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Alt 05.12.2022, 06:23   #351  
Peter L. Opmann
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Heute mal ein Film, über den leicht zu schreiben ist, den vermutlich auch die allermeisten kennen (aber wer weiß, wie das in der jungen Generation aussieht): „Die Wüstensöhne“ (1933) von William A. Seiter (wurde hier schon mal angesprochen). Zunächst ein Seitenblick auf den Regisseur, der unwichtiger ist als in all meinen bisherigen Besprechungen. Laut wikipedia war Seiter einer der erfolgreichsten Komödienregisseure der 30er und 40er Jahre. Er arbeitete mit den Marx-Brothers, mit Cary Grant und mit Fred Astaire und Ginger Rogers, aber einen richtig bekannten Film hat er sonst nicht gedreht. Dies ist ein Laurel-und-Hardy-Film, einer der ersten (fast) abendfüllenden Filme, die sie gemacht haben. Anfangs haben sie dabei oft Kurzfilme recycelt und zusammengesetzt; später kamen dann herkömmliche Komödienelemente hinzu wie romantische Liebespaare oder herzige Kinder, als ob Hollywood ihrer einzigartigen Komik nicht mehr vertraut hätte. Dieser Film nimmt die Grundstruktur ihres Kurz-Stummfilms „Im Strudel der Gosse“ von 1928 auf, macht aber erheblich mehr daraus.

Damit klar ist, wovon ich rede: Laurel und Hardy wollen zum Jahrestreffen ihres Männervereins „Die Wüstensöhne“ nach Chicago, erhalten aber dazu keine Erlaubnis von ihren Ehefrauen (Mae Busch und Dorothy Christy). Ollie stellt sich darauf schwerkrank und bekommt eine Kur in Hawaii verordnet. Das gibt ihnen die Möglichkeit, doch nach Chicago zu reisen. Das Schiff nach Honolulu sinkt, ohne daß sie davon etwas mitbekommen. Die Sorge der Frauen zerstreut sich, als sie die beiden in der Wochenschau quietschvergnügt bei einer Parade ihres Clubs in Chicago sehen. Als Stan und Ollie heimkehren und merken, daß sie ihren Frauen eine neue Geschichte auftischen müssen, verstecken sie sich zunächst auf dem Dachboden des Hauses. Wegen eines Gewitters flüchten sie dann doch in die Wohnung. Sie verabreden, nicht die Wahrheit zu sagen. Stan knickt jedoch ein und wird wegen seiner Kooperation von seiner Frau mit Leckereien und sogar einer Zigarette belohnt. Ollie bekommt dagegen eine Menge Geschirr an den Kopf.

Was noch heute – nach 90 Jahren – grotesk wirkt, ist die hoffnungslose Unterlegenheit der beiden Männer. Sie haben etwa so große Chancen, mit ihren Lügen bei ihren Frauen durchzukommen, wie ein sechsjähriges Kind, das seinen Eltern etwas beichten soll. Die Frauen sind zwar sehr resolut gezeichnet und fuchteln sogar mit Gewehr und Messer herum oder bewerfen ihren Mann mit Porzellan. Aber Stan und Ollie sind nicht nur geistig minderbemittelt, sondern regelrecht auf der Entwicklungsstufe eines kleinen Kindes stehengeblieben. Wenn sie sich in der Öffentlichkeit bewegen, können sie ihre grenzenlose Naivität meist ganz gut verbergen, aber ihre Frauen kennen sie genau. Und behandeln sie letztlich auch wie Kinder. Ollie verfolgt die Strategie, seiner Frau einfach nicht alles zu erzählen, was er so treibt. Stan fragt seine Gattin bei allem erst um Erlaubnis („Sonst weiß ich doch gar nicht, was ich darf und was nicht“). Beides führt, jedenfalls was das Treffen der Wüstensöhne betrifft, nicht zum Erfolg. Das ist, zumindest für einen nicht Verheirateten, noch immer ungeheuer komisch.

Der Film ist nur etwas mehr als eine Stunde lang. Das reichte jedoch damals für ein Double-Feature. Ich denke, Stan Laurel, der kreative Kopf des Komikerpaars, konnte sich nicht vorstellen, daß die Komik über die komplette Spielfilmlänge trägt. Dabei ist „Wüstensöhne“ auch noch mit einer Menge Gags angereichert, die nicht direkt zur Story gehören: Zum Beispiel sperren sich Stan und Ollie gegenseitig aus ihren Wohnungen aus. Ollie wird wegen seiner vorgeblichen Krankheit von einem Pferdedoktor behandelt und plumpst in eine Wanne, die ihm als Fußbad dienen sollte. In Chicago telefoniert Ollie versehentlich mit seiner eigenen Frau (wobei er sich schon beinahe verrät). Und als die beiden am Ende den Dachboden verlassen, rutscht Ollie in eine volle Regentonne und bekommt es dabei auch noch mit einem Polizisten zu tun, der ihn für einen Einbrecher hält. Der Film enthält aber, für die Verhältnisse von Laurel und Hardy, wenig Slapstick. Den Kern bilden ihre hilflosen Auseinandersetzungen mit ihren Ehefrauen, die brillant gespielt sind. Dieser Film ist ein wahrer Klassiker und wird es noch lange bleiben.
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Alt 05.12.2022, 17:30   #352  
Peter L. Opmann
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Jetzt dachte ich, das sei der Film, auf den alle gewartet haben - aber irgendwie interessiert der niemand...
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Alt 05.12.2022, 18:01   #353  
Marvel Boy
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Sorry, war heute morgen zu spät dran den Text noch zu lesen und bin jetzt schon wieder auf dem Sprung. Wird morgen nachgeholt, den Film kenne ich, klar.

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Alt 05.12.2022, 18:29   #354  
Peter L. Opmann
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Es MUSS ja niemand was dazu sagen. Aber hat mich etwas gewundert.

Generell finde ich es besser, wenn ich nicht bloß einen langen Monolog halte. Ich erinnere daran, daß wir ursprünglich diskutiert haben, ob Margret Rutherford eine gute Miss Marple war oder nicht. Das hat mir gefallen.

Gut fand ich auch, hier etwas über die Ost-Filmszene zu erfahren. (Bin noch am Überlegen, ob ich demnächst auch mal auf Tarkowski zu sprechen komme oder mir - vermutlich nächstes Jahr - "Andrej Rubljow" doch erst nochmal ansehe.)
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Alt 05.12.2022, 19:17   #355  
Crackajack Jackson
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Ich weiß nicht genau, ob Stan der kreative Kopf war. Vor etwa drei Jahren habe ich die Biografie ‚Stan‘ von John Connolly gelesen, die sehr zu empfehlen ist.
Die beiden haben nur zusammen funktioniert.
Und mit Frauen hatten die beiden in ihrem richtigen Leben immer große Probleme gehabt.
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Alt 05.12.2022, 19:32   #356  
Nante
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Jetzt dachte ich, das sei der Film, auf den alle gewartet haben - aber irgendwie interessiert der niemand...
Ich kenne ihn einfach nicht. - Das trifft bei mir aber auf fast alle Stan&Olli-Filme zu. Ich kann irgendwie nichts mit Ihnen anfangen.
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Alt 05.12.2022, 20:07   #357  
Peter L. Opmann
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@ Cracka: Ich weiß natürlich nur, was ich über Laurel und Hardy gelesen habe - Stan Laurel ist in meinem Geburtsjahr gestorben, Babe schon acht Jahre vorher. Aber es heißt immer wieder, Hardy habe eine Menge Interessen außerhalb seines Schauspielerjobs gehabt (Golfspielen, Zocken, Essen - natürlich), während Laurel immer noch nach Dienst an den Gags gefeilt habe. Bei Hal Roach wurde wohl noch in den 30er Jahren nur mit groben Drehbüchern gearbeitet und einiges beim Drehen entwickelt. Neben dem nominellen Regisseur hat Laurel da viel mitgewirkt. Und er soll sich auch nach dem Tod von Hardy noch Laurel-und-Hardy-Gags ausgedacht haben - naja, das ist jetzt ein bißchen pathologisch...

@ Nante: Das überrascht mich, jemanden zu treffen, der Laurel und Hardy nicht kennt und nicht mag. Ich möchte Dich deshalb nicht tadeln, aber ich dachte immer, jeder kennt und liebt dieses Paar. Hat das etwas mit Deiner Ostprägung zu tun?
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Alt 05.12.2022, 20:23   #358  
Nante
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Hat das etwas mit Deiner Ostprägung zu tun?
Das denke ich nicht. "Dick & Doof" waren auch bei uns sehr populär. Und zumindest viel von ihren frühen Sachen habe ich gesehen, ehe ich das erste mal Chaplin gesehen habe. Aber es gab mir einfach nichts. (Im Gegensatz etwa zu den heute wesentlich unbekannteren Dänen Pat& Patachon.)
Ist allerdings alles schon über 30 Jahre her. Vielleicht sollte ich mir mal wieder etwas anschauen. Geschmäcker ändern sich ja auch.
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Alt 05.12.2022, 21:01   #359  
Peter L. Opmann
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Okay, ein paar Empfehlungen, zunächst Kurzfilme:
- Der zermürbende Klaviertransport (The Music Box) – gewann einen Oscar!
- Skandal im Regenbogenclub (Blotto) – gut vor allem wegen ihres sinnlosen Lachens, enthält auch wieder rabiate Ehefrauen
- Wir sitzen in der Klemme (Helpmates) – da brennen sie beim Aufräumen ein Haus bis auf die Grundmauern nieder
- Going Bye bye (gibt’s mit verschiedenen deutschen Titeln) – ihre Hilfsbereitschaft wird ihnen schlecht gedankt
- Am Rande der Kreissäge (Busy Bodies) – sie versuchen, in einer Schreinerei zu arbeiten
- Eine Landpartie (Perfect Day) – Beispiel für eine Handlung, die ewig nicht in die Gänge kommt; hier sind die Gattinnen mal verträglich
- Das große Geschäft (Big Business) – Stummfilm, aber sehr bekannt: Sie verkaufen Weihnachtsbäume im Juli (Musterfall ihres Gagprinzips „Slow Burn“)
- Das unfertige Fertighaus (The finishing Touch) – noch ein Stummfilm; beim Hausbau bekommen sie Ärger mit einer Krankenschwester
- Selige Campingfreuden (Them thar Hills) – sie geraten unbeabsichtigt in eine verfängliche Situation
- Die besudelte Ehre (Tit for tat) – ein Kurzfilm, der den vorherigen fortsetzt

Die Langfilme begeistern mich weniger, aber gut sind vor allem:
- Im Wilden Westen (Way out West)
- Die Teufelsbrüder (Fra Diavolo)
- Die Klotzköpfe (Blockheads)

Viel Spaß!
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Alt 05.12.2022, 22:31   #360  
pecush
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Stan und Ollie, oder besser Dick und Doof, habe ich als Kind gerne gesehen.
Die Lust darauf hat es nicht bis ins Erwachsenenalter geschafft...
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Alt 06.12.2022, 06:10   #361  
Marvel Boy
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Okay, Laurel und Hardy, Wüstensöhne, zuerst gesehen als Jugendlicher und als zu lang empfunden. Ich liebte die Kurzfilme, alle voran die Nummer mit dem Klavier. Von den Langfilmen mochte mir keiner so recht gefallen, die hab ich dann über die Jahre alle mal gesehen. Einige Dokus über die beiden auch, sehr interessant. Aber zum lachen gehe ich doch heutzutage eher in den Keller bzw. lache gerne aber es darf nicht albern sein. Laurel und Hardy balancieren da meist auf der Grenze dessen was sie in Kurzform unterhalsam macht.

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Geändert von Marvel Boy (06.12.2022 um 06:18 Uhr)
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Alt 06.12.2022, 06:15   #362  
Peter L. Opmann
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Überrascht mich jetzt - ich dachte, Laurel und Hardy wären etwas, worauf sich so ziemlich alle einigen können.

Was mich betrifft, kann ich mich in manchem wiedererkennen. Vor allem die peinlichen Situationen, in die die beiden unversehens geraten. Ist mir schon oft passiert.
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Alt 06.12.2022, 06:19   #363  
Marvel Boy
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Gerade Peinlichkeiten anschauen mag ich ja so garnicht.

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Alt 06.12.2022, 06:26   #364  
pecush
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Das fällt mir ein, es wäre Zeit für Clark Griswolds Weihnachtsgeschichte.
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Alt 06.12.2022, 06:31   #365  
Marvel Boy
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Alt 06.12.2022, 07:08   #366  
Peter L. Opmann
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Zitat:
Zitat von Marvel Boy Beitrag anzeigen
Gerade Peinlichkeiten anschauen mag ich ja so garnicht.
Lachen kann eine kathartische Wirkung haben.
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Alt 06.12.2022, 07:14   #367  
Peter L. Opmann
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Gestern habe ich ein paar Umzugskisten aus dem Weg geräumt. Dabei fiel mir ein Ordner mit Kinokritiken in die Hände, die ich zwischen 1985 und 1992 für eine kleine Lokalzeitung geschrieben habe. Damals schrieb ich zum Beispiel über „Time of the Gypsies“ (1988) von Emir Kusturica: „Die Faszination des ungebundenen, gefährdeten Lebens ist unwiderstehlich.“ Heute betrachtet man den Film sicher viel politisch korrekter und distanziert sich. Aber für mich ist er immer noch ein großes Erlebnis, und ich glaube auch nicht, daß er diskriminierend oder rassistisch ist.

Dies ist ein jugoslawischer Film (wie es da noch hieß), und die Schauspieler sind mir alle unbekannt. Deshalb nenne ich diesmal ausnahmsweise die Rollennamen. Hauptfigur, aus deren Perspektive auch alles gesehen wird, ist Perhan, ein junger Zigeuner (ich verwende diesen Begriff jetzt einmal und dann nicht mehr, okay?), der in ärmlichen Verhältnissen bei seiner Großmutter lebt. Ahmed kommt in die Siedlung. Er gilt als sehr reich und muß gleich ein paar Probleme seiner weitläufigen Verwandtschaft lösen. Vor allem soll Danira, Perhans Schwester, wegen ihres verletzten Beins nach Ljubljana ins Krankenhaus gebracht werden. Ihre Behandlung wird auch Geld kosten. Perhan kommt mir und begleitet Ahmed dann noch nach Mailand, wo er Arbeit sucht. Ahmed und seine Kumpane sind dagegen Zuhälter, handeln mit Frauen und Kindern, schicken auch Bettler auf die Straßen und machen sich über ihn lustig, weil er durch seine Arbeit so wenig Geld verdient. Also läßt sich Perhan auf kleine Einbrüche und Diebstähle ein, wodurch er tatsächlich etwas Geld zusammenbringen kann. Er möchte zuhause ein Mädchen heiraten, ist aber von deren Mutter abgewiesen worden, weil er so arm war.

Ahmed wird von seinen Freunden reingelegt und verliert die Prostituierten und Bettler, die für ihn gearbeitet haben. Obwohl Perhan, der noch bei ihm ist, ziemlich jung ist, wird er nun seine neue rechte Hand, faktisch der Kopf der Bande. Er verdient auf Ahmeds Weise eine Menge Geld. Darauf kehrt er zu seinen Verwandten zurück, um dort nach dem Rechten zu sehen. Er merkt, daß Danira nicht am Bein operiert worden ist, sondern nun ebenfalls wohl in Italien bettelt. Auch andere Dinge, die Ahmed ihm versprochen hatte (unter anderem, ihm ein Haus zu bauen), erweisen sich als leere Versprechungen. Seine ersehnte Braut ist inzwischen schwanger. Sie behauptet freilich, Perhan sei der Vater, was immerhin möglich wäre. Bei der Geburt stirbt sie. Perhan macht sich auf die Suche nach seiner kleinen Schwester. Nach mehreren Jahren findet er sie schließlich in Italien. Sie weiß, was aus dem Kind seiner Braut geworden ist, und bringt ihn hin. Als er den Jungen sieht, ist er überzeugt, daß es wirklich sein Sohn ist. Nun muß er noch mit Ahmed abrechnen, der ihn betrogen hat. Er tötet ihn auf magische Weise und ersticht Ahmeds neue Bandenmitglieder. Am Ende wird er jedoch selbst erschossen.

Die Handlung hatte ich nicht mehr in allen Details im Kopf. Ich stützte mich daher teilweise auf wikipedia. Aber sie ist auch nicht das Zentrale an dem Film (klingt wie eine übliche Mafiageschichte). Vielmehr lernt man die Welt dieser nur teilweise seßhaften Leute kennen und sieht sie mit neuen Augen. Sie sind tiefgläubig katholisch, doch zugleich auch in okkulte Praktiken verstrickt, die hier mitunter ganz real erscheinen. Auch Wahrsagerei spielt eine wichtige Rolle. Man sieht, die Leute sind in gewissem Sinne auf krumme Touren angewiesen, um zu etwas Geld zu kommen.

Was ich noch nicht erwähnt habe, ist die wichtige Rolle, die Perhans Großmutter als Familienoberhaupt und einzig verläßliche Bezugsperson (abgesehen von seiner kleinen Schwester) spielt. Durch Blutrache scheinen alle Mitglieder der Gemeinschaft dem Unglück verfallen zu sein. In ihrem Streben nach ein bißchen Wohlstand richten sie sich gegenseitig zugrunde. Sie leben in dieser schicksalhaft bestimmten Welt, weil sie keinerlei Möglichkeiten haben, sich gegen Lebensrisiken abzusichern. Die romantische Vorstellung des fahrenden Volkes findet dagegen hier keinerlei Bestätigung. Ich glaube, bei dieser Thematik hat wohl jeder Vorurteile, die sich fatalerweise in diesem Film auch teilweise zu bewahrheiten scheinen. Perhan und seine Familie werden jedoch überwiegend positiv gezeichnet, weshalb man sich leicht identifizieren kann. Insgesamt gewinnt man Verständnis, weshalb ich den Film nicht als unkorrekt empfinde. „Time of the Gypsies“ hat vielleicht gewisse Anklänge an „La Strada“, ist aber letztlich mit keinem Film vergleichbar, den ich sonst gesehen habe.

Geändert von Peter L. Opmann (06.12.2022 um 08:53 Uhr)
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Alt 06.12.2022, 07:15   #368  
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Mit meinem Bruder habe ich oft 'Dick und Doof' gesehen. Er wollte Ollie sein. Dabei kam er immer schlechter weg.
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Alt 06.12.2022, 07:32   #369  
Peter L. Opmann
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Von der Rolle her gesehen: Ollie bekommt mehr ab, weil er sich für klüger hält. Das ist sozusagen die gerechte Strafe.

Aber die beiden bekommen ja nicht nur auf die Mütze. Sie verhalten sich einfach ungeschickt - etwa gegenüber Autoritätspersonen oder auch gegenüber Frauen. Das ist eher das, was mich anspricht.
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Alt 07.12.2022, 09:05   #370  
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
über „Time of the Gypsies“ (1988) von Emir Kusturica:
Wieder mal ein Film der total an mir vorbei gegangen ist. Ich denke, das er in der DDR nicht lief, ich ihn mir wohl aber auch dann nicht angeschaut hätte.
Mir fiel zu dieser Thematik zwar spontan der sowj. Film "Das Zigeunerlager zieht in den Himmel" ein, aber die Story und auch die Sichtweise auf die Thematik ist doch eine ganz andere als bei diesem Film.
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Alt 07.12.2022, 09:55   #371  
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Hab' mir beim Schreiben auch überlegt, wie das damals eigentlich mit Jugoslawien war. Gehörte zum Ostblock, aber soweit ich mich erinnere, waren auch schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs viele Kroaten in Westdeutschland. Man hätte aber wohl nicht aus der DDR über Jugoslawien in den Westen ausreisen können, oder?

"Time of the Gypsies" hat mich wirklich sehr angesprochen - würde ich noch immer uneingeschränkt empfehlen.
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Alt 07.12.2022, 10:11   #372  
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Jugoslawien war seit dem Konflikt zwischen Tito und Stalin 1948/1949 nicht mehr Teil des Ostblocks. Tito hat zwar im Inneren ähnlich total regiert, mußte aber, schon um seine Bevölkerung bei der Stange zu halten, in wirtschaftlichen Fragen Zugeständnisse machen.

Später gab es dann wieder gewissen Annäherungen an den Ostblock, aber Jugoslawien blieb (wie auch Albanien, wenn auch aus anderen Gründen) ein Thema, über das man offiziell nicht gern sprach.

Fakt war jedenfalls, daß eine Reise nach Jugoslawien ähnlich schwierig war wie ins westliche Ausland (In dem V.Ferres- Fim "Die Frau vom Checkpoint Charlie" z.B. scheitert sie nicht umsonst beim Versuch der EINREISE nach Jugoslawien)
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Alt 07.12.2022, 11:54   #373  
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"Die Frau vom Checkpoint Charlie" kenne ich wiederum auch nicht. Aber ich habe schon seit längerem keinen Fernseher mehr. Wenn ich wieder Zeit habe, informiere ich mich mal in wikipedia.

Die Geschichte von Jugoslawien scheint interessant zu sein - mindestens seit dem Ersten Weltkrieg. Muß ich mich auch mal näher mit beschäftigen.
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Alt 07.12.2022, 12:32   #374  
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Ich mußte mal 1989 einen recht ausführlichen Artikel von einem sowj. Historiker über den Konflikt übersetzen. Das war auf dem Höhepunkt von Glasnost und entsprechend offen wurde alles geschildert.
Das war das einzige mal, daß ich mich wirklich mit Begeisterung durch diese Sprache gekämpft habe.
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Alt 07.12.2022, 17:49   #375  
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Ich hoffe doch, daß man da nicht bloß Infos auf Russisch, Serbisch oder sowas findet.
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