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Alt 05.05.2024, 06:06   #1  
Peter L. Opmann
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Western-Time! Schon in meiner Video-Phase vor etwa 30 Jahren habe ich mich den von der Constantin produzierten Karl-May-Filmen eigentlich entwachsen gefühlt, kam aber zu dem Schluß, daß man einen von ihnen doch in der Sammlung haben müßte. Das war natürlich „Der Schatz im Silbersee“. Danach habe ich dann auch noch „Der Ölprinz“ und „Unter Geiern“ aufgenommen. Letzteren habe ich jetzt digitalisiert; er wurde 1964 von Alfred Vohrer gedreht. Ich dachte, dieser Film sei noch am ehesten ernstzunehmen. Ich erinnerte mich noch an den falschen Prediger, den zu Unrecht verdächtigten Indianerstamm und natürlich an Stewart Granger als Old Surehand, der mir als Kind eindeutig besser gefallen hat als der bierernste Lex Barker im Zusammenspiel mit dem ewigen Pierre Brice. Aber ich habe mich getäuscht. Die Story ist wirklich hanebüchen. Doch so hatte ich nun genug Abstand zum Geschehen auf dem Bildschirm, um ein bißchen über die Machart dieses Films nachzudenken.

Mit der Handlung will ich mich gar nicht lange aufhalten. Was ich allerdings nicht mehr wußte: Einen Roman namens „Unter Geiern“ gibt es überhaupt nicht. Unter dem Titel wurden zwei Erzählungen von Karl May zusammengefaßt: „Der Sohn des Bärenjägers“ und „Der Geist des Llano Estacato“. Figuren aus dem Buch tauchen im Film auf, aber sonst hat das Drehbuch keine Ähnlichkeit mehr mit der Vorlage. Die Optik des Films entspricht mehr oder weniger einem Western, aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen Abenteuerfilm in einem Fantasieland. Diesem Film fehlt die amerikanische Geschichte als Hintergrund. Würde in einem üblichen US-Western eine Farm im Indianergebiet niedergebrannt, so gäbe es keinen Zweifel daran, daß daran die Indianer schuld sind. Zudem fällt auf, daß in „Unter Geiern“ sehr viel mit Schußwaffen in der Gegend herumgeknallt und in die Luft gefeuert wird. In amerikanischen Filmen gibt es ein gewisses Bewußtsein dafür, daß Revolver und Gewehre gesundheitsschädlich sein können und man daher mit ihnen nicht einfach ziellos herumballert.

Man würde in diesem Film aber auch auf eine große Anzahl von Mitwirkenden kommen, die gezielt erschossen werden. Hier gibt es vielleicht eine gewisse Parallele zu DePalmas „Scarface“, denn auch „Unter Geiern“ galt in seiner Zeit als ziemlich brutal und wurde lediglich ab zwölf Jahren freigegeben (was aber dem Erfolg keinen Abbruch tat). Vohrer wurde als Regisseur ausgewählt, weil er ein paar Jahre jünger als der bewährte Harald Reinl und gewissermaßen aus der nächsten Generation war. Er behielt das Erfolgsrezept bei: Konsequente Schwarz-weiß-Zeichnung der Figuren und eine Mischung aus Action und Humor, aber er schnitt die blutigen und die humorvollen Szenen härter gegeneinander und setzte mehr auf Gewalt. Vielleicht war das schon eine Reaktion auf den aufkommenden Italowestern – „Für eine Handvoll Dollar“ erschien im selben Jahr. Die Altersbeschränkung wurde erst 1972 aufgehoben, als „Unter Geiern“ ins Fernsehen kam.

Stewart Granger hat mich nicht enttäuscht. Ich kenne nur wenige amerikanische Filme mit ihm, aber für mich ist er vor allem die ideale Verkörperung des Old Surehand (dabei hatte ihn sich Karl May völlig anders vorgestellt, und Granger war schon 51 und damit für eine Heldenrolle eigentlich zu alt). In ihm verschmelzen Witz und Brutalität, er beherrscht Understatement mehr als jeder deutsche Schauspieler, und ich hatte jetzt das starke Gefühl, daß er seine Rolle überhaupt nicht ernst nimmt – was bei der Filmhandlung sehr angenehm ist. Über Pierre Brice ist sicher alles gesagt – er hat bei seinem Part leider so gut wie keinen Variationsspielraum. Anstelle von Ralf Wolter und Eddi Arent spielt hier der Kroate Milan Srdoc den Trottel. Elke Sommer hat eine bemerkenswerte Rolle als Mischung aus Sexbombe und Flintenweib, die mal vom Held gerettet werden muß und mal den Männern zeigt, was eine Harke ist. Und schließlich sind Götz George und Mario Girotti, jeweils am Anfang ihrer Karriere, auffällig.

Über die Filmmusik von Martin Böttcher muß nicht viel gesagt werden – sie ist für einen solchen Film unverzichtbar. Ich finde es ärgerlich, wie schwach das Drehbuch ist. Alle Gruppen – der Bärenjäger und seine Familie, der Indianerstamm, die „Geier“, eine Bande ohne erkennbares Geschäftsmodell, ein ehrenwerter Richter mit seinem Gefolge und ein Siedlertreck – werden allesamt so eingesetzt, wie sie gerade gebraucht werden. Ihr Handeln ist weitgehend unmotiviert, abgesehen davon, daß sie sich immerzu gegenseitig eliminieren wollen. Positiv muß ich aber noch vermerken, daß der Film ein paar beeindruckende Massenszenen aufweist, auch mit Pferden, die sicher nicht leicht zu inszenieren waren. Doch spätestens wenn die Siedler eine Wagenburg bilden, die die Banditen einnehmen wollen, woran sie am Ende statt von der Kavallerie von den Indianern gehindert werden, wird es unübersehbar, daß dieser Western eine völlig verkehrte Welt schildert. Wenn Jüngere über diesen Schwachsinn den Kopf schütteln, habe ich dafür volles Verständnis.
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Alt 05.05.2024, 10:48   #2  
Nante
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Ich würde sagen, außer Winnetou I hat keine Verfilmung viel mehr als den Namen mit der Vorlage gemeinsam. Sowohl in der Hinsicht als auch dem "Phantasie-Westen" hebt sich "Unter Geiern" darin nicht sonderlich von den anderen Verfilmungen ab.

Und was letzteres angeht nicht einmal von den Büchern selbst. Ich habe mich immer gefragt, wie solche riesigen Banden in quasi menschenleeren Gebieten existieren können, zu groß um sich dauerhaft zu verstecken oder zu ernähren, aber zu klein, um einer irgendwann fälligen Aktion der Army zu widerstehen.

Zu Steward Granger kann ich zustimmen. Seine Ironie hebt sich wohltuend von Barker ab. Aber auch wie man Milan Srdoc als "Old Wabble" neu erfunden hat, fand ich nicht schlecht. (Im Buch ist es ja eigentlich eine sehr üble Figur.)

Zitat:
... daß dieser Western eine völlig verkehrte Welt schildert. Wenn Jüngere über diesen Schwachsinn den Kopf schütteln, habe ich dafür volles Verständnis.
Da sind andere Western auch nicht besser. Die Dollar-Trilogie von Leone sollte man in dieser Hinsicht besser auch nicht tiefer hinterfragen.
Aber das ist wohl auch (zumindest damals) kaum möglich gewesen. Denn wenn man es "real" schildern würde, müßte man nämlich ganz klar zeigen, daß die "guten", "einfachen" und "ehrlichen" Siedler eine 100x größere Gefahr für die Indianerstämme waren als es alle Banditen der Welt jemals gewesen wären.

In der Hinsicht unterscheiden sich die Western auch kaum von den entsprechen Comics. (Zumindest den paar, die ich kenne.) In Comanche z.B. wird es ein oder zwei mal zart angedeutet, in Blueberry dagegen glaube ich, gar nicht.

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Alt 05.05.2024, 14:39   #3  
Peter L. Opmann
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Also ich finde schon, daß der amerikanische Western eine Auseinandersetzung mit amerikanischer Geschichte ist, speziell der zwei bis drei Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg. Diese Zeit wird immer überschrieben mit "Die Eroberung des Westens", hinzu kommt die Zivilisierung des Westens.

Damit will ich nicht sagen, daß die Western akkurate Geschichtslektionen sind, aber so haben sich das die Amis selbst zusammengereimt und mythologisiert, beziehungsweise wieder entmythologisiert. Man könnte sagen, die US-Western zeigen, wie sie sich selbst gern sehen wollten. Das fehlt in den Karl-May-Western, auch wenn die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg von diesen Träumen ebenso erfaßt wurden (wahrscheinlich sah das in der DDR etwas anders aus, aber ich denke, der Western-Mythos drang sogar dahin).

Das ist für mich kein entscheidender Kritikpunkt, aber ich finde, in den Karl-May-Western wird besonders deutlich, daß da die Eroberung des Westens nicht thematisiert wurde.

Ach so... P.S.: Der Italo-Western war meiner Ansicht nach einen Schritt weiter, indem er mit dem Westerngenre spielte und die Klischees nochmal weitertrieb. Dagegen sehe ich die deutschen Western eher als Heimatfilme mit anderen Mitteln.
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Alt 05.05.2024, 15:00   #4  
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Ich habe zwar nicht sooo viele Western gesehen, aber die, die ich kenne zeichnen sich (und hier besonders der Italo-Western) sehr stark durch die ABWESENHEIT der Indianer aus.* In der Hinsicht waren selbst die Winnetoufilme (und zumindest in dieser Hinsicht auch die DEFA-Filme) schon mal weiter, weil sie nicht den grundlegenden Mythos vom "herrenlosen Land" bedienen.
*Und wenn die Indianer schon mal auftauchen (V.a. in den Kavalleriewestern, denn gegen irgend jemand müssen die Jungs in Blau ja schließlich kämpfen) sind sie entweder per se die bösen oder zumindest von "bösen" Weißen gegen die "guten" Weißen aufgehetzt.

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Alt 05.05.2024, 15:47   #5  
Peter L. Opmann
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Wir hatten halt nicht so ein Problem mit den Indianern. Daß das blutrünstige Bestien sind, haben wir zwar halb von den Amis übernommen, aber daneben war auch noch Platz für gute Indianer.

Und vermutlich spielt da auch noch der Rousseausche "edle Wilde" hinein, der in USA nicht so bekannt sein dürfte.
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Alt 05.05.2024, 17:16   #6  
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Indianer waren schon in meiner Kindheit positiv besetzt. Als ich in der Grundschule das erste (und letzte) Mal ein Faschingskostüm haben wollte, war es natürlich ein Indianerkostüm. Ob aber Winnetou oder Silberpfeil daran Schuld waren, weiß ich nicht mehr.

Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind sowohl die deutschen Karl-May-Filme als auch die deutschen Edgar-Wallace-Filme sehr mochte. Schon seit einigen Jahrzehnten kann ich diese Filme aber nicht mehr sehen, und das liegt zum großen Teil an den trotteligen Nebenfiguren, die von Eddi Arent, Ralf Wolter und anderen gespielt werden. Das ist alles aus heutiger Sicht weder witzig noch richtig albern (wie etwa Monty-Python-Sketche), sondern nur zum Fremdschämen. Die dünnen Plots durchschaut man mittlerweile natürlich auch, und es fällt auf, dass die Schauplätze eben nicht stimmen (Hamburg statt London, Kroatien statt USA).

Richtig gut fand ich hingegen später die Parodie "Der Schuh des Manitu". Und ich erinnere mich daran, wie Pierre Brice bei "Wetten dass?" völlig unentspannt kein gutes Haar an diesem Bully-Herbig-Film lassen konnte, weil er angeblich diese wertvollen Filme der sechziger Jahre entweihen würde.
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Alt 05.05.2024, 17:23   #7  
Peter L. Opmann
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Ja, aber Pierre Brice ist das Musterbeispiel dafür, wie positiv Indianer hierzulande gesehen wurden (nicht alle natürlich). Diese Rolle machte ihn zu einem der beliebtesten Schauspieler dieser Zeit in Deutschland. Und das hielt auch noch lange an.

Bully Herbig habe ich mir nicht angetan, aber Brice wäre sicher besser damit gefahren, "Der Schuh des Manitu" als eine Art Hommage an seinen Winnetou zu sehen.

Übrigens habe ich gelesen, daß Karl May ein großer Anhänger der Idee des edlen Wilden war (James Fenimore Cooper auch).
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