Sammlerforen.net     

Zurück   Sammlerforen.net > Öffentliche Foren > Sammelgebiete > Film und DVD

 
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 16.04.2024, 06:29   #19  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.567
Nach „Unterwelt“ hat es sich für mich angeboten, den Vergleich zu „Die wilden Zwanziger“ (1939) von Raoul Walsh zu ziehen. Eckhart Schmidt sieht in ihm in seiner Doku „Hollywood Gangster“ (habe ich auf youtube gesehen) eine Summe des Gangsterfilms. Sicher, 1939 war das Genre noch nicht an seinem Ende angelangt, aber hier wurde der Gangstertypus, der die 1930er Jahre beherrscht hatte (James Cagney), dem gegenübergestellt, der dann in den 1940er Jahren bestimmend wurde (Humphrey Bogart). Der Film von Walsh erzählt eine wesentlich komplexere Story als der von Sternberg; er versucht, die kriminellen Entwicklungen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg quasidokumentarisch nachzuzeichnen. Da wir immer noch in Hollywood sind, ist es aber letztlich auch eine Liebesgeschichte auf der Folie des Gangstermilieus.

Es geht um drei Kriegskameraden: Cagney, Bogart und Jeffrey Lynn. Als der Krieg aus ist, stellt Cagney bei seiner Heimkehr fest, daß er nicht einfach in sein früheres Leben zurückkehren kann. Für ihn gibt es keine Arbeit – die Daheimgebliebenen haben die guten Stellen besetzt. Er muß sich als Taxifahrer durchschlagen. Dann wird die Prohibition (also ein striktes Alkoholverbot) eingeführt. Eher durch Zufall kommt Cagney mit dem Alkoholschmuggel in Berührung. Er merkt aber schnell, daß da viel Geld zu verdienen ist. Seine Geschäftspartnerin ist die Nachtclubbesitzerin Gladys George, eine Frau mit dem Herz am rechten Fleck. Er gründet eine Bande und wird zu einem führenden Gangster. Er wird so erfolgreich, daß er bald auch seinen eigenen Fusel zusammenpanscht. Allerdings hat er Prinzipien: Gewalt vermeidet er, und er ist im Geschäft verläßlich.

Während er an der Front war, hatte er eine Brieffreundschaft mit Priscilla Lane. Nun besucht er sie erstmals und verliebt sich in sie. Weil sie gern singt, sorgt er dafür, daß sie in Georges Club auftreten kann. Lane läßt sich jedoch auf eine Liebesbeziehung zu ihm nur sehr zögernd ein. George wiederum, die Cagney wirklich liebt, zeigt er die kalte Schulter. Auch mit Lynn ist er jetzt wieder zusammen; er ist Jurist und kümmert sich ums Rechtliche in der Alkoholschmuggel-Firma. Lynn ist die wahre Liebe von Lane; das will Cagney aber nicht wahrhaben. Eines Tages will er ein Schiff kapern, das für einen anderen Gangster (Paul Kelly) Alkohol anliefert. Der Kapitän ist Bogart. Bogart ist ein skrupelloser Verbrecher, der über Leichen geht. Trotzdem beschließen die beiden, sich um der alten Zeiten willen zusammenzutun. Der Boß ist Cagney.

Cagney gelingt es, Kelly aus dem Weg zu räumen. Aber beim großen Börsenkrach 1929 verliert er sein gesamtes Vermögen. Bogart war offenbar klüger und kauft Cagney seine Firma ab. Der muß nun wieder Taxi fahren. Als Lynn Staatsanwalt wird, fürchtet Bogart, daß er ihn vor Gericht bringen könnte. Lynn kennt die Firma schließlich genau. Bogart will ihn umlegen lassen. Lane erfährt von den Plänen und bittet Cagney, Bogart davon abzubringen. Obwohl Cagney nur noch ein kleines Licht ist, läßt Bogart ihn in seinem Hauptquartier vorsprechen. Weil er nicht daran denkt, von seinem Mordplan abzulassen, erschießt ihn Cagney. Auf der Flucht wird er von Bogarts Leuten abgeknallt und stirbt in den Armen von George.

Wegen seines dokumentarischen Charakters hat „Die wilden Zwanziger“ weniger Action zu bieten als vergleichbare Gangsterfilme. Die Wirtschaftsgeschichte der USA in den 1920er Jahren wirkt dennoch recht holzschnitthaft wiedergegeben. Der Hauptantrieb des Films ist die tragische Dreiecksgeschichte: Cagney, der unerwidert Lane liebt und genauso unerwidert von George geliebt wird. Bogart hat hier nur eine Nebenrolle. Trotzdem ist das, was den Film heute noch interessant erscheinen läßt, die Gegenüberstellung der beiden Gangstertypen: des Cagney-Gangsters, der noch eine gewisse Ähnlichkeit mit George Bancroft in „Unterwelt“ aufweist, und des Bogart-Gangsters, den vermutlich der Krieg rücksichtslos und zynisch gemacht hat, der allein seine Ziele durchsetzt und eigentlich ein Einzelgänger, eine existentialistische Figur ist. Es gibt übrigens auch hier eine komische Figur: Frank McHugh, der am Ende auch auf tragische Weise stirbt. Über „Die wilden Zwanziger“ ist in meiner Filmliteratur gar nicht viel zu finden. Georg Seeßlen sieht in „Der Asphalt-Dschungel“ in ihm einen Schlüsselfilm. Und in meiner Bogart-Biografie aus der Heyne-Filmbibliothek wird die interessante Rolle gewürdigt, die er in diesem Film hatte. „Die wilden Zwanziger“ war eine Produktion von Warner, dem für das Gangstergenre führenden Studio. Was er gekostet und eingespielt hat, war ebenfalls nirgendwo verzeichnet.

Geändert von Peter L. Opmann (16.04.2024 um 06:57 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
 

Zurück   Sammlerforen.net > Öffentliche Foren > Sammelgebiete > Film und DVD


Forumregeln
Es ist dir nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist dir nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist dir nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 19:04 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Copyright: www.sammlerforen.net

Das Sammler-Netzwerk: Der Sammler - Sammlerforen
Das Comic Guide-Netzwerk: Deutscher Comic Guide - Comic Guide NET - Comic-Marktplatz