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Alt 21.04.2023, 10:19   #1151  
Peter L. Opmann
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Aber die Ostdeutschen wußten zumindest, was eine Flasche ist. Und sie dachten auch eher nicht, daß so eine Flasche von den Göttern geschickt worden ist...

Servalan: Dumme Angewohnheit von mir, nicht auf die exakte Schreibweise in Fremdsprachen zu achten. Aber in diesem Fall werde ich mal das "i" noch durch ein "!" ersetzen.
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Alt 21.04.2023, 10:22   #1152  
Nante
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Zitat:
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Aber die Ostdeutschen..dachten auch eher nicht, daß so eine Flasche von den Göttern geschickt worden ist...
Ooch, viele dachten zumindest, "der Westen" wäre das reine Paradies.
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Alt 21.04.2023, 10:24   #1153  
Peter L. Opmann
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Ich wollte darauf anspielen, daß die große Mehrheit der einstigen DDR-Bürger weder an Gott noch an Götter glaubt. Der Westen gleicht sich da allmählich an, aber in dieser Hinsicht hat der DDR-Sozialismus wohl ganze Arbeit geleistet.
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Alt 21.04.2023, 18:22   #1154  
Servalan
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Lange her, daß ich „Die Götter müssen verrückt sein“ gesehen habe. Ich fand ihn amüsant und hab mich nicht gelangweilt, aber vom Hocker gerissen hat er mich nicht.
Am interessantesten fand ich die Teile mit den San, also den sogenannten „Buschleuten“; nach meinem Empfinden lebten die in ihrer eigenen Welt und somit nach prähistorischen Standards. Aus einer gewissen Sicht mag das tölpelhaft und leicht zurückgeblieben wirken, ich fand ihren Umgang mit der Glasflasche eher bauernschlau.
Den ganzen Plot um die Liebeskomödie und das Revolutionsdrama muß ich verdrängt haben, davon ist mir nichts mehr bewußt. Sorry.
Der Film wirkte auf mich ziemlich zeitgemäß, deshalb kann ich mir vorstellen, daß er schlecht gealtert ist und heute etwas altbacken wirkt.
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Alt 21.04.2023, 18:46   #1155  
Peter L. Opmann
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Ach, ich finde ihn eigentlich immer noch ganz nett und auf jeden Fall unterhaltsam. Manches würde man halt heute nicht mehr so machen - es ist ein überheblicher Blick von Weißen auf Schwarze (nicht in bezug auf N!xau).

Aber ich lese gerade "Der Eidechsenpfad" von Elspeth Huxley, "eine Jugend in Afrika", geschrieben 1962 über das Kenia, also Britisch-Ostafrika, der 1920er Jahre. Da kommen ähnliche Dinge vor, wenn es um die Kikuyu geht.
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Alt 23.04.2023, 06:54   #1156  
Peter L. Opmann
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Ein Freund fragte mich kürzlich, warum ich hier „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920) von Robert Wiene noch nicht behandelt habe. Das hat zwar keinen besonderen Grund, aber ich nutze die Gelegenheit, das nun zu tun. Ich fürchte, ich müßte die Filmproduktion und das Filmgeschäft ausgangs des Ersten Weltkriegs viel besser kennen, um dieses Werk richtig einordnen zu können. Auch weiß ich nicht, ob hier vieles zum ersten Mal gemacht wurde oder es doch schon Vorbilder oder ähnliche Filme gab. Immerhin: „Der Student von Prag“ ist älter, ein paar Lubitsch-Filme sind älter, und Fritz Lang hatte 1920 auch schon das eine oder andere gedreht. Aber in seiner formalen Radikalität ist „Das Cabinet“ sicher einzigartig. Es ist in gewissem Sinn aus heutiger Sicht ein musealer Film.

Dieser Stummfilm ist komplett in Bühnenkulissen entstanden. Das ist der bekannte Expressionismus des Films. Jede Landschaft, jedes Haus, jeder Innenraum sind als Kulissen erkennbar. Alles an dem Film ist also künstlich, und die vielen Schrägen zeigen eine Welt, die ganz aus den Fugen ist. Im Kern ist es ein Horrorfilm; es geht um ein Monster (Conrad Veidt), das von einem Machtbesessenen (Werner Krauß) kontrolliert wird. Für manche Kritiker, vor allem Siegfried Kracauer und Lotte Eisner, war das bereits ein Sinnbild für die bevorstehende Nazidiktatur und Hitler. Im Hintergrund steht allerdings die Frage: Ist einer, der nicht ins bürgerliche Ordnungsschema paßt, ein Verrückter, oder sind gerade die verrückt, die ihn für verrückt halten? Und hier hat bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Produktionsfirma Decla einen neuen Schluß durchgesetzt, der zwar keinen rechten Sinn ergibt, für das Publikum jedoch unterhaltsamer und vielleicht auch verständlicher ist.

Mit einem Jahrmarkt kommt der unheimliche Dr. Caligari (Krauß) in die Stadt. Er führt dem Publikum einen Somnambulen (also einen Menschen zwischen Schlafen und Wachen, nämlich Veidt) vor, der „die Vergangenheit kennt und die Zukunft sieht“. Veidt ruht in einer sargähnlichen Kiste. Krauß braucht für sein Gruselkabinett eine städtische Genehmigung, und als ein Beamter ihn herablassend-bürokratisch behandelt, ist er am nächsten Morgen tot. Wir lernen zwei junge Männer kennen, die dieselbe Frau (Lil Dagover) begehren, aber sich einigen, daß sie sich von ihrer Wahl nicht auseinanderbringen lassen wollen. Einer von ihnen fragt Veidt in der Caligari-Vorstellung unvorsichtigerweise, wie lange er noch zu leben hat, und erfährt: Nur noch bis zum Morgengrauen. Und so kommt es tatsächlich auch – er wird von einem Unbekannten erstochen. Sein Freund (Friedrich Feher) macht sich auf die Suche nach dem Mörder. Schließlich fällt sein Verdacht auf Veidt und damit auch auf Krauß.

Dagover hat inzwischen bereits zu Krauß und Veidt Kontakt bekommen; vor dem Somnambulen hat sie allerdings Angst. Als sie geht, öffnet Veidt die Augen und blickt ihr nach. In der Nacht kommt er in ihr Schlafzimmer – eine beinahe klassische Vampirszene – und will sie erstechen, bringt es aber wegen ihrer Schönheit nicht fertig. Feher folgt Krauß in eine „Irrenanstalt“ und muß zu seinem Schrecken erkennen, daß der Direktor der Einrichtung niemand anderer als Krauß ist. Unter seinen Büchern findet er eins, das einen Dr. Caligari und einen Morde begehenden Somnambulen bereits im 18. Jahrhundert beschreibt. Krauß hatte erkannt, daß ein Schlafwandler zu solchen Untaten gezwungen werden kann, und er wollte nun selbst Caligari werden. Feher veranlaßt, daß Krauß ergriffen und in eine Zwangsjacke gesteckt wird.

Nun zum hinzugefügten Schluß: Es stellt sich heraus, daß in Wirklichkeit Feher der Wahnsinnige ist. Wie in solchen Fällen typisch, hält er sich selbst für normal, die um ihn herum dagegen für verrückt. Und nun muß er in die Zwangsjacke. Krauß verspricht, ihn von seinen Wahnvorstellungen zu heilen.

Im Grunde spielt es keine große Rolle, wie der Film endet. Er löst auf jeden Fall eine starke Beunruhigung aus – noch heute! Vielleicht mehr, als wenn realistisch versucht worden wäre, einen oder mehrere Wahnsinnige zu porträtieren. Der Zuschauer weiß am Ende nicht mehr, was Tatsache und was vorgespiegelt ist. „Das Cabinet des Dr. Caligari“ wurde 1920 weltweit bestaunt und war sicher für sehr viele Filme, die mit unterschwelligem Schrecken arbeiten, einflußreich. Es gibt eine Reihe deutscher Filme, die die Stilmittel des „Dr. Caligari“ direkt übernahmen, freilich wurde keiner so bekannt wie das Vorbild. Zudem prägte er das Image des deutschen Films zumindest die 20er Jahre hindurch. Als Universal seine klassische Horrorfilmreihe begann, wurden deutsche Filmkünstler (etwa Conrad Veidt, Karl Freund oder Joe May) mit herangezogen.
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Alt 23.04.2023, 14:48   #1157  
Peter L. Opmann
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Mein Freund merkt an, ich hätte vergessen, die Micky-Maus-Handschuhe zu erwähnen vergessen. (In der Tat trägt Dr. Caligari solche Handschuhe.) Aber er meint irrtümlich, in diesem Thread ginge es schwerpunktmäßig um Comics.
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Alt 25.04.2023, 06:11   #1158  
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Nachdem wir kürzlich „Menschen am Sonntag“ betrachtet haben, fand ich einen weiteren Dokumentarfilm passend, nämlich „Edgar G. Ulmer – the Man Off-Screen“ (1994) von Michael Palm. In dieser Doku kommen ziemlich viele Leute zu Wort, Filmwissenschaftler, Regisseure, Freunde und Verwandte, Filmfans. Ich habe deshalb darauf verzichtet, sie alle zu nennen. Ich denke, man kann ihre Aussagen auch so verstehen und mehr oder weniger zuordnen. Ich nenne auch nicht alle Filme, von denen Ausschnitte gezeigt werden, weil etliche von ihnen gar nicht in Deutschland gelaufen sind oder jedenfalls keine Synchronisation existiert.

Der Film beginnt auf dem Hollywood-Friedhof hinter dem Paramount-Studio, wo auch Ulmer begraben ist. Ihm wird Ulmers Aussage vorangestellt: „Ich habe nichts gegen Kommerzdenken, aber es darf nicht die Kreativität ersticken.“ Ulmer gilt als „König des B-Films“.

Roger Corman: Die ursprüngliche Bedeutung war: die zweite Hälfte eines Doppelprogramms. In der Depression zeigten die Kinos zwei Filme zum Preis von einem. Die B-Filme waren das Beiwerk.

Manchmal will man statt Hummer lieber einen Cheeseburger. Den Charme eines B-Films macht seine Menschlichkeit aus, seine Schwächen. Er ist persönlicher. Man sagt oft, daß die falschen Regisseure Oscars bekommen – die B-Regisseure hätten sie verdient. John Ford hatte für seine Filme alles zur Verfügung: Stars, Budgets, Drehzeit. Edgar Ulmer mußte aus einer Ratte ein Festmahl machen. Ulmer wollte gefragt sein, aber sobald er gefragt gewesen wäre, hätte er es satt gehabt.

Peter Bogdanovic: Ulmer hatte großen Einfluß auf die Independent-Filmszene.
John Landis: Jemand mit seinem Talent wird normalerweise ins Studiosystem integriert.

Ulmer: Ich habe für Max Reinhardt gearbeitet. Dann entwarf ich die Bühnenbilder für „Caligari“, den „Golem“, „Metropolis“. Später war ich auch an „M“ beteiligt. Dann war ich Bildregisseur für Murnau. Es gab einen Regisseur für die dramatische Handlung und einen für das Bild, der die Kamerawinkel und Kamerabewegungen festlegte. Mit Murnau habe ich das „production design“ erfunden. Wir haben herumexperimentiert und schließlich die Kamera auf einen Wagen montiert.

1923 kam Ulmer mit Reinhardt nach New York. Er sah Amerika als zweite Heimat, dennoch gab er Europa nie ganz auf.

Ulmer: Stroheim wollte mich bei „Merry Go Round“ als Art Director. Ich wurde Regieassistent bei Wyler, DeMille und der ganzen Truppe.

Er assistierte Murnau bei „Sunrise“, später bei „Tabu“, aber er kam zurück nach Berlin für „Menschen am Sonntag“.
Bogdanovic: Was war Ihr erster Film?
Ulmer: „Menschen am Sonntag“, den habe ich organisiert.
Bogdanovic: Sie haben ihn ausgestattet?
Ulmer: Nein, ich war Co-Regisseur und Produzent.
Alle Beteiligten erzählen, sie hätten den Film gemacht oder produziert. Er wurde jedenfalls nicht so industriell gedreht wie der deutsche Film zu dieser Zeit.

Joe Dante: Ich wurde auf Ulmer aufmerksam durch „The Black Cat“, ein subversiver Film. Allein die Andeutungen, was da vor sich geht, überstiegen das Fassungsvermögen der Zensur. Es ist einer seiner besten Filme.
„The Black Cat“ hatte 15 Drehtage und ein Budget von 91 000 Dollar. Das waren für Universal peanuts.
Bei der Uraufführung 1934 war Ulmer nicht dabei. Er war gefeuert worden. Shirley Alexander, die in die Familie Laemmles eingeheiratet hatte, verliebte sich in Ulmer und brannte mit ihm durch. Das hat sich auf seine weitere Karriere ausgewirkt.
Ulmer: Ich wollte nicht mehr für die großen Studios arbeiten, Ich wollte nicht in der Hollywood-Häckselmaschine aufgerieben werden.
Er wäre tatsächlich unglücklich geworden, als Mainstream-Regisseur zu arbeiten. Er fühlte sich wohl als Ausgestoßener.
Landis: Es gibt den Hollywood-Knast, wo du plötzlich von der Liste der in Betracht kommenden Regisseure gestrichen wirst, und du weißt nie genau, warum.

Sie gingen nach New York, und er begann mit den ethnischen Filmen, Filme über verschiedene Kulturen. Bis dahin war ihm nie bewußt, daß er selbst Jude war.
1941 geht Ulmer wieder nach Hollywood, um dort großer Studioregisseur zu werden. Er will bei Paramount ein Remake des „Blauen Engels“ drehen mit Veronica Lake. Das Projekt zerschlägt sich schnell.

Ulmer: Als ich für PRC arbeitete, das war eine tolle Zeit! PRC war meine Heimat. Ich konnte dort jede Idee sofort umsetzen. Niemand redete mir rein, und wenn, dann sagten sie: Wir haben kein Geld! Ich mußte Kompromisse machen, um PRC im Geschäft zu halten. Einerseits wollte ich Kassenerfolge, andererseits wollte ich einen ordentlichen Stil entwickeln. (zweiter Teil folgt)
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Alt 25.04.2023, 08:47   #1159  
Peter L. Opmann
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(Zweiter Teil)

Hat Ulmer „Detour“ (1945) wirklich in sechs Tagen gedreht, wie er immer behauptete? In den Produktionsunterlagen steht: 15 Tage. Aber es war damals nicht unüblich, Kosten von Filmen hin und her zu schieben – kreative Buchführung.

Die Produktionsgesellschaft PRC war „poverty row“. 1946 befand sie sich in Auflösung. Ulmer hatte die Hoffnung, einen A-Film machen zu können. Er drehte „The Strange Woman“, wofür Hedy Lamarr beinahe den Oscar erhielt. Ulmer fand heraus, daß PRC den Gewinn des Films einsteckte, während er 250 Dollar pro Woche erhielt.
Er ging nach New York, um 1947 „Carnegie Hall“ zu drehen mit großem Budget und Stars wie Arthur Rubinstein und Harry James. Ulmer war ein großer Musikliebhaber.
Ulmer: Ich mußte eine dumme Geschichte hinzufügen, in der Schauspieler reden.

Ulmer dreht in den 1950er Jahren in Europa. Auf jeden Film, den er drehte, kamen zehn bis zwölf, aus denen nichts wurde. Er wartete und hoffte immer darauf, den Durchbruch zu schaffen. Der große Deal kam nie. Vielleicht war er einfach unfähig, vor den Hollywood-Bossen zu buckeln. Er zog es vor, seine Rebellion gegen Hollywood fortzuführen. Aber wenn man seine Briefe aus den 50ern liest, wird klar, daß er nach Hollywood zurückwollte.
Landis: Wo ist Hollywood? Hollywood ist eine Einbildung.
Dante: Hollywood ist nur eine gigantische Rückprojektion – eine unscharfe.

Den Film „The Cavern“ (1964) wollte er schon seit 15 Jahren machen. Ulmer stand unter Druck, er hatte eine Menge Beruhigungsmittel genommen, und plötzlich konnte er nicht mehr sehen. Vielleicht war es ein Schlaganfall. „The Cavern“ war sein teuerster Film. Es ist kein guter Film.

Er hatte nicht mehr die Hoffnung, noch Filme machen zu können. In seinen letzten fünf Jahren war er gelähmt und krank. Doch sogar vom Rollstuhl aus wollte er junge Leute auftreiben und eine Produktion organisieren. Aber er fühlte, daß es vorbei war. Als er im Sterben lag, dachte er, all die Filme, die er gemacht hatte – es waren 60 oder 80… nichts würde bleiben. Kein Studio, kein Archiv werde sich um die Negative kümmern. Seine Tochter trug in siebenjähriger Arbeit alle verstreuten Kopien zusammen. Nun hat er seinen Frieden gefunden.

Frieden? Nein. All die Leute, die wunderbare Filme gemacht haben, über die niemand mehr spricht…

Ein Ulmer-Schauspieler: Ich erinnere mich an eine Angewohnheit von ihm, die mich immer etwas argwöhnisch gemacht hat: Er ließ zu oft Namen fallen von Regisseuren, mit denen er gearbeitet hat.
Was am Leben ist beängstigend? Betrogen zu werden, ignoriert zu werden, verlassen zu werden, unwichtig zu sein. Er war frustriert.
Immerhin war er der König der B-Filme. – Es gibt viele Könige der B-Filme.
Einige der talentiertesten Leute sind erfolglos, und einige der talentlosesten sind sehr erfolgreich.
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Alt 26.04.2023, 14:02   #1160  
Servalan
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Dann möchte ich mal einen Klassiker vorstellen.

Die Gaunerkomödie „Car-napping – bestellt – geklaut – geliefert“ (1980) sticht für meinen Geschmack aus der Masse deutscher Filme heraus. Weite Teile spielen in Frankreich an der Côte d’Azur, in Österreich und Italien, so daß er weltgewandt daherkommt. Genrefilme aus der Bundesrepublik können in der Regel mit internationalen Produktionen nicht standhalten; insofern bietet dieser Heist-Movie ein beeindruckendes Niveau, das weit über die Standards hinausgeht. Durch seine Gaststars Eddie Constantine, Michel Galabru und Adolfo Celi bekommt er eine fast schon französische oder italienische Atmosphäre, die verführerische Qualitäten entwickeln kann. Unter Autofans entwickelte er sich rasch zum Kultfilm, und das hat schon seinen Grund.

Nach einem längeren Urlaub kehrt der Autodesigner Robert Mehring an seinen Arbeitsplatz zurück, der aber nicht mehr existiert. Sein Boss Benninger hat in seiner Abwesenheit die Firma liquidiert und sich mit seinen Entwürfen angesetzt. Mehring will ihn an der Côte d’Azur zur Rede stellen, doch das schlägt fehl - und Mehring wird sein Porsche 911 gestohlen. Die Polizei zuckt nur die Achseln, denn Autodiebstähle werden selten aufgeklärt.
Durch Zufall entdeckt Mehring seinen Wagen im Straßenverkehr und kann die Diebe stellen, als die beiden Italiener Carlo und Mario ihn an einen Hehler verscherbeln wollen. Die drei kommen miteinander ins Gespräch, und die Diebe meinen trocken, die Wagen seien kaum gesichert und einfach zu knacken; das wäre fast ein Geschenk. Dabei werden sie sich handelseinig und wollen zusammenarbeiten.
Der erste große Coup wird Benningers Autohaus in Paris, in dem 40 Porsches stehen, die in einer Nacht geklaut werden und einen Corso um den Arc de Triomphe de l’Étoile fahren - ein spektakulärer Moneyshot. In großem Maßstab machen die Robin Hoods weiter, die Honigfallen für ihre Opfer aus den Oberen Zehntausend arrangieren und mithilfe eines arbeitslosen Drucker die gestohlenen Wagen ratzfatz mit gefälschten Papieren versorgen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen geraten sie ins Visier der internationalen Polizeibehörden, und eines Tages wird Mehring geschnappt und landet im Kittchen.
Weil er das Gehirn der Bande ist, arrangieren seine Komplizien, verkleidet als falsche Polizisten, seine Flucht. Sein rechtlicher Beistand ist die Rechtsanwältin Claudia Klessing, in die Mehring sich verliebt. Gemeinsam versuchen beide in Italien unterzutauchen, denn der Polizeipräsident von Palermo ist ein Spezi von Carlo und Mario.

Die Regie führte Wigbert Wicker, der nicht weiter aufgefallen ist. Ob es die Drehbuchautoren Hans Drawe und Günter Peis waren oder zwei Leute aus der Produktionsleitung, weiß ich nicht (mehr), aber auf meiner DVD beklagten die beiden Wickers Talentlosigkeit. Sie sagten, sie wären diejenigen gewesen, die die brillanten Szenen häufig heimlich arrangiert und den Film so vor seinem Scheitern gerettet zu haben.
Laut Wikipedia und dem Verleih wurden 116 Luxusautos verwendet, deren Präsenz ein besonderes Flair verbreitet hat. Wir befinden uns ja noch in der Ära vor CGI.
Nicht zuletzt war der CW 311 ein Blickfang, ein Sportwagen mit Flügeltüren, den Mehring häufig fährt. Das Einzelstück ist kein Prototyp sondern eine Designstudie der bb Auto Exclusiv Service KG aus Frankfurt, die 1978 vorgestellt wurde. Die beiden Entwickler des CW 311, Eberhard Schulz und Rainer Buchman, setzten den Mercedes-Stern ohne das Einverständnis der Hersteller auf ihren Wagen; wegen der Publicity verzichteten die Stuttgarter auf Sanktionen, somit ist der CW 311 der einzige außerhalb von Daimler-Benz entwickelte Wagen, der einen Stern tragen darf.
Auch die Gaunerkomödie hat ein wahres Vorbild. Robert Mehring wird zu einem zweiten Harry König, dem König der Autodiebe in den 1960ern und 1970ern. Sein Diebstahl von 60 Porsches aus einem Autohaus in Paris lieferte die Steilvorlage für meine oben erwähnte Sequenz.
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Alt 26.04.2023, 17:34   #1161  
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Na, endlich muß ich mal nicht sagen: Diesen Film kenne ich nicht. "Car-Napping" hatte ich auch schon in der engeren Wahl.

Aber ich bin kein Autonarr, und ich finde es auch seltsam, daß der Film angesichts des großen Erfolgs (damals 2,6 Millionen Zuschauer im Kino - das war kurz vor der Zeit, als ich anfing, ins Kino zu gehen) keinen Nachfolger hatte. Wigbert Wicker ist, wie viele andere gute Leute, zum Fernsehen gegangen.

Übrigens ist "Car-Napping" in deutsch, französisch und englisch jeweils komplett synchronisiert worden. Da spricht niemand mit seiner eigenen Stimme. Das ist glaube ich schon etwas ungewöhnlich.
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Alt 26.04.2023, 18:05   #1162  
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Bei Wigbert Wicker kommt das aber öfter vor. Er hat zum Beispiel bei „Didi auf vollen Touren“ (1986) Regie geführt, eine französische Koproduktion, in der aber auch deutsche Schauspieler wie Sepp Schauer und Peter Kuhnert von deutschen Kollegen nachsynchronisiert wurden.

Wicker hat viel fürs Fernsehen gemacht, sich mit Ruhm zu bekleckern, sieht aber anders aus. Außer „Car-Napping“ gibt es meines Wissens keinen Film, der mit seinem Namen verbunden wird.
Seine Filme existieren, das war dann auch. Jedes Schulterzucken wäre wohl zuviel der Ehre ...
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Alt 26.04.2023, 18:28   #1163  
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Da Wicker ein Genre-Regisseur war, was in Deutschland nicht so häufig vorkommt, und kein Autoren-Filmer, kann ich mir vorstellen, daß er auf Ruhm keinen besonderen Wert legt und sich nur für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Filme (oder sein Honorar) interessiert hat.
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Alt 27.04.2023, 06:54   #1164  
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Weil ich mich wieder mal für keinen Film entscheiden konnte, habe ich mir gestern abend noch eine Doku angesehen, nämlich „Spur der Zeiten“ (1997) von Ulrich Kasten und Ralf Schenk. Sie erweitert den Film über die Geschichte der DEFA, den ich neulich zusammengefaßt habe, indem sie das Werk von Frank Beyer im einzelnen beleuchtet. Es ist ein 60-Minuten-Film, entstanden im Auftrag des ORB. Der Aufbau ist relativ simpel: Wir sehen Ausschnitte aus Beyer-Filmen, und anschließend äußert sich der Regisseur dazu. Schwierig war, ihn so zu zitieren, daß ich seine Aussagen nicht verfälsche, denn natürlich kann ich nicht ein getreues Wortprotokoll des Films liefern. Ich hoffe, daß es mir dennoch gelungen ist.

Die Doku beginnt mit seinem zu diesem Zeitpunkt neuesten Film, „Nikolaikirche“ (1995). Es werden sowohl fertige Szenen als auch Aufnahmen von den Dreharbeiten gezeigt. Beyers Weg zum Kino sei von Zufällen geprägt gewesen.

„Zwei Mütter“ (1956). Sein erster Film, eine Parabel auf die Unmenschlichkeit des Krieges.

„Fünf Patronenhülsen“ (1960). Beyers künstlerischer Durchbruch. Er zeigt individuelle Figuren, nicht anonyme Menschen in Gruppen.

Beyer: Man hielt sich an das, was gesagt wurde, nämlich konfliktreiche Geschichten aus der Gegenwart zu erzählen. Aber was an Stoffen angeboten wurde, war schematisch, schlecht erzählt zum Teil, und es sollte immer begründet werden, warum alles so gut ist, wie es im Land angeblich war.

„Königskinder“ (1962).

Beyer: „Königskinder“ haben wir gemacht, nachdem „Die Kraniche ziehen“ (UdSSR 1957) erschienen war – das war wie eine Offenbarung. Wir wollten in unseren eigenen Filmen diese optischen Qualitäten unbedingt auch zur Geltung bringen.

„Nackt unter Wölfen“ (1963), ein Film über Leben und Kampf im KZ Buchenwald.

Beyer: Ich habe nur noch zwei Nazi-Filme gemacht, „Jakob der Lügner“ (1974) und „Der Aufenthalt“ (1983). Ich dachte, in diesen Filmen wird etwas erzählt auf eine Weise, wie es bisher noch nicht erzählt worden ist im DDR-Film.

Es folgen Ausschnitte aus diesen beiden Filmen und aus „Rottenknechte“ (1971), einem der ganz wenigen Filme, die das Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Sicht deutscher Soldaten zeigt.

„Karbid und Sauerampfer“ (1963)

Beyer: Die Gesellschaft war (in der Zeit, in der dieser Film spielt) noch nicht verfestigt, es war noch alles möglich. Ich hätte auch in eine ganz andere Richtung geraten können. Ich hatte zunächst ein naturwissenschaftliches Studium im Sinn, das war aber von einem Tag auf den anderen über Bord geworfen durch die Erlebnisse, die ich mit Literatur hatte. Und dann spielten sehr viele Zufälle eine Rolle. Als 18jähriger wurde ich Kreissekretär des Kulturbundes in Altenburg. Funktionär werden wollte ich nicht. Und da fragte mich ein Schauspieler, ob ich mit ihm als Dramaturg nach Crimmitschau gehen will. Dort hätte ich bleiben können, aber ich wollte das nicht als Autodidakt weitermachen. Ich wollte Theaterwissenschaft studieren. Und dann kam ein neuer Zufall. Ich bekam die Anfrage, ob ich nicht im Ausland an der Filmhochschule Prag studieren will. Und da bin ich mit fliegenden Fahnen hingegangen.

„Spur der Steine“ (1966)

Beyer: Nach dem Mauerbau, in den Jahren 1962, 63, 64, gab es nach meiner Erinnerung einen Aufschwung in der DDR-Literatur. Das ging von der Sowjetunion aus, vom Parteitag 1956, wo plötzlich eine Liberalisierung in der Kulturpolitik eingetreten war. Die Mauer fand ich auch nicht schön, aber notwendig. Ich dachte, wenn sie nun da ist, können wir in einer anderen Weise miteinander umgehen, auch in einer anderen Weise auf die Konflikte in der Gesellschaft zu sprechen kommen. Das waren ein paar Jahre, in denen ich daran geglaubt habe, daß wir gute Filme und spannende Themen machen können. Mich hat immer die Beziehung des Einzelnen zur Gesellschaft interessiert. Damit ist ein Thema in die Filme hineingekommen, das mit Anpassung oder Nichtanpassung zu tun hat. Ich hatte die Überzeugung: Wenn man Probleme zur Sprache bringt in Filmen, trägt man zu ihrer Lösung bei. Man darf ja nicht vergessen, daß die DEFA-Besucherzahlen stark rückläufig waren, und das hing im wesentlichen damit zusammen, daß die Gegenwartsfilme so uninteressant waren.

„Die sieben Affären der Dona Juanita“ (1973)

Der Film provozierte viele Zuschauergespräche. Aber sie diskutierten nicht über den Film, sondern über sich und ihr Leben.

„Geschlossene Gesellschaft“ (1978)

Beyer: Ich dachte, die Kulturpolitik habe vielleicht doch etwas begriffen, sonst hätte man ja diesen Film nicht angenommen zur Produktion. Diese Illusion verflog allerdings dann, als der Film fertig war und ich merkte, wie er behandelt wurde. (Er wurde einmal im Spätprogramm gezeigt und dann nie wieder.)

„Sie und er“ (1992)

Was beide Filme unterscheidet, ist die politische Dimension. In „Sie und er“ trennt sich das Paar.

Beyer: Ich bin DDR-Bürger geblieben, weil ich dieses Land als meine Heimat angesehen habe. Nur wenn man mir auf Dauer die Arbeit weggenommen hätte, wäre ich mit Sicherheit nicht geblieben.

„Der Verdacht“ (1991), Beyers letzter DEFA-Film

Beyer: Ich hätte mir eine tiefgreifende Reform in diesem Land gewünscht, daß nicht alle über Jahrzehnte gewachsenen Bindungen so rigoros zerschnitten werden und daß eine etwas weichere Landung in der sozialen Marktwirtschaft stattgefunden hätte.

Dreharbeiten zu „Nikolaikirche“ (1995)

Beyer: Ich glaube nicht mehr daran, daß die DDR eine Chance gehabt hätte zu überleben oder das sozialistische System. Aber ich glaube schon, daß die Welt eine Utopie braucht und radikalere Lösungen, als sie von den Politikern gedacht werden.

„Das große Fest“ (1992)

Beyer: Mich interessiert das deutsche Kino schon. Ich finde es äußerst erfreulich, daß es beim Publikum wieder einen Aufschwung gibt. Was ich vermisse, sind halt Geschichten, in denen nicht nur der individuelle Konflikt vorkommt, sondern auch der gesellschaftliche Hintergrund und das Land. Das wird mir zu wenig im Kino und im Fernsehen reflektiert.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2023, 10:51   #1165  
Nante
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Wenn man das hier geballt liest, hat Beyer eine beeindruckende Anzahl sehenswerter Filme gedreht.

Und er konnte sowohl "ernst" wie auch "Lustig"! Meine beiden Favoriten in den beiden Kategorien sind für mich dabei "Jakob, der Lügner" und "Karbid und Sauerampfer".
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2023, 12:04   #1166  
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Das stimmt.

Manche, vor allem die neueren Filme, die fürs Fernsehen gedreht worden sind, werden laut wikipedia nicht immer so gut besprochen - die gezeigten Szenen sehen aber immer vielversprechend aus.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.04.2023, 06:49   #1167  
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„The Who“ waren meine erste Begegnung mit ernstzunehmender Rockmusik. Vorher hatte ich nur Hitparadenzeug gehört und das, was Thomas Gottschalk in Bayern3 spielte. Aber ich habe nicht alle Who-Platten, und ein Freund belächelte mich vor einiger Zeit, als ich gestand, daß mir auch „Quadrophenia“ fehlt. Ich kenne zwar etliche Songs von der Platte, aber auch den Film hatte ich noch nicht gesehen. Diese Begegnung brachte mich aber dann dazu, mir die „Quadrophenia“-DVD zu besorgen (ein Film von Franc Roddam, 1979), und jetzt habe ich sie auch angeschaut.

In England war der Film sehr erfolgreich; laut wikipedia konnte er sich bei Erscheinen beinahe mit „James Bond: Moonraker“ messen. Hierzulande dürfte er deutlich weniger Zuschauer gehabt haben. Man merkt, daß die englische Jugendkultur, die hier thematisiert wird – abgesehen davon, daß das, als der Film entstand, auch schon etwa 15 Jahre her war -, mit dem Jugendprotest in Deutschland wenig gemein hatte. Die Mod-Jugendkultur ist hier unbekannt. Ein wenig erinnern die Anhänger an Popper, weil sie sich elegant kleiden (mit Krawatte!) und Gutsituiertheit ausstellen – eben weil es in England sehr wichtig war, sozial aufzusteigen. Der Vergleich führt in die Irre, denn Mods sind alles andere als angepaßt, hören aggressive Musik (etwa von „The Who“), prügeln sich gern mit Rockern und nehmen Drogen. Die Mods werden nicht glorifiziert. Die sozialen Verhältnisse waren, jedenfalls zu dieser Zeit, in England schroffer und die Perspektiven der Jugend viel schlechter. In gewissem Sinn kann man diese Kultur daher mit dem späteren Gangsterrap vergleichen. In „Quadrophenia“ wird ein ziemlich glaubwürdiges Zeitbild entworfen. Der Film hat keine besonders ausgeklügelte Story, aber er wirkt über weite Strecken authentisch.

Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mods (Darsteller Phil Daniels war bei den Dreharbeiten selbst erst 19) und seiner vergeblichen Rebellion gegen die Spießerwelt der Erwachsenen. Er erlebt Schritt für Schritt einen Abstieg, nachdem es ihm zunächst gelingt, ein attraktives Mädchen (Leslie Ash) durch seine wilden und verrückten Aktionen zu gewinnen. Probleme bekommt er, als er feststellt, daß ein guter Freund Rocker geworden ist, und er nicht weiß, ob er die Freundschaft wahren oder künftig zu ihm Distanz halten soll. Nach einer Massenschlägerei mit Rockern bei einem Volksfest in Brighton wird er vor Gericht gestellt und zu einer empfindlichen Geldbuße verurteilt. Er verliert seinen Job als Bürobote (den er aber ohnehin haßt) und wird aus seinem Elternhaus rausgeworfen. Ash kündigt ihm darauf die Freundschaft, weil er seinen Mod-Lebensstil übertreibt; sie behauptet, ihre kurze Romanze in Brighton – befeuert durch die Gefahr der Unruhen und des brutalen Polizeieinsatzes – sei für sie nur „ein Spaß“ gewesen. Der absolute Tiefpunkt für Daniels ist erreicht, als er herausfindet, daß ein von ihm sehr verehrter Mod (gespielt von Sting), der anscheinend den Kampf gegen Bürgerlichkeit wirklich überzeugend lebt, an der Südküste in einem Hotel als Kofferträger arbeitet und also ein perfektes Doppelleben führt. Darauf klaut er dessen silbernen Motorroller (ein absolutes Mod-Statussymbol) und läßt ihn die Klippen hinabstürzen. Das ist keine Lösung, aber immerhin ein eindrucksvolles Filmende.

Was „Quadrophenia“ fehlt, ist Reflektion der Mißstände, an denen die englische Gesellschaft leidet. Daniels sagt einmal: „Irgendwer muß man doch sein. Ich will nicht dasselbe sein wie all die anderen. Darum bin ich Mod.“ Das klingt heute schon ein bißchen schräg, nachdem es keine ausgeprägten oder gar konkurrierenden Jugendkulturen mehr gibt. Gut herausgearbeitet wird, daß Jugendliche damals von Erwachsenen kaum ernst genommen wurden – sie werden mit stumpfsinnigen Jobs abgespeist und sollen sich dafür möglichst ruhig verhalten. Das hat sich ziemlich geändert. Arbeitgeber müssen heute auf die Work-Life-Balance junger Arbeitskräfte größtmögliche Rücksicht nehmen. Die Reaktion der Eltern auf das Aufbegehren der Mods wirkt hilflos – man wundert sich beinahe, daß sie sich der Nutzlosigkeit ihres eigenen Lebens nicht bewußt werden. Auf Reflektion der Probleme kann aber in meinen Augen doch verzichtet werden, weil die Zeiten einfach vorbei sind.

Die Who-Bandmitglieder waren – kurz vor dem Tod von Drummer Keith Moon – an dem Film beteiligt, haben den von eigenen Songs dominierten Soundtrack erarbeitet, und Gitarrist Pete Townshend hat auch ein paar Hinweise zum Drehbuch gegeben. Gut möglich, daß der Hauptdarsteller ein Stückweit den jungen Townshend porträtiert. „Quadrophenia“ hat laut wikipedia sogar zu einem kurzzeitigen Mod-Revival geführt, die Bewegung konnte sich aber gegen den damals in England vorherrschenden Punk nicht mehr durchsetzen. Der Film ist sicher ein Zeitdokument, und das Schicksal des Helden hat mich nicht unberührt gelassen.

Geändert von Peter L. Opmann (29.04.2023 um 07:09 Uhr)
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Alt 29.04.2023, 08:26   #1168  
Marvel Boy
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Guter Film, der mich schon beim ersten schauen angesprochen hat, und den ich danach merfach gesehen habe, auch wenn mir die Jugendkultur der Mods bis dahin unbekannt war. Ein Punkt der den Film natürlich mitträgt ist eindeutig die Musik für mich.

KEEP CALM AND DON'T SMASH!
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Alt 29.04.2023, 09:24   #1169  
Servalan
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Vor einiger Zeit habe ich den auch gesehen. Hat mir gefallen.

Anzüge und Krawatten haben nichts Skrupeln zu tun, jedenfalls nicht in den 1970er Jahren und nicht in England. In der Krimireihe „The Sweeney“, deutscher Titel „Die Füchse“, haben die Kriminalbeamten auch Anzüge getragen, gleichzeitig gehörte die Lust am Prügeln dazu. Ähnlich sah es in den Borstals, den Jugendheimen, aus, dort trugen die erwachsenen Aufseher Anzüge. In einem britischen Film über Borstals, „Made in Britain“ oder „Scum“, gibt es eine Szene, in der die Zöglinge einzeln in ein Zimmer geladen werden, wenn sie dort ankommen. Eine rituelle Prügel stellt das praktisch die Aufnahme dar. Insofern sind die Mods zeitgenössische Anzugträger ...

Soweit ich mich erinnern kann, galt Großbritannien vor Margaret Thatcher ökonomisch als „kranker Mann Europas“. Die Ölkrise 1973 muß da ziemlich hart durchgeschlagen haben, entsprechend heftig war die Arbeiterkultur drauf. Thatcher hat denn ja auch im längsten Streik die Gewerkschaften ausgelaugt und beiseitegeschoben ... Die Jugendlichen haben das natürlich mitgekriegt.
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Alt 29.04.2023, 09:35   #1170  
Peter L. Opmann
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Die Mods stammen aber ursprünglich aus der Zeit von etwa 1960 bis 65. Das war also eine schon etwas länger andauernde Krankheit.

Im Film sieht man zwar Armut, aber ich glaube, noch mehr fällt ins Gewicht, daß die englische Gesellschaft eine starre Klassengesellschaft war. Wer kein Geld hatte und aus der Unterklasse kam, galt nichts. Es wurde aber trotzdem erwartet, daß er nicht aufmuckte und immer schön funktionierte. Das war mit den Verhältnissen in Deutschland wohl auch vergleichbar; im Wirtschaftswunder klappte der Aufstieg nur etwas besser.

Zudem spielte in Deutschland eine Rolle, daß die alten Nazis wieder zu Ansehen gekommen waren und auch meinten, sie könnten den Jugendlichen weiter die alten Werte aufdrücken. Unruhen hat die Rockrevolution hier schon auch ausgelöst.
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Alt 29.04.2023, 13:35   #1171  
Servalan
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In der englischen Wikipedia gibt es einen umfangreichen Artikel über die Subkultur der Modernists, wie die Mods mit komplettem Namen heißen. Danach fing das 1958 in London an. Als „Quadrophenia“ entstand, dürften die Mods auf dem absteigenden Ast gewesen sein; denn dort heißt es, der Film hätte ein Revival der Mods ausgelöst.

Filmemachen mit Zelluloid ist eben ein langwieriger Prozeß mit einem verhältnismäßig großen Team. Der kann nicht locker aus der Hüfte geschoßen werden - wie heute ein Handyfilm. Insofern ist auch das Authentische ein gemachtes Produkt, das vor der Kamera für das Publikum inszeniert wird. „Quadrophenia“ war ja kein Dokumentarfilm, sondern ein Spielfilm.
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Alt 29.04.2023, 14:17   #1172  
Peter L. Opmann
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Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Als „Quadrophenia“ entstand, dürften die Mods auf dem absteigenden Ast gewesen sein; denn dort heißt es, der Film hätte ein Revival der Mods ausgelöst.
Das habe ich auch gelesen.
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Alt 30.04.2023, 20:19   #1173  
Nante
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Ich wollte schon länger noch einmal was über einen bzw. zwei Eisenstein-Filme schreiben. (Keine Angst, danach ist dann endgültig Schluß. ) Aber dazu wollte ich sie mir vorher doch noch mal anschauen. Es geht natürlich um die beiden Teile von „Ivan Grosny“ über den ersten russischen Zaren ( "der Schreckliche" ist eine eher unglückliche Übersetzung).

Teil I (1944/1945) setzt mit der Selbstkrönung des jungen Großfürsten zum Zaren (Also Kaiser!) ein. Fast alle wichtigen Akteure sind hier bereits vertreten. Wie üblich bei „großen Männern“ überwiegen eindeutig offene Gegner, Neider und falsche Freunde. Vor allem natürlich „der Westen“ (Polen, Deutsche,) und „die Bojaren“. Aber auch „die Kirche“ übt sich in Opposition.

Kaum gekrönt entwirft er in seiner Rede ein politisches Grundsatzprogramm, was die Eroberungen der nächsten Jahrhunderte als völlig logisch legitimiert und damals bei Stalin (wie heute bei Putin) ein beifälliges Nicken ausgelöst haben dürfte.

Erst einmal aber steht eine Hochzeit an, die nur durch eindringende Volksmassen und dann durch Gesandte der Tataren aus Kasan gestört wird. Letztere führt dann umgehend zum ersten „gerechten“ Krieg des Herrschers.

Nach dem erfolgreichen Ende dieses Feldzuges von einer schweren Erkrankung genesen betraut er seinen vermeintlich besten Freund , Fürst Kurbsky mit dem Feldzug gegen „die Livländer“. Im Gegensatz zum Zuschauer ahnt er noch nicht, daß dieser in seine Frau verliebt ist und ihn eigentlich schon verraten hat.

Die sich häufenden Rückschläge (Natürlich durch Verrat) und der Tod seiner Frau (Im Film vergiftet durch seine Tante Jefrossinija,die ihren Sohn auf den Thron bringen will, die spinnenhafte Oberintrigantin) verzweifelt der Zar fast an Gott und seiner Mission. Der Metropolit ist ihm mit seinen ausgesuchten Psalmen keine große Hilfe.

Ermutigt durch seine letzten Getreuen, aus „niederem Stand“ beschließt er aber schließlich doch, den Kampf fortzusetzen. Zu diesem Zweck verlegt er seinen Regierungssitz weg von Moskau in ein Kloster und beschließt die Gründung der „Opritschnina“, einer Garde von Getreuen, eines „Walls aus Eisen“. (Das eigentliche Wesen dieser Organisation umfaßt in der Realität noch einiges mehr aber das würde hier zu weit führen.)

Beides wird in volkstümlicher Form „dem Volk“ kundgetan, was sich daraufhin in einer riesigen Prozession zum Kloster aufmacht, um den Zaren „heimzuholen“, der sich dann (natürlich nur im Interesses Rußlands) dazu bereit erklärt.

Der Film fasst die Jahre 1547 bis ca. 1565 zusammen, als würden nur wenige Jahre vergehen. Nur der bereits aus „Alexander Newski“ bekannte Hauptdarsteller Nikolai K. Tscherkassow altert im Laufe der Handlung zusehends, wobei man schon einige Fantasie braucht, um ihn zu Beginn des Filmes trotz glattem Kinn noch als Teeager zu betrachten.

Von den Episoden Kasan-Feldzug und der Prozession am Ende abgesehen spielt die Handlung fast nur in den fensterlosen und kahlen Räumen des Kreml, der hier weniger wie ein Schloss als eher wie ein Bunker oder Katakomben wirkt. Dies und die flackernden Kerzen, die dadurch hervorgerufenen Schatten (verstärkt noch durch den S/W-Dreh) erzeugen eine düstere und klaustrophobische Atmosphäre, in der Schurken im Schatten abtauchen oder ihre Intrigen spinnen.

Das ganze gibt dem Film einen unrealen Touch, der mal wie ein gefilmtes Theaterstück wirkt dann wieder wie ein Monumentalfilm der Stummfilmzeit. Langdauernde Großaufnahmen von Gesichtern wechseln mit pathetischer mittelalterlicher Religiösität oder Monologen der Hauptdarsteller.

Im Gegensatz zu seinen frühen Filmen setzt Eisenstein hier keine neuen küstlerischen Akzente, filmt eher konservativ. Nur am Ende, als er die Menschenschlange der Prozession mit dem Kopf des Zaren filmt, blitzt wieder kurz seine Genialität auf. (Das ist nur meine persönliche Meinung. Es gibt dazu auch andere Meinungen von Leuten, die berufener sind als ich.)

Hat Eisenstein in „A.Newski“ noch den „Führer“ als eins mit den Menschen und seinen Gefährten dargestellt, so ist der Herrscher hier oft auch optisch allein, weil niemand mehr ihm in seinen Visionen zu folgen vermag, ja seine Pläne nicht nur am Verrat sondern auch an der begrenzten Aufassungsgabe seiner Mitkämpfer scheitern.

Aber ein echter Führer läßt sich dadurch nicht aufhalten und geht weiter seinen Weg. – Kein Wunder, daß der Film einem Stalin auf dem Höhepunkt seiner Macht (1945) gefallen haben soll. Beim zweiten Teil wird sich das allerdings ändern.
Nante ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.04.2023, 20:20   #1174  
Nante
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Teil II (1946) beginnt wieder mit einer prunkvollen Zeremonie. Diesmal allerdings in Litauen/Polen, wo der Verräter Kurbsky dem polnischen König Sigismund huldigt.
Waren die „Westler“ in "Alexander Newski" zwar böse aber doch zumindest gefährlich dargestellt, sind es hier nur eitle Fatzken (Vorbild standen wohl die „Mignons“ Heinrich III. ), deren Gerede von einer „Zivilisierung“ der Russen lächerlich klingt. Logisch, daß der Spuk sofort vorbei ist, als man von der Rückkehr Ivans nach Moskau hört.

In Moskau kommt es inzwischen zur Konfrontation zwischen Ivan und seinem ehemaligen Freund Fjodor, nun der Mönch, kurz darauf der neue Metropolit Philip. Dieser läßt sich auch durch die Erzählung (Rückblende) Ivans über seine einsame Kindheit als Waise nicht von seiner Konfrontation gegen den „Neuen Kurs“ abbringen.

Ivan lenkt beinahe ein, als es um die Hinrichtung von Verrätern (natürlich Bojaren) geht aber sein Oprotschnik Maljuta kann ihn überzeugen, die Sache „durchzuziehen“

Höhepunkt der Konfrontation zwischen Zar und Metropolit ist eine Szene in der Kathedrale, in der Philip erst ein Schauspiel aufführen läßt, was Ivan als Fürst der Gottesfeinde darstellt und dem er dann auch noch den Segen verweigert. Aber da sich Ivan nicht einschüchtern läßt endet das Duell der Alphatiere mit der Verhaftung des Kirchenfürsten.

Die verbliebenen Bojaren planen nun als letzten Ausweg die Ermordung Ivans, worauf sein nächster Verwandter, der debile Wladimir, Sohn von Jefrossinija, der schon im ersten Teil agierenden Tante Ivans, der Nachfolger werden. Sie ist auch diesmal wieder die treibende Kraft.

Wladimir ist auf ein Fest des Zaren geladen und soll so gleich den auserkorenen Attentäter einschmuggeln. Auf dem Fest geht es hoch her. Die Opritschniki tanzen und vor allem Ivans Liebling unter ihnen (und wohl in der Realität sein Liebhaber) Fjodor treiben allerlei Schabernack.

Wladimir aber betrinkt sich und wird von Ivan getestet, ob er Zar werden will. Als er durchfällt (er will) wird ihm als Zar gehuldigt und er dann in einer gespenstischen Szene in einer Art Prozession in die Kirche geleitet, wo er anstelle des Zaren dem lauernden Attentäter zum Opfer fällt. Die triumphierende Jefrossinija muss entdecken, daß der Tote ihr Sohn ist.

Nachdem nun alle inneren Feinde ausgeschaltet sind, kann sich der Zar darauf konzentrieren, nun seine „historische Mission“ zu erfüllen und Rußland stark und sicher zu machen. Im letzten Bild sieht man ihn im Kreise seiner Getreuen, denen er glorreiche Zeiten verspricht.

Diese sollten dann sicher im dritten Teil folgen aber dazu kam es bekanntermaßen nie. Auch dieser zweite Teil konnte erst nach Stalins Tod gezeigt werden, dem dieser Teil wohl überhaupt nicht gefallen haben soll.

Das lag wohl weniger an der generellen Aussage des Films, denn die ist wie die im ersten Teil: Der Zar will ein starkes Rußland für die einfachen Menschen schaffen und wird daran durch die „Volksfeinde“ und auswärtige böse Mächte behindert. Und die haben sich im Vergleich zum ersten Teil nicht geändert, sind nicht einmal gealtert.

Geändert aber hat sich Ivan selbst! Im ersten Teil war er meist noch ein eher normal wirkender, wenn auch strenger Herrscher, dem Nikolai Tscherkassow mit pathetischen Gesten und starren Blicken gab, der aber auch noch Vertrauen hatte und sich an „den einfachen Dingen“ freuen konnte.

Nun aber ist er nur noch ein Getriebener, der ständig zwischen Selbstmitleid und Aktionismus, zwischen Paranoia und Überheblichkeit wechselt. Am Ende gibt es für mich einige Anklänge an „Richard III.“, denn die ganze Epiode mit Wladimir läßt sich eigentlich nicht anders als „Heimtücke“ beschreiben.
Die auch optisch zunehmende Verwahrlosung des Zaren dürfte dem damals aktuellen Herrn im Kreml, der sehr auf seine Außendarstellung bedacht war, ebenfalls nicht geschmeckt haben.

Eine Szene fand ich in dieser Hinsicht besonders beeindruckend:

Die hingerichteten Bojaren sind aufgebahrt und werden von ihren Freunden und Angehörigen betrauert. Dann erscheint der Zar mit Maljuta. Anfangs scheint es, als ob ihn der Anblick der Toten quält, er wechselt Blicke mit Maljuta. Wird er ihn gleich bezichtigen, gegen seinen Willen gehandelt zu haben? – Nein, er blickt auf die Toten und murmelt nur „Zu wenige!“ Schnitt!

Sicher war Stalin auch nicht der einzige, der Parallelen zwischen der Oprotschnina und dem NKWD zog. Ihre orgiastische (= undisziplinierte) Ausgelassenheit auf dem Fest dürfte darum ebenfalls sein Mißfallen erregt haben.

In der Literatur ist ja umstritten, ob nun nur der erste Teil eine Huldigung oder nur der zweite Teil eine Abrechnung mit Stalin wären oder beide das eine oder das andere. Antwort hätte sicher der dritte Teil gegeben.

Nicht umstritten sind aber die Stilelemente Eisensteins. Da der zweite Teil überhaupt keine Außenaufnahmen mehr hat, bekommt die Kameraführung und das Schattenspiel noch größere Bedeutung. Dazu wieder die pathetische Spielweise aller Darsteller. –Ja, ich weiß schon, warum ich diese Filme liebe. Sie sind „sowas von Stummfilm“…

Und damit Schluss!

Geändert von Nante (30.04.2023 um 20:27 Uhr)
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Alt 30.04.2023, 22:58   #1175  
Peter L. Opmann
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Ich hätte kein Problem damit, wenn Du zu noch mehr Eisenstein-Filmen etwas zu sagen hättest.

Also ich lese, daß die beiden Filme von 1944 und 1958 sind - also eigentlich keine Stummfilme. Und ich habe mal nachgesehen, wie das mit "der Schreckliche" ist. Man müßte richtig wohl "der Gestrenge" übersetzen. Auf jeden Fall ist sein Bild im Westen eher negativ. Aber ich muß gestehen, ich kenne die russische Geschichte kaum. Habe ich erst kürzlich bemerkt, als ich versucht habe, mich über die "Kiewer Rus" zu informieren.

Allerdings: Auch über die amerikanische Geschichte habe ich erst vor ein paar Jahren mal ein umfangreicheres Buch gelesen. Allein der amerikanische Bürgerkrieg gibt ja eine Menge her - ach, wenn man nur alles lesen könnte, was man lesen möchte. Aber die westeuropäische Geschichte - vor und nach Napoleon - ist schon interessant genug und verrät mir manches über die Verhältnisse, in denen ich heute lebe.
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