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Alt 10.12.2023, 09:11   #1751  
Peter L. Opmann
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Na prima. Freut mich. Das waren drei Teile zu je rund 90 Minuten. War für mich aber auch nochmal interessant.

Das ist manchmal nicht exakt O-Ton, weil Billy Wilder zwar natürlich gut Deutsch spricht, aber ihm manchmal doch das richtige Wort nicht sofort einfällt oder er das eine oder andere im Kopf aus dem Englischen übersetzt. Da habe ich versucht, eleganter zu formulieren.
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Alt 10.12.2023, 09:19   #1752  
Nante
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Für mich ist das perfekt!

Du bist ja eher der "Film-Typ", während ich eher der "Lese-Typ" bin. Ich könnte mir das Interview, auch wenn es noch so interessant ist, wahrscheinlich niemals in dieser Länge anschauen. Da würde ich irgendwann "hibbelig" werden. - Aber 30 Seiten Text lesen? - No problem.

Darum nochmal: Danke!

Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.
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Alt 12.12.2023, 06:03   #1753  
Peter L. Opmann
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Hierher paßt jetzt Ernst Lubitsch.

„Lubitsch aus Berlin“
Diese Doku lief aus Anlaß des 100. Geburtstags; der war am 28. Januar 1992. Autoren waren Enno Patalas, Leiter des Filmmuseums München, Frieda Grafe, Münchner Filmkritikerin, und der Filmwissenschaftler und Archivar Martin Koerber. Enthalten sind Ausschnitte aus damals neu wiederentdeckten und restaurierten Stummfilmen Lubitschs.

Ein Berghotel im Berchtesgadener Land, eine Tischgesellschaft. Schauspieler Ernst Lubtisch erhebt sich und klopft gegen sein Glas: „Gestatten: Sally Meyer aus Berlin.“
„Meyer aus Berlin“. Ein Spielfilm aus dem Jahr 1918. In der Titelrolle der Regisseur. 13 Jahre später treffen wir ihn wieder in einer tönenden Wochenschau. Zu Besuch aus Hollywood.
Lubitsch: „Ich freue mich außerordentlich, in Deutschland und speziell in meiner Geburtsstadt Berlin zu sein.“

Viele jüdische Witze, die ja oft kleine Geschichten sind, spielen in der Eisenbahn.

1. Judengeschichte(n)
…wie der von dem Mann, der sich fragt, wer da im Erster-Klasse-Coupe sein Gegenüber ist. Hier ist unser Gegenüber ein junges Paar. Wir fragen uns, wie der Mann in dem Witz: Wer mag das sein? Ein betuchter junger Mann, der fährt im Erster-Klasse-Coupe von Berlin nach Rawicz. Bei der Kontrolle haben wir nämlich sein Billet gesehen. Sicher reist er nicht in Geschäften – in weiblicher Gesellschaft. Seine Braut wird sie sein, auf der Hochzeitsreise werden sie sein. Aber auf der Hochzeitsreise nach Rawicz? Was für ein Gedanke! Naja, er wird aus Rawicz gebürtig sein und seiner Braut das Schtetl zeigen wollen, das seine Heimat ist. Er aber ist fortgegangen vor ein paar Jahren, damit er sein Glück hat machen können in der Welt. So beginnen wir uns zu erinnern, zu rechnen, zu reflektieren.
War da nicht ein gewisser Sigi Lachmann, der Sohn vom alten Salomon Lachmann in der kleinen Schiffergasse? War der nicht Ladenschwengel im Grand Basar des Herrn Hoffmann? Und war er nicht, als er das Schaufenster dekorieren sollte, mit der Leiter umgefallen? Und die Scheibe war zu Bruch gegangen? Und die Versicherung war nicht bezahlt? Am nächsten Tag war er verschwunden. Wohin wird er gegangen sein, der Sigi Lachmann aus Rawicz?
Nach Berlin – was wird er da gemacht haben?
(Lubitsch geht zum Chef einer Textilfirma, bei dem er sich beworben hat, und stellt sich vor, ohne eine Einladung bekommen zu haben.)
Wie aber ist aus dem Jüngel der junge Herr geworden, der uns jetzt in der Eisenbahn gegenübersitzt? Wer hat ihm Manieren beigebracht?
(Die Directrice erklärt Sally, was er an seinem Aufzug und seiner Frisur verändern muß, damit er in der Firma arbeiten kann.)
Aber geheiratet haben wird er nicht die Direktrice, sondern die Tochter vom Chef.
Am Ende der Geschichte fragen wir, wie der Mann in dem jüdischen Witz, unser Gegenüber, ob wir die Ehre haben mit Herrn Sigismund Lachmann, Juniorchef der Firma Berg & Co. Robes et Confections, und Frau Gemahlin? Und er fragt zurück: Ja, kennen Sie mich denn? Und wir sagen: Kennen nicht direkt, aber wir haben Sie ausgerechnet. Jiddisch: Wir haben geklärt.
Klären, kalkulieren, reflektieren – das Verfahren des Mannes in dem Eisenbahnwitz ist auch das Verfahren Lubitschs. Seine Filme, seine Figuren machen es vor.

„Der Stolz der Firma“. Der älteste überlieferte Film mit Lubitsch in der Hauptrolle. Noch führt er nicht selbst Regie. Am 30. Juli 1914 hat der Film Premiere. Am Tag darauf ergreift Majestät persönlich das Wort. (Kaiser Wilhelm II. ruft den Krieg aus.) Bei Kriegsausbruch wird der Film vorübergehend verboten. „Nicht kriegsverwendungsfähig“. Sein Hauptdarsteller auch nicht. In einem Brief vom 10. Juli 1947, vier Monate vor seinem Tod, an den Autor Herman Weinberg, erinnert sich Lubitsch: „Obwohl ich in ,Der Stolz der Firma‘ Hauptdarsteller war und der Film Erfolg hatte, kam meine Karriere zu einem Stillstand. Ich war abgestempelt. Und da ich nicht aufgeben wollte, sah ich mich genötigt, selbst Rollen für mich zu schaffen. Und so wurde ich Regisseur.“
Zum Regisseur fühlte er sich nicht berufen. Es war Selbsthilfe. Als Schauspieler brauchte er einen, um dem Klischee zu entrinnen.

„Ich beschloß, mit dem Film ,Schuhpalast Pinkus‘ zu der Art von Rollen zurückzukehren, die mir den ersten Erfolg gebracht hatten.“ In dem Milieu kannte er sich aus. Berlin vor dem Ersten Weltkrieg: Ernsts Vater, Simon Lubitsch, hatte ein Geschäft für Damenkonfektion im Scheunenviertel hinter dem Alexanderplatz, genauer: eine Betriebswerkstätte für Damenmäntel. „Mäntelman“ nannte man ihn im Unterschied zu „Gentleman“.
Ab 1902 besuchte Lubitsch das Sophiengymnasium in der Weinmeisterstraße. Vielleicht sind Erinnerungen daran eingegangen in Sally Pinkus‘ Schulerlebnisse. Wie Sally Pinkus hat auch Lubitsch das Gymnasium vor dem Abitur verlassen. Er ist Kommis geworden in einem Stoffgeschäft, wogegen Sally in die Schuhbranche einsteigt.
In mehreren der kleinen Filme der Weltkriegsjahre nannte Lubitsch sich Meyer. Meyer aus Berlin zieht es in die Berge.

Diese beiden – noch eine Eisenbahngeschichte – haben sich gerade erst kennengelernt.
„Zu dieser Zeit geschah es, daß ich Ossi Oswalda entdeckte und ihr die Hauptrolle in einem meiner Filme gab. Sie hatte solchen Erfolg, daß ich beschloß, sie in eigenen Filmen herauszubringen. Schließlich interessierte mich auch die Regie zunehmend mehr als die Schauspielerei.“ Von der Konfektion zur Kunst, vom Theater zum Film, von der Schauspielerei zur Regie – immer wieder was Neues ausprobieren. Lubitschs Filme der Weltkriegsjahre sind Berlin-Filme, gedreht im Tempelhofer Atelier von Paul Davidsons Union Film, uraufgeführt in den Union-Theatern Friedrichstraße, Nollendorfplatz, Kurfürstendamm.

2. Filmstadt Berlin
Zu den ersten Kriegsgewinnlern gehörte der deutsche Film. Der Krieg befreite ihn von der marktbeherrschenden französischen und italienischen Konkurrenz. Im Dezember 1917 wurde auf Betreiben der Reichsregierung und der Obersten Heeresleitung die Universum Film AG, kurz UFA, gegründet, „um einen Zusammenschluß in der Filmindustrie zu schaffen, der einerseits ein lebenskräftiges und aussichtsvolles Wirtschaftsunternehmen darstellen soll, andererseits die Garantie dafür bieten, daß wichtige Aufgaben auf dem Gebiet der Propaganda, deutscher Kultur und Volkserziehung im Sinne der Reichsregierung gelöst werden.“
Hindenburg, Chef der Obersten Heeresleitung, redete dem deutschen Volk ins Gewissen: „Man sorge sich nicht, was nach dem Kriege werden soll. Das bringt nur Mißmut in unsere Reihen und stärkt die Hoffnungen der Feinde.“ In Lubitschs Filmen sieht man nicht das Berlin des Steckrübenwinters 1916/17. Tagesrealität bildete er nie ab. Mitten im Krieg machte er Filme wie zu Friedenszeiten. Er füttert den Zuschauer nicht mit Illusionen, sondern aktiviert seine Lüste und Wünsche.

Als „Carmen“ gedreht wurde, brach gerade die deutsche Westfront zusammen. Als Scheidemann die Republik ausrief, saß der Regisseur im Schneideraum. Während der Preview wurde in den Straßen um das Kino herum geschossen. „Hör nicht hin“, sagte Lubitsch zu Pola Negri, seinem neuen Star, „schau dir den Film an.“

26 Jahre alt ist Lubitsch bei Kriegsende, 30, als er Deutschland verläßt. In diesen vier Jahren von 1919 bis 1924 dreht er elf Filme, eine in der Filmgeschichte ganz einmalige Explosion von Formen und Sujets. 25 Jahre später, in seinem Brief an Weinberg, läßt er seine deutschen Filme jener Jahre noch einmal Revue passieren: „,Die Austernprinzessin‘ war mein erstes Lustspiel, in dem sich ein bestimmter Stil andeutete. Ich erinnere mich an eine kurze Szene, die damals viel diskutiert wurde. Ein armer Mann mußte in der glanzvollen Empfangshalle eines Multimillionärs warten.“ (Und er läuft das Rosettenmuster auf dem Boden ab.)
Alle Möglichkeiten probiert Lubitsch durch. Auf die Satire („Die Austernprinzessin“) läßt er einen Historien- und Kostümfilm folgen („Madame Dubarry“). Die Bedeutung seiner Historienfilme sah Lubitsch darin, daß sie das von den Italienern geschaffene Genre entoperten, seine Gestalten vermenschlichten, Massen- und Intimszenen mischten. Mit seinen Historienfilmen setzte Lubitsch sich ab von denen der Italiener, von seinen eigenen mit Serien und Komödien. „,Die Puppe‘ war in einem gänzlich anderen Stil. Es war reine Fantasie. Die meisten Dekorationen waren nur aus Pappe, einige sogar nur aus Papier.“ Nach diesem reinen Studiofilm wieder etwas anderes, zwei Bergfilme, gedreht in freier Natur: „Kohlhiesels Töchter“, „Der Widerspenstigen Zähmung“ in die bayerischen Berge versetzt. Danach noch einmal Shakespeare: „Romeo und Julia im Schnee“.
Historienfilme, Naturfilme, Lustspiele – was gibt’s noch?
„Sumurun“ – ein „spielerisch-fantastisches Stück“ nennt es Lubitsch – nach einer Inszenierung von Max Reinhardt, in der er 1910 aufgetreten war. In seiner Verfilmung zehn Jahre später spielt er seine letzte Filmrolle. Nach der orientalischen Pantomime im Reinhardt-Stil zurück zum historischen Genre, diesmal englische Renaissance; „Anna Boleyn“. Und wieder eine neue Variante: Natur- und Dekorfilm, Bergfilm und Satire gemischt. „Die Bergkatze“. Ein Mißerfolg, meint Lubitsch, weil das deutsche Publikum kurz nach dem Krieg nicht in der Stimmung war, den Militarismus satirisch zu behandeln. Danach erneute Rückkehr zum großen historischen Kostümfilm, diesmal antik ägyptisch. „Das Weib des Pharao“. „Als Gegengewicht zu den großen Historienfilmen empfand ich die Notwendigkeit, ein paar kleine Kammerspiele zu machen“ (aus dem Brief an Weinberg). „Die Flamme“.
Die Geburt des Lubitsch-Touch aus dem Geist der Berliner Inflationszeit. Zu keiner anderen Zeit hätten diese Filme in Deutschland gedreht werden können. In keinem anderen Land hätten sie zu dieser Zeit entstehen können.

3. Inflationskino
Mr. Quaker hat alles vielfach. Er verkörpert deutsche Inflationsvorstellungen, auf Amerika übertragen. Es wird nicht klar, wo der Film überhaupt spielen soll. Ohne Rücksicht auf Wahrscheinlichkeit klittert er in „Die Austernprinzessin“ Amerikanisches und Mitteleuropäisches. Quaker heißt der Austernkönig nach der amerikanischen Glaubensgemeinschaft, die nach dem Ersten Weltkrieg die hungrigen Mägen deutscher Kinder füllen half. Wie schon vom Krieg, so profitiert der deutsche Film auch von der Inflation. Die Entwertung der Mark machte den deutschen Markt uninteressant für Importeure. Zugleich ermöglichte sie den Export deutscher Waren zu praktisch konkurrenzlosen Preisen.
Den Durchbruch auf dem Weltmarkt schaffte der deutsche Film mit einem Lubitsch-Film: „Madame Dubarry“. „Beim Kino rast die Hausse in den Kassen. Ich hoffe, wenn’s wieder mal im Lande kracht, daß die Regie bei den Verschwörermassen Herr Lubitsch macht.“ Kurt Tucholsky

Massenfilme sind nicht nur Lubitschs Historienspektakel. Seine Massen sind auch komisch. Die Massen in Lubitsch-Filmen, das sind viele Gleiche, lauter Doppelgänger. Das Publikum als Schauspiel, sich selbst zum Vergnügen. Qualität und Quantität schlossen sich nicht aus für ihn, eher im Gegenteil. Wichtig waren ihm die Nebensächlichkeiten der Anderen, die Accessoires, die Kostüme, die Dekorationen. Sie leben, in Bewegung gesetzt, vom Ensemble. Die Menge zählt, der Star ist nur ein Teil.
Staatsereignisse sind nicht der Gegenstand seiner Historienfilme, sondern wie Beziehungen sich auf- und abbauen. Wie Aufmerksamkeit geweckt wird durch Andeuten, Weglassen, Verstecken. Der Lubitsch-Touch – kein Stil, sondern Effekt, Witz, eine Kurzschlußtechnik, die Wünschen und Begierden den Platz freimacht. Die Türen, die Paravents, die Schlüssellöcher in Lubitschs Filmen.
„Madame Dubarry“ war der erste deutsche Film, der in Amerika Erfolg hatte. „Vor einem Jahr“, schrieb die New York Times 1922, „wäre er noch für 10 000 Dollar zu haben gewesen. Für 40 000 gaben ihn die Deutschen dann her. Jetzt ist er eine halbe Million wert.“ Der deutsche Film, eben noch boykottiert in den ehemaligen Feindländern, gewinnt Weltgeltung. Für 200 000 Dollar wird „Anna Boleyn“ in die USA verkauft, das sind in seinem Produktionsjahr 14 Millionen Mark, das Doppelte der Herstellungskosten. Man lebt vom Schein, ohne Grund und Boden. Die Unsicherheit macht erfinderisch und erschüttert die alten Gewißheiten. Das war Lubitschs Stunde. Kein anderer Regisseur war so im Einklang mit dieser Zeit, er nie besser als in solchen Krisenzeiten. Sie inspirierten ihn. Er profitierte von der Unsicherheit. Aus ihr schlug er Kapital.

Gesellschaftliche Mobilität im Kino. Komische Auf- und Abstiegsgeschichten. Umbau auf offener Bühne in „Die Austernprinzessin“. Die Junggesellenbude des verarmten Prinzen Nucki wird umfunktioniert zum Audienzsaal. Eine Welt des Make-believe, wie das Kino.
Atelier und Natur, Kunst und Wirklichkeit – Lubitsch macht da keinen Unterschied. Das eine steckt im anderen. Die Alpen haben bei ihm nichts Ehern-Schicksalhaftes. „Meyer aus Berlin“ ist kein deutscher Bergfilm. Auch die Alpen sehen aus wie Bühnenhintergründe, zum Abbruch bereit.
Der Film als technische Kunst kann besser als die alten Künste Automatismen zeigen. Lubitschs Psychologie zielt auf die Mechanik, die den individuellen Äußerungen zugrunde liegt. Auch am Sex interessiert ihn die Mechanik. Sie läßt ihn von seiner komischen Seite erscheinen. Henny Porten spielte beide von „Kohlhiesels Töchtern“, das Trampel und die Dorfschöne, die Natürliche und die Kokette. Am Ende wieder ein Umbau auf offener Bühne. So wird aus dem Trampel eine Dorfschöne. Wo die Natur da bleibt? Auf Äußeres ist bei Frauen kein Verlaß, im Kino schon gar nicht.
Die Modenschauen in Lubitschs Filmen, die Schuhkauf-, Kleideranzieh- und Hutprobierszenen, die Schmink- , Manikür- und Badenummern signalisieren dem Zuschauer, wie die Filme selbst gesehen werden wollen. Lubitsch möchte, daß man auf sie wie auf Mode schaut, auf etwas Gemachtes, Oberflächliches, Momentanes. Er macht Filme, wie Mode gemacht wird, nicht so sehr von Nachahmung wie von Reaktionen lebend, vom Wechsel, von der Variation.
Der Augenschein ist nicht alles. Vorurteilslos setzt Lubitsch sich ein für alle fünf Sinne, nicht nur die edlen, an die die große Kunst sich wendet. Seine Filme wollen nicht nur gesehen und gehört werden, sondern auch gerochen, geschmeckt, getastet. In Lubitschs frühen stummen deutschen Filmen ist alles angelegt, was seine späteren Hollywood-Tonfilme ausführen. (Zum Vergleich eine Szene aus „Trouble in Paradise“.)

1931 war der Berliner zum letzten Mal in Berlin. Zwei Jahre später wurden seine Filme hier erneut verboten. Noch einmal zwei Jahre später wird ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Aber mitten im Zweiten Weltkrieg ist er noch einmal auf deutschen Kinoleinwänden zu sehen und zu hören (in „Der ewige Jude“): „Der Jude Ernst Lubitsch wurde als deutscher Filmregisseur begrüßt.“ Der Kommentator nennt ihn in einem Atemzug mit einem anderen Großen des Films, den er dabei gleich zum Ehrenjuden ernennt: Charles Chaplin.
Noch ein Großer des Films: der Franzose Jean Renoir. Er schrieb über Lubitsch 20 Jahre nach dessen Tod: „Gott bewahrt das bewunderungswürdige Gleichgewicht der Natur, indem er den geschlagenen Völkern die Gabe der Kunst schenkt. Das widerfuhr Deutschland nach der Niederlage von 1918. Der Geist, den die Juden zu dieser kurzen Berliner Renaissance beitrugen, war wahrscheinlich der beste Ausdruck der Zeit. Von dem Witz, der das Wesen des intellektuellen Berlin jener Zeit war, waren Lubitschs Filme erfüllt. Der Mann war so stark, daß er, als Hollywood ihn holte, dort seinen Berliner Stil nicht nur nicht einbüßte, sondern die Filmindustrie zu seiner eigenen Ausdrucksweise bekehrte. Hollywood steht bis heute unter seinem Einfluß, das heißt, indirekt unter dem des Berlin meiner Jugend.“
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Alt 12.12.2023, 12:59   #1754  
pecush
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Ich unterbreche das laufende Programm mal mit einem kleinen Hinweis:
Kommende Woche gehe ich ins Frankfurter Filmmuseum und schaue mir eine Aufführung von "Dial M for Murder" an; also "Bei Anruf Mord" im OT und 3D.

Es handelt sich um den einzigen 3D-Film von Hitchcock; die Technik mochte er aber nicht (ich auch nicht!); er wurde vom Studio dazu gedrängt.

Das Ganze findet im Rahmen der Filmreihe "How to Hitchcock" statt, die der Schaupieler und Hörspielsprecher Jens Wawrczeck derzeit in Deutschland macht.

Vielleicht hat jemand Lust, auch aufzuschlagen?!
pecush ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.12.2023, 15:09   #1755  
Peter L. Opmann
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Das wäre am Dienstag, 19. Dezember, 20.15 Uhr, wenn ich richtig sehe.

Das wäre für mich im Bereich des Machbaren, aber an dem Abend ist eine Weihnachtsfeier, auf der ich anwesend sein sollte.
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Alt 13.12.2023, 10:33   #1756  
pecush
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Bei uns war auch für Dienstag eine Weihnachtsfeier angedacht; aber man muss Prioritäten setzen. Vor allem, wenn man die Kinokarte deutlich länger hat als eine Einladung.

Bei Interesse werde ich aber berichten.
pecush ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.12.2023, 10:48   #1757  
Peter L. Opmann
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Ja, bitte.

"Bei Anruf Mord" ist aber glaube ich auch kein herausragender Drei-D-Film. Hitchcock hat, soweit ich mich erinnere, vor allem mit Gegenständen im Vorder- und im Hintergrund gearbeitet.

Aber allemal ein guter Hitchcock-Thriller.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.12.2023, 10:57   #1758  
pecush
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Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das einen besonderen Effekt hat.
Bei Sci-Fi-Werken, wo es an allen Ecken rummst und etwas durchs Bild fliegt, sehe ich da schon einen gewissen Sinn. Aber bei einem Kammerspiel?

Davon ab hatte ich bei meinen zwei oder drei 3D-Kinoerlebnissen danach immer Kopfschmerzen. Daher meide ich das eigentlich.
pecush ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2023, 06:39   #1759  
Peter L. Opmann
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Mit der Doku über Josef von Sternberg hatte ich einige Schwierigkeiten. Dabei ist das eigentlich ein bedeutender Film, nämlich aus der Reihe „Cinéma, de notre temps“ von André S. Labarthe. Zu sehen ist auch Claude Chabrol in einer „Werbeunterbrechung“. Sternberg wird hier eine Stunde lang interviewt, wobei die Fragen herausgeschnitten sind. Der Regisseur redet also praktisch pausenlos.

Leider ist Sternberg kein guter Redner. Man glaubt sofort, daß seine Begabung in bildlicher Darstellung, nicht in der Kommunikation liegt. Manches bleibt unverständlich, und er widerspricht sich auch teilweise selbst oder behauptet zweifelhafte Dinge (zum Beispiel, daß er Chaplin davon abgeraten habe, im Tonfilm seine Stimme einzusetzen, was der aber nicht befolgt habe – soweit ich mich erinnere, verwendet Chaplin in „City Lights“ und „Modern Times“ seine Stimme nicht). Die erste Hälfte des Films beschäftigt sich ausschließlich mit seinem letzten Film, der da (1966) aber auch schon 14 Jahre her ist. Im zweiten Teil redet er dann über Regieprinzipien, was mit kurzen Ausschnitten vor allem aus „Der blaue Engel“ illustriert wird.

Ich habe zwar Sternbergs kompletten Sermon abgeschrieben, werde hier aber nur Abschnitte davon wiedergeben.

Filmemacher unserer Zeit: Josef von Sternberg
Vor 14 Jahren, 1953, drehte Sternberg seinen letzten Film, „The Saga of Anatahan“.

Sternberg: In „Life“ war ein kurzer Artikel über den außergewöhnlichen Fakt, daß Japaner immer noch auf einer Insel ausharrten, als der Krieg schon sieben Jahre zuende war. Das machte mich neugierig. Und meine japanischen Freunde, Herr Kawakita und Herr Osawa, luden mich nach Japan ein, um dort zu arbeiten. Ich schlug ihnen vor, daß das ein interessantes Thema sei. Und sie stimmten zu. So fuhr ich nach Japan und begann mit den Vorbereitungen für diese filmische Idee.

Nach fünf Monaten Arbeit war alles fertig. Dann fuhr ich nach Kyoto, wo wir den Film sehr schnell abdrehten. Ich wollte nicht zu dieser entfernten Insel Anatahan fahren. Es gab kaum Verbindungen dorthin. Die Insel ist ja unbewohnt. Und das hätte lauter Härten und Ansteckungsgefahren bedeutet. Ich habe es beim Arbeiten gern bequem – wie soll man sonst etwas zustande bringen? Dort gab es viele Moskitos, und es war lebensgefährlich, voller Schlangen und wilder Tiere. Ich baute also die Insel nach meiner Vorstellung. Da ist nichts echt. Wir nahmen riesige Sicheltannen. Wissen Sie, wie groß diese Tannen sind? Zehn oder 15 Männer können sie nicht umspannen. Wir fällten einige von ihnen und nahmen ihre Wurzeln, stellten sie auf den Kopf und bauten daraus unseren Dschungel.

Die Insel, die wir aufnehmen wollten, malten wir mit Bleistift und Tinte, ebenso die Wolken. Und das Flugzeug ist ein Spielzeug an einer Schnur. Auch die Berge sind gemalt, nichts ist wirklich. Alles ist erfunden. Eine großartige Lektion über Filmemachen. Das einzige, was wirklich ist, ist das Meer. Das ist wirklich bedauerlich, daß wir das Wasser nicht auf andere Weise darstellen konnten. Das verdirbt den Film eigentlich. Das Ganze war also auf Künstlichkeit angelegt, damit das Publikum sich nicht in die Handlung verwickeln kann.

Jedes Element sollte ein selbständiges Ganzes sein. In meinem Buch erwähne ich, wie der Tonfilm damit begann, daß man einen Vogel hörte, der nicht im Bild zu sehen war. Er sang außerhalb des Bildfeldes. Man spürte also Leben und Töne außerhalb dessen, was man erblicken konnte, und das war wunderbar. So hat es mit dem Ton angefangen. Wenn ich so sagen darf, der Ton in „Anatahan“ hat eine andere Funktion als ein Kommentar in anderen Filmen. Die Absicht war, das Publikum dazu zu bringen, seine eigenen Gefühle zu erforschen und nicht die Gefühle der Schauspieler. Ich berichtete nichts.

Bis ich 50 war, waren mir andere Menschen gleichgültig. Ich dachte, daß zwischen mir und anderen keine Beziehung besteht. Zu dieser Zeit ist der größte Teil meines Werks entstanden. Erst später fand ich, daß es meine Pflicht wäre, mich selbst zu erforschen und herauszufinden, was ich tat und was ich dachte. Das veränderte mich wahrscheinlich, aber ich veränderte mich ja sowieso ununterbrochen.

Claude Chabrol (1966): Seit einigen Monaten bringt „Filmemacher unserer Zeit“ Sendungen über die wichtigen Autoren und Strömungen der Weltkinematografie. Das größte Verdienst dieser Serie sind Porträts, die schon jetzt unschätzbare Dokumente sind.
(1991) Heute, 25 Jahre später, kann man das noch deutlicher erkennen. Diese Filmreihe richtet sich in gleicher Weise an Filmemacher wie an Kinoliebhaber. „Filmemacher unserer Zeit“ wird jetzt fortgesetzt unter dem veränderten Titel: „Kino – unsere Zeit“. Das Programm bleibt sich treu, und Sie sehen darin Scorsese mit David Lynch spazierengehen, Manoel de Oliveira auf Fritz Lang treffen und Nanni Moretti mit Jean Renoir plaudern, gefilmt vor 25 Jahren von Jacques Rivette. Merken Sie sich diesen Titel also gut. Sie sahen einen Werbespot.

Sternberg: Ganz egal, was man aufnimmt, ob einen Zwischentitel oder ein Stück Papier oder eine Spielkarte oder einen Brief, es muß immer der fotografischen Qualität der Szene entsprechen. Ich mag nicht, wenn der Himmel hell erscheint in einer Landschaft wie einem menschlichen Gesicht. Man muß die Stirn dunkel halten. Wasser ist wie ein Mund oder andere Teile eines Gesichts. Man muß jeden Punkt der Landschaft beherrschen, genau wie man jeden Punkt in einem Gesicht kontrolliert. Es ist doch seltsam, daß manche Leute glauben… Grierson schrieb: „Wenn ein Regisseur aufhört, gut zu sein, sinkt er zum Fotografen herab.“ Das ist Unsinn, denn das Wichtigste, was ein Regisseur kennen muß, ist das Material, mit dem er arbeitet. Er muß die Kamera kennen, sonst wird er sich sehr wundern, wenn die Muster zurückkommen. Er muß darüber genau Bescheid wissen.

Ein Regisseur überträgt zwangsläufig seine Persönlichkeit auf seine Schauspieler. Ich zwinge sie dazu, Dinge zu tun, die ich ausdenke. Manchmal sind sie sehr gut und manchmal eben nicht. Ein Filmschauspieler ist nicht schöpferisch. Er interpretiert, was man ihm sagt. Man zeigt ihm, was er tun soll. Und es liegt in seiner Verantwortung, den Wünschen des Regisseurs möglichst genau nachzukommen. Es gibt ja als Publikum nur den Regisseur, niemanden sonst. Also was muß ein Schauspieler tun? Er muß dem Regisseur gefallen. Aber das ist ja in allen Filmen so. Alles, woran ein Schauspieler denkt, ist, wie er aussieht. Was er macht, ist ihm doch egal. Im „Blauen Engel“ wußte ich genau, was ich für die Rolle von Fräulein Dietrich wollte, aber ich konnte es nicht finden. Nicht die, die man findet, sondern die, die man nicht will, bestimmen die richtige Wahl. Man muß nicht Ja sagen, man muß Nein sagen. Viele haben sich für den „Blauen Engel“ beworben, aber ich war nicht zufrieden. Ich suchte nach einem Typ aus einem Gemälde von Felicien Rops, der in einer anderen Zeit und einem anderen Land gelebt hatte. Aber das war der Typ, den ich suchte.

Ich hatte nie einen besseren Assistenten als Fräulein Dietrich. Wenn ich mich setzen wollte, brachte sie einen Stuhl. Sie tat alles, um mich zu verstehen, es war ganz einfach. Am besten ist sie natürlich in „The Devil is a Woman“. Da habe ich ihr gar keine Anweisungen gegeben außer, was sie machen sollte. Sie wußte nicht, worum es ging, aber sie kam ins Atelier und war großartig, indem sie genau das machte, was ich von ihr wollte. Ich verwende viele Statisten, die für mich arbeiten. Und die Statisten lesen natürlich nicht das Drehbuch. Wenn die also nicht wissen, worum es geht, warum sollen es die Schauspieler wissen? Die guten Schauspieler wollen gar nichts wissen. Sie wollen wissen, was ich ihnen sage, und damit genug. Das ist beim Film immer so, nicht nur bei mir, sondern bei allen Regisseuren – die reden nur nicht darüber. Sie scheuen davor zurück, weil sie diesen Film-Mythos aufrechterhalten wollen, daß der Schauspieler ein selbständiges Wesen sei, was er aber nicht ist.

Mit John Lodge war es genauso. Ich riet ihm, mit der Schauspielerei aufzuhören. Und er wurde Gouverneur von Connecticut und US-Botschafter in Spanien. Er war ein kluger Mann und verstand, was ich ihm sagte, Schauspieler sei ein zweitrangiger Beruf. Er braucht Requisiten und anderes mehr. Das alles macht man, um das Verhalten des Schauspielers so interessant wie möglich zu machen. Ich verwende sehr viel Zeit auf diese Dinge, die einem Schauspieler das Leben schwer machen. Das kann man in meinen Filmen sehr deutlich sehen.

Viele meiner Filme bedeuten mir überhaupt nichts. Aber einige sind sehr gelungen. Ich mag einige Szenen in „The Docks of New York“. Einige Szenen in „Marocco“ gefallen mir, und einige in „Shanghai Express“ sind sehr gut. Einige Szenen in „The Scarlet Empress“ sind nicht übel, einige in „The Devil is a Woman“ sind gut. Aber meistens gefallen mir nur einzelnen Sequenzen. Ich reagiere anders auf Filme, als Sie es tun. Ich sehe mir Filme an, wie ein Chirurg Operationen betrachtet. Operation gelungen – Patient tot. Macht nichts, mich interessiert ja die Operation.

Wenn Sie sich meine Haltung erklären wollen: Ich bin vor allem ein Techniker. Ich kann eigentlich kaum etwas über meine Arbeit sagen. Die Russen sagen: Das Huhn spricht nicht über Hühnersuppe. Ich weiß nicht, woher meine Begabung kommt. Ich habe viele Jahre gearbeitet, bevor ich zum Regieführen kam. Ich weiß, daß ich die Mittel des Films vollkommen beherrsche. Ich weiß alles darüber und habe alles ausprobiert. Nur wenn man das Material hinter sich läßt, kann man es vollkommen beherrschen. Ich habe nur meine Augen und meine Ansichten, wie sie sind. Sind sie gut, ist das nicht mein Verdienst, sind sie schlecht, ist es nicht meine Schuld. Ich kann Ihnen keine Erklärung abgeben zu dem Wert, den Sie meiner Arbeit beimessen.

Soweit es Werte betrifft, die in allen Kulturen gelten, fotografieren wir nur aufs Neue, was seit undenklichen Zeiten immer da war. Das Kino wurde zur gleichen Zeit wie ich geboren, 1894. Vorher gab es ja kein Kino. Und in diesen etwa 70 Jahren ist alles mögliche im Kino gemacht worden. Es ist erstaunlich. Jede Art von Stoff hat sich mit dem Kino verbunden. Diese Wochenschauen haben die tollsten Dinge gemacht. Man hat Unterwasseraufnahmen gemacht, Tieraufnahmen… unmöglich, alles zu sehen, was an Filmen gemacht wurde. Und alles das ist Kino. Wenn die Kamera läuft, ist es Kino. Nur hat das wenig mit mir zu tun. Ich habe versucht, den Film für andere Ideen zu öffnen, für Literatur und Kunst. Und das war wahrscheinlich ein Fehler, denn meine Karriere war nicht von Erfolg gekrönt.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2023, 07:54   #1760  
Nante
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Uii, ich glaube, hier hätte ich beim Zuhören rasch kapituliert. Um so größeren dank dafür, daß Du es wieder in eine lesenswerte Form gebracht hat.

Zitat:
Ich suchte nach einem Typ aus einem Gemälde von Felicien Rops, der in einer anderen Zeit und einem anderen Land gelebt hatte.
Da können wir ja froh sein, daß Marlene diesem "Typ" entsprochen hat.
Ob er das Bild hier gemeint hat?

https://upload.wikimedia.org/wikiped...A8s_-_1878.jpg

Zitat:
(zum Beispiel, daß er Chaplin davon abgeraten habe, im Tonfilm seine Stimme einzusetzen, was der aber nicht befolgt habe – soweit ich mich erinnere, verwendet Chaplin in „City Lights“ und „Modern Times“ seine Stimme nicht)
Zumindest in "Modern Times" hat Chaplin ja in der "Gesangsnummer" gegen Ende seine Stimme eingesetzt. Rein persönlich denke ich, daß es gut war, wenn er sich hier gegen den (wenn überhaupt wirklich erteilten) Ratschlag von Sternberg entschieden hat. Wer weiß, ob er es sich ohne diese "Generalprobe" zugetraut hätte, den nächsten Film als Sprechfilm zu drehen, - immerhin "The Great Dictator".

Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2023, 08:13   #1761  
Peter L. Opmann
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Dieses Rops-Bild habe ich auch gesehen. Aber da gibt's noch welche, die wikipedia nicht abbilden will oder kann. Ich könnte mir vorstellen, daß Sternberg da etwas anderes vor Augen hatte.

Chaplin hat zwar in "Modern Times" seine Stimme eingesetzt, aber er singt keinen sinnvollen Text. Sternberg will Laute, wie den Ton allgemein, am liebsten als etwas Abstraktes auffassen (wobei die Figuren in seinen Filmen ja auch normal sprechen - in seinem letzten Film aber wohl nicht mehr). Und selbst im "Great Dictator" spricht Chaplin als Hynkel etwas rein Phonetisches. Man bekommt mit, was er sagen will, aber er verwendet keine richtigen Worte. Und der jüdische Friseur ist doch stumm, oder irre ich mich?
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2023, 08:30   #1762  
Nante
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Äh, ja.
Er hat zwar sein Gedächtnis aber nicht seine Stimme verloren. Sonst wäre die Rede am Ende ja gar nicht möglich.

Und ja, an die Hynkel-Rede mußte ich bei dem "Lied" auch denken.

Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.
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Alt 20.12.2023, 14:50   #1763  
pecush
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Es muss so Anfang der 1990er-Jahre gewesen sein, dass ich meine ersten Hitchcock-Filme im Fernsehen sah. Darunter „Der unsichtbare Dritte“, „Marnie“, „Der Fremde im Zug“, „Bei Anruf Mord“ und „Die Vögel“. Letzterer war sicherlich der Film, der mich am meisten in den Bann gezogen hat und den ich bis heute von Hitchcock am häufigsten gesehen habe. Andere habe ich dann und wann wieder gesehen, zuweilen neu entdeckt, bei weiteren anderen sind nur schwache Erinnerungen geblieben.
Wie bei „Bei Anruf Mord“.

Der Schauspieler und Hörbuchsprecher Jens Wawrczeck war etwa in meinem Alter, als er seinen ersten Hitchcock sah; auch wenn das rund 15 Jahre vorher geschah. Sein Erstling war „Bei Anruf Mord“, und der zog ihn in seinen Bann.
Wawrczeck ist bis heute ein glühender Hitchcock-Fan, er hat zahlreiche Romane, die Grundlage der Filme sind, eingelesen und ja, man kennt seine Stimme natürlich vor allem aus den „drei ???“-Hörspielen, die auf einer von Hitchcock „empfohlenen“ Buchreihe basiert.

In diesem Jahr hat Wawrczeck sein erstes eigenes Buch geschrieben: „How to Hitchcock“, eine persönliche Reise durch Hitchcocks Œuvre mit guten Analysen einzelner Motive, aber auch einigen persönlichen Anekdoten. Mit diesem Buch reist er aktuell durch die Republik und liest in ausgewählten Kinos daraus vor, bevor ein - in jeder Stadt anderer - Hitchcockfilm läuft.

Weil das Deutsche Filmmuseum quasi bei mir um die Ecke ist, habe ich „Bei Anruf Mord“ gesehen. Was heißt „bei Anruf Mord“? „Dial M for Murder“, denn der Film lief im Original - und in 3D.
Das ist ja so mal gar nicht meins; ich habe zwei oder drei Filme in 3D gesehen und den Saal dann in der Regel mit Kopfschmerzen verlassen.
Dennoch habe ich dieser Veranstaltung eine Chance gegeben - und es nicht bereut.

Der Abend begann mit einer kurzen Lesung aus dem wirklich guten Buch von Wawrczeck (das ich vor ein paar Wochen begonnen, aber noch nicht beendet habe), danach kam es zu einem Filmgespräch, in dem Wawrczeck u.a. über die Freundschaft von Grace Kelly und Hitchcock berichtete (eine Zusammenarbeit bei „Marnie“ kam auf Druck das Fürstentums Monaco nicht mehr zustande), aber auch über die 3D-Technik, die Hitchcock nur hier nutzte. Laut Wikipedia auf Druck des Studios, weil 3D damals sehr angesagt war („Der Schrecken des Amazonas“ kam im selben Jahr raus). Wawrczeck berichtetet aber, dass Hitchcock die Technik gut und gerne nutzen wollte.

Heute kann man sich das vielleicht weniger vorstellen: In aktuellen 3D-Filme fliegen Autos durch die Luft und es knallt an allen Ecken und Enden.
„Dial M for Murder“ spielt hingegen in (fast) nur einem Raum. Die 3D-Effekte wirken sich daher viel geringer aus; was meinem Kopf zugute kam. Hitchcock arbeitete mit Tiefen, eher belanglose Einrichtungsgegenstände standen plötzlich viel mehr im Fokus. Oder, wie Wawrczeck es beschrieb: Durch 3D wurde man noch mehr zum versteckten Beobachter in der Wohnung von Grace Kelly und Ray Milland.

Für die, die die Handlung nicht kennen:
Milland gibt einen ehemaligen Tennisspieler Tony Wendice, der erfahren hat, dass seine vermögende Frau Margot einen Liebhaber hat und beschließt, sie umzubringen. Als sein Plan scheitert, muss er sich etwas anderes überlegen, um sie loszuwerden.
Ein raffinierter Old-School-Krimi, der auch heute noch vollends überzeugt.
Man bangt mit Margot, dass alles für sie gut ausgeht - und gleichzeitig mit Tony, wie er seinen Plan umsetzen kann.

Zwei Dinge sind mir besonders ins Auge gestochen:
1. Ray Milland. Ich dachte die ganze Zeit: An wen erinnert der mich. Optisch dachte ich mal an Bela Lugosi und Huub Stevens, doch dann fiel der Groschen. So vordergründig freundlich er seinen Tony anlegte, der seine Gesprächspartner umgarnte, bevor er eiskalt zuschlug, dieses Prinzip verfolgt heute Christoph Waltz in nahezu allen seinen Filmen.

2.John Williams (nicht der Komponist) spielt den ermittelnden Inspektor Hubbard mit viel Witz. Und spätestens wenn er sich beim Gehen in der Tür noch einmal umdreht und ihm noch eine Frage einfällt, erkennt man, welcher von mir hoch geschätzte TV-Inspector von diesem Filmkollegen inspiriert wurde. (Ray Milland war übrigens später zweimal Gaststar bei Columbo!)

So verfolgte ich gebannt anderthalb Stunden, wie der Film ausgehen würde. Das Vexierspiel um den Haustürschlüssel hatte ich zum Beispiel gar nicht mehr auf dem Schirm und sorgte für wirklich spannende Momente und Kniffe. Und für den besten 3D-Effekt des Films, als dieser dem Zuschauer quasi gereicht wurde.
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Alt 20.12.2023, 15:30   #1764  
Peter L. Opmann
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Der Film „Bei Anruf Mord“ ist mir leider auch nicht besonders in Erinnerung geblieben. Ich habe ihn jedenfalls noch nie in 3D gesehen. Und ich bin nicht so ein großer Grace-Kelly-Fan. Aber Du schreibst ein paar Dinge, die mich zu Ergänzungen herausfordern.

Wie ich auf Hitchcock gekommen bin, weiß ich auch nicht mehr genau. Aber vielleicht ging es bei mir auch mit den „???“ los. Ich habe als Kind „Alfred Hitchcocks Krimi-Box“ von Franckh gelesen, dem Verlag, der dann die „???“ gemacht hat. Ich fand es witzig, daß sich Hitchcock in dieser Krimi-Anthologie zwischendurch immer mal selbst zu Wort gemeldet hat, zum Beispiel: „Um die Situation zu klären, werden wir uns nun die Beweglichkeit der Zeit zunutze machen und den Uhrzeiger um genau eine Minute zurückdrehen.“

1984 kamen fünf Hitchcock-Filme wieder ins Kino, die er 1973 aus dem Verkehr gezogen hatte, um die Einnahmen aus der Wiederaufführung seiner Tochter Patricia zugute kommen zu lassen. „Bei Anruf Mord“ gehörte allerdings nicht dazu. Aber ich erinnere mich an einen langen Spiegel-Artikel über diese Filme und die Bedeutung, die Hitchcock allgemein fürs Kino hat. Kann sein, daß ich da richtig auf ihn aufmerksam wurde.

Wenn man sich das heutige Kino betrachtet, ist Hitchcock inzwischen doch hoffnungslos altmodisch. Aber für jemanden, der auch solche altmodischen Filme mag, sind etliche seiner Werke in meinen Augen doch erstaunlich wirkungsvoll und unterhaltsam geblieben. Schade, daß sich viele Leute diese Filme allein deshalb nicht mehr ansehen wollen, weil sie großenteils schwarz-weiß sind.

Hitchcock ist übrigens leider sehr oft als Horror- und Gruselmeister mißverstanden worden. Er schafft oft die Balance zwischen Spannung und Humor, und ich denke, in der Horrorfilm-Ecke ist das allermeiste von ihm völlig falsch einsortiert. Da hat er aber auch tolle Sachen gemacht (ich rede nicht nur von „Psycho“), obwohl das damals die Zensur eigentlich gar nicht zugelassen hat.
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Alt 20.12.2023, 15:58   #1765  
pecush
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Volle Zustimmung zu deinen Worten.

Nur über das Wort "altmodisch" bei Hitchcock stolpere ich. Ich weiß, was du meinst, mir klingt es aber zu negativ.
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Alt 20.12.2023, 16:43   #1766  
Peter L. Opmann
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Ich meine das gar nicht negativ.

Wenn Kritik, dann eher an Leuten, die meinen, daß man sich sowas heute nicht mehr ansehen kann.
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Alt 20.12.2023, 17:37   #1767  
Nante
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So, heute auch mal von mir wieder was.

Die Drei Tage des Condor (Three Days of the Condor , Sydney Pollack 1975)

In der Hauprolle Robert Redford, als wichtigste Nebenrolle Faye Dunaway sowie als Gegenspieler auf gleicher Höhe Max v. Sydow.

Der Film beginnt in einem Büro, in dem eine Gruppe nerdiger Bürotypen Bücher wälzt und sich gegenseitig mit Kriminalrätseln testet. Irgendwann erfährt man mal nebenbei: Sie sind damit befasst, internationale Literatur zu sichten und danach auszuwerten, ob darin Strategien und Hinweise enthalten sind, die für die CIA von Nutzen sein könnten. ( Z.B. ein Geschoss aus Eis, welches sich nach dem Schmelzen nicht mehr im Opfer nachweisen läßt.)
Daß es nicht ganz harmlos ist, merkt man nur an der Überwachungskamera am Eingang und dem Revolver, den die Pförtnerin in der Schublade hat.

Joseph Turner ( Redford) ist einer von ihnen und in seinem Job eigentlich ganz zufrieden. Das er für die CIA arbeitet ist für ihn wie alle anderen eher nebensächlich. Und die Sicherheitsregeln sind eigentlich nur dazu da, sie auszutricksen; - wenn man z.B. in der Mittagspause das Haus nicht über den regulären Weg verläßt.

In seiner Abwesenheit werden nun alle anderen Kollegen brutal von einem Killertrupp unter Anführung des kaltblütigen Joubert (v. Sydow) niedergemetzelt und Turner steht nach seiner Rückkehr fassungslos vor den Leichen. Er schnappt sich die Pistole der Pförtnerin und ergreift panisch die Flucht.

In den nun folgenden titelgebenden Tagen kommt Turner (Decknahme „Condor“) und mit ihm auch der Zuschauer eigentlich nicht mehr zur Ruhe. Seine verzweifelten Versuche, seine Vorgesetzten oder Freunde zu informieren und „reingeholt“ zu werden, enden alle im Desaster und führen zu weiteren Leichen. Irgendjemand torpediert all seine Versuche. Dazu wird er weiter durch Joubert gejagt, der sein „Versäumnis“ bemerkt und unbedingt ausbügeln will.

In seiner Verzweifling kidnapped Turner die wildfremde Kathy Hale (Dunaway) und zwingt sie mit der Waffe, ihn in ihre Wohnung zu fahren, wo er etwas Ruhe finden und seine weiteren Schritte überlegen will. Kathy ist natürlich anfangs alles andere als kooperativ aber das schwindet mit der Zeit. Schließlich hilft sie ihm sogar.

Joubert gibt die Suche aber nicht auf und ist ihm immer auf den Fersen und entwickelt sogar eine gewise Art Sympathie für dieses „Target“, daß so ganz anders ist als die Profis, mit denen er es normalerweise zu tun hat; - und gerade darum so schwer zu berechnen. Natürlich läßt er sich weder davon noch durch weitere Mißerfolge (und weitere Leichen) von der Jagd abbringen.

Am Ende, nachdem er Kathy verabschiedet hat, kann Turner endlich den Drahtzieher „im Apparat“ ausfindig machen und wird Zeuge, wie der diesmal pünktlich eintreffende Joubert nicht ihn sondern ersteren liquidiert; - die Gewichte in der Führung haben sich verschoben. Ob Turner allerdings noch ein längeres Leben vor sich hat, nachdem er ankündigt, alles der Presse zu schildern, läßt der Film offen.

Wie bereits oben gesagt, kommt der Zuschauer nach der Eingangsepisode eigentlich kaum zur Ruhe. Hunter ist ständig auf der Flucht oder in Lebensgefahr. Dazu kommt, daß er im handylosen Zeitalter auf öffentliche Telefone oder die Anschlüsse fremder Menschen angewiesen ist. Da er hier aber auch immer besonders verwundbar ist, erhöht auch das immer die Spannung. Die einzigen „ruhigen“ Momente sind komischerweise die, in der er entweder selbst Kathy mit der Waffe „zur Ruhe“ zwingt oder wehrlos und scheinbar in seinen letzten lebendigen Minuten dem angesetzten Killer gegenüber steht.

Aus heutiger Sicht scheinen mir vor allem zwei Dinge an dem Film überzogen:

1. Auch wenn Redford damals sicher in der Top 10 der „Sexiest Man Alive“ war; - daß sich Kathy ihm, nach allem, was er ihr antut, so rasch hingibt, ist schon ein krasser Fall von „Stockholm Syndrom“.

2. Daß ein CIA- Abteilungsleiter wegen einer vergleichsweisen Lapalie (Anspielungen auf Operationen zur Sicherung von Erdöl in Venezuela) so ein Massaker (gefolgt von weiteren Leichen) anrichten läßt, erscheint zumindest aus heutiger Sicht absolut unglaubwürdig. – Wenn man allerdings die damalige Situation (Watergate-Skandal, Ölschock, die Gerüchte über die Verwicklung der CIA in Putsch gegen Allende u.ä.) mit einkalkuliert, kommt es einem wiederum etwas plausibler vor.

Fazit: Für mich die beste Pollack/Redford-Zusammenarbeit.

Jeder Idiot kann eine Krise meistern. Es ist der Alltag, der uns fertig macht.

Geändert von Nante (20.12.2023 um 17:42 Uhr)
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Alt 20.12.2023, 18:00   #1768  
Peter L. Opmann
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Den Film habe ich irgendwann mal im Fernsehen gesehen, aber ich hätte den Inhalt nicht mehr nacherzählen können. Die Handlung ist wohl auch verwickelt. Ich glaube, Hollywood bringt gern die CIA oder ähnliche Geheimdienste ins Spiel, um eine unglaubwürdige Handlung plausibler zu machen. Da braucht man nur an James Bond zu denken.

Das Zusammenspiel von Redford und Dunaway erinnert mich an einen sicher viel schlechteren Film, nämlich „Commando“ von Mark L. Lester, aber besonders das Paar Arnold Schwarzenegger und Rae Dawn Chong macht diesen Film für mich unterhaltsam. Dabei ist der Schluß völlig unglaubwürdig: Schwarzenegger ist Witwer, und Chong, die er quasi von der Straße aufgelesen hat, ist das perfekte Match für ihn. (Wer hätte das gedacht?)

Du hast jetzt aber nicht geschrieben, was genau „Die drei Tage des Condor“ für Dich so gut macht. Ich denke, ich werde mir den Film mal besorgen, falls ich ihn auf dem DVD-Grabbeltisch finde…
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2023, 18:19   #1769  
Nante
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Du hast jetzt aber nicht geschrieben, was genau „Die drei Tage des Condor“ für Dich so gut macht.
Einmal die angesprochene permanente Jagd und dann, daß so ein "Schluffi" und Bücherwurm, wie ihn Redford darstellt, einem gesamten Geheimdienstapparat immer wieder im letzten Moment entkommt. Damit konnte man sich gut identifizieren...

Ja, und dann war es glaube ich, auch der erste Hollywoodstreifen, den ich gesehen habe, wo praktisch ALLE staatlichen Akteure "die Bösen" sind. Und zwar nicht nur weil sie als Menschen schlecht oder korrupt sind, sondern weil das ganze "System" schlecht ist; - kein Wunder daß er auch im DDR-Fernsehen immer wieder gern gezeigt wurde.

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Alt 20.12.2023, 18:39   #1770  
Peter L. Opmann
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Soweit ich das mitgekriegt habe, ist in dem Film ja nicht der gesamte Staatsapparat verrottet, sondern nur der gesamte Geheimdienst. Wobei: Solche Filme kannst Du sicher auch haben. Ich lese in wikipedia, "Condor" sei ein "Klassiker des 70er-Jahre-Paranoiakinos".

Mich als Westler hat eher ein Film wie "Gorky Park" angesprochen, an dem manches zu Recht kritisiert wird. Aber ich finde es faszinierend, vorgeführt zu bekommen, daß es in Rußland auch moralisch integre und aufrichtige Menschen gibt (John Hurt) und in USA skrupellose und verkommene (Lee Marvin). Diese Botschaft liegt mir näher.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2023, 18:51   #1771  
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In dem Film ist der Geheimdienst ja der einzige Teil des Staatsapparates, den wir gezeigt bekommen, er IST also der Staat!

Turner irrt ja von einer Station zur nächsten und immer wieder wird er von den Stellen, an die er sich wendet, entweder abgewiesen oder verraten. In gewisser Hinsicht ist das ( ohne die Action) ein Vorläufer für die Rolle von Jack Lemmon in "Missing" ein paar Jahre später.

Zitat:
Mich als Westler hat eher ein Film wie "Gorky Park" angesprochen, an dem manches zu Recht kritisiert wird. Aber ich finde es faszinierend, vorgeführt zu bekommen, daß es in Rußland auch moralisch integre und aufrichtige Menschen gibt (John Hurt) und in USA skrupellose und verkommene (Lee Marvin).
Wäre ja schlimm, wenn es unter 250 Millionen nicht ein paar anständige gebe. - Nach dem Prinzip arbeitet ja auch "Fatherland".

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Alt 20.12.2023, 19:06   #1772  
Peter L. Opmann
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"Missing" hat mich 1982 sehr bewegt (ich habe sogar einen Comic darüber gezeichnet).

Obwohl Hans C. Blumenberg damals schrieb: "In ,Missing' enthüllt er (Costa-Gavras) jetzt, wie die Amerikaner am Coup gegen Allende beteiligt waren. Wer das schon weiß (also jeder, sogar die Kundschaft der konservativen Presse), kann sich zum Trost am Spiel von Jack Lemmon erfreuen, der in Chile seinen verschwundenen Sohn sucht und auch allmählich merkt, was der Zuschauer als Gewißheit bereits mit ins Kino nimmt. Ich stelle mir vor, daß Costa-Gavras für ,Missing' in Cannes einen Preis gewinnen wird. Seine Art von Militanz setzt sich immer durch."

Ich war damals politisch noch nicht so auf dem Laufenden. Und für mich war es frappierend zu sehen, wie Lemmon von US-Regierungsvertretern einfach immer wieder angelogen wird und ihnen glaubt, weil er selbst konservativ ist. An Action ist da in der Tat nicht viel.

Geändert von Peter L. Opmann (20.12.2023 um 19:16 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2023, 19:28   #1773  
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Ja, "Missing" hat mich damals auch berührt. Und das, obwohl ich praktisch vom ersten Schultag (Der Putsch fand 10 Tage nach meiner Einschulung statt) zur "Solidarität mit dem Chilenischen Volk" (von dessen Existenz weder ich noch meine Mitschüler bis dahin jemals etwas gehört hatten) erzogen wurden bin.

Aber die Bilder aus dem Stadion oder auch die Brutalität der Soldaten und die Ohnmacht der Opfer wurden eben auch gut dargestellt, - Hollywood eben.

Über das Ausmaß der direkten Teilnahme der CIA am Putsch gegen Allende gehen die Meinungen und Berichte ja heute noch auseinander. Aber zumindest konnte nur 9 Jahre danach so ein Film in den USA gedreht werden. - Ich fürchte, ich werde es nicht mehr erleben, daß sich ein Film aus den Moskauer Filmstudios in ähnlicher Art mit den Ereignissen im Herbst und Winter 1979 in Kabul beschäftigt...

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Alt 20.12.2023, 19:43   #1774  
Peter L. Opmann
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...oder mit der Besetzung der Krim 2014.

Auch neun Jahre her inzwischen.
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Alt 20.12.2023, 19:51   #1775  
Nante
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Ja, wobei da ja vieles bekannt ist.

Aber von dem, was sich zwischen der "April-Revolution" 1978 und dem Einmarsch der Sowjetischen Truppen 20 Monate später in Afghanistan abgespielt hat, ist doch im Gegensatz zu den späteren Kriegen fast nichts in der Öffentlichkeit bekannt.
Dabei böten die ganzen Umstürze, Morde und Intrigen aus dieser Zeit doch Stoff für eine ganze Netflix-Serie. Praktisch "GoT am Hindukusch".

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