Umfrage Frankreich-Kapitel (1/1980 - 12/1980)

[Max schwalbe]

Zitat von Nante

Chaplins "Modern Times" haben in der DDR überlebt....

Siehe auch der Karussell-Titel "Lieb' ein Mädchen" (übrigens von 1980, um auf die Serie zurückzukommen ^^)

[komnenos]

Also in meinen Augen ist das nicht nur gestreckt heute. Mit 12 Heften à 36 Seiten wäre der Jahrgang 1980 für mich damals ein noch größeres Lesevergnügen geworden. Aber wäre heute ein 20-Seiten Heft der aktuellen Story besser?

[Max schwalbe]

Man weiß halt nicht, wie die Alternative wirklich aussähe. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass bei gleicher Autorenkapazität ein 20-Seitiges Heft den Leser besser mitnehmen könnte. Auch wenn es natürlich schade um die reduzierte Anzahl der Bilder wäre. Vielleicht gibt es auch irgendwo eine goldene Mitte ... kann man als Außenstehender halt nicht wirklich beurteilen.

[Nante]

@Komnenos
12x36 Seiten sind ja auch OK. Aber es scheint ja inzwischen ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, daß es 24 (!)x36 Seiten sein müssen. Und dann kann man seeeehr ausführlich miterleben, wie ein Einbaum oder eine Reuse gefertigt wird. Da hat man tatsächlich den Eindruck, hier müssen die überzähligenn 16 Seiten an der Handlung gefüllt werden.

Um zur Handlung 1980 zurück zu kommen: Damals wären 24x20 oder 12x36 auch für mich besser gewesen. Auch aus heutiger Sicht hätte der Don ruhig ein Jahr später kommen können. Etwas mehr Frankreich hätte es ruhig sein können.

[komnenos]

@Max Schwalbe:
Ja, das ist die eine Überlegung.
Aber wenn die Story auf eine sehr junge Zielgruppe ausgerichtet werden soll, der Abenteuercharakter zugunsten des pädagogischen Wertes zurückgedrängt wird und die Darstellung (historischer) Gewalt, Ausbeutung und sozialer Brennpunkte für Kinderaugen weichgespült wird, menschliche Abgründe durch Schaffung echter Schurken ausgeklammert werden, dann wirken 36 Seiten halt gestreckt.

@Nante:
Diese Story in einem durch den spanischen Erbfolgekrieg im Hintergrund aufgewühlten Europa hätte für mich noch Jahre anhalten können. Die Pierrot-Truppe ist ja überhaupt nicht zur Entfaltung gekommen.

[Nafi ibn Azraq]

Zitat von komnenos

Die Pierrot-Truppe ist ja überhaupt nicht zur Entfaltung gekommen.

Ja, und dann hätte man auch noch Cyrano de Bergerac treffen können.

[Nante]

Und wenn wir ihn schon mal ein halbes Jh. in der Zeit verschieben, nimmt er sie gleich noch auf einen Trip zum Mond mit.

(Das Denkmal von ihm in Bergerac ist zwar eher häßlich aber die Gegend ist toll und der Wein ist auch gut. )

[Nafi ibn Azraq]

Ich meinte natürlich den unbekannten illegitimen Sohn Cyrano der Bergerac II, der bis zum Spanischen Erbfolgekrieg lebte und dessen Nasenlänge den Franzosen beinahe den Sieg bei Höchstädt eingebracht hätte.

[Nante]

Sag doch gleich, daß Du Jean-Jacques de la Terne meinst. Oder war es der Vicomte de Malheur?

[Nafi ibn Azraq]

Deren Nasen hatten leider nicht die erforderliche Länge!

[Bimmelbahn]

Ich hatte immer das Gefühl, dass Dräger oft und gern Gast bei Fantreffen des Mosaik war und manche Bilder ließen zumindest den Eindruck entstehen, dass es dort recht ungezwungen und leutselig zuging, gerade wenn der Humpen kreiste und er wohl auch sehr gern Rede und Antwort stand?

Er wurde doch dort sicher alles mögliche zu Hintergründen, oder warum dieses und jenes so gemacht wurde, gefragt? Ist dieses Wissen verloren gegangen, oder hat man sich dann doch zurück gehalten mit der Fragerei?

Ich denke vieles hat euch doch auch schon damals unter den Nägeln gebrannt und ihr hattet die Leute (z.B. auch Lona) ab und an vor Ort um Infos aus erster Hand zu beziehen?

Nun sind sie leider nicht mehr unter uns und haben ihr Wissen mitgenommen, schade..

[pteroman]

Dein Gefühl trügt dich nicht. Lothar Dräger hat gern Fragen zu seiner Arbeit beantwortet. Zum einen war er so anständig, Fanfragen wichtig genug zu nehmen um sie mit einer Antwort zu bescheiden und zum anderen hat es ihm sichtlich Spaß gemacht, so noch eine Art späten Promi-Status erreicht zu haben.

Lona war ohnehin eine Plaudertasche! Habe noch eine Diktaphon-Kassette (Jüngere: bitte googeln) von einem Interview, das die Jungs von der BMC inkl. meiner Wenigkeit seinerzeit mit ihr geführt haben. Leider hatte das Ding schon damals Aussetzer und ging kurz darauf ganz kaputt, so dass ich bis heute nicht weiß, ob und was von dem ca. 2stündigen Gespräch noch drauf ist. Versuche ab und an, den selben Gerätetyp bei Ebay zu erhaschen, aber bislang misslang es mir.

Von Lothar hab ich noch einen persönlichen Brief zum Thema Flintstones (teilw. abgebildet in einem Digedon).

Hast du denn eine konkrete Frage? Vielleicht erinnert sich noch jemand an die Antwort?

[pteroman]

An eine meiner Fragen bei den ca. 4-5 Treffen erinnere ich mich: Warum man denn zu Beginn der Abrafaxe so viele Flächen schraffiert habe, das hatte es bei Hegen ja kaum gegeben?

L. D.: Das haben die Künstler so entschieden und ohne Hegens harte Hand wurde es eben (von ihm ) durchgewunken. Es wäre auch eine neue Art von Freiheit gewesen, das ehemals Verpönte nun so machen zu können, erleichterte für den einen oder anderen Zeichner zudem den Schaffensprozess und es gab wenigstens einen kleinen Stilwechsel im ohnehin Plagiatsvorwürfen ausgesetzten Output.
(aus dem Hinterkoppe memoriert und daher nicht zitatfähig)

[kathleen]

@Bimmelbahn: Bei diesen Fantreffen wurden zudem viele Dinge besprochen und thematisiert, bei denen wir heute gar nicht mehr auf die Idee kommen würden das sie unbekannt waren zur damaligen Zeit. Ich spreche da bsw. von Schwarzdrucken, Auslandsausgaben, Entstehungsprozessen, Druckprozessen etc. Vieles kann man heute einfach nachlesen in Fanzines oder dem Mosaikkatalog. Vor allem frühe Fanzines wie Mosaiker oder Digefax sind da oft sehr ergiebig. Also alles Wissen ist doch nicht verloren gegangen. Vieles ist auch gut dokumentiert, nur oft haben wir vergessen wo? Ein schönes Beispiel dafür ist das ausführliche Drägerinterview im Comicjahrbuch 1990. Mein Lieblingszitat " jeder der älteren Mitarbeiter, im Feuer der Hegenbartschen Schule gehärtet, hält sich für einen Star".

[Bimmelbahn]

Vielen Dank für Deine Ausführungen, sehr nett!

Ich finde es generell faszinierend, wenn Leute von ihren Begegnungen mit den Mosaikschaffenden berichten, die ich selbst nie habe kennenlernen können.

Die hier aufkommenden Fragen, bzw. Vermutungen, dass die Serie Aufgrund des Drucks vom Mosaik Kollektiv auf Dräger vorzeitig beendet wurde, hat mich sehr erstaunt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass so etwas damals möglich war! Da sagen doch die Leute nicht einfach nun lass mal gut sein Lothar, wir möchten jetzt doch lieber etwas anderes Wie muss ich mir so eine Entscheidung vorstellen?

Waren da nicht schon die Planungen und Vorbereitungen für die Fortsetzung in Arbeit, als umgeschwenkt wurde?

Daher habe ich so überlegt, ob nicht vielleicht mal jemand Dräger zu Lebzeiten danach gefragt hat, da das doch Fragen sind, die bestimmt schon früher die Fans beschäftigt haben?

Andererseits hattet ihr bestimmt hunderte Fragen, damals vielleicht auch eher in Richtung Hegen, als z.B. diese Serie hier..

[Bimmelbahn]

Danke auch an Kathleen

[komnenos]

Zitat von Bimmelbahn

...Die hier aufkommenden Fragen, bzw. Vermutungen, dass die Serie Aufgrund des Drucks vom Mosaik Kollektiv auf Dräger vorzeitig beendet wurde, hat mich sehr erstaunt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass so etwas damals möglich war! Da sagen doch die Leute nicht einfach nun lass mal gut sein Lothar, wir möchten jetzt doch lieber etwas anderes Wie muss ich mir so eine Entscheidung vorstellen?

Waren da nicht schon die Planungen und Vorbereitungen für die Fortsetzung in Arbeit, als umgeschwenkt wurde? ....

Das wären durchaus Fragen, die man auch dem aktuellen künstlerischen Leiter mal stellen kann. Schließlich kam er in eben jenem Jahr 1980 zum Mosaik und die ersten Eindrücke sind ja manchmal sehr nachhaltig.

Generell finde ich es faszinierend, mit welcher Überzeugung Ereignisse, Entscheidungen und Überlegungen mit einem Abstand von Jahrzehnten in den dann durchgeführten Interviews wiedergegeben wurden.
Wenn mich Jemand nach ähnlichen Dingen in meinem Berufsleben von vor 20 oder 30 Jahren fragen würde, da würden sich schon deutliche Gedächtnislücken auftun.
Kann sein, dass die Zeiten schnelllebiger geworden sind und man deshalb schneller Einzelheiten vergisst.
Aber es ist sicher immer von Vorteil, wenn mündliche Aussagen mit Jahrzehnten Abstand durch schriftliche Aufzeichnungen aus der Zeit belegt werden können. Es besteht sonst immer die Gefahr der Legendenbildung und irgendwann kann auch der Interviewte nicht mehr zwischen dem eigenen Erlebten und dem von Anderen Gehörten (oder von Journalisten Geschriebenem) unterscheiden.
Zur Abrafaxe-Zeit sollte es doch im Steinchen Verlag noch Aufzeichnungen geben. Vielleicht kann Bhur da mal kramen und herausfinden, was vor 40 Jahren geschah und die Pierrot-Serie so abrupt beendete und das erste Zeittor öffnete.

Nachtrag: Ich habe gerade nochmal im Sammelband 13 (1/80) nachgelesen. Dort ist beschrieben, was Lothar Dräger geplant hatte. Es wäre tatsächlich eine über Jahre angelegte ,,Militärklamotte'' vor dem Hintergrund des Spanischen Erbfolgekrieges geworden. (Für mich wäre das wohl ein Volltreffer geworden, siehe #30). Aber bei einem Arbeits-WE im Frühjahr 1979 auf Einladung der Druckerei ,,Völkerfreundschaft'' konnte Dräger Keinen im Team von seiner Idee begeistern. Somit wurde Ö/U zügig zuende gebracht und der ausführliche Weg über Deutschland und Frankreich nach Spanien in nur einem Jahr bewältigt.
Und dann musste halt der Zeitsprung her, denn die 130 Jahre rückwärts zu Don Quichotte brauchten damals noch eine Erklärung.

[Nante]

Zitat von komnenos

Wenn mich Jemand nach ähnlichen Dingen in meinem Berufsleben von vor 20 oder 30 Jahren fragen würde, da würden sich schon deutliche Gedächtnislücken auftun. ...
Es besteht sonst immer die Gefahr der Legendenbildung...

Nachtrag: Ich habe gerade nochmal im Sammelband 13 (1/80) nachgelesen. ...

Wir reden hier vom MOSAIK! Da geht es nicht ohne Legenden.
Und inzwischen kann ich mich an Dinge von vor 30 Jahren oft auch schon besser erinnern als an letzte Woche.

Aber ernsthaft: Mich würden die Gründe für den hastigen Wechsel natürlich auch interessieren. NUR an der Abneigung gegen "Militärklamotten" kann es ja nicht gelegen haben. Man hätte auch ein weiteres Jahr Frankreich durchaus zivil mit Schatzsuche, (verfrühter) Revolution und Befreiung von jungen Frauen oder Männern mit eisernen Masken gestalten können.

[komnenos]

Naja, stell Dir die Situation zu DDR-Zeiten vor. Das Kollektiv bekommt eine Einladung zu einem WE-Ausflug in ein Feriendomizil und dann wird ein Arbeits-Workshop daraus.
Wahrscheinlich wussten die Mitarbeiter gar nicht so genau, was sie zuerst ablehnen sollten, den Chef, die Idee mit dem Arbeitstreffen oder die ausgearbeitete Idee zur weiteren Mosaik-Story.
Nach der Darstellung im Sammelband waren es vor allem die Zeichnerinnen, die Drägers Idee zur Fortsetzung ablehnten.
Kann durchaus sein, das zu alllererst die Frauen die militärischen Darstellungen kritisierten.
Aber Dräger war eben auch nicht Hegen und ließ mit sich diskutieren. Vielleicht dachte er sogar, dass er in dem Ferien-Ambiente leichtes Spiel hatte.
Aber wie kathleen oben schon zitierte, war er eben nicht der einzige Erbe von Hegens Glanzzeit.
Und so war das vielleicht auch eine kleine Machtprobe.

[Max schwalbe]

Zitat von komnenos

Nachtrag: Ich habe gerade nochmal im Sammelband 13 (1/80) nachgelesen.

Auch wegen der oft interssanten Hintergründe zum damaligen Redaktionsalltag finde ich diese Sammelbände ziemlich gelungen. Zum Thema künstliche Hofnarren steht dort sinngemäß im übrigen auch nur, dass man die angeblich historisch zutreffenden Darstellungen im Heft trotz interner Recherchearbeit nicht wirklich bestätigen konnte.

[Nafi ibn Azraq]

Zitat von komnenos

Und so war das vielleicht auch eine kleine Machtprobe.

Die Revolution frisst ihre Kinder sozusagen.

[komnenos]

Es gab ja 1979 nur 3 Figuren-Zeichnerinnen: Lona Rietschel, Heidi Jäger und Irmtraud Winkler Wittig. Heidi Jäger war erst mit der Orientserie des MvHH zur Figurenzeichnerin geworden, Irmtraud Winkler Wittig gar erst mit Beginn der Abrafaxe. Lona Rietschel dagegen war seit fast 20 Jahren dabei und neben Horst Boche sicher die wichtigste (Figuren)-Zeichner/in.

Wenn man dagegen auf den Output schaut, dann wird in der aktiven Zeit nach mosapedia etwas mehr als die Hälfte der Figuren-Zeichnungen Irmtraud Winkler Wittig zugeordnet und etwa 20% Heidi Jäger. Das würde bedeuten, dass sich die beiden ,,Altstars'' Lona Rietschel und Horst Boche in die verbleibenden knapp 30% reingeteilt haben, also nicht mehr als 3 Seiten/Monat für Jeden der Beiden!

Wenn man das bedenkt, dann kann der Leidensdruck bei diesen Beiden, egal welche Story man da illustrierte, nicht sehr hoch gewesen sein. Wenn man also Drägers Konzept blockiert hat, und da war Lona aufgrund ihres Status sicher tonangebend, dann ging es wahrscheinlich nicht nur um ungeliebte Militärklamotten...

Man muss sich mal versuchen vorzustellen, Hegen hätte mehrere Wochen ein Konzept entwickelt, recherchiert usw. und dann hätte es eine Diskussion und schließlich die Aufgabe seiner Pläne gegeben? Hegen's Spinnstube war sicher der bessere Pfad, um nicht allein Alles zu konzipieren, aber auch nicht zu versuchen, es Jedem Recht zu machen. Er war nicht nur der künstlerische Leiter, sondern auch das Bindeglied zwischen Zeichnern und dem Autor. Mit seinem Ausscheiden fiel das natürlich weg und es gab den Autor (der zugleich künstlerischer Leiter war) und die Zeichner.

Dass Dräger 1990 vorzeitig abgegangen ist, hat sicher nichts damit zu tun, dass ihm keine Ideen mehr kamen. Und dass der nächste künstlerische Leiter nicht mehr der Autor war, ist wohl auch kein Zufall.

[Nafi ibn Azraq]

Danke für die interessanten Überlegungen. Wie genau muss ich mir den die Zusammenarbeit des künstlerischen Leiters und des Autors und die Abgrenzung ihrer jeweiligen Kompetenzen vorstellen?

[komnenos]

Du meinst heute?
Naja, es wird ja immer wieder auf die Teambesprechungen verwiesen, in denen gemeinsam diskutiert und entschieden wird.
Wer die Entscheidungshoheit hat, wenn es mal knapp ist, ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, bei wem die Personalverantwortung für Autor und Zeichner und Andere liegt, vielleicht alles bei Klaus Schleiter?
Der Ablauf der Heftgestaltung ist dagegen schon so oft dargestellt worden, dass ich das hier sicher nicht ausführlich wiederholen muss.
In Kurzform: Geschichte und Scribbles kommen vom Autor, der künstlerische Leiter macht darauf basierend die Seitenaufrisse, die Reinzeichnungen kommen von den Zeichnern und schließlich wird am Computer noch koloriert.

[Tilberg]

Dräger ist doch 1990 nicht vorzeitig abgetreten, sondern normal in Rente gegangen. Er hat ja auch eigens noch einen neuen Künstlerischen Leiter (Reuter) und einen neuen Autor (Hackel) eingearbeitet - und das Rohkonzept für den ersten Jahrgang ohne ihn vorbereitet.

Wenn ich mich recht entsinne, wollten die Zeichner 1979/80 vor allem nicht mehr ständig Uniformen zeichnen müssen. So wie sie 1968 langsam die Nase von den ganzen Turbanen und Pluderhosen voll hatten.