Film nur wenige Minuten agiert, ganz im Mittelpunkt. Der Zuschauer rätselt zunächst, was hinter Welles‘ Unfalltod steckt. Dann ändert sich sein Bild: Erscheint er anfangs als hilfreicher und großzügiger Freund, wird er dann zum Gesetzesbrecher und schließlich zum Zyniker. Bezeichnend ist die Szene, als die beiden Freunde ganz oben im Riesenrad die Menschen unten wie Punkte wahrnehmen. „Würde es dir etwas ausmachen“, fragt Welles, „wenn einer dieser Punkte aufhören würde, sich zu bewegen – wenn man dir für jeden Punkt 1000 Dollar geben würde?“ In diesem Moment, kann man vermuten, zerbricht die Freundschaft zwischen Welles und Cotten, obwohl es beide zunächst nicht wahrhaben wollen. Bezeichnend, daß sich Cotten beruflich mit Trivialliteratur beschäftigt, wo die Guten gegen die Bösen kämpfen. So ist die Wirklichkeit nicht, und an Welles ist nichts böse außer seinen Geschäften, aber Greene besteht darauf, daß man, konfrontiert mit Unrecht, Stellung beziehen muß.

Sehr vom Schema weicht auch das Verhältnis von Cotten und Valli ab. Es ist eine einseitige Liebe, aber man würde wohl erwarten, daß es ihm im Lauf des Films gelingt, sie zu erobern. Sie sagt ihm jedoch, daß sie Welles niemals vergessen könnte und es an ihrer Beziehung nichts ändern würde, wenn er ein Verbrecher wäre. Zu allem Überfluß gibt sie Cotten zu verstehen, daß sie sich an sein Aussehen nicht erinnern würde, wenn sie sich wieder begegnen würden. Nicht sehr charmant, aber vielleicht wird damit die Wirklichkeit, wie sie manchmal ist, nur wenig übertrieben. Würden Cotten und Valli ein Paar, dann hätte mich dieser Teil des Films sicher weniger bewegt.

Ein paar Worte sollte ich noch über den Inszenierungsstil verlieren. Die Spannung wird sicherlich erhöht durch die ausdrucksvolle Darstellung der Stadt Wien, die damals noch deutlich von Kriegszerstörungen gezeichnet war. Reed arbeitet mit grotesken Schatten und schrägen Kamerawinkeln, die eine aus den Fugen geratene Welt zum Ausdruck bringen. Berühmt wurde auch der Soundtrack von Zithermeister Anton Karas. Die Musik ist in gewissem Sinn typisch für Wien, aber ganz und gar untypisch für einen Thriller, und doch funktioniert sie – wohl als eine Art Kontrapunkt – wunderbar.
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Alt 19.12.2022, 08:02   #440  
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Ja, das ist wieder mal ein Klassiker. Ich habe ihn erst sehr spät gesehen aber er hat mich doch sehr beeindruckt und ich habe bei der Suche mitgefiebert.
Vor allem verbinde ich den Film aber mit der berühmten Schlußszene und dem Zither-Spieler. - Kann natürlich auch daran liegen, daß ich die Parodie darauf aus "Der Schuh des Manitou" vorher (!) gesehen habe.
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Alt 19.12.2022, 08:11   #441  
Peter L. Opmann
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Was wird denn in "Schuh des Manitu" parodiert - das Zithergeklampfe oder die Schlußszene?
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Alt 19.12.2022, 08:37   #442  
Nante
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Das "Zithergeklampfe".

https://www.google.com/search?client...id:08Cm_RuvHmk

Das ist aber glaube ich nur ein Bonus-Track. Im Film selbst spielt er es mehr im Hintergrund, während die beiden anderen gerade darüber grübeln, daß sie noch jemanden finden müssen....
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Alt 19.12.2022, 10:51   #443  
pecush
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Nochmal zurück zum blauen Engel (auch ein toller Roman!):
Meine Mutter dachte immer, dass ich den wegen der Dittrich sehen wollte, besonders ihrer Beine. Stimmte aber nicht. Den Engel und Zeugin der Anklage sind einfach ganz große Filme.
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Alt 19.12.2022, 12:06   #444  
Peter L. Opmann
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@ pecush: Schon klar. Aber ich müßte lügen, wenn ich sagen würde, die Beine von Marlene hätten beim Anschauen gar keine Rolle gespielt...
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Alt 19.12.2022, 12:13   #445  
pecush
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Für Beine habe ich dennoch andere Filme aufgenommen.
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Alt 19.12.2022, 12:29   #446  
Peter L. Opmann
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Interessanter Punkt.

Marlene Dietrich ist ja mit diesem Film international berühmt geworden. Und ich würde nicht sagen, von der Faszination ihres zentralen Auftritts (als sie "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" singt) ist überhaupt nichts übriggeblieben.

Ich glaube auch nicht, daß das heute in jedem Fall besser inszeniert wird, weil etwa mehr Nacktheit möglich ist. Gab es 1930 schon eine institutionalisierte Filmzensur? Ich bin gerade nicht sicher. Manches hat Sternberg damals nicht gezeigt, aber das muß nicht zwangsläufig heißen, daß diese Szene "züchtiger" wäre als das, was man heute macht.

Geändert von Peter L. Opmann (19.12.2022 um 14:29 Uhr)
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Alt 20.12.2022, 07:12   #447  
Peter L. Opmann
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Ein Film, der ausschließlich von der Sehnsucht nach einer Frau handelt, ist „Der Mann der Friseuse“ (1990) von Patrice Leconte. Ich habe nicht so ein enges Verhältnis zum französischen Film; hier hatte ich es mit einem für mich ganz neuen Phänomen zu tun. Man braucht zu diesem Film gar nicht viel zu sagen, denn der Inhalt drückt sich weitgehend bereits im Titel aus. Ein von Jean Rocheford gespielter zwölfjähriger Junge geht nicht nur ungewöhnlicherweise gern zum Friseur – er ist auch in eine von Anna Galiena gespielte Friseuse (heute muß man wohl sagen: „Friseurin“) in seiner Nachbarschaft verliebt. Es wird also mehrmals viele Minuten lang das Haarewaschen und –schneiden in ihrem Friseursalon zelebriert. Hinzu kommen die Düfte der Pflegemittel und der Duft der Frau selbst. In wikipedia wird Galiena als "rothaarig" und „füllig“ beschrieben, aber ich fand damals ebenso wie der Junge, daß sie einfach wunderschön ist.

Rocheford wünscht sich, die viel ältere Frau zu heiraten, was man als Fantasie eines Zwölfjährigen durchaus nachvollziehen kann. In dem Film tut er das dann aber tatsächlich – auch sie spielt dabei also mit. Dann verbringt er sein weiteres Leben damit, immerzu im Friseursalon zu sitzen, ihr bei der Arbeit zuzusehen und sich hin und wieder selbst von ihr pflegen zu lassen. In dem Salon erklingt oft arabische Musik, und es wird auch getanzt. Es ist also eine zeitlose, paradiesische Welt, die mit der äußeren Wirklichkeit kaum noch etwas zu tun hat. Zu dieser Zeit wußte ich noch nicht, daß es zur orientalischen Kultur gehört, oft zum Friseur oder Barbier zu gehen, Leute zu treffen und sich verwöhnen zu lassen. Inzwischen kennt man das hierzulande auch ein wenig.

Ich könnte mir vorstellen, daß Leconte es bei dieser filmisch umgesetzten Fantasie hätte bewenden lassen können. Dann läßt er den Film aber doch bittersüß enden: Die Friseurin verläßt unter dem Vorwand, einkaufen zu gehen, ihren Salon und stürzt sich in Selbstmordabsicht in einen Fluß. An den Schluß kann ich mich nicht mehr recht erinnern: Der Junge führt den Salon weiter und erhält damit die Erinnerung an sie aufrecht, er läßt aber erkennen, daß er auf die Rückkehr der geliebten Frau wartet, die nie wieder kommen wird.

Es gibt hier also praktisch keine Handlung, die von dem durchs Kino vermittelten sinnlichen Erlebnis ablenkt. Natürlich muß man sich den Duft und die Berührungen durch Anna Galiena dazudenken. Der Film war zumindest ein Kritikererfolg und gewann Preise; über Zuschauerzahlen ist bei wikipedia nichts zu erfahren. Kurz darauf drehte Leconte einen ganz ähnlichen Film: „Das Parfum von Yvonne“, der allerdings beim Publikum eindeutig durchfiel, obwohl er mir auch ganz gut gefallen hat.

Regisseur Leconte kam nicht aus dem Nichts; er hat bereits seit 1976 Filme gedreht. Ich kannte bereits das vorhergehende Werk: „Die Verlobung des Monsieur Hire“, die Verfilmung eines Simenon-Krimis. Nach „Yvonne“ habe ich ihn dann aber wieder aus den Augen verloren. Wahrscheinlich kann man auch nicht beliebig viele Filme im Stil von „Der Mann der Friseuse“ drehen. Hauptdarstellerin Anna Galiena habe ich bewußt nur in diesem Film gesehen, obwohl sie viel gedreht hat. Es heißt aber auch, der herausragende Film in ihrem Werk sei „Der Mann der Friseuse“.
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Alt 20.12.2022, 09:25   #448  
Phantom
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Noch ein paar Gedanken zum "Dritten Mann" und zum Thema, was einen Klassiker zum Klassiker macht. Es ist eigentlich müßig zu fragen, ob ein Film genauso bekannt wäre ohne Schauspieler X, ohne die Filmmusik, ohne die Beine der Dietrich etc. Trotzdem: Wäre der "Dritte Mann" so ein Klassiker ohne das Thema und die Zither von Anton Karas? Das war eine perfekte Entscheidung; niemand hätte in einem Film Noir Zithermusik erwartet, aber hier passt das so gut, gerade weil es eigentlich nicht passt. (Ähnlich überraschend und perfekt war Miles Davis' Trompete im Fahrstuhl zum Schafott.)

Dann hat der Film (mindestens) zwei besondere Schauplätze: das Riesenrad und die Kanalisation. Heute verdienen Stadtführer in Wien noch Geld damit, Touristen "auf den Spuren Harry Limes" in den Untergrund zu führen, und selbst ich, der ich Rummelplätze und Vergnügungsparks hasse, wollte vor 35 Jahren beim ersten Wienbesuch unbedingt zum Prater, um wegen des Dritten Mannes im Riesenrad zu fahren. Auch das gehört zum Rezept eines Klassikers: reale Orte so erinnerungswürdig in einem Film zu präsentieren, dass danach Touristen wegen des Films diese realen Orte besuchen (Rocky-Treppe in Philadelphia, anyone?).

Die letzte Einstellung, als Valli gefühlt minutenlang aus dem Hintergrund immer näher kommt, dann an Cotten vorbeiläuft und er sich als Übersprungshandlung eine Zigarette anzündet, ist genial, weil sie die Erwartung des Zuschauers völlig unterläuft. Graham Greene wollte das eigentlich gar nicht, nach seinem ursprünglichen Entwurf (der als Kurzroman veröffentlicht wurde; den habe ich mal in der Rororo-Fassung gelesen) sollten am Ende Valli und Cotten Arm in Arm aus dem Film marschieren, aber der Regisseur hatte die gute Idee, auf das Happy End zu verzichten.
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Alt 20.12.2022, 10:10   #449  
Peter L. Opmann
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Danke für die Gedanken.

Man kann natürlich auch zu schon früher besprochenen Filmen noch etwas sagen.
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Alt 21.12.2022, 06:35   #450  
Peter L. Opmann
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Werd' jetzt mal hier das Tempo etwas drosseln. Ich habe das Gefühl, manchmal würden Leute gern etwas zum einen oder anderen Film sagen, aber dann habe ich inzwischen schon wieder zwei neue besprochen. Doch ich dachte, wenn ich nicht täglich einen Film vorstelle, beachtet den Thread niemand.

Hab' auch bis Weihnachten noch eine Menge zu tun. Aber spätestens an den Feiertagen werde ich wieder Zeit haben, weitere Filme auszugraben.
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