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Alt 16.09.2009, 22:13   #1  
Peter L. Opmann
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Standard Meine Comics der 70er und frühen 80er

Im bsv-Forum hat man mich gebeten, meine Auseinandersetzung mit den Comics meiner Kindheit und frühen Jugend auch hier auf den Comicguide-Seiten reinzustellen. Zwei längere Texte von mir sind schon im Internet, ein dritter noch nicht. Also habe ich mir gedacht, ich stelle auch den online, damit alle einen Anreiz haben, hier reinzuschauen.

Mit diesem dritten Text ging alles los. Er hieß "Die frühen Jahre" und war eine Beilage zu meinem Fanzine PLOP # 58 (Juli 2000). Ich habe da über die allerersten Comics geschrieben, die ich quer durch die Verlage gelesen habe, etwa ab 1971. Eigentlich sollte ich das hier in einen Thread namens "Damals war's" reinschreiben, aber den habe ich nicht gefunden. Unter "Comics allgemein" sind die Texte aber, glaube ich, ganz gut aufgehoben.

Wie ich sehe, darf ich leider keine Anhänge hochladen - vielleicht kommt das ja noch. Ich setze trotzdem jeden Comic in einen eigenen Beitrag; vielleicht kann ich die Bilder dazu ja später noch ergänzen. Ich fange jetzt mal mit dem Vorwort an, der Rest der Texte folgt in den nächsten Tagen. Viel Spaß.
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Alt 16.09.2009, 22:20   #2  
Peter L. Opmann
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Standard Die frühen Jahre (PLOP-Beilage Juli 2000)






"Auf dem Bett liegen, Cola saufen und Comics lesen - das war für mich das Größte."
Rochus Hahn im Interview der Fuldaer Zeitung

Vorwort

Auf meine Rezension der "Spiderman"-Schuber in PLOP # 56 gab es einige Resonanz. Manches davon ist auf den Leserbriefseiten nachzulesen. Die Frage: Was hat mich damals an diesen Comics interessiert? scheint auch andere umzutreiben. Und Jo Guhde hat jetzt in anderem Zusammenhang geschrieben: "Buck Danny ist einer meiner Lieblingscomics, denn er war der erste realistische Comic, den ich je zu Gesicht bekam und der mein ganzes weiteres Leben geprägt hat. Ohne ihn hätte ich vielleicht mit Comics gar nichts am Hut." Bemerkenswerter Gedanke: Wo war bei mir die Weichenstellung, ohne die ich möglicherweise von der Comicleidenschaft verschont geblieben wäre? Dieser Frage bin ich hier nachgegangen – obwohl ich bezweifle, daß sich die Antwort noch finden läßt - und habe noch einmal in alten Comicheften geblättert. Es geht zurück in die 70er Jahre, wobei ich hier nicht unbedingt dem Zeitgeist der Epoche nachspüren will. Die Betrachtung bleibt persönlich. Erster Befund: Meine Kindheit war comicmäßig hauptsächlich davon geprägt, daß ich wenig Geld hatte. Was mich aber nach meiner Erinnerung damals nicht sonderlich gestört hat. Auf jeden Fall habe ich mir, bis ich etwa 15 war, notgedrungen viel mehr Comics ausgeliehen als gekauft. Einer meiner Freunde hatte ein "Thor"-Heft, einer ein "Kobra"-Heft, wieder ein anderer sogar ein superteures "Zack"-Heft. Es mochte Monate dauern, bis ich endlich mein eigenes "Thor"-Heft in den Händen hielt. Glücklicherweise hatte ich nie Mühe, Comics zu borgen, und so habe ich mich wohl mehr darüber geärgert, daß meine Freunde sich nicht mehr Comics kauften, als daß ich so wenig Geld hatte. Ein paar Comics bekam ich übrigens auch von meinen Eltern, aber die haben mich wie beim Taschengeld eher kurz gehalten. Was soll's - ich war noch kein Konsumtrottel, der nur zufrieden ist, wenn er immer mehr Güter anhäuft. Meine Comicerfahrungen waren damit sehr vielfältig – ich las, was halt greifbar war. Nach einer Weile hatte ich durchaus viele Comics, aber lauter verschiedene. Drei Schwerpunkte gab es: "Bessy" (ohne daß ich mir je Gedanken darüber gemacht hätte, wie ich an die gut 250 Ausgaben herankommen sollte, die ich verpaßt hatte), Marvel-Superheldencomics (bei denen es Mitte bis Ende der 70er Jahre ebenfalls völlig illusorisch war, alle zu sammeln) und ab 1980 dann Volksverlag-Comics. Zu dieser Zeit überstiegen nur noch Alben mein Budget. Diese Schwerpunkte kommen hier nur am Rande vor. Ich habe auch die Hefte geliebt, von denen ich nur ein Exemplar besaß. Leider kann ich hier nicht über alle meine frühen Comics schreiben. Irgendwann wird’s sicher auch langweilig. Oneshots, die mir viel bedeutet haben, die aber hier auf der Strecke geblieben sind, sind zum Beispiel zwei der "Comics. Weltbekannte Zeichenserien"-Sammelbände von Carlsen, der Filmcomic "Der weiße Hai" # 2 vom Williams Verlag, eine "Kung Fu"-Ausgabe von Bastei, in dem es einen „Karate-Hai“ gab, das Rotbuch "Bernie der Milliardenflipper" über den Finanzbetrüger Bernie Cornfield von Giorgio Pellizzi und Mali & Werner, eine Satire, die ich erst viel später verstanden habe, dann eine TOP Comics-Ausgabe mit Wassermann (vermutlich von Jim Aparo gezeichnet; ich habe aber lange auf Neal Adams getippt), die "Rex Danny"-Ausgabe "Lady X schlägt zu", die vorzügliche EC-Anthologie "Der beste Horror aller Zeiten" aus dem Williams Verlag und ein "Zack"-Heft, in dem eine Episode des "Valerian & Veronique"-Abenteuers "Im Reich der tausend Planeten" enthalten ist. Kein Anspruch auf Vollständigkeit; viele meiner frühen Comics besitze ich überhaupt nicht mehr. Damals habe ich sie noch ohne mit der Wimper zu zucken verkauft, getauscht, manchmal sogar verschenkt oder einfach verliehen und nicht mehr zurückbekommen. Meine Erinnerungen, habe ich das Gefühl, sind ziemlich lückenhaft. Ich hoffe, daß die folgenden Spät-Rezensionen trotzdem ein wenig Aufschluß über mich geben. Und vielleicht kann sich ja auch der eine oder andere Leser wiedererkennen.

(Anmerkung: "Der weiße Hai" kommt dann später bei meinen Williams-Marvels-Favourites vor.)
(Noch 'ne Anmerkung: 1971 war ich sechs Jahre alt.)

.

Geändert von Peter L. Opmann (23.09.2009 um 08:31 Uhr)
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Alt 16.09.2009, 22:24   #3  
Peter L. Opmann
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Tarzan. Sohn der Affen # 101. Das Reiz-Gas. Bildschriften Verlag Alsdorf (ca. 1971). 1 Mark

Täglich der Schrei: „Ich bin Tarzan!“ Wenn uns die Kindergärtnerin nach draußen ließ, haben wir immer das gleiche Spiel gespielt, und wer zuerst draußen war, hat die Rollenverteilung festgelegt. Meistens war ich das (Tatsache – zu einem Crumb’schen Alpha-Männchen habe ich mich dann aber doch nicht entwickelt). Zu dieser Zeit habe ich praktisch keine Folge von „Tarzan“ im Fernsehen verpaßt; das war eine TV-Serie aus den 60er Jahren mit Ron Ely in der Titelrolle. Natürlich wußte ich damals nicht, daß das ein sehr alter Stoff ist und selbst der klassische Tarzan-Darsteller Johnny Weißmuller schon ein paar Vorläufer hatte. Ich erinnere mich noch an Tarzans Original-Schrei, der Bestandteil des Vorspanns war, und daß Tarzan von einer hohen Klippe ins Wasser sprang. Comics konnte ich mir damals noch nicht kaufen, aber manchmal haben mir meine Eltern vom Einkaufen ein Comicheft mitgebracht. Möglicherweise war dieses Tarzan-Heft mein erster Comic – gleich ein Volltreffer. Die Story ist simpel. Das Reizgas, das weiße Jäger im Dschungel versprühen, macht Tiere angriffslustig. Tarzan sieht nach dem Rechten, muß dabei gegen ein Krokodil und einen Panther kämpfen und stellt schließlich die Jäger. Sie beteuern, daß sie nur ein paar Tiere für Zoos einfangen wollten. Tarzan hält ihnen darauf eine Standpauke, besorgt ihnen aber ein paar Dschungeltiere für den Zoo. Aus heutiger Sicht ist diese Geschichte ziemlich schwachsinnig, denn warum die Jäger nicht einfach Fallen aufstellen oder Betäubungspatronen verschießen, wie das jeder andere tun würde, bleibt ihr Geheimnis (oder hat der Übersetzer gepfuscht?). Tarzan geht der Sache auch nicht weiter auf den Grund. Das Reizgas liefert allerdings reichlich Anlaß für Action, und wer denkt da schon über Logik nach. Am meisten beeindruckt hat mich damals Tarzans Kampf mit dem schwarzen Panther. Der krallt sich nämlich am Herrn des Dschungels fest, ohne daß Tarzan einen Kratzer abbekommt, und am Ende stößt ihm Tarzan sein Messer in den Nacken, was für mich damals ganz schön harter Stoff gewesen sein muß. Der Zeichner (Signatur RAD.) geht in die Richtung von Alex Raymond, aber dafür hatte ich als Kind keinen Blick. Ich habe lange Zeit keine weiteren Tarzan-Hefte mehr gelesen. Vielleicht war mein Bedarf mit Ron Ely dann doch gedeckt.
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Alt 16.09.2009, 22:26   #4  
Peter L. Opmann
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Bessy # 288. Der Letzte der Sekanis. Bastei Verlag, Bergisch-Gladbach (ca. 1971). 1 Mark

Wenn nicht „Tarzan“, dann war „Bessy“ mein erster Comic. Ich war damals natürlich weit entfernt davon, eine Serie regelmäßig zu lesen. Da war ich vom Wohlwollen meiner Eltern abhängig, und die verfuhren - auch in anderen Dingen - nach dem Erziehungsgrundsatz „Zu viel davon ist schädlich“. Aber „Bessy“ habe ich doch häufiger gelesen und hatte am Ende eine Sammlung von immerhin 60 bis 80 Heften, als ich sie auf dem Flohmarkt verkaufte. Auf die Idee, Comics auch längerfristig aufzuheben, bin ich erst viel später gekommen. Aber „Bessy“ war meine Serie, bis sie um 1975 von den Marvels abgelöst wurde. Sie war auch wirklich kindgerecht, muß ich aus heutiger Sicht sagen. In der vorliegenden Ausgabe, die meine erste gewesen sein könnte (ich habe sie vor ein paar Jahren auf einer Comicmesse nachgekauft), nehmen Tierschilderungen breiten Raum ein: Falken, die sich um ihren Nachwuchs kümmern, Streifenhörnchen, Kaninchen, Fuchs, Luchs, Uhu und natürlich die titelgebende Colliehündin tummeln sich in der Geschichte. Alles ganz allerliebst, auch wenn die Tiere aufeinander Jagd machen. Aber ihnen fehlt doch die abgefeimte Heimtücke des Trappers Burt Owens, der an die heiligen Falken herankommen möchte, ausgestopfte Totemtiere, deren Aufbewahrungsort nur der Mestize Klamath (eine Art letzter Mohikaner) kennt. Owens kidnappt Klamaths Falken und zwingt ihn damit, ihm das Versteck zu zeigen. Im Showdown fällt der Trapper dann aber ungeschickterweise in sein eigenes Messer. Der Falke kann sich selbst befreien. Also auch eine ganz schlicht gestrickte Story, die aber immerhin echte dramatische Momente hat. Mir fiel beim Wiederlesen auf, daß Andy Cayoon, Besitzer des Collies Bessy und somit beinahe Hauptfigur der Serie, ähnlich wie Tintin oder wie der Spirit die Geschichte nur am Rande begleitet. Wie Tintin ist auch er quasi charakterlos, ein Mann ohne Woher und Wohin, ohne Biografie, ein Mann ohne Eigenschaften. Man kann viel in ihn hineinprojizieren. Was mich vor fast 30 Jahren letztlich an „Bessy“ fasziniert hat, erschließt sich mir heute leider nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch daran, daß ich mich jahrelang gewundert habe, warum Andy auf den Covers von Klaus Dill eine Bluejeans, im Heft dagegen immer eine etwas glänzende, schwarze Hose (Lederhose?) trägt.
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Alt 17.09.2009, 02:02   #5  
FrankDrake
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Klasse, mehr davon
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Alt 17.09.2009, 07:18   #6  
Overstreet
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Toll, aber wie sieht´s mit Absätzen aus?
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Alt 17.09.2009, 08:31   #7  
Peter L. Opmann
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Zugegeben, das Vorwort ist ein ganz schöner Textblock, aber die Texte über die einzelnen Comics sind doch ohne Absätze lesbar, oder? Ich will mich eigentlich bequemerweise auf Copy & Paste beschränken.

Aber danke schon mal für das Lob. Ich hänge jetzt noch ein paar Texte an, werde aber heute morgen wohl mit den ersten "frühen Jahren" noch nicht fertig.
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Alt 17.09.2009, 08:34   #8  
Peter L. Opmann
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Berühmte Geschichten # 22. Klaus Störtebeker, 1. Teil. Bastei Verlag, Bergisch-Gladbach (ca. 1972). 1 Mark

Auch ein Comicheft, das mir irgendwann mal meine Eltern gekauft haben. Die näheren Umstände habe ich vergessen. Aber die Piratengeschichte hat mich auf jeden Fall ziemlich beeindruckt. Schon ein Vorgeschmack auf die Superhelden: Störtebeker knallt den geleerten Becher so brutal auf den Tisch, daß er zerquetscht wird (daher sein Name). Piratenhauptmann Gödecke Michel bleibt der Mund offen stehen: „So was hab’ ich noch nicht gesehen!“ Er testet darauf noch Störtebekers Fechtkünste, und dann bekommt der ehemalige Gefangene der Dänen sein eigenes Kommando. Im folgenden räumen die Seeräuber mehrmals unter rüstungtragenden Marinesoldaten auf und kapern etliche Schiffe. Die Geschichte hat ansonsten keinen besonderen Spannungsbogen, ist auch nur der erste Teil eines Zweiteilers. Mir hat sich dennoch die Einführung des Helden eingeprägt, und ich habe mir immer wieder mal gern die detailliert gezeichneten Segelschiffe angeschaut (ansonsten sind die Zeichnungen, vermutlich aus einem spanischen Studio, nichts besonderes). Beschäftigt haben mich die Rüstungen der Dänen. Aber deshalb, weil die Soldaten im Kampf gegen die Vitalienbrüder immer den Kürzeren ziehen: Sie stürzen Treppen hinunter, gehen über die Reling oder werden einfach k.o. geschlagen (explizitere Gewalt kommt nicht vor). Klar, dachte ich, ihre Rüstungen behindern sie ungemein. Ein wenig zog ich auch in Erwägung, daß Helm und Brustpanzer den Träger vielleicht im Kampf schützen sollen. Aber andererseits hatten die Soldaten bloße Arme und die Beine nur in Stoffhosen. Jedenfalls, solange ich das Heft immer mal wieder hervorgezogen habe, blieb es mir ein Rätsel, wozu die Rüstungen eigentlich gut sind. Noch ein Rätsel bot sich mir auf dem Backcover, auf dem das nächste Heft angekündigt wurde: „Klaus Störtebeker, 2. Teil: Die Rache der Verdammten“. Da sah ich acht Piraten, die eine Seilwinde drehen. Daß das eine Seilwinde ist, wußte ich damals noch nicht. Mir war schleierhaft, was diese Männer da machen. Aber Rätsel stören einen kleinen Jungen ja nicht, sie regen höchstens seine Fantasie an.
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Alt 17.09.2009, 08:37   #9  
Peter L. Opmann
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Robin Hood # 4. Bastei Verlag, Bergisch-Gladbach (1973). 1 Mark

Ich kann mich noch erinnern, daß mein Vater mir dieses Heft mal mitgebracht hat. Mein Vater hat sich nie auch nur annähernd im Comic-Angebot ausgekannt. Doch er wußte, daß eine Jugendausgabe von „Robin Hood“ aus dem Tosa Verlag das erste Buch gewesen war, das ich besaß und das ich gelesen habe. Das war noch bevor ich in die Schule kam; meine Oma hatte mir das Lesen beigebracht. Das Buch war übrigens auch eindrucksvoll illustriert, fand ich damals und finde ich noch heute, von einer gewissen Gertrud Purtscher-Kallab. Es waren locker skizzierte, dynamische Tuschezeichnungen mit kräftigen schwarzen Strichen. Meine Lieblingsepisode war Robins Begegnung mit „Guy von Gisburn“. Der Unhold wird wie folgt beschrieben: „Die Kleider des Fremden, seine Hose und sein Wams, waren aus haarigem Pferdefell; eine haarige Kapuze, an der Ohren aus Fell hochstanden, verbargen sein Gesicht und seinen Kopf. Er sah fürchterlich und furchterregend aus und war mit Köcher und Bogen, Schwert und Dolch bewaffnet.“ Gertrud Purtscher-Kallab hat die Begegnung entsprechend packend visualisiert. Robin verschweigt Guy listig seine wahre Identität und überrascht ihn dann im Zweikampf. Das Ende der Ballade ging damals fast über mein Fassungsvermögen: Robin wird von seiner Schwester, einer Nonne, zur Ader gelassen. Aber sie läßt ihm absichtlich zu viel Blut ab, so daß der Unbesiegbare elend zugrundegeht. Um auf das Comicheft zurückzukommen: das war nur ein fader Abklatsch solcher Dramen. Die französische Serie (Editions de Vaillant) sollte den Rächer der Enterbten burlesk-ironisch verkaufen. Guy de Gisborne, der gleich zu Beginn des Hefts auftritt, ist hier eine Art debiler Falstaff (er schlüpft nämlich in die Rolle des Sheriffs von Nottingham), und Robin Hood treibt munter seine Späße mit ihm. Man kann es Franzosen wohl nicht verdenken, daß sie die dramatischen Aspekte des britischen Helden nicht herausarbeiten können. Aber obwohl ich damals von Frankreich und Großbritannien noch nicht viel Ahnung hatte, hatte ich doch ein feines Gespür dafür, was der Geschichte fehlte. Außerdem merkte ich auch schon damals, daß das Heft recht lieblos coloriert war (im Original wohl schwarz-weiß). Ganz nett fand ich die in der Heftmitte laufende, mit Zweitfarbe Rot gedruckte Nebenserie „Fanfan der Husar“, ohne zu ahnen, daß hier Gerard Philipe vercomixt wurde. Fanfan wird unschuldig eines Diebstahls bezichtigt, entkommt mit akrobatischem Geschick den Häschern und beweist seine Unschuld. Wie er da über die Dächer turnt - ist das nicht eine frühe Vorahnung von Spider-Man?
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Alt 17.09.2009, 08:39   #10  
Peter L. Opmann
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Der schwarze Korsar # 2. Condor Verlag, Frankfurt (1973). 1 Mark

Diese Serie blieb nicht nur für mich Episode; Condor stellte sie nach nur drei Ausgaben ein. Der Verlag versuchte damals, mit anspruchsvollen spanischen Comics (eine weitere Serie war „Ringo“ vom gleichen Zeichner) im Comicmarkt einen Fuß auf den Boden zu bekommen, hatte aber nur mit TV-Comics Erfolg. „Der schwarze Korsar“ ist ein virtuos gestaltetes Genrestück mit vielen farbigen Charakteren (insbesondere auf der Seite der Bösewichter: der moralisch degenerierte Lord Benburry, der fette Sklavenhändler Hassan, der unheimliche Magier Nemur und eine amazonenhafte Piratenlady). Der Korsar befreit in diesem Heft Lord Benburrys Bruder, der in Hassans Verliesen schmachtet. Zuvor setzt ihm insbesondere der Magier Nemur mit Halluzinationen von Monstern schwer zu. Besonders eindrucksvoll taucht ein Dschinn-artiger Riese aus dem Meer auf und hebt ein Schiff wie ein Spielzeug hoch. Der schwarze Korsar trotzt allerdings mit Willenskraft den bedrohlichen Gaukeleien. Der Weg zum Gefangenen führt ihn außerdem zu einer verborgenen Inselfestung, durch unterirdische Geheimgänge und vermauerte Tore. Die Story wechselt immer wieder zwischen Komik und Dramatik, wobei Komik vor allem aus den Schwächen der eigenwilligen Charaktere entsteht. Die Grafik ist für das Heftformat ziemlich detailliert und gekonnt. Der Zeichner beherrscht vor allem auch Gesichter und Mienenspiel. Ich bin aber nicht sicher, ob ich damals als Achtjähriger nicht doch die biederen Abenteuer von „Bessy“ vorgezogen hätte, wenn ich am Kiosk entschieden hätte. „Der schwarze Korsar“ war etwas für ältere Leser, und die hatten schon „Primo“ und „Zack“.
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Alt 17.09.2009, 21:50   #11  
G.Nem.
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Bis jetzt Superb!!
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Alt 17.09.2009, 22:03   #12  
Armin Kranz
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Macht bisher riesigen Spaß, weiter so

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Alt 18.09.2009, 02:55   #13  
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Ist ja eine tolle Auflistung usw., aber da ich gelesen habe, daß Du 6 Jahre jünger bist, als ich: Ich kann mir einfach nicht vorstellen solche Gedanken gehabt zu haben, die Du hier schreibst.
Viele der Comics habe ich auch gelesen (Als sie erschienen!!). Aber als ich Superman Superspider gesehen habe, dachte ich nur WOW!!!!!!!!!!!!
Nicht BraBraBra. Das kommt jetzt vielleicht. Verstehe die Kritik nicht falsch, nur mit Augenzwinkern!!
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Alt 18.09.2009, 08:19   #14  
Peter L. Opmann
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@ Spideyfan1960:

Mich würde keinesfalls überraschen, wenn sich hier Leute melden würden, die sagen: Ich habe die gleichen Comics gelesen, aber hatte dabei ganz andere Eindrücke. Fände ich sehr gut, wenn sich vielleicht ein Erfahrungsaustausch ergeben würde. Ich habe, so gut das geht, versucht, mich in meine Kindheit zurückzuversetzen. Nicht ausgeschlossen, daß ich mich an dem einen oder anderen Punkt nicht mehr richtig erinnere. (Aber was "Super-Spider" und "Spirit" angeht, bin ich mir ziemlich sicher!)

Ich denke, das Alter ist auch ein sehr wichtiger Faktor. Wer jetzt unter 40 ist, kann zum Beispiel Williams nicht mehr richtig mitbekommen haben. Ich selbst habe den bsv nicht mehr richtig mitbekommen. Ein Zehnjähriger liest denselben Comic auch ganz anders als ein 16-Jähriger. Man kann sich natürlich später dazu entscheiden, daß man sich gezielt mit alten Comics beschäftigen will, und etwa den alten bsv-Kram nachkaufen. Aber Kindheitserfahrungen kann man nicht nachholen.
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Alt 18.09.2009, 08:37   #15  
Peter L. Opmann
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Standard Die frühen Jahre (geschrieben 2006)

Ich fange mal mit dem Text an, den ich ins bsv-Forum gestellt habe. Da ich heute viele Termine habe, kommt der Großteil der Sachen aber wohl erst in den nächsten Tagen.

Vorwort

Etwa mit fünf Jahren, um 1970, bin ich mit Comics in Kontakt gekommen. Meine Eltern brachten mir gelegentlich welche vom Einkaufen mit. Meine erste Lieblingsserie, von der ich nach und nach etwa 80 Bände sammeln konnte, war „Bessy“. Aber natürlich war ich damals noch kein Sammler. Ich konnte mir mit einer Mark Taschengeld pro Woche nur wenige Comics leisten. Die meisten lieh ich mir bei Freunden aus. Das heißt, ich las querbeet alles, was irgendwie erreichbar war. Aber realistisch gezeichnete Comics mochte ich von Anfang an lieber als Funnies.

Die Hit-Comics habe ich nicht mehr mitbekommen. Die Werbung für „Die Spinne“ hat mich sogar regelrecht abgeschreckt. Ich stellte mir darunter etwas sehr Gruseliges vor und ließ lieber die Finger davon. Thor war mir dagegen zu Beginn der Williams-Ära gleich sympathisch, und auch die Rächer, bei denen er mitmachte, gefielen mir. Nach und nach legte ich mir Hefte aller damals kursierenden Marvel-Serien zu.

Es gab für mich zwei voneinander getrennte Williams-Phasen. Die erste reichte von der dritten bis zur 16. Williams-Monatsproduktion. In dieser Zeit war ich Grundschüler und konnte mir, wie erwähnt, nur hin und wieder im A & O-Geschäft meines Heimatdorfs ein Marvelheft kaufen. Dann wechselte ich aufs Gymnasium in der Kreisstadt und kam eine Weile nicht mehr zum Comicskaufen. Nach knapp zwei Jahren habe ich mir dann wieder mal nach alter Gewohnheit eine Rächer-Ausgabe besorgt, die # 48.

Dieser Kauf war mit mehreren Überraschungen verbunden. Zunächst mal hatte sich bei den Rächern viel getan; aber die Story war von vorneherein so angelegt, daß nach und nach einige Rätsel gelöst wurden, so daß ich mich allmählich in der Serie wieder zurechtfand. Ich stellte auch fest, daß etliche Marvel-Titel überhaupt nicht mehr erschienen. Daß ich zwischendurch die Williams-Expansion verpaßt hatte, wurde mir erst einige Zeit später klar. Erstmals fiel mir auch der Titel „Horror“ auf. Nun war ich aber finanziell in der Lage, mir alle neu erscheinenden Marvelhefte zuzulegen. Bis zu „Spinne“ # 137 habe ich nur noch eine einzige Ausgabe ausgelassen, die irgendwie ausverkauft war, bevor ich sie in die Finger bekam – was dann beim nächsten Mal den Schock auslöste: Was, Gwen Stacy ist tot?!

Hier nun der Versuch, die Hefte, die mir besonders viel bedeutet haben, noch mal mit den Augen von damals zu betrachten.

Geändert von Peter L. Opmann (19.09.2009 um 11:50 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.09.2009, 08:41   #16  
jakubkurtzberg
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Hmm. Ich habe eigentlich nur Condor "live" mitbekommen. Dafür hat mich das Williams- und bsv-Fieber auf Flohmärkte getrieben, als ich die ersten "richtigen" Marvels sah. Das war mindestens genauso spannend. Vielleicht noch mehr, weil es ja nicht nur einzelne Hefte gab, sondern oft ganze Stapel. Wenn dann zwischendrin Nummern fehlten war das aber umso schlimmer.

Das größte für mich war ein großer Koffer voller bsv-Hefte, den mein Dad und ich Anfang der 80er bei einem jungen Kerl kauften. Der hatte sowas wie eine Haushaltsauflösung. Mich haben die anderen Sachen, wie Porzellangeschirr, Sammeltassen usw. aber nicht wirklich interessiert.
jakubkurtzberg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.09.2009, 09:15   #17  
Peter L. Opmann
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@ King:

Man kann nichts generalisieren. Wer weiß, vielleicht taucht hier auch mal jemand auf, der sagt, daß er erst mit, was weiß ich, 25 Jahren Comicfan geworden ist...
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.09.2009, 22:53   #18  
Peter L. Opmann
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Hulk # 3

Ich weiß nicht mehr, wann ich das erste Marvel-Heft in den Händen gehalten habe, geschweige denn, welches es gewesen ist. Natürlich konnte ich in diesem Augenblick noch nicht wissen, daß später mal viele 100 davon bei mir im Schrank stehen würden. Vielleicht war Hulk # 3 dieser erste Marvel-Band. Das Cover verrät jedenfalls, daß er zuerst einem Freund von mir gehört hat und ich ihn dann später irgendwie an mich gebracht habe. Mit diesem Freund verbinden mich Erinnerungen an viele aufregende Fahrradtouren. Ich glaube nicht, daß ich ihm das Heft geklaut habe; er hatte letztlich nicht so viel Interesse an Comics wie ich.

Diese Hulk-Story war für mich zunächst mal völlig fremdartig. Der große Geschichtenerzähler meiner Kindheit war der gute alte Fernseher, und die meisten Comics hatten irgendeine Beziehung zu TV-Serien, die ich kannte („Tarzan“ kannte ich von der TV-Serie mit Ron Ely, „Bessy“ war eine Mischung aus „Lassie“ und diversen Westernserien, und wenn ich mal an ein „Zack“ rankam, gab es dort ein Wiedersehen mit „Raumschiff Enterprise“). So etwas wie „Der Hulk“ gab es aber im Fernsehen nicht. Eigentlich kam die Figur ja aus dem Horror-Genre, aber das konnte ich damals nicht wissen. Die Herkunft dieses dicken grünhäutigen Burschen wurde in diesem Heft auch nicht erklärt. Die erste der zwei Episoden, die hier abgedruckt sind, ähnelt dennoch einer Origin-Story: Hulk tobt in einem unterseeischen Gefängnis, und die Menschen in seiner Umgebung zerbrechen sich die Köpfe, wie sie ihn loswerden können. Man erfährt, daß ein gewisser Dr. Bruce Banner sich immer nachts in den Hulk verwandelt, aber nicht, warum und was das bedeutet. Das macht die Geschichte allerdings auch interessant.

Zur zweiten Episode, in der der Ringmaster (hier als „Manegenzauberer“ übersetzt) wohl sein Debüt feiert, wird eine aus heutiger Sicht ziemlich plumpe Verbindung hergestellt: Der junge Sidekick Rick Jones hat aus unbekannten Gründen die mentale Kontrolle über den Hulk gewonnen und wird nun in der Zirkusvorstellung vom Manegenzauberer hypnotisiert. Der grüne Koloß gerät allerdings nicht außer Kontrolle, sondern eilt zum Zirkus, um seinem jungen Freund zu helfen (in der ersten Episode hatte er ihn noch zu Klump hauen wollen). Er schlägt einen Elefanten k.o. und reißt den Mast des Zirkuszelts aus seiner Verankerung. Ich glaube jedoch nicht, daß mir damals schon klar wurde, daß der Hulk nach den Vorstellungen seiner Erfinder das stärkste Wesen auf Erden sein sollte. Alles war ziemlich mysteriös, und ich war – ungeachtet meiner bescheidenen finanziellen Möglichkeiten – gewiß nicht motiviert, mir auch die nächsten Hulk-Ausgaben zu kaufen.

Die X-Men-Folge im Heft (der Schluß von „Uncanny X-Men“ # 1) war am ehesten ein typischer Superhelden-Comic: Superhelden im Latexkostüm im Kampf gegen einen richtigen Superschurken, nämlich Magneto. Aber auch mit diesem Konzept konnte ich eigentlich nichts anfangen. Trotz Zusammenfassung der ersten beiden Folgen auf der ersten Seite bekam ich nicht recht mit, warum das X-Team gegen Magneto kämpfte. Im Titel stand ja auch: „Die seltsamsten Superhelden der Welt!“. Details fielen mir als kurios auf: Der Engel, der Flügel unter seinem Trainingsanzug trägt, der coole Zyklop, der mit den Wachsoldaten verhandelt, oder der Eismann, der in seiner Nähe Kälte verbreitet. Aber ich war für solche Comics wohl einfach zu jung, mir fehlte ein richtiger Anfang, und ich wußte noch nicht, was Superhelden waren. Das verstand ich erst etwas später bei den „Rächern“, die im Prinzip ohne Origin-Story auskamen.

Ob ich das Vorwort von Remo (Reinhard Mordek) gelesen habe, weiß ich nicht mehr. Klingt natürlich aus heutiger Perspektive reichlich albern. Die Einrahmung mit den Köpfen der Marvel-Helden habe ich mir aber genau angesehen. Gut zu erkennen sind nur Hulk, Thor und das Ding von den Fantastischen Vier. Für den Zeichenstil der Comics hatte ich übrigens damals noch kein Auge (allerdings stammte ja auch alles aus dem Bleistift von Jack „King“ Kirby). Erst später wurde mir bewußt, daß bei Marvel verschiedene Zeichner jeweils eigene Manierismen hatten und wiedererkennbar waren. Ein letztes Rätsel war schließlich das Sammelbild auf dem Backcover, das den Sub-Mariner „Aquarius“ vorstellte. Da wäre sicher ein Hinweis nicht schlecht gewesen, daß er als Füller in „Die Spinne“ auftauchte. Aber deren Abenteuer wollte ich ja ohnehin nicht lesen.
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Alt 18.09.2009, 22:54   #19  
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Rächer # 4

Hulk war geheimnisvoll-faszinierend, aber für mich als Sieben- oder Achtjährigen nicht unbedingt unmittelbar zugänglich. Bei Thor war das anders, obwohl ich von germanischer Mythologie keinen Schimmer hatte. Das Cover von Thor # 7 zum Beispiel löst bei mir starke Kindheitsgefühle aus, die Story darin weckt dagegen seltsamerweise keine besonderen Früh-Erinnerungen. Wie Thor mochte ich auch die Rächer, bei denen er ja mitwirkt, gleich von Anfang an.

Die # 4 war eine der Rächer-Ausgaben, die ich zur Zeit ihres Erscheinens schon gelesen habe, wahrscheinlich die erste. Beim Cover hat mich eher der exakt gezeichnete Titelschriftzug als die Illustration gefesselt. Die Bedeutung des Namens „Rächer“ hat mich dabei nicht gekümmert (wen oder was rächen die eigentlich?). Was die Coverzeichnung betrifft: Die komisch kostümierten Gestalten, die da dynamisch auf den Betrachter zuspringen, kannte ich noch nicht, den als „Sensation“ angekündigten „Captain Amerika“ schon gar nicht.

Hier hatte ich mit der Story keine große Mühe, obwohl sie unmittelbar an das vorherige Heft anschließt, das ich verpaßt hatte. Stan Lees Manuskript ist von praktisch ununterbrochener Action geprägt, und sofern man mitbekommt, wer auf welcher Seite steht, fragt man da nicht groß nach Hintergründen. Trotzdem gibt es auch ausgesprochen nachdenkliche Passagen, insbesondere um Captain America, der in seinem Eisblock rund 20 Jahre verschlafen hat. Das war für mich durchaus zu erfassen und hat mich auch beschäftigt. In diese Kategorien gehören aber auch Caps Trauer um seinen toten Sidekick Bucky und Namors Qual der Ausgestoßenheit und Einsamkeit. Beachtlich, wie Lee das alles stimmig auf 23 Seiten untergebracht hat.

Der Kern der Story dreht sich um einen Außerirdischen, den Namor auf die Rächer angesetzt hat. Das ist aber natürlich nur der Vorwand, die Superheldencombo und den Tiefseeprinz erneut aufeinander zu hetzen. Auch beim Hulk gab es Kampfgetümmel. Warum das Rächer-Abenteuer für mich leichter verdaulich war, weiß ich nicht. Vielleicht ist es das Gruppenerlebnis – Kinder mögen schließlich auch Enid Blytons „Fünf Freunde“ oder die „drei Fragezeichen“. Thor war’s hier wohl nicht – der hatte nur beim Bergen des Raumschiffs des Außerirdischen einen größeren Auftritt.

Bei der Füllstory mit Captain Marvel erhoben sich für mich dagegen gleich wieder eine Menge Fragen: Wer ist dieser Kerl? Wer sind die Skrull, die sich selbst auch fragen, was der Mann auf der Erde treibt? Was hat es mit dem Bombenzylinder auf sich, den Captain Marvel vermißt? Die Story ist mit sieben Seiten zu kurz, um irgendeine Handlung richtig in Gang setzen zu können. Allerdings hat mich das damals nicht besonders gestört, das heißt, „Captain Marvel“ war kein Hinderungsgrund, weitere „Rächer“-Hefte zu kaufen. Für die Zeichnungen von Gene Colan, die zumindest bei der Seitenaufteilung ein paar Entwicklungsschritte weiter sind als die von Jack Kirby bei den Rächern, hatte ich absolut noch keinen Blick.

Von den übrigen Elementen im Heft habe ich mir nur die Checkliste mit Inhaltsangaben der Ausgaben dieser Monats-Produktion näher angesehen. Remos Editorial, die Leserbriefseite, das Frankenstein-Sammelbild, die Vorschau auf den nächsten Monat – davon hat sich mir nichts längerfristig eingeprägt. Die Vorschauen habe ich später lange und sehnsüchtig betrachtet (vielleicht rührt daher auch meine Affinität zum Cover von Thor # 7), aber hier sind die abgebildeten Titelbilder zu klein und verdecken sich zudem noch gegenseitig.
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Alt 18.09.2009, 22:55   #20  
Peter L. Opmann
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Spinne # 17

Wie schon erwähnt, hatte mir die bsv-Werbung ursprünglich den Eindruck vermittelt, „Die Spinne“ sei für mich womöglich zu erschreckend. Hier kamen vermutlich mehrere Faktoren zusammen: die Abbildung des Helden im Sprung, die Maske mit den großen leeren Augen, das Spinnen-Image generell. Der Werbeslogan hieß (glaube ich): „Im Kampf gegen das internationale Verbrechertum“ und sandte ganz andere Signale aus. Aber diesem Spruch traute ich nicht. „Die Spinne“ wollte ich zunächst mal nicht lesen.

Das Heft, das ich mir dann schließlich doch besorgte, hielt mehrere interessante Erfahrungen für mich bereit, angefangen beim Splashpanel. Während das Cover nach meiner Erinnerung auf mich keinen besonderen Eindruck machte, mußte ich mich auf Seite 2 dann erstmal zurechtfinden: Der Held kopfüber, die Perspektive von schräg oben, ein Blick in ein Fenster hinein – und das „internationale Gangstertum“ gleich am Tisch versammelt. Ein pfeilförmiges Panel klärt, wie speziell für mich geschrieben, den Leser, der womöglich bisher „in einer anderen Galaxis gelebt“ hat, darüber auf, daß er hier die Spinne vor sich hat.

Mit der Zeit merkt man dann, daß die Spinne an Wänden emporklettern kann. Das Netz, mit dem sie in luftigen Höhen umherschwingt, kommt nach dem Auftakt erst auf Seite 7 (eigentlich Seite 9) wieder zum Einsatz – da wurde ich nicht sofort allzu sehr verwirrt. Insgesamt setzt die Story nicht viel Vorwissen voraus. Man lernt zunächst das Chamäleon kennen, gegen das die Spinne offenbar schon gekämpft hat. Für seine Rache engagiert es den Hauptschurken dieser Ausgabe, Memrod, den Jäger (eigentlich Kraven; Memrod ist die lateinische Version des biblischen Jägers Nimrod). Memrod reist an, demonstriert gleich praktisch seine Kräfte, als wilde Affen und Schlangen ausbrechen, und erklärt, er wolle jetzt die Spinne jagen. Die Spinne hört das in ihrer bürgerlichen Identität Peter Parker mit. In einem kleinen Intermezzo werden auch J. Jonah Jameson und Peters Freundinnen Betty Brant und Liz Allen vorgestellt. So weit, so gut (nachvollziehbar).

Dann folgt etwas, was mich verblüffte: Viele Marvel-Superhelden sind in ihrer Anfangszeit mit recht begrenzten Superkräften ausgestattet. Die Spinne, die sich schon zu Beginn, als das Chamäleon flüchtete, auf ihren Spinnensinn nicht verlassen konnte, wird in ihrer ersten Begegnung mit Memrod fast besiegt und trägt eine äußerst schmerzhafte Schulterverletzung davon. Wie kann das nur einem Helden passieren, dachte ich (den ich mir wohl nur unverwundbar vorstellen konnte) – aber es war spannend und las sich gut. Am Ende setzt sich die Spinne zwar klar gegen Memrod durch, indem sie endlich ihre Superkräfte richtig anwendet. Aber da fällt dann auch so richtig auf, wie sie sich schnoddrig und selbstironisch-überheblich über ihren Gegner lustig macht. Auch das kannte ich bisher noch von keinem Comic- und wohl auch keinem TV-Helden. Von Peters privaten Problemen war in diesem Heft dagegen zunächst nicht viel zu bemerken, vielleicht abgesehen von dem Zittern seines Arms, das aus dem Schlag auf die Schulter resultiert und das Peters Geheimidentität beinahe aufdeckt (das befürchtet er zumindest).

Im Monat darauf habe ich dann die Spinne gleich wieder erlebt, in Rächer # 10, wo sie von Kang the Conqueror „geklont“ wird, die Rächer besiegt (die auch noch nicht so souverän über ihre Kräfte gebieten – Thors Hammer wird mit einem Spinnennetz eingefangen!) und schließlich vom Original gestoppt wird. Viele lockere Sprüche auch hier, die die etwas unlogische Story leicht wettmachen.

Die Zweitstory mit dem Submariner hat mich wieder mal nicht besonders angesprochen. Ich habe wohl nicht einmal deutlich registriert, daß ich Namor aus den ersten Rächer-Heften schon kannte, denn dort tritt er ja als Persönlichkeit nicht sonderlich in Erscheinung. Das gilt für seinen Kampf gegen Attuma hier auch. Trotz nur neun Seiten scheint es sich um eine komplette Episode zu handeln, aber mir fehlten einige Voraussetzungen, um sie richtig zu verstehen.
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Alt 18.09.2009, 22:56   #21  
Peter L. Opmann
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Thor # 12

Kommen wir also zu Thor, meinem eigentlichen Lieblingshelden in der Marvel-Frühphase. Ich muß auch frühere Ausgaben der Serie gelesen haben; gerade die Vorgängerausgabe mit dem Radioaktivmann kommt mir sehr bekannt vor, auch die # 9, wo Thor unter einer Pyramide begraben wird, und über die # 7 mit ihrer hinreißenden Coverillustration habe ich oben schon geschrieben. Wenn ich mir die Hefte meiner Sammlung aber so betrachte, dann macht die # 12 den Eindruck, als sei es die erste Ausgabe gewesen, die ich mir damals gekauft habe.

Thor ist problematisch, weil ich meine damalige Begeisterung für diese Serie viel weniger nachvollziehen kann als beispielsweise im Fall der Rächer. Es ist ein eigenartig zusammengestelltes Heft: Wie beim Hulk war die Titelserie relativ kurz (hier normalerweise 13 Seiten), und dann folgte eine Zweitserie, die länger und Thor darüber hinaus in allen Belangen deutlich überlegen war: Silver Surfer (hier übersetzt als „Silberstürmer“). Selbst mir als Zehnjährigem dürfte aufgefallen sein, daß die Füllgeschichte um Längen besser erzählt und gezeichnet ist als die Titelstory. Der Titel wurde natürlich deshalb so zusammengestellt, weil Thor langfristig eine der führenden Marvel-Serien war, Silver Surfer dagegen nach 18 Ausgaben schon wieder abtrat. Witzig: Just in der Folge, die zum Teil in diesem Heft abgedruckt ist, tritt der Silver Surfer gegen Thor an.

Trotzdem mochte ich den Silberstürmer längst nicht so wie Thor. Thor war einfach der Inbegriff des positiven, edlen Helden, wie ihn kleine Jungs eben mögen: Er sah mit der blonden Mähne, dem Cape und den Flügeln an seinem Helm wirklich aus wie ein Held, er war edelmütig bis zum schmerzhaften Pathos (das drückt sich schon in seiner Sprache aus), und er war wirklich superstark. Daß er der Marvelheld mit den definitionsgemäß größten Kräften war, habe ich zweifellos mitbekommen. Der Zauberhammer hat sicher einen zusätzlichen Reiz ausgemacht.

Wenn ich die Thor-Story, in der er wieder mal von seinem Halbbruder Loki reingelegt wird, heute lese, muß ich zugeben, daß sie zwar recht simpel, aber nicht ganz dumm konstruiert ist: Thor wird, da von Loki abgelenkt, von seinem eigenen fliegenden Hammer am Kopf getroffen und gerät damit unter Lokis Kontrolle. Der läßt ihn auf der Erde einigen Unsinn anstellen, bis die Götter von Asgard Thor auf dieselbe Weise zur Vernunft bringen, indem sie den Hammer nämlich so manipulieren, daß er noch einmal an den Kopf schlägt und den Bann bricht. Überraschenderweise ist das von dem Inker Joe Sinnott in einem sorgfältigen, aber etwas altmodischen Stil gezeichnet. Heute vermisse ich sofort das Artwork von Jack Kirby, 1975 hatte ich dafür noch keinen Blick.

Die Silver Surfer-Episode zählt wohl mit zum Besten, was John Buscema an seinem Zeichenbrett erschaffen hat. Vor allem dürfte sie mich aber wiederum inhaltlich angesprochen haben. Das Pathos ist hier quasi bis zur Parodiegrenze gesteigert: Ein „Guter“ kämpft gegen einen „Guten“ – nicht wie sonst üblich ausgelöst durch ein freundliches Mißverständnis, sondern wiederum listig eingefädelt von Loki. Auf Grund ihres eigenen Ehrenkodex können die beiden Helden letztlich nicht anders, als sich zu duellieren. Heute würde ich sagen: der eigentliche Kampf fällt relativ kurz aus, aber die Atmosphäre von Asgard gestalteten Lee und Buscema absolut überzeugend (mit Anleihen an klassische Robin-Hood- und Ritterfilme).

Später, als Thor zum support act der Spinne degradiert worden war, gingen mir seine Abenteuer eher auf den Wecker. Mein Bedarf an pathetischen Helden war irgendwann gedeckt, und die gebrochenen und neurotischen Charaktere, die für Marvel so typisch sind, wurden wesentlich reizvoller.
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Alt 20.09.2009, 20:43   #22  
Maxithecat
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Alt 19.10.2009, 12:02   #23  
Brisanzbremse
Mott (viel zu früh verstorben)
 
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Ich bin beim Aktualisieren der Themenübersicht mal wieder über diesen Thread gestolpert. Bin mir nicht sicher, ob der in diesem Unterforum wirklich am besten aufgehoben ist. Hat vielleicht jemand einen besseren Vorschlag? Wie wär's mit "Fanpages und andere Projekte"?
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Alt 19.10.2009, 15:57   #24  
Peter L. Opmann
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Tja, ich bin nun inzwischen mit diesem Forum ein bißchen vertraut, aber ich weiß auch nicht so recht. Auf jeden Fall sollte er dahin, wo er am ehesten gelesen wird.

Dummerweise schreibe ich nicht ausschließlich über Marvel, sonst würde ich ihn vielleicht bei "Nuff" ansiedeln (wenngleich es hier nur am Rande ums Sammeln geht). Aber so weiß ich nach wie vor keine bessere Lösung als "Comics allgemein".
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2009, 03:56   #25  
Schlimme
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Eine einzigartige Stärke des Comicguide-Forums sind seine Threads mit persönlichen Erinnerungen.

Vielleicht sollte man die in einem Forum sammeln?
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