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Alt 22.12.2015, 18:29   #51  
Servalan
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Standard Selbstkritik, Lampenfieber und die Bühnenpersönlichkeit

Allgemein lautet das Vorurteil über Leute, die "etwas mit Medien" machen ja, folgendermaßen: Das sind eitle Gecken und oberflächliche Narzissen, die im Scheinwerferlicht bewundert werden wollen. Ungeachtet ihrer wahren Qualitäten möchten sie von ihren Fans, vom Publikum und der Presse gefeiert und auf Händen getragen werden, Autogramme verteilen und sich wichtig fühlen.

Okay, solche Leute gibt es wohl. Leider.
Häufig geht das Klischee jedoch an der Wirklichkeit vorbei. Und manche Kreative entscheiden sich bewußt für Tätigkeiten im Stab, hinter der Kamera oder im Schatten der Bühne: Cutter bei Film und Fernsehen zum Beispiel, Kostümbildner und Requisiteure oder Leute, die künstlerische Veranstaltungen aller Art organisieren.

Schreiben ist in der Regel ein einsames Geschäft. Wer sich mehr als hobbymäßig engagiert, muß gut und gerne mit sich alleine auskommen.
Von daher kann diese ausgiebige Tätigkeit mit Stift und Papier, mit Monitor und Drucker auch den entgegengesetzten Effekt haben.

In der Dr Who-Episode "Das Einhorn und die Wespe" zweifelt Agatha Christie an ihren künstlerischen Fähigkeiten, tut ihre Werke leichtfertig ab und hält die Bewunderung des Doktors und Donnas für ungerechtfertigt.
Wäre es nach Franz Kafka gegangen, dann gäbe es heute kein Werk, weil außer seinen wenigen zu Lebzeiten veröffentlichten Texten alles verbrannt worden wäre.

Manchmal sind Schreibende dermaßen selbstkritisch, daß jemand von außen eingreifen und ihnen zu ihrem Glück verhelfen muß: Ohne Eva Gabrielsson wäre Stieg Larsson als engagierter schwedischer Journalist gestorben. In Phlippe Djians Bestseller Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen fördert Betty Blue ihren Geliebten, den Schriftsteller Zorg, indem sie seine Manuskripte ohne sein Wissen an Verlage schickt.

Selbst große Tourneen von bekannten und berühmten Autoren sollten nicht über die Realität wegtäuschen. Bühnenauftritte sind zum Glück befristet, mal dauern sie fünf bis fünfzehn Minuten, schlimmstenfalls anderthalb Stunden bei der Wasserglas-Lesung mit Publikumsgespräch.
Auftritte können geprobt, Texte sorgfältig präpariert werden. Meist verändert sich die Stimme, wenn das Mikrofon an ist, und gewinnt eine eigene Dynamik. Ob die bewunderten Autorinnen und Autoren schüchtern sind oder nicht, das bleibt allen Anwesenden verborgen.

Im Grunde handelt es sich um das gleiche Phänomen wie beim unglaublich traurigen Mann, der zum Arzt kommt. Der Klagende vergeht vor Schmerz, als er dem Mediziner sein Leid klagt. Der rät ihm: "Im Moment gastiert ein Zirkus mit dem Berühmtesten aller Clowns. Raffen Sie sich auf. Besuchen Sie eine Vorstellung. Sie werden es nicht bereuen." Der traurige Mann starrt ihn ausdruckslos an. "Einen Versuch können Sie ruhig wagen."
Tränen kullern über die Wangen, als der Traurige schluchzend sagt: "Dieser Clown ... das bin ich."

Geändert von Servalan (22.12.2015 um 18:37 Uhr)
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Alt 22.12.2015, 19:00   #52  
Peter L. Opmann
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Naja, ich hoffe, es kommt nicht allzu häufig vor, daß ein Schriftsteller wie ein Clown auftritt.

Menschen sind soziale Wesen, und ein gewisses Mitteilungsbedürfnis ist normal. Ich will es auch noch gelten lassen, wenn man nicht einen guten Freund zum Tee einlädt und ihm das erzählt, was man auf dem Herzen hat, sondern sich vielleicht monatelang in sein Studierzimmer setzt und einen Roman schreibt, den dann vielleicht nicht die Freunde, sondern vielmehr wildfremde Menschen lesen. Wenn man etwas Wichtiges zu sagen hat.

Aber die Schwelle zum Narzissmus ist da meistens nicht fern. Man sollte sich vor allem gut überlegen, ob man das Schreiben zum Beruf machen soll, denn wer weiß, ob er genug zu sagen hat, daß es für ein Arbeitsleben reicht.

Mindestens ebenso schlimm ist es mit Leuten, die ständig Internetforen mit ihren Auslassungen und Kommentaren vollschreiben müssen...

P.S.: Mir fällt dazu noch Kurt Vonnegut jr. und sein Roman "Schlachthof fünf" ein. Der erste Teil des Buchs handelt hauptsächlich von der Entstehung des Buchs. Vonnegut, der als Kriegsgefangener die Bombardierung von Dresden miterlebt und überlebt hat, trug nach eigener Aussage jahrelang Pläne für sein "berühmtes Buch über Dresden" mit sich herum. An einer Stelle schrieb er dann mal: "Aber mir fielen nicht genug Worte dafür ein". Letztlich hat er das Buch doch geschrieben, und es ist ein sehr gutes Buch geworden. Aber diese Selbsterkenntnis fand ich bemerkenswert!
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Alt 23.12.2015, 13:42   #53  
Servalan
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Beim Schreiben spielen etliche Details eine Rolle, die sich bewußt kaum kontrollieren lassen.
In diversen Biographien habe ich gelesen, daß sich Schriftsteller auch noch nach Jahrzehnten als Anfänger fühlen und ständig etwas dazulernen.
Je länger ein Text ist, desto mehr unkontrollierbare Elemente enthält er. Selbst winzige Änderungen können sich auf eine Strecke auswirken, die niemand in einem Rutsch lesen kann. Und Romane können sich unter Umständen mehrere Jahre in der Werkstatt befinden.

Konkret läßt sich dieser Effekt erkennen, wenn jemand ältere Geschichten oder Gedichte aus eigener Feder liest: Häufig ist das nur peinlich, und diejenigen sind froh, den jeweiligen Text nicht veröffentlicht zu haben.
Oder der Text ist richtig gut. Ich habe mir dann verwundert die Augen gerieben und gedacht: "Das soll ich verfaßt haben? Das stammt von mir. Unglaublich."

Darin sehe ich ein Gegengift zum Narzissmus.
Wenn dann noch Lesungen so organisiert sind, daß der Autor oder die Autorin auf der Bühne vom Spotlicht geblendet ist und das Publikum in der Finsternis verschwindet, schützt das vor einem aufgeblasenen Ego.
Lampenfieber sorgt für übrigens für einen Tunnelblick.
Außerdem haben Musiker und Schauspieler höhere Chancen, zu Stars oder Sternchen zu werden. Bei Autoren kommt das seltener vor, und meist stehen über längere Sicht sowieso die ausgedachten Figuren im Vordergrund: Wer von Scarlett O'Hara schwärmt, kennt nicht notwendigerweise Margaret Mitchell ...

Ich bin zufrieden, wenn meine Texte ohne mich auskommen.
Es sind nämlich die Texte, die sich bewähren müssen, ohne jeglichen Popanz. Als Autorin bin da nur ein Medium, eine Botin.
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Alt 05.01.2016, 17:13   #54  
Servalan
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Standard Mythen und Legenden: "Mein Bestseller in der Schublade"

Viele Leute behaupten, sie könnten einen Roman erzählen.
Obwohl nur Worte aneinander gereiht werden, verlangt das schwere Handwerk eine sportliche Kondition. Ausdauer ist mehr gefragt als Sprintqualitäten. Insofern hat jede und jeder, der ein Manuskript verfaßt hat, meine Hochachtung verdient.

Auf zahlreichen Buchveranstaltungen, wo Verlage und Verleger anwesend waren, konnte ich jedoch erleben, wie sich junge Talente selbst sabotierten. Wer an die Öffentlichkeit will, muß von seinem Werk überzeugt sein und darf sich nicht kleinreden lassen. Absagen und Verrisse kommen sowieso. Insofern werfe ich niemandem etwas vor, der offensiv wirbt.

Peinlich wird es bei dem Spruch: "Das muß unbedingt zur nächsten Buchmesse erscheinen. Das ist ein wichtiges Buch. Das ist ein Bestseller. Ich habe alles absolut richtig gemacht. Der Roman braucht kein Lektorat mehr. Druck mein Werk und bringe es in jede Buchhandlung der Welt."
Und falls der Verleger, die Lektorin oder ein Herausgeber auf dem Teppich bleibt und sagt, das sei ein alter Hut und andere hätten das schon besser geschrieben - tja, dann schimpft der Abgewiesene wie ein verschmähter Liebhaber, wie ein betrogener Idealist.
Der Typ mit dem Manuskript zieht dann weiter und sucht sich das nächste Opfer.

In der Regel haben die Leute aus der Verlagsbranche recht.
Manche Stoffe und Themen liegen in der Luft, deshalb rate ich lieber zur Zurückhaltung. Wer sagt, sein Werk sei einzigartig, setzt die Latte so hoch, daß sie fast automatisch gerissen wird. Die Idee und das Konzept bilden nur den Grundstock. Wichtig ist die Ausführung. Bei Debütanten zählen jeder Makel, jede Schlamperei und jede Unterlassung doppelt und dreifach.

Schnellschüsse in der Verlagsbranche sind meist Zweitverwertungen: Kompilationen von journalistischen Artikeln, wissenschaftlichen Beiträgen oder Kurzprosa, die sich in Jahren angesammelt haben. Das Manuskript muß in jedem Fall überarbeitet werden, und bis daraus ein Buch geworden ist, dauert es mindestens vier bis sechs Monate.
Schließlich muß der Buchhandel ja irgendwo erfahren, daß der Titel erscheinen wird. Werbung und PR verlangen einen Vorlauf, sonst katapultiert sich der Titel ins Abseits.

Im Windschatten eindrucksvoller Bestseller (Harry Potter, Hunger Games usw.) wird das deutlich. Niemand schreibt einen Roman von 400 bis 600 Seiten über Nacht - und nicht alle jungen Autorinnen und Autoren sind blasse, blutleere Epigonen eines vermeintlichen Erfolgsschemas.
Hier möchte ich Rezensenten und Kommentatoren in die Pflicht nehmen: Besonders die großen Verlagshäuser wollen Modeströmungen ausreizen, solange sie lukrativ sind. Wer das Pech hat, findet sich zwischen Scylla und Charybdis wieder. Wenn der Verlag unbedingt ein bestimmtes Publikum ansprechen wird, werden die Autorinnen und Autoren vor die Wahl gestellt: Entweder wird das Manuskript so getrimmt, daß die Ähnlichkeiten mit dem Bestseller betont werden - oder der Vertrag platzt.
Zähneknirschend beißen die jungen Talente in den sauren Apfel.

Wenn jemand dann nach Jahren eine Fanbasis gewonnen, das Lob der Kritik erhalten hat und die Zahlen stimmen, dann besteht die Chance auf eine Neuauflage.
Durch Selbstverlage und eBooks besteht heute eine zweite Chance für Bücher, bei denen Verlage kein Interesse mehr an Nutzungsrechten haben (meist nach zwei bis fünf Jahren). Der Autor oder die Autorin kann das Werk dann in einer verbesserten Fassung neu herausgeben.
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Alt 17.01.2016, 15:00   #55  
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Standard Erste Erfolge richtig nutzen

Mühsam nährt sich das Eichhörnchen: Die ersten gedruckten Arbeiten, die in den Handel gelangen, werden bei den meisten Gedichte oder Geschichten von wenigen Seiten in Zeitschriften oder Anthologien sein. Open Mikes, Slam Poetry oder gemeinschaftliche Auftritte als Autorengruppe bieten ähnliche Formate. Manches kommt gut an, anderes verhallt sang- und klanglos. Wer lieber längere Werke verfaßt, wird später auf Ausschnitte aus Romanen umschwenken.

Allerdings lauern in dieser Phase des blassen Vorruhms Gefahren, die sich später nachteilig auswirken können. Ein wenig Büroarbeit verschafft hingegen Übersicht und hilft dabei, die nächsten Stellen auszuwählen.

Selbst der beste Text braucht sich auf, wenn er dem selben Publikum zu oft präsentiert wird.
Notiert euch bitte in einem Notizbuch oder in einer Datei, wann und wo ihr welche Texte veröffentlicht habt, damit ihr jederzeit nachsehen könnt, was wo von euch vorliegt. Ihr werdet verblüfft sein, wie schnell das unübersichtlich wird.
Lesungen sind Veröffentlichungen, deshalb gilt für Auftritte dasselbe. Eure Highlights könnt ihr eine Weile auf einer Tournee vorlesen, danach solltet ihr das Programm wechseln. Die besten Texte eignen sich später für Zugaben.

Außerdem bieten diese Liste eine Grundlage, sich Verlagen oder Agenturen zu präsentieren, indem sie Erfolge so konkret belegen, daß sie sich nachprüfen lassen.

Innerhalb einer Autorengruppe oder im Vier-Augen-Gespräch mit einer vertrauten Person kann diese Bibliographie für eine interne "Manöverkritik" genutzt werden. So könnt ihr durchsprechen, wie die einzelnen Geschichten funktionieren, wo sie sich ähneln und was sie voneinander unterscheidet.
Wenn ihr genügend Abstand zu euren Werken habt, könnt ihr das auch allein machen.
Bei den Nachgesprächen solltet ihr auf zwei Dinge achten:
  • Funktionieren eure Texte immer nach demselben Prinzip, nach derselben Masche? Dann versucht in neueren Texten, aus der Masche auszubrechen.
  • Entwickelt sich im Laufe der Zeit eine eigene Handschrift, ein eigener "Sound"? Macht euch damit vertraut. Dann wißt ihr, wie ihr tickt, und könnt auf einer höheren Ebene damit arbeiten.

Geändert von Servalan (17.01.2016 um 15:06 Uhr)
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Alt 11.02.2016, 18:12   #56  
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Standard Aus dem Nähkästchen geplaudert

Nach der klassischen Wasserglaslesung können Fragen gestellt werden, doch dieses Nachhaken kratzt nur an der Oberfläche. Wer sich dafür interessiert, wie der Literaturbetrieb beziehungsweise das Marktsystem rund ums Buch von den Autoren selbst erlebt und erfahren wird, sollte nach Poetikvorlesungen suchen (bzw. browsen). Das sind meist mehrtägige Veranstaltungen an Universitäten, teilweise verbunden mit Seminaren für die Studierenden, zu denen Autoren eingeladen werden, zum Beispiel als Poet in Residence. Wenn die Vorlesungen nicht sowieso schon mit dem Literaturhaus vor Ort koordniert organisiert werden, darf kommen, wer sich dafür interessiert.

Diverse Vorlesungen werden heute aufgezeichnet.
Kathrin Rögglas Dozentur als "Poet in Residence" an der Universität Duisburg-Essen im Wintersemester 2014 / 2015 steht zwar online, wird jedoch selten aufgerufen. Als prominente Autorin hat sie einen privilegierteren Einblick als meine Wenigkeit, deshalb überlasse ich ihr das Feld.Bedauerlicherweise gibt es zwei Wermutstropfen:

Kathrin Rögglas österreichischer Zungenschlag macht sich manchmal bemerkbar, hinzu kommt ihre Tendenz, schnell zu sprechen und komplexe Begriffe (zum Beispiel Fachtermini) zu verwenden - weshalb ihr Vortrag die ungeteilte Aufmerksamkeit erfordert.

Leider wurden der Universität die Online-Rechte an den eingespielten Audio- und Video-Zitaten versagt. An den entsprechenden Stellen findet sich bloß ein bibliographischer Hinweis auf das jeweilige Zitat, so daß Interessierte nach Möglichkeit die Quellen finden können.

Geändert von Servalan (02.03.2016 um 01:05 Uhr)
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Alt 21.02.2016, 17:32   #57  
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Standard Die Fassung(en) bewahren

Was letzten Endes auf Papier oder online veröffentlicht wird, das ist lediglich die Spitze eines immensen Datenberges. Etwas zu wissen, reicht in den seltensten Fällen aus; in der Regel muß sich jeder in eine Materie einarbeiten, der kompetent darüber sprechen oder schreiben will. Wer vor Publikum tritt, muß mit seiner Materie vertraut sein, wenn die erste Frage nicht zum peinlichen Desaster werden soll.
Und Materie bedeutet in diesem Sinne zweierlei: Erstens die Sache, über die referiert oder in eine Geschichte verwandelt wird; zweitens das Konzept des Referats oder der Erzählung. Wer erzählt, muß die Figuren besser kennen als diese sich selbst.
Im grunde greift hier derselbe Effekt wie bei Referaten in der Schule, an der Uni oder bei Präsentationen. Durch die Vernetzung ist in den letzten Jahrzehnten ein gewaltiger Echoraum entstanden. Falls sich irgendwo Fehler eingeschlichen haben oder schlampig gearbeitet wurde, werden sich Experten (welcher Art auch immer) melden, und den Schnitzer ankreiden.

Sorgt in eurer Wohnung deshalb im voraus für ausreichend Platz, denn das Papier stapelt sich rasch. Am besten sind ein eigenes Büro und mehrere Handbreit Regale (oder Archivkartons) für Manuskripte, Ordner und Belegexemplare.
Ohne hilfreichen Agenten liegt das allein in eurer Verantwortung.

Dabei ergibt sich die Frage: Was muß ich aufheben? Was kann ins Altpapier?
Die klassische Antwort lautet: So einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig.

Natürlich kann jede und jeder das handhaben, wie sie und er lustig sind. Charaktere und Temperamente sind verschieden: Vermutlich baut sich das kleine Büro nach und nach wie von selbst auf.
Sinn und Zweck der Übung ist es, den Überblick zu behalten. Deshalb sollte das Procedere leicht von der Hand gehen, bis es zu einer gewöhnlichen Routine geworden ist.

Achtung: Manuskripte haben einen unterschiedlichen juristischen Status, der darüber entscheidet, wer was damit machen darf oder unterlassen muß.

Solange ihr an euren eigenen Manuskripten schreibt, seid ihr frei und unabhängig. Wenn ihr wollt, könnt ihr alles außer dem Manuskript in der Fassung letzter Hand vernichten. Beschwert euch aber nicht, falls ihr das nachher bereut.
Bei mir findet der erste Korrektur- und Lektionsvorgang schon statt, während das Rohmanuskript über Monate langsam wächst und reift. Manche ziehen es vor, den Urtext des Rohmanuskript eigenhändig zu Papier zu bringen.
Wohl oder übel wird ein Ansatz mal in eine Sackgasse führen, die jedoch nicht voreilig gelöscht werden sollen. Sammelt eure Varianten in einem separaten Ordner, denn die können sich später als nützlich erweisen.
Durch das digitale Arbeiten lassen sich heute Kopien per Knopfdruck erstellen. Nutzt diese Chance: Speichert das Manuskript in verschiedenen Arbeitsstufen mit eigenem Namen ab (den Arbeitstitel könnt ihr beibehalten, versetzt ihn mit Zusätzen wie zum Beispiel Datum oder nummerierte Fassung).

Auf diese Weise ergeben sich mindestens drei Ordner:
  • 1. der Urtext - das rohe Manuskript im ersten Durchlauf;
  • 2. ein Magazin mit Varianten - falsche Ansätze, gestrichener Text, Backstories, Entwürfe und was es sonst noch gibt;
  • 3. das Manuskript der Schlußredaktion - das, und nur das geht an Verlage Agenten und Lektoren.
Wer etwas aus fremder Feder auf den Markt bringen will, behält sich das Recht vor, das Manuskript weiter lektorieren und korrigieren zu lassen. Bevor das Buch erscheint, verändert sich das Manuskript ein letztes Mal.
Vorsicht: An dieser Buchfassung besitzt auch der Verlag Rechte, deshalb müßt ihr dessen Zustimmung einholen, wenn ihr diese Fassung (Schriftart, Seitenspiegel, Layout und ähnliches) beispielweise für ein eBooK im Selbstverlag nutzen wollt. Das kann unter Umständen Geld kosten.

Wenn ihr euer eigenes, möglicherweise vergriffenes Werk in eigener Regie wieder auf den Markt bringen wollt, greift lieber auf das archivierte Material in den drei Ordnern zurück und erstellt euren Director's Cut.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.02.2016, 20:42   #58  
Peter L. Opmann
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Das entspricht auf jeden Fall dem, was ich bei meinem aktuellen Comicprojekt mache.

Ich habe eine Kladde, in der ich Material sammle (zum Beispiel Zeitungsartikel, die mit meinem Stoff zu tun haben), Notizen und Ideen zum Comic und Texte, die mir spontan einfallen.

Zweitens führe ich eine Kladde mit dem Storyboard; da hinein kommen auch einzelne Skizzen, die ich mache, um Panels zu entwickeln.

Drittens gibt's die eigentlichen Comicseiten.

Sowas mache ich bei Comics nicht immer. Bei kürzeren Storys kann ich alles im Kopf entwickeln und behalten und manches auch spontan drauflos zeichnen. Dieser Comic soll allerdings länger werden, und ich habe schon gedacht: Eigentlich müßte das Storyboard fix und fertig sein, bevor ich zu zeichnen beginne. Aber dafür bin ich zu ungeduldig, und eine Grobfassung des Comics habe ich dann doch auch in diesem Fall im Kopf.
Peter L. Opmann ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 21.02.2016, 22:30   #59  
Maxithecat
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Alt 21.02.2016, 23:37   #60  
Peter L. Opmann
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Ich habe davon schon ein bißchen was gezeigt. Läßt sich googeln mit den Begriffen "Projekt Daphne" und "Comic".

Das soll ein etwa 100seitiger autobiografischer Comic werden.
Peter L. Opmann ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 21.02.2016, 23:44   #61  
Servalan
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Das entspricht auf jeden Fall dem, was ich bei meinem aktuellen Comicprojekt mache.

Ich habe eine Kladde, in der ich Material sammle (zum Beispiel Zeitungsartikel, die mit meinem Stoff zu tun haben), Notizen und Ideen zum Comic und Texte, die mir spontan einfallen.
Naja, mit deinem Kommentar greifst du über das Thema hinaus: Bei mir ging es um die reine Schreibarbeit am Text, die ich in verschiedene Etappen unterteilt habe:
  • 1.) Vom ersten Buchstaben bis zu jenem Zeitpunkt, an dem auf dem Manuskript zum ersten Mal das Wörtchen "Ende" erscheint (= Urtext);
  • 2.) Über alle möglichen Fassungen, in denen kräftig verbessert und überarbeitet wird;
  • 3.) Bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Manuskript in trockenen Tüchern ist (= Fassung letzter Hand).
Recherche und andere Methoden, sich mit einem Sachverhalt, einem Milieu ode einem Thema vertraut zu machen, habe ich nur beiläufig gestreift. Ich weiß, daß das (mindestens) einen eigenen Beitrag wert ist ... aber nicht heute, liebe Leute.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.02.2016, 08:53   #62  
Peter L. Opmann
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Schon klar. Ich wollte sagen: Ich schreibe nicht, sondern zeichne einen Comic, gehe aber trotzdem ganz ähnlich vor.
Peter L. Opmann ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 22.02.2016, 12:40   #63  
G.Nem.
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Das soll ein etwa 100seitiger autobiografischer Comic werden.
Hab mir grade deine Postings + Seitenbeispiele unter http://comiczeichenkurs.de/index.php...&postID=198506 angeschaut – ist interessant dein Daphne-Projekt!
Wann und wo erscheint es?
G.Nem. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.02.2016, 14:43   #64  
Peter L. Opmann
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Danke für das Interesse. Ich habe mich entschieden, das Projekt amateurmäßig durchzuziehen. Also ich zeichne das neben meiner Arbeit her, weiß damit noch nicht, wann das Ganze fertig wird (vermutlich erst nächste Jahr), und habe auch mit keinem Verlag Kontakt aufgenommen. Ich zeichne das Ganze auf jeden Fall fertig - egal, ob es Veröffentlichungschancen gibt oder nicht - und bringe das Büchlein im Zweifelsfall im Eigenverlag heraus.

Sorry für die Abschweifung vom Thema...
Peter L. Opmann ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 04.03.2016, 13:28   #65  
blubbblubb
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Hast du auch irgendwo einen Auszug?
Ich bewundere ja immer Menschen die zeichnen können.
Selbst bin ich dazu viel zu unkreativ.

Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Also ich zeichne das neben meiner Arbeit her, weiß damit noch nicht, wann das Ganze fertig wird (vermutlich erst nächste Jahr), und habe auch mit keinem Verlag Kontakt aufgenommen. Ich zeichne das Ganze auf jeden Fall fertig - egal, ob es Veröffentlichungschancen gibt oder nicht - und bringe das Büchlein im Zweifelsfall im Eigenverlag heraus.
Darf man fragen an was für einen Verlag du gedacht hast?
Ich habe eine Bekannte die ein Buch geschrieben hat und schon seit Ewigkeiten nach einem Verleger sucht der finanziell vertretbar ist. Momentan forste ich gerade die Seite durch. Momentanes Problem ist die hohe Provision die verlangt wird. Alternativ sieht sie auch in Betracht es selber zu drucken, sowas kann man z.B. hier machen. Aber wenn ich es richtig verstehe hat man dann keine Rechte. oder besser ausgedrückt: man ist nicht so geschützt falls es Dritte kopieren würden.
blubbblubb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.03.2016, 15:29   #66  
Servalan
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Die hohe Provision deutet auf einen Druckkostenzuschußverlag hin, der seinen Schnitt macht, bevor das erste Exemplar in den Handel gelangt. Bei mir gehen da die Warnlampen los. Das Geld könnte sie besser investieren.

Vielleicht sollte sich zuerst überlegen, welche Zielgruppe sie wie erreichen möchte: je nach Konzept bieten sich verschiedene Wege an, und der Selbstverlag hat mittlerweile einen besseren Ruf als vor einem Jahrzehnt.
Dabei sollte sie im Hinterkopf behalten, daß der Knackpunkt nicht die reinen Druckkosten sein werden, sondern Werbung, Marketing und Vertrieb.
Deswegen sollte sich intensiv mit ihrem Manuskript beschäftigen:
  • 1) ein Exposé erstellen: Eine Inhaltsangabe von maximal einer DIN A4-Seite (höchstens 1.800 Zeichen über alles!)
  • 2) ein Steckbrief ihres Manuskripts: Welches Genre? Welche Zielgruppe? Welche Auflage? Kurzinhalt im Schlagzeilen- bzw. Twitter-Stil (höchstens 100 Zeichen!); Besondere Merkmale ...
Ein regionaler Vertrieb, kombiniert mit einer Lesetournee, läßt sich mit überschaubaren Mitteln arrangieren - jemand, dem sie vertraut, könnte dann den Event-Manger, Impresario bzw. Literaturagent für sie spielen.
Falls sie durch ihre Biographie nicht prominent ist, halte ich eine minimale Internetpräsenz (selbst wenn es nur ein Blog und ein Social-Media-Profil sind) für unverzichtbar. Irgendwo müssen die Leute eine Kostprobe von wenigen Zeilen oder Absätzen finden, um herausfinden, ob das ihrem Geschmack entspricht.

Durch den entsprechenden Rummel könnte das Interesse der Presse vor Ort geweckt werden: Interviews, Rezensionen und ähnliches sind auch Werbung.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.03.2016, 15:39   #67  
blubbblubb
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Danke schonmal für deine Antwort.
Bei meiner Bekannten ist es ein wenig anders, die große Art von Werbung braucht sie nicht zu machen.
Im Prinzip vermarktet sich das Buch selbst, weil es sozusagen etwas für Insider ist.
Sie hat ein Fachbuch über eine bestimmte Hunderasse geschrieben, wo es bisher weltweit noch nicht ein einziges Buch gibt (maximal die erwähnung in einem Buch).
Wer die Rasse hat oder gezielt danach sucht findet nur dieses eine Buch.

Sie möchte aber auch einen guten Preis machen und so um die 20 € verlangen. Mit Verlag wird das eben alles sehr aufgebläht. eben weil sie ein Paket mitkauft was sie nicht will und nicht braucht.
Ich hoffe du verstehst in etwa wie ich meine.
blubbblubb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.03.2016, 16:08   #68  
Peter L. Opmann
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Zitat:
Zitat von blubbblubb Beitrag anzeigen
Darf man fragen an was für einen Verlag du gedacht hast?
Ich habe eine Bekannte die ein Buch geschrieben hat und schon seit Ewigkeiten nach einem Verleger sucht der finanziell vertretbar ist. Momentan forste ich gerade die Seite durch. Momentanes Problem ist die hohe Provision die verlangt wird. Alternativ sieht sie auch in Betracht es selber zu drucken, sowas kann man z.B. hier machen. Aber wenn ich es richtig verstehe hat man dann keine Rechte. oder besser ausgedrückt: man ist nicht so geschützt falls es Dritte kopieren würden.
Diese Frage habe ich bewußt zurückgestellt. Ich nehme auch in Kauf, keinen Verlag zu finden (bin im übrigen auch nicht sicher, ob die Qualität von Story und Grafik reicht, eine professionelle Veröffentlichung zu rechtfertigen). Wichtig ist mir, den Comic fertig zu bekommen, und wenn das geschafft ist, wäre es schön, wenn er auch gedruckt würde. So sehe ich das.

Daß man beim Self-Publishing keine Rechte hat, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Aber ich müßte dann gegen Nachdrucke selbst vorgehen, während das sonst die versierte Rechtsabteilung des Verlags übernimmt.

Ich würde schon mal Seiten meines Daphne-Projekts hier im Forum zeigen. Wäre besser als möglichst unverfänglich auf das andere Internetforum zu verweisen, wo ich das bereits tue. Aber ich kann hier selbst keine Bilder einstellen. Wäre also davon abhängig, ob das die Unterente oder sonst jemand für mich macht.
Peter L. Opmann ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 04.03.2016, 16:18   #69  
Servalan
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Auch bei einem kleinen Verlag wäre sie relativ ungeschützt; letztlich haben nur Medienkonzerne das entsprechende Kleingeld, um Leute vor Gericht jahrelang zu verklagen. Nach meinem Kenntnisstand bleibt das Urheberrecht sowieso an sie als (juristisch) natürlich lebende Person (also als lebendiger Mensch) gebunden, trotzdem sollte sie ihr Wissen geschickt "verwerten".

Ich würde ihr vorschlagen, sich jemanden in der Szene (z.B. Veranstalter von Hundeschauen, Geschäft für Hundebedarf) zu suchen und ihn zum Partner eines Mini-Verlages zu machen. Entweder könnte der Selbstverlag dann gemeinsam gegründet werden oder sich ernennt ihren Kompagnon zum Geschäftsführer, der den Papierkram gegen eine angemessene Beteiligung verrichtet.
Vorträge bieten dann einen prima Anlaß, mit dem das Buch unter die Leute kommen kann.
Wenn das ein Erfolg in der Züchterszene wird, dann melden sich früher oder später auch die großen Verlage.
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Alt 07.03.2016, 17:06   #70  
Peter L. Opmann
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@ Blubbblubb:
Habe jetzt übrigens angefangen (mit Hilfe von underduck), im Künstlerbereich Teile meines Comics zu zeigen - Titel: "Mein Daphne-Comic".
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Alt 10.03.2016, 16:28   #71  
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Standard "Ist das Kunst? Oder kann das weg?"

Die "gute alte Zeit" wird überschätzt und verklärt: Schreiben war ein mühsames, kostspieliges und selten ertragreiches Geschäft.
Sogar Manuskripte wurden in Schreibbüros aufwendig von Hand kopiert (siehe die Scrooge-Verfilmungen oder Nosferatu). Später versprachen mechanische Schreibmaschinen eine gewisse Erleichterung. Doch deren Schwanengesang erklang zum ersten Mal in den 1980er Jahren, als Personal Computer (PCs) langsam aber stetig Büros und private Räume eroberten.
In jener Zeit wurde das Utopia eines papierlosen Büros heraufbeschworen.

Papier wiegt einiges, was jeder beim Umzug im Rücken spürt. Außerdem verursachen der Kauf des toten Holzes und der Druck jeder Seite Kosten, hinzu kommt die Lagerung der Ordner oder Kartons.

Wer beruflich schreibt, bei der oder dem stapelt sich das Papier unausweichlich. Zum einen hilft es Leuten wie mir erheblich, im frisch Verfaßten Fehler, Mängel und andere Schlampereien zu erkennen und sofort zu korrigieren.

Als zweiter Faktor kommt die rasante technische Entwicklung hinzu: Was ich handschriftlich zu Papier gebracht oder ausgedruckt habe, das kann ich jederzeit wieder hervorziehen und mich aufs Neue damit befassen.
Bei den Speichermedien der letzten dreißig bis vierzig Jahre sieht es hingegen finster aus: Falls ich uralte Floppydisks oder 3.5"-Disketten auslesen möchte, muß ich umständlich technische Spezialisten konsultieren.
Häufig sind Dateien korrupt, also schadhaft. Weil ich nicht weiß, wie es mit den Speichermedien weitergeht, achte ich darauf, daß ich Manuskripte ausdrucke, die mir lieb und wichtig sind.

Über die Jahrzehnte sammeln sich diverse Regalmeter an oder Archivkartons stapeln sich im Keller bzw. auf dem Dachboden. Irgendwann droht ein Rappel, all die Staubfänger auszumisten und sich vom dem Krempel zu trennen, der allmählich vergilbt. Draußen lauert eine gefräßige Altpapiertonne.
Wer sich dazu überwindet, spürt, wie weh das tut.

Ein gewisser Ruf (frühestens ab 60 mit einer stattlichen Bibliographie!) geht mit Privilegien einher, die solche Entscheidungen erleichtern. Denn in diesem Fall helfen Institutionen und sorgen wieder für einen freien Blick, obwohl das Archiv keineswegs vernichtet, sondern erhalten wurde.

Die informelle Methode besteht in einem Freundeskreis, praktisch ein Kollektiv, das als Mäzen handelt. Dieser Freundeskreis gründet einen Verein oder eine Stiftung, die dann das Gesamtwerk (wie jeder andere Verlag auch) editiert, über die Autorin oder den Autor forscht sowie das Archiv lagert und betreut.

Je nach Stellung bieten sich die Archiv der Kommunen, der Länder und des Bundes an. Diese staatlichen Archive verwalten historische und andere wichtige Dokumente, Urkunden und Akten, weshalb sie mit Steuermitteln unterhalten werden (hier eine Liste).
In der Hauptsache werden die Nachlässe Verstorbener aufbewahrt. Bei wichtigen Personen der Zeitgeschichte liegen die Archive schon zu Lebzeiten auf der Lauer, denn das Aufbereiten des Materials bindet Personal, Kosten und natürlich Zeit. Wer angesprochen wird, kann die besten Konditionen für einen Vorlaß aushandeln.

Den belletristischen Olymp stellt das Deutsche Literaturarchiv Marbach dar, das seine Schätze regelmäßig in Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert - und immer eine Reise wert ist.

Geändert von Servalan (11.03.2016 um 00:33 Uhr)
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Alt 16.03.2016, 20:19   #72  
Servalan
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Ein einfaches Motiv, das ich aber nicht unterschätzen möchte, ist, daß man eine Geschichte erzählen will. Ich glaube, viele Menschen haben den Kopf voller Geschichten - die sind halt nicht unbedingt alle zu Literatur formbar. In unseren postmodernen Zeiten, in der angeblich alle Geschichten längst erzählt sind, ist das zudem problematisch.
Ohne einen Haufen Papier läuft die Chose nicht.
Wer schreibt, wird schnell merken, daß reines Improvisieren auf die Dauer in trostlosen Sackgassen endet. Entweder versanden die Geschichten, weil sogar das Schreiben zur langweiligen Fleißaufgabe wird - dann merkt die oder der Verfasser selbst, daß etwas schiefläuft.
Oder alles läuft reibungslos, und die Seiten füllen sich, obwohl kein Ende abzusehen ist. Falls ein Unbefangener das Zeug in die Hände bekommt, wird dessen anfängliches Interesse allzu schnell erlahmen, weil sich zuviel wiederholt oder der Inhalt den Ansprüchen nicht gerecht wurde.

Wenn ich über etwas schreibe, brauche ich einen Draht zum Thema und muß mich insoweit auskennen, daß ich mit Experten produktiv diskutieren kann.
Im Laufe bekommen wir (als Vertreter unserer Spezies Homo sapiens sapinens) spitz, was uns liegt und was uns kaltläßt.
Deshalb: Ruhig den eigenen Gefühlen vertrauen!

Die ersten Jahrzehnte vergehen meist damit, sich eine Orientierung und ein fundiertes Grundwissen zu erarbeiten. Nicht alles davon wird in der Schule gepaukt.
Wer sich für spezielle Sach- und Fachgebiete interessiert, muß von sich aus aktiv werden und sich kundig machen. Manchmal reicht es, Fachleute zu fragen, ob dieser oder jener Sachverhalt richtig geschildert ist - solange es nur um Details geht.
Mit den Medien sind die Ansprüche des Publikums gewachsen: Wenn ich in einem Krimi meine Figuren bei einer Ermittlung begleite, sollte ich mich dabei am korrekten Verfahren orientieren. Aus dramaturgischen Gründen wird das nicht immer möglich sein, denn die poetische Lizenz zum Verbiegen der Fakten sollte mit Bedacht und so selten wie möglich genutzt werden.

Dieser Maßstab gilt auch für Werke der Fantasy und der Science-Fiction, die ja allgemein als "eskapistische Fluchtliteratur" (ein Oxymoron) geringgeschätzt werden. Wenn ich die Erfolge der letzten Jahre betrachte - von JK Rowling über Suzanne Collins bis zu George R.R. Martin -, dann sehe etwas vor mir, das Scott McCloud als Weltenbau bezeichnet. (Bestimmte Sachverhalte lassen sich heute leider nicht in einen Gegenwartsroman bannen, ohne mit einem fürchterlichen Shitstorm abgestraft zu werden.)
Jede fiktive Welt muß in sich schlüssig sein und zumindest im Moment der Lektüre Sinn ergeben. Wer sattelfest darin ist, kann den nächsten Schritt wagen, und mit der Struktur spielen: Drogen, virtuelle Realität (die vielzitierte "Matrix") und unzuverlässige Erzähler zum Beispiel können das Spiel zwischen der Geschichte und dem Publikum bereichern.

Recherche tut also not. Sie sollte ein vertrautes, ein selbstverständliches Handwerkszeug sein.

Endlose Monologe nerven mich, ich ziehe Dialoge vor.
Nach und nach werde ich das mit der Recherche vertiefen. Wer gute Vorschläge und hilfreiche Kommentaree hat, ist willkommen.
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Alt 17.03.2016, 14:06   #73  
Servalan
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Zitat:
Zitat von G.Nem. Beitrag anzeigen
Doch, ab einem gewissem Punkt im Leben musst du. Wenn es in dir ist.
Rein theoretisch lassen sich zwei verschiedene Ansätze unterscheiden. Ich spreche bewußt von Ansätzen, weil in der Praxis beide Methoden ineinander übergehen können. Teilweise hängt das von der Intensität, dem Aufwand und der verwendeten Zeit ab, welcher Ansatz wann und wo bei wem den Ton angibt.

A) Die systematische Recherche

Wenn ich mir den Zugang zu einem neuen Wissensgebiet erarbeiten muß, bleibt mir nur die systematische Recherche. Denn ich muß Fachtermin wie Vokabeln büffeln, mir grundlegende Gedanken und Methoden aneignen sowie ein fundiertes Grundwissen verinnerlichen.
Gerade zu Beginn eines solchen Unterfangen sind Mentoren oder Tutoren hilfreich. Basis-Handbücher und Nachschlagewerke für Berufsanfänger stehen häufig in den Regalen der Buchkaufhäuser, wo sie sich durchblättern lassen. Ringvorlesungen an Universitäten bieten vergleichbare Einblicke in verschiedene Studienfächer.
Die ersten Referate vor der Schulklasse fordern als erste die Fähigkeiten heraus. Dabei geht es darum, sich selbst mit dem Stoff so vertraut zu machen, daß es gelingt, ihn in eigenen Worten an Dritte zu vermitteln.

Wer sich mehrere solcher Gebiete erobert hat, dem stellen irgendwann offene Fragen. Obwohl bestimmte Details für das Referat, den Artikel oder das Manuskript keine Rolle spielen, möchte ich die Antwort wissen. Das liegt möglicherweise daran, daß ich dieses Thema weiterhin verfolgen möchte oder mich gewisse Antworten verstören können.

Denn manchmal verlangt eine Geschichte ein Wissen, das heute obsolet ist. Ein gutes Beispiel dafür sind veraltete Heilmethoden: Über etliche Jahrhunderte war die sogenannte Säftelehre im Schwange. Krankheiten wurden den vier antiken Temperamenten und ihren entsprechenden Körpersäften (Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle) zugeordnet.
In einem historischen Roman muß eine glaubwürdige Medikus-Figur aus heutiger Sicht falsch handeln und seinen Patienten, wie es die Mode verlangt, zur Ader lassen - obwohl er damit den Zustand verschlechtert.

B) Allgemeine Neugier: Ständige Recherche

Je länger und je intensiver ich mich mit etwas beschäftige, desto vertrauter wird mir der Stoff. Das menschliche Gehirn denkt assoziativ, nicht logisch. Und häufig genutzte Verschaltungen in den Synapsen wachsen sich zu gebüschartigen Clustern aus.

Häufig überschneiden sich eigentlich grundverschiedene Disziplinen (wie Medizin und Geschichte im Beispiel oben). Im Gegensatz zum festen Curriculum während des Studiums gibt es im Selbststudium keinen verbindlichen Fahrplan.
Vielmehr führen Antworten zu neuen Fragen.

Durch die ständige Recherche lese ich eigentlich immer und überall etwas. Vorlesungen und Fachbücher ziehe ich dabei populärwissenschaftlichen Zeitschriften vor. Ab und zu wird ein Abgleich mit dem aktuellen Kenntnisstand eines Sachgebiets nötig, denn in unregelmäßigen Abständen können sich einzelne Disziplinen komplett verändern. Was gestern üblich war, gilt heute als veraltet.
Der Fachbegriff dafür lautet Paradigmenwechsel.

Im Laufe der Zeit gewinnt dieser Prozeß eine eigene Dynamik, die sich der bewußten Kontrolle entzieht. Unbewußt denkt das Hirn weiter, verknüpft dieses mit jenem und etwas anderen - und irgendwann überfällt mich die Idee für eine Geschichte oder ich sehe eine Szene vor meinem inneren Auge, die ich unbedingt zu Papier bringen muß.

Geändert von Servalan (19.03.2016 um 17:17 Uhr)
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Alt 24.03.2016, 15:57   #74  
Servalan
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Standard Fürs Storytelling recherchieren

In der Theorie klingen die Ratschläge einfach, in der Praxis ist jedoch Vorsicht geboten: Für einen Roman oder eine Kurzgeschichte muß ich anders zuwegegehen als bei einem wissenschaftlichen Artikel oder einem Beitrag für eine Enzyklopädie. Das Erzählen selbst steht im Vordergrund, also entweder die Story mit ihren Charakteren oder der Rhythmus der Sprache, der faszinieren muß.

Wenn das Mittel falsch dosiert wird, kann ich mich auch mit den besten Vorsätzen zutode recherchieren - dann komme ich nie zu Potte. Oder ich vergeude zuviel Zeit (die mir dann beim Schreiben fehlt) mit winzigen Details, die eigentlich überflüssig sind - und als Geschwätz im Lektorat spätestens gestrichen werden.

Eine Szene oder eine Idee liefern nur die Anregung für einen komplexen Prozeß, in dem sich beide Elemente - das Schreiben und das Recherchieren - ineinander verzahnen und sich miteinander abwechseln.
Deshalb ich wissen, wofür ich recherchiere. Was muß ich wissen, was darf ich wissen und was sollte ich eher beiseite lassen, um den Erzählfluß nicht zu unterbrechen.

Sich für eine Figur, zum Beispiel einen Profiler oder eine Pathologin im Krimi, Wissen anzueignen, dürfte eher eine leichte Übung sein. Falls es sich um eine Hauptfigur handelt muß ich intensiver zuwerkegehen als bei einer Nebenfigur. Schreiben bedeutet Drama, im Gegensatz dazu verläuft der realistische Alltag in den meisten Berufen und Disziplinen eher unspektakulär.
Außerdem möchte das Publikum nicht belehrt werden, sondern sich seinen Teil selbst denken. Lassen wir ihm das Vergnügen. Wissen sollte bewußt und gezielt eingesetzt werden, um etwas durch den Text im Text selbst zu verdeutlichen. Heute wissen meiner Ansicht nach sogar die "bildungsfernen Schichten" mehr als die gewöhnlichen Leute vor 100 Jahren.

Für solche Standards gibt es häufig Nachschlagewerke, die in den Handapparat auf dem Schreibtisch oder neben das Keyboard gehören:
  • Der Pschyrembel oder ein anderes Medizinlexikon.
  • Aktuelle MINT-Zeitschriften und -Fachbücher (offline oder online).
Ihr müßt euch nicht jedes Buch kaufen. Stadtbibliotheken und Unibibliotheken bieten ein reichhaltiges Sortiment, das meist nutzen kann, wer in den kommunalen Grenzen seinen Wohnsitz hat.

Als ich mein Abi gebaut habe, wollte ich auf Shakespeare geprüft werden. Um mich vorzubereiten, habe ich eines seiner Dramen per Hand abgeschrieben, weil ich wissen wollte, wie es funktioniert. Diese Übung hat mich fast einen Monat gekostet, aber danach habe ich verstanden, daß
(1) kein Wort - der Schlegel/Tieck'schen Übersetzung - überflüssig ist;
(2) jeder Satz eine Bedeutung hat und das Verhältnis der Figuren untereinander exakt definiert;
(3) es keinen Leerlauf, kein Geschwafel, kein Zeilenfüllsel gibt, und was in ungeschulten Ohren zunächst hochtrabend und aufgesetzt klang, wirklich das Geschehen extrem verdichtet hat;
(4) Regieanweisungen doppelt gemoppelt wären: Das Drama konnte darauf verzichten, weil jede der geschliffenen Sentenzen durch Wortwahl, Rhythmus und Satzbau offenlegt, wie die Figuren zueinander stehen;
(5) jede Figur ihre eigene Art zu reden hat.

Wenn ihr das einige Mal bei Geschichten macht, die euch gefallen, lernt ihr eine ganze Menge. Sobald ihr ein Feeling dafür habt, könnt ihr das Konzept für eure eigenen Geschichten ausarbeiten.

Ohne Konzept bleibt die beste Recherche fruchtlos.

Wie bei einem langen Weg die eigenen Schritte, sollten sich die Konzepte für Recherche und Schreiben wieder und wieder abwechseln.

Laßt euch nicht einschüchtern.

Zur Not schreibt irgendwas, um einen Anfang zu finden. In der Rohfassung ist alles erlaubt. Der erste Satz im gedruckten Roman ist nicht immer der erste Satz, der geschrieben wurde.
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Alt 24.03.2016, 17:30   #75  
Peter L. Opmann
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Das ist schon fast alles richtig und lobenswert.

Aber das mit der Recherche ist doch eine knifflige Sache. Wenn man von Medizin keine Ahnung hat, nützt es auch nichts, wenn man im Pschyrembel nachschlägt. Man braucht einen Überblick über medizinische Zusammenhänge, sonst nützt einem auch das richtige Fremdwort am richtigen Ort nichts. Das gilt genauso für alle anderen Naturwissenschaften - und für die Geisteswissenschaften vermutlich erst recht.

Da würde ich lieber von Fachbegriffen die Finger lassen, wenn ich mich mit dem Fach eigentlich nicht auskenne. Oder wenn das extrem wichtig für meinen literarischen Text ist, dann würde ich mich richtig informieren. Etwa bei einem Freund, der sich in dem Fachgebiet auskennt. Oder ich würde mal einen richtigen Kurs machen, der mich in das Gebiet einführt.

Aber Bescheidenheit - also nicht vorgeben, Fachmann zu sein - ist besser.
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