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Alt 04.04.2016, 11:03   #101  
Detlef Lorenz
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Nummer 17


Der Läufer von Marathon – Um Griechenlands Freiheit





Dieses Heft beinhaltet den 2. Teil einer Trilogie über die „Perserkriege“, den Kampf um die Unabhängigkeit der griechischen Kleinstaaten gegenüber dem übermächtig erscheinenden Perserreich. Nun müsste allerdings das vorliegende Heft das erste in der Reihenfolge sein, beschäftigt es sich doch mit den Geschehnissen um 490 v.d.Z. Band 15 (Verrat am Thermopylen-Pass) schildert einen späteren Versuch der Perser, auf der westlichen Seite der Ägäis endgültig Fuß zu fassen, nämlich um 485 v.d.Z. Hoffentlich hat sich der Autor, eventuell immer noch Hans-Jürgen Linden (?), nicht durch die absteigenden Jahreszahlen irritieren lassen …

In diesem Geschichtsabschnitt geht es um die berühmte Schlacht beim nicht minder berühmten Ort Marathon. Dort haben die Athener unter ihrem Anführer Miltiades ein an Zahl überlegenes persisches Heer geschlagen. Damit verhinderten sie einen weiteren Vormarsch der Perser über Land auf Athen zu. Die persische Invasionsflotte, die zuvor die Insel Euböa eroberte, fuhr nach der Niederlage des Landheeres nach Athen weiter. Miltiades eilte mit den Soldaten im Eilmarsch die gut 40 Kilometer nach Athen und erreichten die Stadt, kurz bevor die Perser anlangten. Nun waren die Verteidiger im Vorteil und die Invasionsflotte zog ab.





Habe ich etwas vergessen? ach ja, den Marathon-Läufer. Im Heft wird sein Name mit Diomedon angegeben, gefunden habe ich desweiteren Thersippos oder Eukles, aber es ist egal, welcher Name genannt wird: sie dürften alle falsch sein! Der zeitlich am nächsten der Schlacht von Marathon lebende und berichtende antike Historiker war mal wieder Herodot. Ungefähr 50 Jahre später entstand sein Bericht und er nennt einen Läufer Phedippies als Bote nach … Sparta. Der sollte die Spartaner zur Beteiligung an den Abwehrkämpfen auffordern. Sie sagten zwar zu, aber erst nach dem Ablauf eines religiösen Festes und erschienen so zu Schlacht überhaupt nicht. Also eilte der Bote nach Athen zurück und legte für die Strecke von ca. 245 Kilometer hin und zurück in jewils 2 Tagen, ohne tot zusammen zu brechen. Das war auch kein Wunder, denn solche Läufer waren als Boten in der griechischen Antike die Regel. Vielleicht war der Marathon-Läufer krank, oder nicht in Form, jedenfalls brach dieser auf den Stufen des Tempels mit den Worten: „Wir haben gesiegt!“ tot zusammen. Um der Wahrheit Genüge zu tun: es ist alles erfunden! Denn erst gut 500 Jahre nach der Marathon-Schlacht schildert Plutarch und noch einmal 100 Jahre später Lukian dieses Ereignis. Aber es hörte sich so spannend und heroisierend an, dass die Tat des fiktiven Läufers von Marathon in der Gegenwart als Olympischer Wettkampf seinen Einzug fand.

Was gibt es aus dem Heft noch zu berichten: gleich auf der 2. Umschlagseite sind die Untertexte der Abbildungen für Diomedon und Artaphernes (persischer Oberbefehlshaber) vertauscht worden, banal.

Ein grober Fehler hingegen sind die dargestellten Schiffstypen der persischen Invasionsflotte. Solche Kriegsschiffe hat es zu diesem Zeitpunkt im Mittelmeer nicht gegeben, egal welcher Partei sie angehörten. Sind sie teilweise mit Lateinersegeln versehen, was hier nicht erkennbar ist, diese aber erst frühestens für das erste Jahrhundert v.d.Z. nachgewiesen werden können. Vorherrschend für die Kriegsschiffe zur Zeit der Perserkriege – und in leicht abgewandelter Form, bis ins 2. und 3. Jahrhundert n.d.Z. - war der hier abgebildete Schiffstyp aus dem Comic Der Namenlose Pirat und das hat schon einen anderen Charakter, als die im Comic eher Handelsschiffen ähnelnden Persersegler.




Nachtrag zum Heft 15 und den dort gezeigten Schiffstypen: diese sehen erstaunlicherweise den gebräuchlichen Kriegsschiffen recht ähnlich. Sie haben keine flott geschwungene Bordwand, einen horizontalen Decksaufbau, allerdings auch Lateinersegel. Auf der Seite 9 ist zu lesen: „In den dicken Leibern der Trieren legen sich die Ruderknechte in die Riemen, dass sie sich fast durchbiegen.“ Sofern ich nichts übersehen habe, sind hier alle Schiffstypen, griechische wie persische, mit nur einer Ruderreihe abgebildet ausgestattet, statt mit deren 3 übereinander. Ich denke mal, der Zeichner, auch hier Herbert Hahn, wird sehr wohl um dieses Detail gewusst haben, allerdings aus praktischen Gründen nur je eine Ruderbank gezeichnet haben, wie die nur 4 Finger uns bekannter anthropomorpher Tiere -

Auf der weiter oben abgebildeten Doppelseite sieht man ein Täuschungsmanöver der Athener, die in der Stadt ohne ihre Armee ausharren mussten. Sie besetzten deshalb die Stadtwälle mit wenigen Leuten und können damit die Anwesenheit der ganzen Heeresmacht vortäuschen – wäre nicht notwendig gewesen, denn … siehe oben. Enttäuscht ziehen die Perser auf ihren Schiffen ab, mit Kurs auf Persien. Diese Chance hätte sich der Autor des vorliegenden Heftes nicht nehmen lassen sollen und darauf hinzuweisen, dass es zu dieser Zeit einen „Sues-Kanal“ gegeben hatte. Dieser, auch „Ismailia-Kanal“ genannt, weil vom Nil zum Roten Meer, wurde vom Pharao Necho im 6.Jahrhundert v.d.Z. begonnen von den Persern unter Darius (549-486v.d.Z.) fertiggestellt.

Auf der Landkarte der letzten Comicseite sind einige Städte Griechenlands eingezeichnet, leider nicht der namensgebende Ort für das antike Geschehen …
Herbert Hahn hat das Heft gezeichnet, mit klarem Strich, guter Bildkomposition, auch die Anatomie beherrschte er perfekt. Selbst der schwarz/rote Farbton stört den positiven Gesamteindruck nicht.
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Alt 11.04.2016, 23:05   #102  
Detlef Lorenz
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Nummer 18

Der Schatz des Ministers





Das vorliegende Heft muss im Jahre 1661 in Frankreich spielen. In diesem Jahr wurde der Finanzminister Foucquet auf Anweisung König Ludwigs XIV verhaftet. Aber nicht krimineller Delikte wegen, z.B. wegen unrechtmäßiger Bereicherungen, konspirativer Kontakte zu Spanien, wie im Heft beschrieben, sondern aus purem Neid und Missgunst seiner Majestät wegen. Ludwig konnte es nicht ertragen, dass jemand reicher war als er selbst und sich zudem nicht scheute, es öffentlich zu zeigen. Also wurde er kurzerhand verhaftet, ihm der Prozess gemacht, der aber nicht das vom König gewünschte Urteil erbrachte: Statt zum Tode verurteilt zu werden, wurde es nur eine lebenslange Verbannung inklusive der Konfiszierung des Vermögens selbstverständlich. Ludwig intervenierte und Foucquet musste 18 Jahre in einer Festungshaft verbringen, wo er dann starb.

Das Heft macht aus der Historie eine Geschichte, die eher zu einer 3 Musketiere-Story passen könnte. Nicht ganz zufällig natürlich, denn der Finanzminister wurde von niemand geringerem als Charles d´Artagnan verhaftet. Ihn hat es nämlich tatsächlich gegeben und sein Leben wurde zuerst um 1700 von Gatien de Courtilz de Sandras’ Roman Les mémoires de M. d’Artagnan. Dieser wiederum inspirierte Dumas zu seinen Historienromanen, die weitaus populärer als der seines Vorgängers wurde – aber das nur am Rande.

Auf der 2. Umschlagseite sind die Hauptakteure der Geschichte abgebildet (wie üblich). Neben König Ludwig (Louis), sind es natürlich der Finanzminister Foucquet, ein Graf Alberti, der Chef der königlichen Geheimpolizei, sowie ein Kapitän d´Armand, ein Gardeoffizier und Freund des Schatzministers. Als Hauptperson mit freundlichen Gesichtszügen – und blond natürlich – Graf Isigny nicht nur aus der Normandie, sondern normannischer Abstammung. Also ein Kerl aus echtem Schrot und Korn. Treu und Loyal dem König gegenüber. Er rettet den riesigen Schatz, den Foucquet durch d´Armand nach Spanien vor dem Zugriff Albertis retten will, wobei der letztere ihn für sich haben will. D´Armand dagegen will Oberbefehlshaber eines Heeres zu werden, das mit dem Schatz aufgestellt und finanziert werden soll um Frankreich zu überfallen und den König zu stürzen. Also insgesamt eine ziemliche Räuberpistole.

Zu diesen ganzen Verschwörungs- und Verwicklungstheorien habe ich nichts gefunden, vielleicht auch nur nicht genügend recherchiert. Aber nehmen wir es einmal als nette Story hin, schließlich sind die Erlebnisse der 3 Musketiere, mit Ausnahme der vorkommenden historischen Persönlichkeiten einschließlich der 3 Musketiere selber, auch pure Phantasie.





Eugen Blumentritt hat es nach einem Plot (vermutlich wie immer von Linden), recht düster in schwarz/rot in Szene gesetzt. Es überwiegen Porträtzeichnungen mit wenig Hintergründen. Auf den Comicseiten habe ich diesmal nicht so viel „Prinz-Eisenherz-Vorlagen“ gefunden, wie es für Blumentritt sonst üblich ist. Die abgebildete Comicseite zeigt unten rechts seine Unterschrift, deshalb habe ich sie gewählt.
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Alt 12.04.2016, 00:45   #103  
Hinnerk
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Die klassische Pose von Ludwig hat der Eugen ja einigermassen hingekriegt:




Wer braucht schon Oberschenkel?
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Alt 15.04.2016, 09:29   #104  
Detlef Lorenz
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Nummer 19


Alexander der Große – Ein Weltreich zu Füssen





Mit den Begriff „Weltreich“ gingen die Autoren/der Autor* der Abenteuer der Weltgeschichte recht großzügig um: schon im ersten Heft hieß es doch: „Ein Mann erobert ein Weltreich“. Gemeint war da das mittelamerikanische Aztekenreich, dass bei aller Stärke nur lokale Bedeutung hatte. Hier ist es ebenfalls so, von einem begrenzten Kontakt mit einem indischen Heer abgesehen, beschränkte sich der Machtbereich Alexanders – und vor ihm das der Perser – auf das östliche Mittelmeer und den vorderasiatischen Raum. Wenn auch die griechisch/mazedonische Kultur für zwei Jahrhunderte dominant wurde (im Nahen Osten, im Oströmischen Gebiet noch einige Zeit länger), ist bis auf ein paar Ruinen und die Stadt Alexandria nichts mehr davon vorhanden.

Dieses Heft ist sozusagen der Schlusspunkt der Trilogie um die Auseinandersetzung der Griechen – und Mazedonier – gegen die Perser. Nun sind es die Mazedonier und griechische Verbündete, die zum Gegenangriff übergingen. 334 v.d.Z. griff Alexander in die Gefechte an der Küste Kleinasiens ein, besiegte am Granikos ein erstes persisches Heer (dem auch 20 000 griechische Söldner angehörten) und befreite die Küstenstädte von der persischen Herrschaft. In Gordion zerschlug er den berühmten Knoten. Bei Issos (333) schlug das makedonisch/griechische Heer das der Perser im Beisein Dareios lll, dem persischen Großkönig. Dareios bot Alexander die Hälfte des Reiches an, neben der Hand seiner Tochter, aber der Makedone lehnte bekanntermaßen ab. Über Tyros (erobert), Gaza (erobert) gelangte er nach Ägypten (ergab sich kampflos). Dort gründete er Alexandria, die erste Stadt einer weiteren Reihe.

Es ging zurück nach Tyros, hier erhielt er Verstärkung aus Mazedonien und Thrakien. Mit insgesamt 40 000 Fußsoldaten und 7 000 Reiter ging es weiter, ins persische Kernland. Dareios hatte inzwischen eine weitere Armee aufgestellt, über deren Stärke keine genauen Angaben zu bekommen sind. Klar ist, dass Dareios Heer sehr groß sein musste, allein die Kavallerie dürfte fast der Stärke des Alexander-Heeres betragen haben. Allerdings waren sehr viel unausgebildete Soldaten dabei, die höchstens in ihren schieren Anzahl hätten entscheidend werden können.

Bei Gaugamela erfolgte 331 der letzte und endgültige Zusammenstoß um die Herrschaft über Asien – wie es damals in völliger Verkennung der tatsächlichen Ausdehnung des Kontinents in nördlicher und östlicher Richtung hieß. Um es kurz zu machen, trotz seiner Überlegenheit geriet Dareios in Panik, als er Alexander und seine Reiterei auf sich zukommen sah, flüchtete und daraus resultierte bei den Persern und Verbündeten eine Massenpanik. Alexanders Taktik war aufgegangen und das Persische Reich lag ihm zu Füssen – auch wenn er noch bis an die Westgrenze Indiens seinen Feldzug weiterführte.




Der Grund, warum ich hier aufhöre, ist der, auch der Comic endet bei Gaugamela. Hier allerdings in einer völlig absurden Abfolge: Die Perser sollen über eine Million Mann unter Waffen gehabt haben, die Mazedonier Sichel-Kampfwagen auf denen Alexander selbst in die Schlacht fährt. Als es um die Mazedonier schließlich schlecht aussieht, weil Dareios halt über unerschöpfliche Reserven verfügt, stürzen sich plötzlich Beduinen auf die Perser, was eine Wende zugunsten Alexanders bewirkt. Als Erklärung muss ein verbannter General herhalten, der trotz Verleumdung zu Alexander gehalten hat und die Beduinen als Verbündete in den Kampf geführt hat. Seltsam, aber so steht es geschrieben …

Die Handlung des Heftes dreht sich im großen Umfang überhaupt um Verschwörungen, Königsmord, Verleumdungen, Intrigen, usw. Dies alles ist von Lothar Linkert, in schwarz/rot, wie üblich insgesamt recht mäßig in Szene gesetzt. Allein schon das Titelbild, wenn der Leser darauf noch einmal sein Augenmerk richten möchte: Da sieht man einen Kopf, allem Anschein nach der Alexanders, aber wo ist sein Körper geblieben? Unter der Decke jedenfalls scheint er nicht zu liegen!
*hier ist natürlich Hans-Jürgen Linden gemeint.
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Alt 20.04.2016, 22:08   #105  
Detlef Lorenz
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Nummer 20


Die Türken vor Wien – Eine Stadt verteidigt Europa





So ganz abwegig ist der Untertitel „Eine Stadt verteidigt Europa“ nicht von der Hand zu weisen: wer weiß, wie die Geschichte nach 1529 weitergegangen wäre, wenn den Türken unter Sultan Süleyman ll, im Heft Soliman genannt, die Einnahme Wiens gelungen wäre.

Der Reihe nach: 1453 gelingt den Türken die Eroberung Konstantinopels und damit ist das Oströmisch/Byzantinische Reich Geschichte. Die Angriffskraft des Osmanischen Reiches (nach Osman l, dem Gründer des türkischen Staates), ist danach ungebrochen. Als die Türken am 27.September Wien komplett eingeschlossen hatten, standen den inklusive Tross rund 150 000 Angreifern, nur etwa 17 000 Verteidiger gegenüber. Streitigkeiten, religiöser und politischer Art, was kaum zu unterscheiden ist, verhinderten eine größere Anzahl von Hilfstruppen des Reiches. Trotzdem gelang den Türken nirgends eine Überwindung der schon etwas brüchigen Stadtmauern. Auch unterirdische Attacken schlugen fehl, große, mit Wasser gefüllte Bottiche zeigten mit leichten Wellenschlag Vibrationen, die durch die Grabungsarbeiten verursacht wurden. Dann gingen die Verteidiger in den Untergrund und schlugen die türkischen Mineure zurück. Selbst die an Zahl weit überlegene Artillerie (300 gegen gut 70 wienerische) war nicht ausschlaggebend, da es sich türkischerseits nur um leichte Geschütze handelte. Die starken Belagerungskanonen waren im herbstlichen Schlamm der sich im schlechten Zustand befindlichen ungarischen Straßen steckengeblieben. Diese waren auch der Grund für den überaschenden Abzug nach noch nicht mal einem Monat (15. Oktober) Belagerung und vergeblichen Angriffsversuchen, denn Nachschub kam nicht durch.

Im Heft wird das alles recht anschaulich geschildert, wobei das Hauptaugenmerk auf einen Graf Wolfsburg* als handlungstragender Person liegt. Diesen habe ich bei meinen Recherchen nicht gefunden, gehe also erst einmal von einer fiktiven Person aus. Ansonsten stimmt so ziemlich alles, wenn auch Wolfsburg an vielen Aktionen in vorderer Linie beteiligt war – aber was soll´s. Es wird natürlich vieles übertrieben, so dass die Verteidiger besser dastehen, ohne ihre „Leistung“ abwehrten zu wollen.




Das interessanteste am Heft war für mich aber die Beteiligung der es herstellenden Personen: vom Texter abgesehen, der wieder Hans-Jürgen Linden gewesen sein dürfte (immer der selbe Stil, der gleiche Anfang), teilten sich die Zeichnungen die zwei bisher am häufigsten aktiven Zeichner. Lothar Linkert und Helmut Hahn sind die Akteure, erkennbar an den Signaturen beider Zeichner. Deutlich sind sie an der abgebildeten Beispielsseite unten rechts zu sehen. Vom fertigen Produkt ausgehend, vermute ich, dass Linkert die Vorzeichnung erstellt hat und Hahn getuscht.** Warum das so geschehen ist, kann nur spekulativ beantwortet werden. Keine Zeit von einem von beiden, keine Lust, andere besser bezahlte Jobs in Aussicht? Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass von Linkert nur noch ein Heft folgte (die Nr. 21), für Hahn war es das letzte Comic Heft für die Reihe „Abenteuer der Weltgeschichte“.

*Ist das etwa ein Hinweis auf den Wohnort einer der beiden Zeichner – so ganz von der Hand zu weisen ist das wohl nicht.
**Steht so jetzt im Widerspruch zur Illustrierten Deutschen Comic Geschichte, aber ich denke, es ist hier so richtig gedeutet.
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Alt 26.04.2016, 16:34   #106  
Detlef Lorenz
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Nummer 21


Stützpunkt Arktis – Männer im ewigen Eis





In diesem Heft geht es um die Festlegung und Sicherung einer Flugroute über den Nordpol. Mit diesem Kurs würden sich die Zeiten – und Kilometer – von Kontinent zu Kontinent erheblich verkürzen. Also erwartete ich eine, zwar dramatisch geschönte, Schilderung zur Geschichte der heutzutage selbstverständlichen Abkürzung über den Nordpol. Das Vorwort, das für mich immer ein Indiz für die Zuverlässigkeit des kommenden Stoffes ist, versprach auch interessantes. Im Gegensatz dazu musste ich dann ein reines Märchen lesen, einen simplen und, an den Tatsachen weit, weit vorbei geschriebenen Comic!

Da will ein Captain Brand vom Militärflughafen Portland (1) in Alaska bei einem Routineflug über der Polregion eine Insel entdeckt haben. Bei späteren Nachprüfungen stellte man fest, dass diese Insel in Wirklichkeit eine gigantische treibende Eisscholle ist (2). Diese sollte nun als Stützpunkt für die Polarroute dienen, Flugzeuge leiten und als Behelfsflughafen dienen. Einige „dramatische“ Zwischenfälle bei der Errichtung der Basis auf der schwimmenden Eisscholle (ich wiederhole das so gerne), bei der auch große, sehr große Flugzeuge, wie eine viermotorige DC-4, Material dort hin transportierten.




1: Ich habe in ganz Alaska keinen Ort namens Portland gefunden, dabei bin ich auf einer Liste bis zum kleinsten bekannten, mit 2 Einwohnern runter gegangen (Painunit – wenn ich mich nicht verlesen habe). Dabei soll er sich bei Portland um einen Flottenstützpunkt handeln, in dem ein Schlachtschiff, die Missouri, Kreuzer, U-Boote und Zerstörer von einer, auch hier imaginären, Alaskaflotte stationiert sind.

2: Zum Einen erinnert mich das sehr an den Vorkriegsspielfilm „F.P.1. antwortet nicht“, da sollte ein stationärer gigantischer Flugzeugträger als Zwischenlandemöglichkeit im Atlanktik dienen. Ist von der technischen Entwicklung rasch überholt worden. Außerdem, was heißt hier treibende Eisscholle? Wie wir seit Nansen (Heft 12) wissen, ist die ganze Nordpolare Eismasse in stetiger kreisender Bewegung um den Pol herum. Da kann es auch keine bemerkenswerte Eisscholle geben, alles Eis ist irgendwie zusammenhängend.

Der ganze Inhalt ist schlichtweg Unsinn, hat nichts mit „Bilderhefte voll Spannung und Wissen“ (so die Werbung) zu tun. Ist sein Geld nicht annähernd wert, jedenfalls nicht unter dieser Prämisse. Zusätzlich ist das Heft von Lothar Linkert …

P.S. Die ersten kommerziellen Flüge via Polarroute fanden 1954 mit der SAS zwischen Kopenhagen und Los Angelas statt. Nicht nur mit einer, sondern gleich 2 Zwischenlandungen in Söndre/Grönland und Winnipeg/Kanada. Das Heft, vom Februar 1955 war so gesehen ziemlich dicht an Geschehen, wenn auch inhaltlich ziemlich seltsam, aber so steht es auch diesmal geschrieben.
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Alt 29.04.2016, 16:02   #107  
Detlef Lorenz
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Nummer 22 Im Lande des Inka – Pizarro gegen Atahualpa





Das vorliegende Heft, Ende Februar 1955 erschienen, wartet mit gleich mehreren positiven Überraschungen auf: die Wichtigste, endlich sind die unansehnlichen Schmuckfarben rot und blau verschwunden. Der Druck wird ab jetzt mit schwarzer Farbe bewerkstelligt. Zudem ist nach langer Zeit mal wieder Eugen Blumentritt als alleiniger Zeichner vertreten. Im Vergleich zu seinem letzten Heft, der Nummer 18, kommen hier seine teils filigranen Zeichnungen viel besser zur Wirkung. Auch wenn er erneut etliche Anleihen beim Prinz Eisenherz genommen hat, sein Stil ist sicherer geworden.






Die oben stehende Abbildung der Seite 23 zeigt interessante Aspekte. Der erste Streifen ist aus Prinz Eisenherz, aber aus welcher Sonntagsseite? In der rechten unteren Ecke der ersten beiden Streifen hat er seine Initialen eingefügt, EB. Auf der Abbildung weiter unten, der Seite 29, eine eindrucksvolle ganzseitige und querformatige Schlacht(en)szene finden wir seinen hier ausgeschriebenen Schriftzug ebenfalls unten rechts.
Der Titel des Heftes „Im Lande des Inka“ erfreute mich, immerhin heißt es hier völlig zu recht „des Inka“. Schließlich handelte es sich um einen Titel, der später auf das ganze Volk umgedeutet wurde, aber eben noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Bisher war es in der Reihe des Öfteren üblich, die Geschichten nicht abzuschließen, das behandelte Geschehen wurde nicht zu Ende erzählt. Hier ist es genau umgekehrt: Die Handlung setzt ein, als der Inka Atahualpa bereits von den Spaniern festgesetzt wurde und für seine Freilassung einen ganzen Raum voll Gold anbot, etwas was die Konquistadoren in Südamerika schließlich gesucht hatten. Ich zitiere mich hier ausnahmsweise einmal selber und zwar aus der Sprechblase 148, in der Teil 1 meiner damaligen Beschreibung der Serie schon einmal lief – nur nicht so ausführlich und jedes Heft behandelnd, wie hier. Wenn es mir unpassend erscheint, kürze oder verändere ich den damaligen Text etwas, das wird aber erkennbar sein.

In den bisherigen Heften, z. B. der Nummer 1, wurde zwar die Goldgier der spanischen Eroberer herausgestellt, aber immer wurde versucht, ihnen hehre Motive zu unterstellen. Zitat: „Das inhaltlich völlig anderes möglich war, zeigt der (vorliegende) Band. Hier zeigt Blumentritt unverblümt die Habgier der Spanier, die es ausschließlich auf das Gold der Inkas angesehen haben (der Raub- und Vernichtungszug des Cortez in Mexico war ihnen da ein Vorbild, dieser war schließlich ein Verwandter Pizarros). Er scheut sich auch nicht, den Kulturfrevel zu schildern, die den gesamten Gold- und Silberschatz der Einfachheit halber eingeschmolzen haben, da er so leichter zu transportieren war. Auch die hinterlistige Art und Weise , wie die Spanier mit Atahualpa umgesprungen sind, wird fast genüsslich geschildert. Die spanischen Hauptleute überlegen, wie sie mit dem Inka nach der Zahlung des Lösegoldes weiter verfahren wollen. „Wenn der Inka frei ist, wird er das Volk gegen uns aufrufen und sich die Schätze wieder holen.“ Das macht Pizarro nachdenklich: “Wenn ich ihn aber nicht freilasse, holt sich vielleicht das Volk seinen Kaiser.“ Aber Riquelme hat einen Plan. „Wir bezichtigen ihn des Verrats und stellen ihn vor ein Gericht. Dann wird er zum Tode verurteilt und das Recht ist auf unserer Seite.“ Es versteht sich von selbst, dass der Inka wenige Bilder weiter vor dem Inquisitionsgericht den spitzfindigen Fragen und Winkelzügen der Spanier nicht gewachsen ist … und den Tod durch Erdrosselung erleidet. Weshalb wird nun das spanisch/katholische Raub- und Machtgebaren so anschaulich geschildert, während die zwar zuerst auch katholischen, aber die nach der Reformation protestantisch/preußischen Eroberungszüge eher wohlwollend geschildert werden? Da der selbe Zeichner derart gegensätzliche Texte bearbeitet, drängt sich natürlich der Verdacht auf, dass die Zeichner zwar die Episoden und wohl auch einen gewissen Text vom zuständigen Redakteur zur Verfügung gestellt bekamen, aber die endgültige Bearbeitung im Verlag stattfand. Und hier war es entweder Hans-Jürgen Linden oder (inzwischen und nicht im Impressum vermerkt) Dr. Knoop. Zitat Ende.

Das war meine damalige Sichtweise der Dinge und ich kann da immer noch zu stehen. Einen Punkt habe ich im letzten Satz in Klammern gesetzt, der damals nicht dort stand. Für die Heftreihe war inzwischen, womöglich mit diesem Heft, ein Wechsel des Redakteures vonstatten gegangen. So weit wie ich informiert war und bin, schied Linden aus und wurde durch Dr. Knoop ersetzt. Die Begrüßung der Leserschaft hier und in anderen Lehning-Heftserien „Euer Hans-Jürgen“ war nur noch ein fake, häufig wurde es auch von Frau Reuter, der Chefsekretärin in Hannover verwendet. Woher ich diese ganzen Infos habe, entzieht sich heutzutage meiner Kenntnis, ich habe damals leider vergessen, entsprechende Quellenangaben zu machen



Bild anklicken vergrößert

Diese Abbildung kommt mir auch irgendwie bekannt vor, eventuell die „Alexanderschlacht“, im Ausschnitt und Hintergrundmäßig bearbeitet natürlich.


Zurück zum Heft: Nach der Zahlung des unglaublichen Lösegeldes wird der letzte Widerstand der „Inkas“ geschildert und die internen Machtkämpfe der Spanier um die Beute um die alleinige Macht im indianischen Reich. Ähnliches war schon in Mexico passiert, warum sollte es hier anders sein. Das Heft endet mit dem Tode Pizarros bei einer Revolte kaltgestellter spanischer Truppenteile. Alles in allem hat es mir gut gefallen und macht Neugierig auf das folgende, das wiederum von Blumentritt gestaltet wurde.

Zum Schluss die üblichen und notwendigen Zahlenangaben: Nachdem Pizarro erstmals 1526-28 im nördlichen Südamerika Raubzüge erfolgreich durchgeführt hatte, erhielt er von Karl V die Erlaubnis für weitere Erkundungen und Eroberungen weiter südlich, also im Inka-Reich durchzuführen. 1532 landete er im Norden Perus mit rund 300 Mann. Atahualpa verfügte über tausende von Kriegern, aber die Spanier waren nicht nur besser bewaffnet, sie hatten auch Pferde, Kanonen und Musketen, die zusammen genommen die Überlegenheit der Angreifer ausmachten. Nach den Siegen auch gegen den letzten Inka, Manco Capac, bekriegten sich die Spanier untereinander. Almagro revoltierte gegen Pizarro, unterlag, aber der Sieger wurde bei einer Meuterei der Unterlegenen 1541 getötet. Soweit die Fakten und nichts anders steht im Heft!

P.S. Bei meinen Netzrecherchen zu Pizarro wurde ich überwiegend auf einen gewissen „Claudio“ statt Francisco verwiesen …
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Alt 29.04.2016, 17:02   #108  
Servalan
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Schönreden läßt sich da wenig: Nach heutigen Maßstäben wäre Pizarro ein skrupelloser Warlord, weniger ein romantischer Glücksucher.
Dennoch hat sich in den letzten Jahrzehnten der Fokus leicht verschoben.

Den Kenntnisstand der Geschichtswissenschaften Mitte der 1950er kann ich heute nicht beurteilen. Aber schon im entsprechenden Band (12) von Kindlers Kulturgeschichte Europas wird darauf verwiesen, daß die Suche nach einem Eldorado quasi von Beginn eingepreist war. Die Eroberer und "Entdecker" waren nämlich keine Angehörigen der regulären Krone, sondern outgesourcte Hilfstruppen (ähnlich wie heute Söldner von Haliburton & Co.).
Als Chef des Unternehmens hatte Pizarro vor allem eine Unsumme Schulden bei der Krone, und seine Untergebenen mußte er aus eigener Tasche durchfüttern. Die meisten von denen waren ebenfalls maßlos überschuldet. Seine Gier war lediglich der Ausdruck seiner prekären Zwangslage.
In neueren Filmen wie Darren Aronofskys The Fountain wird das offen ausgesprochen.

Geändert von Servalan (30.04.2016 um 03:46 Uhr)
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Alt 29.04.2016, 19:16   #109  
user06
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@ Detlef Lorenz: für diesen hochinteressanten Beitrag. Das Heft 22 habe ich mir davon angeregt eben antiquarisch bestellt und freue mich schon auf das Lesen.
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Alt 29.04.2016, 20:43   #110  
Hinnerk
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Das Prinz-Eisenherz-Vorbild für das erste Panel findet sich auf Sonntagseite 127. Allerdings nur die Figur, nicht der Hintergrund.
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Alt 29.04.2016, 21:16   #111  
Detlef Lorenz
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Das befestigte Lager findest du, in besserer Qualität, auf der Seite 140. Sicherlich hat jeder seinen Prinz Eisenherz zu hause und kann die Unterschiede des liegenden Spähers erkennen: Blumentritt hat nicht bloß abgekupfert, er hat seine Figur grafisch den Gegebenheiten angepaßt. Da gab es ganz andere Koryphäen: Fritz Tasche z.B. hat für seine Robinsonfassung bei Nickel - schlecht - abgekupfert und sich nicht die Mühe gemacht, eigenständiges herauszuarbeiten. Da war Blumentritt schon besser.

Aber danke, Hinnerk. Habe mir fast gedacht, dass du am schnellsten bist ...
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Alt 30.04.2016, 13:51   #112  
pirg
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Eine kurze Anmerkung zu Heft 20 mit der ersten Türkenbelagerung Wiens - so überraschend war der Abzug der Osmanen im Nachhinein betrachtet nicht. Süleyman hatte zu diesem Zeitpunkt den Feldzug schon um ca. 2 Wochen über den geplanten Zeitrahmen hinaus verlängert und war damit ein ziemliches Risiko eingegangen. Auf dem Rückmarsch durch Ungarn und den Balkan soll das osmanische Heer auf Grund der schlechten Witterungsbedingungen (noch verschärft durch einen verfrühten Wintereinbruch) noch eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Mensch, Tier und Material verloren haben.
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Alt 19.05.2016, 17:48   #113  
Detlef Lorenz
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Nummer 23
Die Abenteuer des Marco Polo – Durch Unbekanntes Land




Marco Polo dürfte eine der bekanntesten Personen der Weltgeschichte sein. Wer hat nicht von den Geschichten dieses Chinareisenden gehört, der im 13. Jahrhundert mit seinem Vater und Onkel nach Fernost reiste, der die Gunst des Kublai Khan errang und heil nach Europa zurück kehrte. Zu damaligen Zeiten ein nicht unbeträchtliches Abenteuer. Allerdings gibt es auch Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Reiseberichte Polos. Kurioserweise nährt schon das Titelbild die Skepsis: es zeigt den Potala, den Palast des Dalai Lama in Lhasa, der Hauptstadt Tibets. Zum einen ist der heute bekannte Bau erst im 17. Jahrhundert entstanden und von einem See ist nichts bekannt. Auch die von ihm hinterlassene Reiseroute umrundet das Dach der Welt.

Ein weiterer Punkt in der Liste des Misstrauens gegenüber dem Bericht ist die Chinesische Mauer, die Polo nirgends erwähnt. Im Heftinneren stehen die Polos staunend davor und keiner weiß warum, denn so wie sie hier gezeichnet ist, gibt es sie auch erst ab dem 15./16 Jahrhundert. Mit dem Bau selbst wurde bereits ab dem 7. Jahrhundert v.d.Z. begonnen, Teilbereiche, Fragmente der ständig erweiterten Mauer standen mit Sicherheit noch zu Polos Zeiten.






Auch war Marco Polo beileibe nicht der erste Europäer, der China, das damals von den Mongolen beherrscht wurde, bereiste. Es gab durchaus Berichte und Handelsbeziehungen über die Seidenstraße und über den Seeweg (Indischer Ozean, Persischer Golf, Rotes Meer) pflegten schon die antiken Völker des Mittelmeerraumes mit dem Reich der Mitte kontakte. Schon seine Zeitgenossen nahmen ihn nicht ernst, der „Millionenschwindler“ nach den vielen unglaublichen Zahlenangaben (Städte, Längenangaben, Handelsvolumen und mehr) war noch die harmloseste Titulierung. Auch gibt es über ihn keine Aufzeichnungen in chinesischen Schriften. Falls die Chinesen ihn aber nicht mit seinem eigentlichen Namen geschrieben hätten, ich denke beispielsweise an den Apachen Geronimo, dessen eigentlicher Name Goyaalé war, muss das kein Indiz für Schwindeleien sein. Ich selbst zweifele mehr, als ich an Polos Aufenthalt in China glaube – aber auf mich hört ja keiner …

Gezeichnet hat dieses Abenteuer Eugen Blumentritt. Er hat es für meinen Geschmack sehr gut gemacht, die Prinz-Eisenherz-Adaptionen halten sich in Grenzen.
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Alt 20.05.2016, 07:57   #114  
guenkos
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Von dem dargestellten Potala war im 13. Jahrhundert ist bekannt, ebenso nichts von einem See davor.
Auch die gezeichnete Mauer war im 13. Jahrhundert nicht bekannt.
Der Titel stimmt also.


Zitat:
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Nummer 23
Auch die von ihm hinterlassene Reiseroute umrundet das Dach der Welt.
... du meinst "umrundet nicht", oder?

Ansonsten meine Anerkennung über diese mit viel Liebe und Mühe erstellten Beiträge. Ich lese sie immer wieder gerne.
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Alt 20.05.2016, 08:45   #115  
Detlef Lorenz
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Zitat:
Zitat von guenkos Beitrag anzeigen
Von dem dargestellten Potala war im 13. Jahrhundert ist bekannt, ebenso nichts von einem See davor.
Auch die gezeichnete Mauer war im 13. Jahrhundert nicht bekannt.
Der Titel stimmt also.
So habe ich das noch gar nicht gesehen


Zitat:
Zitat von guenkos Beitrag anzeigen
... du meinst "umrundet nicht", oder?
Die Hinreise der Polos ging über die Seidenstrasse, die nördlich Tibets verläuft. Also konnte er weder den "alten" Palast des Dalai Lamas sehen und den neuen ohnedies nicht. Die Rückfahrt erfolgte per Schiff, erst durchs Südchinesische Meer, dann der Indische Ozean.
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Alt 20.05.2016, 13:09   #116  
guenkos
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Zitat:
Zitat von Detlef Lorenz Beitrag anzeigen
Die Hinreise der Polos ging über die Seidenstrasse, die nördlich Tibets verläuft. Also konnte er weder den "alten" Palast des Dalai Lamas sehen und den neuen ohnedies nicht. Die Rückfahrt erfolgte per Schiff, erst durchs Südchinesische Meer, dann der Indische Ozean.
Hast recht, ich hatte den Begriff "umrundet" viel enger gesehen, also mehr als Runde um den Potala. Miesverständnis meinerseits.
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Alt 20.05.2016, 13:21   #117  
Detlef Lorenz
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Hast recht, ich hatte den Begriff "umrundet" viel enger gesehen, also mehr als Runde um den Potala. Miesverständnis meinerseits.
Runde um den Potola: jetzt weis ich endlich, wo der Begriff "Runde" entstanden ist. Beim Hobbytischtennis gibt es eine Spielart, die nennt sich "Runde". Wenn zu viel Leute gleichzeizig spielen wollen, es aber nur eine Platte gibt, stellt sich EIN Spieler auf die eine Seite, alle anderen gegenüber. Nun macht der Spieler auf der Seite mit dem Dutzend Leuten hinter sich eine Angabe, der Einzelspieler retourniert und beide rennen gleichzeitig um die Platte. Das geht immer so weiter, bis einer einen Fehlreturn macht und ausscheidet. Am Schluß, wenn nur noch 2 Spieler übrig sind, spielen die den Gesamtsieger aus. Nun nennt sich diese Spielart in Berlin "Chinesisch" und da Tibet fast schon China ist, schließt sich da der Kreis ...
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Alt 01.06.2016, 11:20   #118  
michidiers
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Runde um den Potola: jetzt weis ich endlich, wo der Begriff "Runde" entstanden ist. Beim Hobbytischtennis gibt es eine Spielart, die nennt sich "Runde". Wenn zu viel Leute gleichzeizig spielen wollen, es aber nur eine Platte gibt, stellt sich EIN Spieler auf die eine Seite, alle anderen gegenüber. Nun macht der Spieler auf der Seite mit dem Dutzend Leuten hinter sich eine Angabe, der Einzelspieler retourniert und beide rennen gleichzeitig um die Platte. Das geht immer so weiter, bis einer einen Fehlreturn macht und ausscheidet. Am Schluß, wenn nur noch 2 Spieler übrig sind, spielen die den Gesamtsieger aus. Nun nennt sich diese Spielart in Berlin "Chinesisch" und da Tibet fast schon China ist, schließt sich da der Kreis ...
Im Ermangelung von genügend Tischtennisplatten auf dem Schulhof haben wir diese Art früher in den Schulpausen spielen müssen. Manchmal standen bis zu 20 Schüler um die Platte herum, so dass man den Ball einfach in an der Platte wartende Schlange schlug um den Gegenüber rauszuwerfen ...

Wir nannten es übrigens "Rundlauf".
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Alt 01.06.2016, 11:45   #119  
Aslak
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Wir nannten es übrigens "Rundlauf".
Bei uns nannte man es immer "Ringelpiez".

Gruß,
Nils
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Alt 02.06.2016, 10:47   #120  
Detlef Lorenz
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Den Begriff "Ringelpiez" gabs bei uns auch, hieß aber komplett: "Ringelpietz mit Anfassen" und betraf eine gänzlich andere Situation
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Alt 02.06.2016, 13:17   #121  
Aslak
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Keine weitere Ausführung nötig !

Gruß,
Nils
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Alt 07.06.2016, 16:00   #122  
Detlef Lorenz
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Nummer 24
Gefahr am Khaiber-Pass





In Konkurrenz zum Russischen Reich der Zaren, die ihre Eroberungsgelüste weit nach Asien ausdehnten, versuchten die Briten, diesen durch Besetzung weiter Gebiete im Norden Indiens entgegen zu stehen. Nachdem die Russen Buchara mit der Hauptstadt Samarkand erobert hatten, gingen die Briten nach Afghanistan rein. Die Afghanen waren von alle dem nicht begeistert und wehrten sich nach Kräften. Die Folgen waren drei Auseinandersetzungen, die sogenannten Anglo-Afghanischen Kriege (1839-42, 1878-1880, 1919). Nach dem letzten erkannten die Engländer die Unabhängigkeit des heutigen Afghanistans an, aber aktuell wird noch immer um die Herrschaft des Landes gemordet, zerstört und Schlachten geführt.

Im Heft 24 der Abenteuer der Weltgeschichte geht es um eine Episode der Russisch-Britisch-Afghanischen Auseinandersetzungen, damals als The Great Game bezeichnet. Dies kann natürlich nur sehr zynisch gemeint gewesen sein, schließlich kosteten diese Gemetzel abertausende von Menschenleben. Nur weil der Britischen Ostindienkompanie eine Fortsetzung der ersten Auseinandersetzung zu kostspielig geworden war, wurden diese beendet – nicht weil sie bisher so viel Menschenleben gekostet hatten. Im Heft habe ich keinerlei historische Daten gefunden und auch bei den Recherchen um die Handlungstragenden Personen keine Übereinstimmungen mit gelebten Menschen. In der Geschichte wird aus dem dem Pass nahegelegenem britischen Fort mit dem Hauptquartier in Jaipur telefoniert, was erstaunlich ist, den eine der beiden indischen Städte mit diesem Namen liegt im östlichen Assam und das andere in der Nähe von Mumbai, dem früheren Bombay. Also kommen zeitlich gesehen die ersten beiden Kriege wohl so und so nicht in Betracht und das ganze Inventar der Briten 1919 passt nicht zur dritten Auseinandersetzung, denn dort setzten die Engländer bereits Flugzeuge und entsprechende moderne Waffensysteme ein. Also gehe ich mal von einer insgesamt zusammen gesponnenen Story aus, was ich nicht negativ meine.

Ein Captain Grant leistet seinen Militärdienst in Indien ab, rettet einen Elefanten aus einer Tigergrube (sein Kollege wollte diesen sogleich abknallen), befreit ein Dorf von einem Tiger, der ihr Vieh dezimiert und gerät in einen Hinterhalt von aufständischen Pathaner*. Diese wollen ihn in einer großen Volksbelustigung von einem Elefanten zertreten lassen, was dieser verweigert. Es ist, wie man sich denken kann, der von ihm gerettete, und wie dieser in der erstaunlich kurzen Zeitspanne aus den Dschungeln Indiens in das sehr weit nördlich gelegene Afghanistan gekommen sein mag, weiß wohl nur der Autor … wenn überhaupt. Grant wird vom Elefanten, dem die Paschtunen aus Wunderglauben heraus nichts antun, in ein nahe gelegenes Dorf gebracht. Dort versorgt sich Grant mit Waffen und gelangt an den Khaiber Pass. Inzwischen sind die Engländer ausgerückt und geraten in Gefahr, auf eine nicht vermutete Übermacht zu stoßen. Grant erkennt von einer Anhöhe aus die Situation und morst mittels eines Handspiegels die Stellungen der Aufständischen zu seinen Kameraden, die mit ihren Kanonen die Paschtunen und ihre Verbündeten zusammen schießen. Grant reitet mit seinem Elefanten und den Kameraden wieder in die Garnison ein und die englische Herrschaft über Indien ist für weitere Jahrzehnte gesichert …






Gezeichnet hat die Geschichte Eugen Blumentritt und wenn man gelegentliche – auch häufigere – Anleihen bei Foster akzeptiert, kann auch dieses Heft grafisch gefallen.






Gelegentlich nahm sich Blumentritt auch Wäscher als Vorbild, jedenfalls sahen wir das Motiv dieser Szene bereits im Piccolo Sonderband 7 „Peterle, Feinde im Dschungel“.






Wäscher wiederum hat sich den Tiger bei Hogarth geliehen (Seite 919) und diese Verknüpfungen sind für mich insgesamt Interessant, amüsant und akzeptabel.






*Pathaner ist eine persische Bezeichnung für Paschtune, wie der größte Bevölkerungsteil Afghanistans bei uns bekannt ist.
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Alt 07.06.2016, 16:32   #123  
Servalan
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Zitat von Detlef Lorenz Beitrag anzeigen
Im Heft 24 der Abenteuer der Weltgeschichte geht es um eine Episode der Russisch-Britisch-Afghanischen Auseinandersetzungen, damals als The Great Game bezeichnet. Dies kann natürlich nur sehr zynisch gemeint gewesen sein, schließlich kosteten diese Gemetzel abertausende von Menschenleben. (...). Also gehe ich mal von einer insgesamt zusammen gesponnenen Story aus, was ich nicht negativ meine.
Soweit ich das beurteilen kann, erkenne ich folgende Quellen für den Stoff:
Der heldenhafte Captain erinnert mich einerseits an den Vater des Titelhelden in Rudyard Kiplings Roman Kim. Ein Engländer, der sich in Afghanistan zum Helden über die dortige Bevölkerung aufschwingt, findet sich Kiplings berühmter Erzählung "The Man Who Would Be King" / "Der Mann, der König sein wollte".
Und den Strang mit dem Elefanten verdankt der Stoff wohl dem Elefanten-Boy, dem Kinofilm und Kiplings Geschichte über "Toomai von den Elefanten" im Dschungelbuch.
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Alt 08.06.2016, 09:26   #124  
Detlef Lorenz
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Ich habe mir im abgebildeten Filmprogram die Inhaltsangabe durchgelesen: außer Indien und einem Elefanten konnte ich keine Ähnlichkeit mit dem Comic finden. Und für den Kinofilm "The Man Who Would Be King" / "Der Mann, der König sein wollte" kann ich so aus der Erinnerung heraus auch keinen inhaltlichen Zusammenhang herstellen. Beide spielen in Afghanistan und ein Europäer ist der „Held“, aber das war´s dann auch.

Aber auf die genannten Beispiele kommt es nicht an, ich suche hier immer Vergleiche mit historischen Begebenheiten und nicht mit literarischen Vorlagen
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Alt 14.06.2016, 15:39   #125  
Detlef Lorenz
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Als nächstes Heft wäre die Nummer 25 an der Reihe: sie wird auch beschrieben, aber nicht nur diese Ausgabe, sondern gleich noch die Hefte 26, 29 und 30 mit. Diese schildern in Fortsetzungen die Lebensgeschichte des Dschingis Khan, des Gründers des Mongolenreiches. Diese Form der Geschichtserzählung stellt einen einmaligen Vorgang innerhalb der Abenteuer der Weltgeschichte dar.

Zwischen dem Erscheinen der Nummer 24 und 25 lagen ganze zweieinhalb Monate (vom März bis Mitte Juni 1954. Aber nicht nur diese Heftreihe war davon betroffen, der ganze Lehning Verlag schlidderte zu diesem Zeitpunkt am Rande einer totalen Pleite entlang: Walter Lehning genügten seine erfolgreichen Roman- und Comicserien nicht mehr, er wollte im Konzert der „richtigen“ Verleger mitspielen. Der Stern, die Quick, Frankfurter Illustrierte, das schwebte ihm vor. Für die Produktion einer ähnlich gearteten Zeitschrift zeigte er sich nicht, wie sonst üblich, finanziell knauserig, das Projekt Wir Zwei, später umbenannt in Moderne Illustrierte, versuchte er dauerhaft und in Konkurrenz zu den vorgenannten Blättern an den Kiosken durchzudrücken, koste es was es wolle. Allerdings ging im bald die Puste aus, die Käufer ignorierten sein „Kind“. Es verursachte sogar immense Schulden und brachten den Verlag in arge Finanzierungsprobleme. In einem Vergleichsverfahren konnte Lehning die endgültige Pleite grade abwenden, die übrige Produktion musste aber stark reduziert, eingestellt oder verzögert werden. Lizenzen wurden zurück gegeben, deutsche Autoren bekamen weniger Geld, was nicht alle akzeptierten und meist endgültig in die Werbung abwandern lies.

Um die Serie Abenteuer der Weltgeschichte am Leben zu erhalten, sie war wegen der lehrreichen Inhalte eines der erfolgreichen und angesehenen Produkte, musste eine Pause im Veröffentlichungszeitraum eingelegt werden. Damit die Serie nicht aus dem Gedächtnis der Leser entschwindet, wurde ein Thema gewählt, das gut in die Reihe passte, und zudem in Fortsetzungen präsentiert werden konnte. Das Konzept einer bebilderten Geschichtserzählung, ähnlich der Prinz-Eisenherz-Bücher aus dem Badischen Verlag, diente als Vorbild (ohne in den Zeichnungen nur mehr als etwas besseres Amateurniveau zu erreichen). Das Leben und Wirken des Dschingis Khan war die Wahl. Hier erst einmal die 4 angesprochenen Titel:


Nummer 25
Dschingis-Chan, Der Fahle Steppenwolf





Nummer 26
Dschingis-Chan, Das Flammende Schwert






Nummer 29
Temudschin, Der Herr Der Nujakins






Nummer 30
Dschingis-Chan, Die Geisel Asiens










Diese Seite aus dem Heft 25 sollte insgesamt als Beispiel für die Qualitäten der Illustrationen reichen. Die Titelbilder, obwohl nicht besser gezeichnet, suggerieren allein durch ihre Farbgebung einen höheren Standard, sie sind sogar, dem Thema entsprechend, beeindruckend und dämonisch. Wer sie gezeichnet hat, entzieht sich meiner Kenntnis, gefunden habe ich nichts darüber.

Der geschichtliche Inhalt der Hefte beruht auf mehreren Publikationen, die im letzten Heft (Nr. 30) in einem Literaturverzeichnis aufgeführt werden, was so auch noch nicht vorgekommen ist. 4 Bücher – oder Broschüren – werden genannt: LUX-Lesebogen, Nr. 117*, Jabonah, Abenteuer in der Mongolei von Haslund Christensen, Tschingis-Chan, von Michael Pradwin, Taki, Abenteuer eines jungen Wildpferdes in der Mongolei von Niels Meyn. Das Buch von Michael Pradwin scheint mir das bedeutendste zu sein, gibt es doch eine große Anzahl von Hinweisen über ihn im Netz. Zusätzlich gibt es im Heft Tafeln und Abbildungen, in denen Wörter und Begriffe erklärt werden. Alles in allem ein interessanter Versuch, Geschichte in anderer Form zu vermitteln – wenn nur die grausigen Zeichnungen nicht wären.

Den damaligen Käufern/Lesern wurde das neue Konzept auf der „Liebe Jungen und Mädel!“ – Seite vorgestellt, bzw. schmackhaft gemacht. Es erfolgte der Hinweis zum Wunsch einiger Leser, doch auch einmal etwas über Dschingis-Chan und zu bringen und, Zitat**: „ob nicht rote, gelbe oder schwarze Menschen auch einmal die Helden unserer Reihe sein könnten.“ Wenn es stimmt und daran zweifele ich nicht, ein bemerkenswerter Wunsch. Zusätzlich wird die Bitte um Fortsetzungs-Geschichten angeführt, der man mit dem vorliegenden Konzept nunmehr nachkam. Es wird seitens Hans Jürgens, des Lesebriefonkels (nicht despektierlich gemeint), um Reaktionen auf dieses neue Art in den Abenteuern der Weltgeschichte gebeten. Das Heft 26 enthält dazu keine Leserbriefseite, dafür wird in der Nummer 27 „Kampf mit dem Bären“ (von Hansrudi Wäscher und dazu später mehr) um Geduld gebeten, Zitat: „Wenn auch schon viele geantwortet haben, so möchte ich doch das Ende der Ferien abwarten, bis ich mich an dieser Stelle über Eure Meinungen äußere.“ Am Ende der Seite wird der Brief eines Berliners abgedruckt. Dort heißt es, er habe sich das Heft über Fernando Cortez (Nr. 1) gekauft und in der Schule habe der Lehrer gesagt: „Erzähle mir etwas über Fernando Cortez.“ Und ich erzählte aus dem Heft. Der Lehrer sagte: „Ich würde mich sehr freuen, wenn Du sonst auch soviel wüßtest.“ (Zitat Ende) Grinsen musste ich dabei schon, denn es erinnerte mich an meine eigene Schulzeit.

Auf der Leserbriefseite des Heftes 29 geht „Hans Jürgen“ dann auf die Diskussionen zur Veröffentlichungsform der Dschingis-Chan Ausgaben ein: Ein Teil der Leser möchte doch die alte Form beibehalten, was der Verlag schon mit den Heften 27 und 28 getan hatte. Einige Leser fanden die Versuchsausgaben besser, was ein >>erwachsener Leser aus Sechten/Rhld. in seiner Zuschrift zum Ausdruck bringt<<: „Die allzuvielen Bilder machen doch wohl auch die Kinder denkfaul, statt sie anzuregen. Daß sie die ´Abenteuer der Welt´ (alten) Geschichte unseren Kindern kurz und interessant vermitteln wollen, finde ich lobenswert.“ Ein Leser aus Berlin (ich nicht), der ungenannt bleiben möchte, meinte, wir sollten keine Fortsetzungsgeschichten bringen, sondern in jedem Heft nur eine in sich abgeschlossene Geschichte. Ein Leser aus Hamburg dagegen forderte: „(…) Ich hoffe, daß du die Hefte so weitergestaltest“. Aus Kulmbach kam dann die letzte – heftige – Meinungsäußerung: „Ich protestiere gegen die Einstellung der Serie Dschingis-Chan. Zwar mag die Überzahl der Meckerer Recht behalten. Sie sind natürlich von Schundromanen her an Bilder und wenig Text gewöhnt. Aber ich möchte gerne das nächste Heft „Temudschin, der Herrscher der Nujakins“ lesen. Wenn die anderen es aber so, wie es bisher war, wollen, dann bitte. Aber ich will die Fortsetzung von „Dschingis-Chan“. Wie Hans Jürgen dann in seiner Antwort richtig bemerkt, ist es nicht einfach „einem jeden von euch gerecht zu werden.“

Auf der Seite 3 der Nummer 30, des letzten Dschingis-Chan Heftes, wird noch einmal auf die allgemeine politische und gesellschaftliche Situation des 12. Jahrhunderts in Europa eingegangen. Das Kaisertum jener Tage wird heroisierend als Retter des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation*** gewürdigt. Genauso wie das Rittertum, das als militärischer Bewahrer vor den angreifenden Arabern und Ungarn gerühmt wird. Gemäß seinem Stand wird am Ende dieser Betrachtung „der Deutsche Bauer zum Mittelpunkt politischen Geschehens“ hervorgehoben. „Er vollbrachte seine größte Leistung: die Wiedergewinnung des deutschen Ostens.“ Sollte hier das Jungvolk damaliger Tage auf die Revision der Ergebnisse des 2. Weltkrieges vorbereitet werden. „Nur dort konnten der erblose Jungbauer Land finden (das anderen gehörte) und der unfreie Bauernsohn freier Bauer mit eigenem Hof werden (auf deutscher Scholle fehlt hier noch). Ritter und Mönche folgtem den gewiesenen Weg (diese Eroberungen bekamen vom Klerus den Status eines Kreuzzuges verpasst), und bald war aus der wilden Naturlandschaft eine Kulturlandschaft geworden (weil, wie im Heft 28 beschrieben, nur wilde, mit Keulen bewaffnete Kerle das Land lange vor den Rittern und Bauern aus dem Westen besiedelt hatten).

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, das Walter Lehning sich nie um die Gestaltung, Inhalt und den Gehalt einer Heftserie gekümmert hatte, dann haben wir ihn her. Der Text im vorherigen Absatz hat schon leichte revanchistische Tendenzen, Lehning muss dies wirklich übersehen haben und zwar nicht nur weil er zu diesem Zeitpunkt mehr mit den Gerichten und dem Insolvenzverwalter seine Zeit verbrachte, sondern es interessierten ihn nicht. Erstaunlicherweise, denn grade er hatte in der Zeit zwischen 1933 und 1945 politische Probleme. 1937 wurde sein Verlag wegen nicht opportunistischem Verhalten dem Regime gegenüber geschlossen – was seiner Familie wirtschaftlich schwer schadete - und erst 1946 wieder gegründet.
Was zeigt uns die Heftreihe über Dschingis-Chan, den wohl größten – und gewalttätigsten - Eroberer aller Zeiten: In 3 ½ der 4 Hefte werden die Erlebnisse des Temudschin, so der Geburtsname des später Dschingis-Chan genannten, geschildert. Dies geschieht in Romanform, die bekannten historischen Daten werden entsprechend verarbeitet. Sicherlich sind die wörtlichen Reden so nicht gefallen, in den wichtigen Passagen aber wahrscheinlich so oder ähnlich. Nach der gewaltsamen Vereinigung der mongolischen Stämme geht es beutesuchend gen Süden, nach China. Dieses hat sich da bereits seit Jahrhunderten mit gigantischen Schutzwällen gegen die immer wieder sporadisch einfallenden Nomaden zu erwehren versucht. Nun steht ihm aber eine geeinte mongolische Nation gegengenüber, deren Reiterheeren die Chinesen nichts entgegen zu setzen vermögen. Die Mauer**** ist kein Hindernis, Peking fällt fast leicht in die Hände der Mongolen. Dann drängen die Mongolen nach Westen, Turkestan, Persien folgen als nächstes. Das südliche Russland kommt danach und für die nächsten Jahrhundert ist es – und die Krim – Herrschaftsgebiet der goldenen Horde. Länger als sie Russland je besessen hat. Vor den Mongolen herrschten hier das Reitervolk der Kumanen, davor Jahrhunderte die Römer, Goten, Griechen usw. Nach dem Tode des Dschingis-Chan wurde noch Nord-Indien erobert, das Zweistromland verheert, und in Schlesien verlor ein deutsch/polnisches Ritterheer 1241 die Schlacht bei Liegnitz. Im Grunde hätte es bis zum Atlantik nur noch wenig gefehlt, aber der Tod des Großkahn Ugedai, des Nachfolgers des Dschingis-Chan und die zu erwartenden Streitigkeiten um die Nachfolge in der fernen Heimat ließen die Mongolen abziehen. Das alles steht aber nicht mehr in den Heften der Abenteuer der Weltgeschichte, ich wollte es nur ein wenig vervollständigen.

*Ist diese Reihe bekannt, wenn nicht und der Wunsch besteht, könnte ich sie hier einmal kurz vorstellen.
**Zitate sind so wieder gegeben, wie gedruckt.
***Zum wiederholten Male wird die Phrase vom Heiligen Römischen Reich >>Deutscher Nation<< hervorgekramt. Diese Bezeichnung entstand erst viele Jahrhunderte später, als sich das einst multistaatliche Gebilde langsam auf den Kern der überwiegend deutsch sprechenden Völker reduzierte.
***Allen Behauptungen zum Trotz, ist sie vom Mond aus nicht zu sehen.
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