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Alt 04.07.2016, 13:16   #151  
underduck
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Die Weiterentwicklung davon nennt sich glaube ich Zeichentrickfilm ... und macht das ganze noch kurzweiliger als statische Bildpanele mit Sprechblasen.
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Alt 04.07.2016, 14:29   #152  
Pickie
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Ja, nein, ich mein: jein. Zeichentrick ist wieder was anderes. Das ist "Kino" (was großartig sein kann). Beim Comic schließt die Phantasie des Lesers die Lücken zwischen den Panels. Das ist eher "Kopf-Kino" (und macht das Ganze bisweilen noch kurzweiliger als passives Betrachten).
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Alt 08.07.2016, 17:25   #153  
Detlef Lorenz
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Nummer 34


Wallenstein, Feldherr und Rebell






Hier das Original des Titelbildmotives, welches Bood im Hintergrund mit der Ankunft einer dänischen Flotte vor Stralsund ausschmückte. Es ist von Anthonius van Dyck.





Wallenstein (Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein) war ein tschechischer Adliger, der durch Heirat zu einem beträchtlichen Vermögen gelangte. Im 16. und 17. Jahrhundert war Böhmen und Mähren ein Teil des Heiligen Römischen Reiches und Prag ein Hauptsitz der Habsburger. In den Jahren ab 1610 entzweiten sich die Brüder Rudolf (Kaiser) und Matthias. Der Kaiser schickte Truppen nach Mähren und Mähren, sie besetzten kurzzeitig Prag, aber die erzwungene Abdankung Rudolfs beendete den Zwist (Matthias wurde später Kaiser). Dessen ungeachtet gingen die religiösen Auseinandersetzungen, Katholiken vs. Protestanten, in Böhmen und Mähren weiter. Sie führten schließlich zum sogenannten „Prager Fenstersturz“ *, der 1618 als Auslöser des 30jährigen Krieges betrachtet wird. Wallenstein stellte sich auf die Seite des Kaisers, bekam von diesem eine sogenannte Bestallungsurkunde und lies seine Werber Soldaten anwerben. Kurz danach weitete sich der ursprünglich tschechische Aufstand immer mehr aus, bis schließlich nicht nur die Schweden, sondern auch Dänen, Franzosen, Engländer mit Hilfskontingenten oder ganzen Armeen in den Krieg eintraten.

Die Bevölkerung im Reich litt am schlimmsten unter diesen Auseinandersetzungen, in denen es nur Vordergründig um Religion ging: das Festigen der Macht, die Ausdehnung derselben, egal ob persönlicher oder wirtschaftlicher, war der Hauptgrund. Die Furie des Krieges führte dazu, das die Bevölkerung von Anfangs rund 16 Millionen auf knapp die Hälfte schrumpfte. Ganze Landstriche wurden verwüstet, so das am Schluss, 1648, fast nichts mehr da war, um was es zu kämpfen lohnte. Man einigte sich auf einen Frieden, der schon viel früher hätte erreicht werden können.







Das vorliegende Heft, im Januar 1956 erschienen, behandelt die Rolle Wallensteins im 30jährigen Krieg bis zu seiner Ermordung im Februar 1634 in Eger, Böhmen. Einleitend wird der Prager Fenstersturz sehr richtig als Auslöser des kommenden Schlachtens vorangestellt. Allerdings fällt Bood auf die nicht mal annähernd sichergestellte Anekdote vom unter dem Fenster liegenden Misthaufen herein: direkt unter dem Fenster, im Burggraben, dürfte kaum ein solcher angelegt worden sein. Entstanden scheint sie mit der Behauptung der Katholiken von einer „göttlichen Fügung“ für die Unversehrtheit der in die Tiefe gefallenen Opfer entstanden zu sein. Die daraus aufkommende Replik seitens der Protestanten, die den Misthaufen an Stelle „Gottes“ setzten, setzte sich schließlich im Volksmund durch.

Ein weiteres Panel zeigt Wallenstein sein Horoskop – von Johannes Kepler erstellt – studierend und suggeriert damit einen abergläubischen künftigen Befehlshaber der kaiserlichen Truppen. Das ist natürlich insofern unsinnig, da nicht nur zur damaligen Zeit der Aberglauben ein nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die meisten Menschen ausübte: Glauben gebiert Aberglauben, das eine kann ohne das andere nicht existieren. Ansonsten wird der Lebensweg Wallensteins, seine Schlachten und Entscheidungen, seine beginnenden Gegensätze zum kaiserlichen Hof in Wien, abermaliges Erheben zum Generalwachtmeister der katholischen Liga, zwar knapp, dem begrenzten Platz des Heftes geschuldet, aber recht anschaulich geschildert und gezeichnet. Seinen Tod durch eine Gruppe schottisch/irischer Offiziere wurde nie gesühnt, sein Vermögen unter ihnen Aufgeteilt (Jahre später erhielt seine Witwe einen kleinen Teil zuerkannt).







Diese Seite zeigt die Erstürmung Magdeburgs durch die kaiserlichen Truppen General Tillys. Dieses Ereignis, eher Gemetzels, markiert eines der schrecklichsten Geschehnisse in diesem von unsäglichen Gräuel nicht armen Krieges: etwa 30 000 Menschen fielen diesem zum Opfer, die Stadt völlig zerstört.

Auf der Seite 3, 4 und 31 beschreibt Knoop (vermutlich) unter dem Titel „Bombardiere Musketiere – Pikeniere, Soldaten im dreissigjährigen Krieg“ die Eigenarten, die Bewaffnung und Kampfesweise der Armeen in dieser Zeit. Im Nachwort an die „Lieben jungen Freunde“ erklärt „Euer Hans Jürgen“ diese Neuheit in der Heftgestaltung. Er habe das absichtlich so gemacht: „(…) denn wenn man die furchtbaren Jahre (1618-48) mit ihrem Unglück, das sie über unser Land gebracht haben, verstehen will, muß man auch wissen, welche verschiedenen Arten von Soldaten es gab, wie sie ausgerüstet waren, und wie sie ihre Zeit außerhalb des Dienstes verbrachten.“ Wenn denn auch gelegentlich über das Leben der Bevölkerung genau so ausführlich berichtet wird, kann man damit leben sein. Wir werden sehen …

Dann kündigt Hans Jürgen noch einen neuen Erscheinungstermin an, der nunmehr auf den Anfang eines jeden Monats stattfindet. Außerdem erteilt er Wünschen der Leser nach Tagesaktuellem, aber auch Geschehnissen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg eine Absage, weil sie seiner Meinung nach genügend und ausführlich in den Illustrierten behandelt werden.

*Das war bereits der zweite, der erste fand im Juli 1419 statt und löste die „Hussitenkriege“ aus.
Ein dritter, 1948, führte zum Tode des tschechischen Außenministers Jan Masaryk, der der Tschechoslowakei bis 1990 eine kommunistische Regierung bescherte.
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Alt 08.07.2016, 17:39   #154  
Pickie
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Zitat:
Zitat von Detlef Lorenz Beitrag anzeigen
Viele Textklötze ergänzen die Bilder, oder soll man sagen, die Bilder begleiten den Text.
Dies sind "stumme" Comics. Anachronistisch schon bei Erscheinen. Der Stummfilm war auch längst abgelöst.
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Alt 08.07.2016, 17:58   #155  
Detlef Lorenz
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Sie sind nicht komplett "stumm", denn in den Textklötzen gibt es gelegentlich auch Redebeiträge. Beim Columbus öfter, beim neuen Wallenstein nur am Schluss, in der Mordsequenz. Ob das nun anachronistisch ist, ist eigentlich egal, aber ich schließe aus deinen Ausführungen, dass du diese Art der Geschichtenerzählung für nicht Comic-Like hälst - richtig!? Prinz Eisenherz fällt dann auch in diese Kategorie!?
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Alt 08.07.2016, 18:44   #156  
Pickie
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Nein, ich halte diese Art der Geschichtenerzählung nicht nur für "Comic-like" - also nicht nur für Comic-ähnlich oder Comic-typisch (ich weiß nicht genau, was Du mit "Comic-like" meinst) -, sondern sie fällt für mich direkt unter den Begriff "Comic".

Prinz Eisenherz auch.

Aufgrund der Qualität der Zeichnungen bietet der ein wiederum anderes, ganz eigenes Leseerlebnis. "That´s all."
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Alt 08.07.2016, 19:22   #157  
Detlef Lorenz
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Da gehen wir in der Kategorisierung schon konform, also siehst du "Die Abenteuer der Weltgeschichte" auch als Comic an!

Wenn du jetzt aber Prinz Eisenherz allein der Qualität der Zeichnungen wegen als Comic einstufst, finde ich das schon gewagt; unabhängig davon, dass sie tatsächlich einen besonderen Lese- und Betrachtungsgenuß bieten ... jedenfalls die Hal Foster - Storys.
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.07.2016, 19:50   #158  
Pickie
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Hatte schon mit meiner Antwort auf die Ausgangsfrage sagen wollen, dass ich "Die Abenteuer der Weltgeschichte" als Comic ansehe:

Zitat:
Zitat von Pickie Beitrag anzeigen
Denke schon, dass sich auch in diesem Fall die Bilder und der Text ergänzen.

Die Statements zu speziellen "Lesbarkeiten" sind persönliche Betrachtungen von mir und sollten mit "Comic-Definitionen" gar nichts zu tun haben.

Das gilt auch für die Arbeiten von Hal Foster.
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Alt 11.07.2016, 22:41   #159  
Detlef Lorenz
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Nummer 35


Nelson, Der Held von Trafalgar






Nelson: wer von den 8-12 jährigen damaligen Lesern – Mitte der 1950er Jahren – konnte etwas mit diesem Namen anfangen. Vielleicht ein paar, aber die Mehrheit nicht. So kommt es mir auch fast etwas gewagt vor, dieses Thema in die Heftserie einzureihen. Aber für mich war es auch damals schon mehr als interessant, am „Geschichtsunterricht“ der Abenteuer der Weltgeschichte teilzunehmen (und das Lady Emma Hamilton, die Mätresse Horatio Nelsons dabei nicht vorkam, störte nicht, denn die kannte man sowieso nicht).






Außer im Einleitungstext und auch da nur knapp, wurde nichts über Nelson Privatleben geschrieben. Es ging im Heft nur um bekannte Seeschlachten, angefangen 1779 bei Cadiz bis Cap Trafalgar im Oktober 1805. Dazwischen reihten sich die Kämpfe vom Eroberungsversuch Teneriffas, der Seeschlacht 1798 bei Abukir, die Beschießung Kopenhagens einschließlich der Vernichtung der dänischen Flotte, bis zum schon erwähnten Zusammentreffen der vereinigten spanisch/französischen Flotte gegen die britische, bei der Nelson sein Leben verlor. Etwas privates kommt dann zum Schluss: die endgültige Glorifizierung des inzwischen zum Lord ernannten Admirals. Diese hat er selbst eingeleitet, in dem er verbot, seinen Leichnam, wie üblich, der See zu „übergeben“, sondern nach England zu überführen. Dort wurde er mit Pomp beigesetzt und als „Held“ in den Geschichtsbüchern verewigt.







Tja, wer ist der eigentliche Held dieser Gemetzel, der Oberbefehlshaber, dessen „Chef“, hier die Admiralität, oder noch höher, der König oder sonst ein Regierender, oder der verführte Seemann, der an das Flaggensignal „England erwartet, dass jeder Mann seine Pflicht tut!“ glaubt hat. Das ist, andere Ländernamen verwendet, ein Problem auf der ganzen Welt, bis auf den heutigen Tag.

Charly Bood hat den kriegerischen Ablauf recht „ausdrucksvoll“ in Szene gesetzt, 2 Flottenkarten der jeweiligen Kampforte (Abukir und Trafalgar) illustrieren auch für den maritimen Laien das Geschehen auf See verständlich. Die zeitlichen Abläufe zwischen den Gemetzeln auf den Meeren werden mit umfangreichen Textklötzen überbrückt – wie üblich ist dies dem zur Verfügung stehenden Platz geschuldet. Die Sprache ist leider wieder sehr martialisch (er ist ähnlich dem der bisherigen Heften) und deutet somit nicht unbedingt auf die Urheberschaft Boods hin. Was dem Kriegsgegner trösten mag, auf einem Kriegsschiff sind die Befehlshaber selbst höchst gefährdet: nicht nur Nelson verlor sein Leben, weitere Admirale und Kapitäne wurden in den diversen geschilderten Seegefechten getötet … Allerdings ist die See eines der absurdesten und für die „Anstifter“ der Gemetzel höchst willkommener Ort, denn schon wenige Stunden nach den Kämpfen ist von den Toten, selbst den meisten Verwundeten und das gesamte zerstörte Material spurlos verschwunden; die Meeresoberfläche zeigt sich so unschuldig wie eh und je.

Das Heft beinhaltet 2 Artikel, die nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun haben. Gleich auf Seite 3 heißt es: Das Gespenster-Wrack (von Karl Heinz Koizar) und schildert Erlebnisse des Tauchers Jack, der bei der Bergung eines Schatzes von einem Polypen attackiert wird. Der zweite Beitrag, Tahiti, Sammelplatz der Geisterschiffe, von Harry Williams, stellt den Franzosen Jacques Bracour vor, der auf dem Pazifik sogenannte Geisterschiffe birgt und mit gutem Gewinn weiter verkauft.

„Euer Hans Jürgen“ erzählt noch einmal von den in diesem Heft geschilderten „interessanten und abwechslungsreichen Kämpfen auf dem Wasser, das bekanntlich keine Balken hat“. Was es mit den „keine Balken“ auf sich hat, habe ich schon weiter oben geschildert und ansonsten lasse ich diesen Kommentar mal unkommentiert so stehen … was natürlich auch schon eine Meinungsäußerung ist. Auf die folgende Ausgabe der Serie, die Hans Jürgen vorstellt, freue ich mich schon besonders, hat sie doch eine der mich am meisten interessierenden Zeitabläufe zum Inhalt!
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.07.2016, 11:29   #160  
Pickie
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Zitat:
Zitat von Detlef Lorenz Beitrag anzeigen
Sie sind nicht komplett "stumm", denn in den Textklötzen gibt es gelegentlich auch Redebeiträge. (...) Ob das nun anachronistisch ist, ist eigentlich egal (...).
Für die Ausgangsfrage ist das egal, ja. - Dazu noch die Anmerkung, dass es für den Begriff "Comic" ja nicht einmal ein Ausschlusskriterium sein kann, wenn in einer Bildgeschichte überhaupt keine Schrift vorkommt. Denn ob in der Geschichte, die erzählt werden soll, gesprochen oder (sichtbar) gedacht wird oder Geräusche entstehen oder nicht, kann ja kaum auf die Definition zurückschlagen.

Ich finde übrigens das Cover-Konzept der "Abenteuer der Weltgeschichte" recht gelungen.
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Alt 15.07.2016, 15:43   #161  
Detlef Lorenz
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Nummer 36


Herman der Cherusker, Sieger über die Römer






HERMANN!, welcher klang, welcher Held, der Germanien von der Römerplage befreit hat. Alle jubelten ihm zu, vor allem die ab dem 19. Jahrhundert, denn Hermann … wieso eigentlich Hermann? Einen Helden solchen Namens ist uns aus der antiken Geschichtsschreibung nicht überliefert, vielleicht ist er ja ein Trug- ein Wunschbild eines in größere und kleinere Staaten zerrissenen Volkes. Hermann scheint eher ein Synonym eines starken Anführers zu sein, auf den das Volk gewartet hat – hat es das, oder eher die Mächtigen, die mächtiger werden wollten.

Wie dem auch sei, Hermann ist eine Eindeutschung des lateinischen Arminius, der uns aus mehreren antiken Quellen überliefert ist. Schließlich kann ein „Arminius“ nicht der Anführer eines Aufstandes gegen die Unterjochung ausländischer Mächte sein, es muss schon etwas einheimischer klingen. Hermann wurde als Vorbild für nationales Heldentum herausgestellt und von entsprechenden Kreisen immer mehr vereinnahmt. Die Eindeutschung des Namen Arminius zu Hermann soll zur Zeit und im Umfeld Martin Luthers stattgefunden haben. Das Hermannsdenkmal ist der übergroße Ausdruck dieses Nationalgedankens.






Hier sehen wir Arminius (im Text stets so genannt, hier mit dem Zusatz: „uns als Hermann bekannt“) in seine Hütte zurückkehren, begrüßt von seiner Frau und beider Kinder. Nur kurz der Hinweis, das Arminius zu dieser Zeit noch in römischen Diensten stand. Thusnelda, so ihr Name (und die kürzeste Allee in Berlin mit nur 100 Meter Länge und direkt auf die Arminius-Markthalle zuführend, nicht Hermann-Markthalle!), ist wohl erst um die Zeit der Auseinandersetzungen mit Varus seine Frau geworden. Seinen einzigen Sohn hat Arminius nie gesehen, da Segestes seine Tochter Thusnelda um das Jahr 15, zu dieser Zeit hochschwanger, freiwillig übergebenan die Römer hat. Segestes mochte Arminius nicht und dieser ihn ebenfalls nicht. Dort erst wurde Thumelicus (ein germanischer Name des Kindes ist nicht bekannt) geboren.

Während einer öffentlichen Bestrafungszeremonie im römischen Lager erscheint ein Offizier und „verbeugt sich vor Varus“. Soweit mir bekannt ist, ist die Ehrerbietungsgeste, vergleichbar mit der Hand an die Schläfe, das Schlagen der rechten Faust auf die linke Brustseite (man möge mich ev. korrigieren). Das Lager, in dem sich diese Szene abspielt, ist schon fast „natürlich“ einem Wildwest-Fort ähnlich. Römische Feldlager, auch wenn sie auf Zeit errichtet wurden, sahen so aus:




In der Regel wurde als erstes ein Graben ausgehoben, der Aushub als Wall aufgeschüttet. Oben drauf wurden angespitzte Pfähle eingerammt. Wenige Gebäude, vor allem im rechtsrheinischen Germanien, bestanden aus Stein (Verwaltungsgebäude), der Rest waren Holzbauten.

Der Verlauf der „Schlacht im Teutoburger Wald“ folgt im Heft ansonsten der Darstellung des römischen Historikers Cassius Dio, abgefasst etwa im Jahre 200. Dio schildert die Topografie als stark bewaldet, mit Moor durchdrungen, teilweise von sehr hohen felsigen Hügeln eingerahmt. Dem widerspricht natürlich die vor einigen Jahren in Osnabrücker Land bei Kalkriese aufgefundenen archäologischen Fundstellen. Anfangs glaubten die Historiker endlich den tatsächlichen Ort gefunden zu haben (es wurde sogar ein Museum errichtet), aber inzwischen mehren sich die Zweifel…







Auf dem letzten, Arminius zeigendem Bild, dankt er seinen Männern für die gezeigten Leistungen und fordert sie auf: „Geht nun wieder zu Frau und Kind zurück, und ich möchte nur hoffen, dass ich Euch nicht noch einmal zu rufen brauche, sondern wir alle in unserer Heimat in Frieden leben können!“ Ein doppelter frommer Wunsch, denn die Römer dachten mitnichten daran, Germania Magna so ohne weiteres aufzugeben. Außerdem galt es eine militärische Schmach zu tilgen und es erfolgten in den kommenden Jahren noch diverse Kämpfe zwischen ihnen und den Germanen, hauptsächlich unter der Führung Arminius´. Zusätzlich brachen unter den Germanen wieder die alten Streitigkeiten aus. Arminius zieht gegen die Markomanen, er selbst wird von Segestes entführt, flieht, greift die Befestigung seines Schwiegervaters an, dieser ruft die Römer zu Hilfe und wie es weiter geht, habe ich schon oben beschrieben.

Alles in Allem sind die Abläufe aber recht ordentlich wiedergegeben und gezeichnet, nur die überlangen „Kurzschwerter“ der Römer können leichtes Kopfschütteln bereiten. Der Schlusssatz der Geschichte ist wieder typisch für die Abenteuer der Weltgeschichte: „Mögen recht viele Jungen und Mädel diesen für die Geschichte so bedeutsamen Ort aufsuchen und an die Zeit zurückdenken, wo ein Mann wie Hermann der Cherusker im September des Jahres 9 nach Chr. den Mut fand, Männer um sich zu scharen, die den Kampf um die Freiheit ihres Volkes gegen fremde Herren aufnahmen und siegreich beendeten.“ Was haben die Germanen denn nun tatsächlich davon gehabt und wieso ist ihnen gelungen, was den Galliern unter Vercingetorix nicht gelang. Erst einmal hatten die Gallier eine deutlich höhere Kulturstufe als die Germanen. Es gab Straßen, richtige Städte, damit Zentren lokaler Machtausübung. Dies fehlte in den germanischen Wäldern, hier gab es hauptsächlich einzelne Höfe, kleine Siedlungen, aber kein Zentrum – außer befestigten Burgen ähnlicher Bauten der Stammesfürsten. Die Germanen versammelten sich, kämpften, zerstreuten sich, sammelten sich, usw. Die Römer stießen, im Gegensatz zu Gallien, in einen nachgiebigen Stammesverband, in dem man sich zusätzlich nicht einmal grundsätzlich einig war. Und was haben sie im Gebiet zwischen Rhein und Elbe von der Vertreibung der Römer gehabt: sie mussten immer damit rechnen, nach Plünderungen auf römischen Gebiet, denn dort gab es das, was in Germanien nicht produziert werden konnte, von Strafexpeditionen heimgesucht zu werden. Es war ihnen auch unmöglich eine Zentralregierung, selbst für einen Stamm, zu bilden. Sie blieben zerrissen, uneins, stets das Opfer stärkerer Nachbarn. Es hat sich also gelohnt …

Auf den Seiten 4 und 5 findet sich ein Widerspruch zur Lebensweise der Germanen (Lektor!). Im Artikel zur Einleitung des Heftes findet sich unter dem Titel: „Die Germanen“ (Seite 3-4) von –kp- folgender Satz, der die Germanen als kriegerisch aus eigenem Antrieb beschreibt: „Durch Verteilung der Beute, durch Geschenke von Pferden und Waffen und durch reichliche Bewirtung band der Häuptling seiner Männer enger an sich. Die Mittel lieferten Krieg und Raub*. Daher rührte auch die unersättliche Kriegslust der Anführer und ihrer Leute.“

Im Vorwort zum Comic heißt es dazu: „Aber in Wirklichkeit führten die damaligen Bewohner Germaniens einen harten Kampf um ihr Dasein, rodeten die Wälder, setzten sich gegen fremde Eindringlinge tapfer zur Wehr und wollten in Ruhe ihre Felder bebauen (sic!).“

Desweiteren unterstellt der Texter (Bood, Knoop?) den Lesern im Vorwort die Kenntnis – auch inhaltlicher Art – von Cäsars „Gallischem Krieg“, erstaunlich! Sicherlich werden Gymnasiasten diese Buch in den Händen gehalten und sich damit abplagen gehabt haben müssen, aber die überwiegende Anzahl der Leserschaft wird den Namen Cäsar im geschichtlichen Zusammenhang natürlich schon kennen, aber den „Gallischen Krieg“? Zumindest hat man ihn hier dann erstmals gehört und später, bei Interesse, auch zugelegt (und gelesen). Wieder mal ein Baustein zur Widerlegung der –damaligen- These, das Comics verblöden. 

Nebenbei, Arminius kommt als Abbildung im ganzen Heft nur auf 4 Bildern vor. Das dürfte für die namensgebenden Titelfigur auch nicht so oft vorkommen.

*Auch und grade untereinander. Denn ihnen, den Germanen, fehlten die Möglichkeiten zu ausgedehnten Beutezügen auf weit entfernte Gebiete. Erst als jenseits des Rheins die Römer ihre Kultur errichteten (Köln, Xanten, Mainz, Regensburg, usw.) gab es dort Überfälle sporadischer Art – was ja auch einfacher ist, als selbst in die Hufe zu komme und mit dem eigenen Volk etwas Kultur zu Hause (in der immer wieder und auch in dieser Heftreihe so oft beschworenen „Heimat“, der eigenen „Scholle“) zu schaffen.
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Alt 26.07.2016, 21:00   #162  
Detlef Lorenz
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Nummer 9

Armin der Cherusker






Aus gegebenem Anlass schiebe ich ein Sonderheft der Reihe „Illustrierte Klassiker“ vom bsv Verlag Hannover dazwischen. Es ist in diesem Monat herausgekommen und behandelt das selbe Thema, wie das vorherige Heft der „Abenteuer der Weltgeschichte“. Ich habe da mal reingeschaut und war sogleich einigermaßen konsterniert: die Germanen, jedenfalls die Männer, laufen in Bärenfellen herum, tragen teilweise und nicht nur in der Freizeit, sondern auch im Kampf, die berühmt/berüchtigten Hörnerhelme der Wikinger. Die Handlung ist gradlinig, von der Geburt Armins, seiner römischen Zeit, in der er eine militärische Ausbildung erhielt und sein Kampf gegen die drei römischen Legionen des Varus (natürlich nicht alleine, sondern zusammen mit den verbündeten Stämmen).






Soweit stimmt es mit den Erzählungen über Arminius überein, so wie wir sie allgemein kennen. Die Zeichnungen stellen alles etwas einfach dar, vom tollen Titelbild abgesehen, das von Ertugrul gefertigt ist. Erwähnt wird auch noch die mangelnde Solidarität der Germanen untereinander, als die sogenannte römische Gefahr beseitigt ist.






Auf dem letzten Bild wird das Hermannsdenkmal dargestellt und das sieht schon etwas sonderbar aus – man schaue es sich auf dem vorherigen Titelbild an und vergleiche die dortige, korrekte, Darstellung mit der von diesem Illustrierten Klassiker – Heft … Schade, das Delia Larios, dem Geschichtenzeichner, kein vernünftiges Referenzmaterial zur Verfügung stand. Ansonsten gibt es nicht viel zu bemerken, vom kulturhistorischen ist das Heft mäßig, das es der bsv Verlag überhaupt bringt, schon positiv und bemerkenswert.
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Alt 14.09.2016, 09:48   #163  
Detlef Lorenz
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Heute geht es mit den Abenteuern der Weltgeschichte weiter: wegen unseres Urlaubes und anderen Dingen, die erledigt werden mussten, gab es eine größere Pause. Dafür ist die folgende Ausgabe der Serie inhaltlich von mir etwas ausführlicher behandelt worden.


Nummer 37


Afrika Lockt, H.M. Stanley, Abenteurer und Forscher






Henry Morton Stanley wurde 1841 in der walisischen Stadt Denbigh als John Rowlands geboren (nichtehelich) und kam, nachdem ihn seine Mutter zum Großvater gegeben hatte, mit fünf Jahren in ein Arbeitshaus. Dort wurde er, wie alle jugendlichen Insassen von den Wärtern geschlagen und missbraucht und von den älteren Kindern gedemütigt. Seine Mutter kam ihn vielleicht einmal jährlich besuchen. Das alles, vor allem die uneheliche Abstammung, formte sein Leben, und das nicht unbedingt zum Positiven – was durchaus verständlich ist. Was er vom Arbeitshaus mitnahm, war eine für damalige Zeiten ordentliche Schulbildung.

Mit 17 heuerte er als Schiffsjunge an und landete in New Orleans. Beim Baumwollhändler Henry Hope Stanley fand er Arbeit und wurde – nach eigenen Angaben – adoptiert. Von nun an nannte er sich Henry Morton Stanley. Im Bürgerkrieg kämpfte er für den Süden, wurde gefangen genommen, wechselte die Seiten, wurde entlassen, trat der Kriegsmarine bei, desertierte und nahm in St. Louis einen Job bei einer Lokalzeitung an. Später nahm Stanley als Berichterstatter an den letzten Indianerkriegen im Westen teil. Seine Schilderungen erregten das Aufsehen des Herausgebers des New York Herald. Dieser schickte ihn nach Abessinien, dort waren Unruhen ausgebrochen und Stanley schafft es mit Glück und Bestechung, dass nur seine Berichte nach New York gesendet wurden. Später, in Madrid, erhielt er aus Paris den Auftrag „Finden sie Livingston!“

So steht es auch in der Einleitung zum vorliegenden Heft, allerdings knapper und natürlich mit der Auslassung des Arbeitshauses. Ich habe die Biografie Stanleys bis zu zur Aufgabe den seit einiger Zeit im Inneren Afrikas zu suchen, um den Werdegang seiner Charakterbildung zu schildern und womöglich zu begreifen. In seiner Zeit in Afrika tat er schließlich Dinge, die nicht so leicht zu begreifen sind, auch nicht aus heutiger Sicht. Stanley stellte ab Anfang 1871 auf Sansibar seine Expedition zur Suche von Livingston zusammen, das zu dieser Zeit ein mehr oder weniger unabhängiges Sultanat. Einige Kolonen schickte er mit Material aufs Festland voraus und brach Ende März 1871 mit insgesamt 190 afrikanischen Trägern und nur Briten auf. Der Marsch quer durch das spätere Tanganjika genannte Land war sicherlich nicht einfach, aber schon die schiere Anzahl seiner Leute bewahrte ihn vor größeren Unannehmlichkeiten. Außerdem, und das sollte man nicht übersehen, auf so ganz unbekannten Terrain bewegte er sich nicht. Arabische Händler zogen schon lange durch das Land, betrogen und beuteten die afrikanischen Einheimischen seit Jahrhunderten aus, Elfenbein und Sklaven waren dabei die wichtigsten „Handelsprodukte“. Von einem dieser Händler hörte er von einem Weißen am Tanganjika-See. Vorher allerdings hilft er einen anderen arabischen Händler lästige einheimische Konkurrenten loszuwerden. Stanley schließt sich mit seinen Leuten einem regelrechten Heer von gut 2500 Mann an und überfällt zusammen mit diesen zusammen ein afrikanisches Dorf, dessen Häuptling das arabische Handelsmonopol bedroht. Etwas versimplifizierend beschreibt es Bood im Comicheft: „Der befestigte Ort Simbesi wird am folgenden Tag angegriffen. Von allen Seiten umstellt, fällt das Dorf nach kurzer, aber heftiger Gegenwehr den Arabern und den Leuten Stanleys in die Hände. Nach afrikanischem Kriegsbrauch werden alle Hütten geplündert und in Brand gesteckt. Der Häuptling kann entkommen.“
Hier werden, bis auf den heutigen Tag weltweit vorkommende Verbrechen so dargestellt, als ob so etwas nur auf dem afrikanischen Kontinent geschehen kann!






Am 10. November trifft Stanley am Ort Ujiji Livingston und begrüßte ihn mit den inzwischen berühmten Worten: „Doctor Livingstone, I presume?“ – „Doktor Livingstone, nehme ich an“, so soll er gesagt haben. Da es dafür keine weiteren Zeugen gibt, Livingston selbst äußert sich bis zu seinem Tode 1872 nicht dazu und europäische Zeugen gibt es nicht mehr, muss es wohl so hingenommen werden. Im Heft wird dieser Vorgang mit völlig anderen Worten dargestellt, vor allem hält hier Livingston selbst eine kleine Rede, die so auch nicht überliefert ist – seltsam, aber so steht es geschrieben. Beide erforschten aber noch das nördliche Tanganjika, dann reiste Stanley zurück nach Hause.

In London erwartete ich ein kühler Empfang, die Royal Geographical Society ignorierte ihn fast (die Herren waren sauer, das ihre Expedition Livingston nicht gefunden hatte und Königin Victoria soll sich auch nicht freundlich über ihn geäußert haben. Bood schreibt im Heft dazu: „In England, wohin sich der Forscher sogleich begibt, wird er sehr gefeiert und zum Ehrenmitglied der Königlich-geograhischen Gesellschaft ernannt“ - was stimmt nun? Ich misstraue da eher Charlie Bood und habe erst viel später, nachdem ich damals das Heft gelesen hatte, lernen müssen, wie teilweise niederträchtig und skrupellos Stanley gehandelt hat, um seinen Ruhm zu steigern.
Stanleys nächste afrikanische Expedition galt der Suche nach den Quellen des Nil, ein Thema, das schon in der Antike die Griechen und Römer beschäftigte. Insgesamt 360 Mann umfasste die Mannschaft, sogar ein zusammenlegbares Metallboot hatten sie dabei. Kämpfe mit Einheimischen, die nicht gut auf Weiße und Araber zu sprechen sind, Krankheiten, Zornesausbrüche Stanleys fordern viele Menschenleben, aber Stanley ist, das muss man anerkennen, zäh. Egal wie sein Charakter ist, er ist mutig, scheut keine persönlichen Risiken, ist zugleich unbarmherzig gegen Meuterer und Desserteure. Er, der selbst desertiert war, zeigte sich anderen gegenüber gnadenlos. Vielleicht ist er deshalb nicht im Dschungel verschwunden, wie viele vor und nach ihm.

Er kommt leicht vom Ziel ab, der Kongo nimmt ihn und seine Leute auf. Drei Jahre dauert diese Tortur, dann sind sie an der Mündung des Stromes am Atlantischen Ozean angelangt.






Einer der interessiertesten Leser seiner in England verfassten Berichte über die Nil-Kongo-Expedition war König Leopold II von Belgien. Dieser war an afrikanischen Kolonien interessiert und Stanley schien ihm der geeignetste für dieses Unternehmen zu sein. Rasch wurden sie sich handelseinig, Leopold schoss aus seiner Privatschatulle Geld vor, den Rest steuerte Stanley bei – obwohl ja eigentlich der König eine Privatkolonie haben wollte. Zurück am Kongo begann Stanley die Häuptlinge der anliegenden Stämme Papiere unterschreiben zu lassen, wobei sie so unbedarft waren, dies zu tun, obwohl sie nicht ahnten, was auf sie zukommen würde. Sie verpflichteten sich, den Boden und vor allem Arbeitskräfte dem König zur Verfügung zu stellen. Als sie sich später nicht fügen wollten, begann im Auftrag des Königs, der vor einigen Jahren noch ein weiteres Denkmal in Belgien bekam, eines der grausamsten Regimenter in Afrika zu wüten. Man schätzt – vorsichtig – dass mindestens 5-6 Millionen Menschen in wenigen Jahren ums Leben kamen, von den Verstümmelten ganz zu schweigen. Hände abhaken für „Faulheit“ oder Widerborstigkeit war an der Tagesordnung. Die schwarzen Askaris bekamen für verschossene Patronen nur Ersatz, wenn sie entsprechend Finger ihrer Opfer vorweisen konnten. Das alles hat mit Stanley natürlich nur indirekt zu tun, aber immerhin bereitete er den Boden für dieses Unmenschlichkeiten vor.
Im Comic-Heft nimmt die Inbesitznahme des Kongobeckens Stanleys für Leopold nur einen geringen Raum ein. Einige Sätze, dürre Fakten müssen genügen. Mit keinem Wort erwähnt Charlie Bood die unrühmliche Rolle Stanleys und das verbrecherische Regime von Leopolds Schergen.
Als der König endlich seine Privatkolonie fest in den Händen hielt, kamen Nachrichten aus der südlichsten Besitzung Ägyptens nach Europa, aus Äquatoria, das diese durch den Aufstand des Mahdi abgeschnitten war. Der Gouverneur dieser Provinz war Emin Pascha, geboren als Eduard Karl Oskar Theodor Schnitzer in Oppeln, Oberschlesien. Einige Rettungsexpeditionen waren bereits fehlgeschlagen, also musste Stanley ran. Mit einer mehrere hundert Mann starken Mannschaft, bestens bewaffnet, ging es wieder von Sansibar aus. Allerdings war wieder einmal die Landschaft und die dort wohnenden Menschen den Weißen nicht sonderlich freundlich gegenüber eingestellt, so traf nur ein kläglicher Rest, unterernährt und krank bei Emin Pascha ein. Dieser fühlte sich auch kaum durch den Aufstand bedroht, seine Provinz war noch immer bestens organisiert. Genau genommen rettet dieser also der Stanley-Expedition nun das Leben. Pascha weigerte sich auch für den König von Belgien zu arbeiten und Stanley zog unverrichteter Dinge ab.






Pascha und Stanley treffen sich. Bood hatte hervorragende Unterlagen, wie man an diesem Bildbeispiel sieht.

Der ganze Aufwand und die Opfer waren unnötig, trotzdem wurde Stanley in England gefeiert und bejubelt. Er war auf dem Zenit seines Ruhmes. Da trat ein Mann in sein Leben, der für ihn und den König verhängnisvoll werden sollte: Edmund Dene Morel. Dieser deckte die Gräueltaten in Leopold´s Kongo auf. Er trat eine Kampagne los, die Leopold um seine Privatkolonie und Stanley in Verruf brachte. Als Stanley 1904 starb, wurde er nicht, wie von ihm sehnlichst gewünscht, in der Westminster Abbey neben Livingston beerdigt, sondern bei seinem Wohnort Pirbright in Surrey. Auf seinem Grabstein steht: „Henry Morton Stanley, Bula Matari, 1841–1904, Africa“ Wobei „Bula Matari“ zu Deutsch „der die Steine bricht“ bedeutet und als afrikanisches Schimpfwort gilt.
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Alt 19.09.2016, 10:44   #164  
Detlef Lorenz
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Nummer 38

Amundsen, Verschollen in Eis und Schnee






Nach der Hitze des afrikanischen Kontinents verschlug es die Leser in der folgenden Ausgabe in die Kälte der polaren Regionen. Nord- und Südpol gleichermaßen waren die Ziele des norwegischen Polarforschers Roald Amundsen. 1862 bei Oslo geboren, stand für ihn schon mit 15 Jahren fest, Polarforscher zu werden. Er erfüllte sich seinen Traum, mit dem Segelschiff „Gjöa“ gelingt es ihm 1903/5 und seiner Besatzung als erste die Nordwestpassage zu durchsegeln. Ein paar Jahre später, 1910, unternimmt er das Wagnis, den Südpol als erster zu erreichen. Eine Aufwendige Expedition wird in Angriff genommen und tatsächlich erreicht seine Mannschaft im Dezember 1915 den Südpol, einen Monat, bevor der Brite Scott und seine Begleiter ihn erreichten. Scotts Expedition scheiterte nicht nur im Wettlauf die ersten zu sein, sie kamen zudem alle in der arktischen Eiswüste ums Leben.






1925 unternimmt Amundsen den Versuch, den Nordpol per Flugzeug zu erreichen. Das Wagnis gelang, und da weder Robert Peary oder Richard Byrd ihre Behauptungen einer früheren Erreichung des Nordpols hinreichend belegen konnten, gilt auch hier Amundsen als der Erste.

Mit dem italienischen Luftschiff Norge unternimmt er 1926 einen Versuch der Überquerung des Nordpols von Spitzbergen bis nach Alaska; auch dies gelang. Als 1928 der italienische Luftschiffer Nobile, der schon auf der Norge dabei war, auf einer ähnlichen Fahrt verunglückte, machte sich Amundsen mit einem Flugzeug sofort auf die Suche. Dabei blieb er verschollen und gilt seit dem 18. Juni 1928 als in den Weiten des nordpolaren Gebietes ums Leben gekommen – samt seinem Begleiter.

All dies hat Charlie Bood auf den nur 28 Comicseiten recht anschaulich zu Papier gebracht. Als einziges möchte ich die – beinahe komplette – Nichtbeachtung Robert Scotts bemängeln. Dessen Schicksal hat Bood nicht erwähnt, ebenso, wie es Nobile nach dem Absturz des Luftschiffes ergangen war (er wurde später samt den Überlebenden gerettet).






Auf diesen Karten hat Bood die Hauptreisen von Amundsen dargestellt. Die Nordwestpassage, den ersten gelungenen Flug zum Nordpol und dessen Überquerung von Spitzbergen nach Alaska.

„In der Einsamkeit der Polarnacht“ ist eine Erzählung auf den Seiten 3,4 und 33,34 nach Tagebuchaufzeichnungen des amerikanischen Polarfliegers Richard Byrd. Auf der 4. Umschlagseite ist eine Nachbestellliste aller nach lieferbaren Ausgaben der „Abenteuer der Weltgeschichte“ zu sehen. Nach wie vor können sämtliche Hefte ab der 1. Ausgabe geordert werden.
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Alt 19.09.2016, 11:08   #165  
FrankDrake
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Macht einfach Spass zu lesen

Mehr als ein Westfale kann der Mensch nicht werden!
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Alt 26.09.2016, 23:29   #166  
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Aufstand gegen Napoleon

Die Völkerschlacht bei Leipzig






Das aktuelle Heft befasst sich thematisch mit einer weiteren Episode aus den Napoleonischen Kriegen und zwar einer sehr entscheidenden (nach Andreas Hofer, Nr. 32). Nach dem äußerst verlustreichen Krieg gegen Russland, formierte sich erheblicher Widerstand der noch unabhängigen Fürstentümer Europas: Preußen, Österreich und Russland schlossen einen Vertrag, dem Schweden sich anschloss und bei Leipzig kam es zu einer Vorentscheidung über die Machtverhältnisse in Europa.




Bild anklicken



Napoleon hatte zu diesem Zeitpunkt nicht genug ausgebildete Truppen zur Verfügung, die besten Kräfte waren dem russischen Feldzug – und seinem Ehrgeiz - zum Opfer gefallen. Deshalb missglückte seine bisherige Taktik, die Gegner getrennt zu schlagen. Vor Leipzig kam es dann zur sogenannten „Völkerschlacht“, denen sich sächsische Truppenteile den Alliierten anschlossen, obwohl ihr König zu Napoleon hielt. Wie es ausging, ist bekannt, Napoleon wurde nicht lange Zeit später vor Paris endgültig geschlagen und nach Elba verbannt (von dort kam er zwar wieder, aber nur für 100 Tage, dann ging´s nach St. Helena).






Das alles ist von Bood flott gezeichnet, die bekannten Persönlichkeiten sind erkennbar. Natürlich gleicht der Comic wieder einer Erzählung mit starkem Bildanteil, das ist aber anders kaum zu gestalten, die Geschichte gibt den Ablauf starr vor. Die Abläufe sind geschildert, wie überliefert, am Historischen gibt es nichts zu bemängeln. Zusätzliche rein textliche Erzählungen ergänzen den Inhalt: „Die Brücke wird gesprengt“ schildert den missglückten französischen Versuch, eine Brücke über die Elster zum richtigen Zeitpunkt zu sprengen. Statt erst vor den nachrückenden Gegnern, wird sie zu früh zerstört und erhöht die französischen Verluste an Material und vor allem an Menschen beträchtlich. „Der Abschied von der Garde“ gibt die Rede Napoleons an seine Garde vor der Abreise nach Elba wieder. „Der Kaiser stirbt“ ist eine vorweggenommene Schilderung des Todes Napoleons auf St. Helena 1821. Und zum Schluss, auf der Seite 31, gibt es noch eine Schilderung eines Ereignisses aus dem Jahre 1806, die sich in Nürnberg zugetragen hat. „Getreu bis in den Tod“ erzählt vom Nürnberger Verleger Johann Philipp Palm, der eine Schmähschrift auf Napoleon gedruckt und verteilt hat. Er weigert sich den französischen Behörden gegenüber den Verfasser zu nennen und wird deshalb an dessen Stelle erschossen.






Auf der 4. Umschlagseite erschien die Reklame vom „Peligom Alleskleber“, ein Produkt aus dem Hause Pelikan. Um die Leser noch direkter zum Kauf des flüssigen Klebers zu animieren, war zusätzlich eine Ausschneidefigur abgedruckt, die auf ein Stückchen Papier aufgeklebt werden soll, damit sie stehen kann. Passend zum Heftinneren war es ein Napoleonischer Füsselier, also ein Infanterist nach heutigem Verständnis. Dieses und die meisten folgenden sind von Hansrudi Wäscher gestaltet.


***

Im Zuge der vorliegenden Erzählung sind mir viele Namen, Personen- wie Ortsbezeichnungen, untergekommen. Als Kind und Jugendlicher bin ich, von diesbezüglichen Straßennamen umgeben aufgewachsen: Möckernstr. sowie Brücke und U-Bahnhof (hier allerdings Hochbahn), Yorkstr., Lützowstr. Waterloostr., Blücherstr., Katzbachstr., Bülowstr. und Brücke*, Tauentzienstr. (KaDeWe!), usw., usf., alle fußgängerisch zu erreichen gewesen. Damals haben sie mir nicht viel gesagt, erst als ich mich später ein wenig genauer mit Geschichte befasst hatte, wusste ich um ihre Herkunft. Auch die Pohlstr., wo ich mit Comics in Berührung kam, hieß nicht immer so. Der erste, mir bekannte, Name war Steglitzer Str., dann Ludendorffstr. (der, der die „Dolchstoßlegende“ erfand). Der jetzige Name erinnert an die 1943 hingerichtete Widerstandskämpferin Ottilie Pohl.

*Im Krankenhaus an der Bülowstr. ist mein verstauchter Arm ambulant versorgt worden und vor der Brücke sind mein Cousin und ich von einem schleudernden und dann stürzenden Lkw beinahe erschlagen worden.
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Alt 29.09.2016, 12:17   #167  
Detlef Lorenz
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NERO


Kaiser und Tyrann





Zum zweiten Male, nach dem Heft Nummer 2, „Die Verschwörer von Cartagena“, ist Nero das Thema eines Heftes. Strotzte die erste Ausgabe noch von historischen Fehlern – neben der außergewöhnlichen Fülle an `entliehenen´ Vorlagen aus Prinz Eisenherz. Das Titelbild der vorliegenden Ausgabe ist da allerdings schon zwiespältig: Positiv zu vermerken ist, dass das Portrait des Kaisers vor dem Circus Maximus zu sehen ist und nicht das Kolosseum abgebildet wurde. Innerhalb der Pferderennbahn befinden sich verängstigte Menschen vor einigen sie angehenden Löwen (einer scheint dem kommenden Drama allerdings gefasst gegenüber zu stehen). Wer das weit verbreitete Geschichtsbild zur Zeit Neros zu kennen glaubt, wird sie als Christen ansehen, die für den großen Brand von Rom verantwortlich gemacht worden sein sollen. Um dem vorweg zu greifen, als Nero regierte (54 bis 68), dürfte es keine nennenswerten christlichen Gemeinden in Rom gegeben haben. Juden dagegen lebten sehr wohl in größerer Zahl in der Hauptstadt. Christliche Gruppen waren zu dieser Zeit lediglich eine jüdische Sekte. Obwohl die Antike und insbesondere die römische Zeit sich Religionen gegenüber tolerant verhielt (das Pantheon in Rom wurde extra als Heiligtum aller im römischen Reich vertretenen Glaubensbekenntnisse errichtet), hatten die Juden eine negative Presse. Als Gerüchte aufkamen, Nero hätte entweder den Brand selbst gelegt oder als Auftraggeber fungiert, sollen seine Berater ihm vorgeschlagen haben, die Juden dafür verantwortlich zu machen, was dann auch geschah. Das er der Feuersbrunst von einem Balkon zuschaute und dabei laut Hefttext die Harfe, wohl aber eher die Lyra zupfte, gehört zur absoluten Mythenbildung und sollte seinen verderbten Charakter noch stärker herausstellen.






Viele wurden in die Arena (des Circus Maximus) getrieben und dort als Brandstifter, wie es damals die Rechtsprechung vorsah, selbst verbrannt. Entweder auf dem Scheiterhaufen oder als „Fackel“ am Kreuz. Das in späteren Jahrhunderten die erste Christenverfolgung daraus gemacht wurde, diente der Märtyrerlegendenbildung christlicher Autoren.






Die erste Zeit seiner Regierung gilt als ausgesprochen Erfolgreich, wohl durch Berater wie der des Lehrers Seneca, seiner Mutter Agrippina oder des Präfekten der Prätorianer Burrus mit beeinflusst. Als sich Nero von der Abhängigkeit vor allem dem Einfluss seiner Mutter löste, was im Heft nicht erwähnt wird, gab er sich ganz seinen Launen hin. Diese waren die öffentliche Zurschaustellung seiner künstlerischen und sportlichen Ambitionen. Die führende, sogenannte „Elite“ des Reiches, befand dies für den Herrscher absolut nicht schicklich. Und als er auch noch keine größeren Feldzüge in „Auftrag“ gab, bis auf die Eroberung Armeniens, wandten sich auch die Heerführer von ihm ab.


Der Wiederaufbau Roms, mit von Nero veranlassten sinnvollen Brandschutzmaßnehmen, verschlang viel Geld – was Nero u.a. vom Adel und den Gemeinden einzog – erhöhte seine Beliebtheit bei den Repräsentanten des Staates nicht unbedingt. Die Krönung in Bezug auf Verschwendung aber war sein neuer Palast , die Domus Aurea, des Goldenen Palastes, der ein Meisterwerk antiker Architekten, Ingenieure und Bauarbeitern wurde. Dieser wird im Comic überhaupt nicht erwähnt, ist im Gesamtbild und den nötigen Kürzungen aber auch nicht sonderlich relevant.

Eine Reihe von Verschwörungen gegen ihn wurden aufgedeckt, die entscheidende aber, die der „Verschwörer von Cartagena“, ignorierte Nero zu lange. Nero flüchtete nach Ostia um sich nach Ägypten abzusetzen. Bevor er den Hafen erreichte, beging er Selbstmord, als er die Ausweglosigkeit der Situation erfasste. Nach dem Comic dankte er ab (!?) und „man vermutet, dass er seinem Leben durch Selbstmord ein Ende bereitet hat.“ Wie Bood oder der Texter auf eine „Abdankung“ gekommen sind, entzieht sich meiner Kenntnis, denn in keiner mir verfügbaren Quelle ist davon die Rede.

Auch wenn in diesem Heft ein mitunter verfälschtes Bild über Nero wieder gegeben wird, ist es doch um einiges erfreulicher als die Vorgängerversion aus dieser Reihe. Der Hauptmangel, aber das betrifft fast alle Inhalte dieser Reihe, ist die Kürze des zur Verfügung stehenden Platzes. Das hat man bei Napoleon und der „Die Völkerschlacht bei Leipzig“ richtig erkannt (Nummer 39) und nur einen Teilaspekt aus dem Leben des Eroberers gebracht.


Auf der vierten Umschlagseite ist diesmal ein römischer Soldat zum Ausschneiden und Aufkleben abgebildet.
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Alt 29.09.2016, 13:55   #168  
Matthias
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Hallo Detlef, vielen Dank für diesen Beitrag. Da ich mich sehr für römische Geschichte interessiere, ist der Beitrag über dieses Heft mir natürlich besonders wichtig. Du hast wieder alles sehr anschaulich und aufschlußreich dargestellt.
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Alt 05.10.2016, 10:32   #169  
Detlef Lorenz
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Der Freiheit eine Gasse


Nordamerika erkämpft seine Unabhängigkeit





Der 14. Juli 1789, der Tag an dem die Bastille gestürmt wurde, gilt gemeinhin als Beginn der französischen Revolution. In der Bevölkerung gebrodelt hatte es indes schon jahrelang zuvor. Den Menschen des 3. Standes, den Bauern und Handwerkern, ging es im 18. Jahrhundert kontinuierlich schlechter. Allein der Brotpreis, deren Hauptnahrungsmittel, stieg in dieser Zeit auf das dreifache und bedeutete für Handwerker die Hälfte des zur Verfügung stehenden Einkommens. Die Gründe waren vielfältig: Die Verschwendung des Adels/Klerus´, die ungeheuren Ausgaben für das Militär (ein Viertel des Budgets), die Kosten der Verwaltung (~20%), Abzahlung von Staatsschulden, Naturkatstrophen (die sogenannte „kleine Eiszeit, ein Vulkanausbruch auf Island), all das bedeutete für den normalen Bürger ein Leben am, bzw. unter dem Existenzminimum.

Im Grunde war es eine Kettenreaktion, die den gesamten europäischen Kulturkreis erfasste: der Siebenjährige Krieg (1756 – 1763), hauptsächlich zwischen England und Frankreich, führte zum Verlust der französischen Kolonien in Nordamerika*. Allerdings verschlang dieser Krieg ungeheuer viel Geld – neben unzähligen Menschenleben, ruinierte die französischen Finanzen (siehe oben) und verschonte auch den englischen Haushalt nicht. Die Engländer erhöhten daraufhin die Steuern, besonders in den Kolonien. Dies missfiel den Menschen, wie eh und je auf dieser Welt. Das Fass zum Überlaufen brachte die Einführung einer Teesteuer.





Am 16. September 1773 klettern junge Leute auf einen Schoner, die Dartmouth, die Tee aus Indien herangebracht hatte. Unter dem Jubel der „Bostoniens“ warfen sie die ganze Ladung ins Hafenbecken. Das ganze Geschehen ging als „Boston Tea Party“ in die Geschichtsbücher ein.**






Als ich 1992 das erste Mal in Boston war, lag dieses Schiff als Replik der Dartmouth beim Boston Tea Party Ship and Museum. Ein paar Jahre später fanden wir es nicht mehr vor, es war abgebrannt und man diskutierte lange über die Kosten einer Neu-Rekonstruktion. Inzwischen soll ein neues Tea Ship vor Anker liegen, allerdings nicht die Dartmouth, sondern eines aus der Flotte der sogenannten Tee-Schiffe.

Auf die englische (Über-) Reaktion für dieses und ähnliche Vorkommen, angedacht war die Schließung des Bostoner Hafens, oder sogar dessen Zerstörung, trat vom 5. September bis zum 25. Oktober 1774 der Erste Kontinentalkongress in Philadelphia zusammen. Es nahmen 12 Neu-England-Staaten teil und sie beschlossen, bei der Beibehaltung dieses englischen „Intolerable Acts“ keine Waren mehr nach den britischen Inseln mehr zu liefern. Gleichzeitig bereiteten die Beteiligten, u.a. George Washington, John Paine, Samuel Adams den 2. Kontinentalkongress vor. Dazu luden sie zum 10 Mai 1775 auch Québec, Saint John’s Island, Nova Scotia, Georgia, Ostflorida und Westflorida mit ein, sich zu beteiligen. Es bestand zu diesem Zeitpunkt also die Möglichkeit, das auch die kanadischen Atlantikprovinzen heute zu den USA gehören würden. Aber bis auf Georgia lehnten diese Kommentarlos ab, auch die beiden Floridas, seit 1763 britisch. Hier enthält der entsprechende Text im Heft einen, sicherlich unabsichtlichen, Fehler. Er verortet Philadelphia in Massachusetts statt in Pennsylvania.

Der Zweite Kontinentalkongress tagte vom 10. Mai 1775 bis zum 1. März 1781, allerdings nicht ununterbrochen zudem in verschiedenen Städten. Georgia nahm hier als dreizehnte Kolonie teil. Auf Grund der englischen Weigerung, dass Selbstbestimmungsrecht, also eine Regierung für die amerikanischen Kolonien zu tolerieren, unterschrieben am 4. Juli 1776 die anwesenden Vertreter die formale Unabhängigkeitserklärung der 13 Kolonien.
Die Engländer sahen dem Treiben der Kolonisten natürlich nicht tatenlos zu und entsandten Truppen in die Kolonien. Ein erstes Ziel war Massachusetts. Dort sollte eine Abteilung Soldaten in Concord nach dort versteckten Waffen, Pulver und Munition suchen. Als sie am 18/19. April 1775 den Ort Lexington erreichten, kam es zu einem ersten Gefecht zwischen den Kolonisten und Engländern. Es ging für die Engländer schlecht aus, sie zogen sich nach Boston zurück.






Am 10. Mai 1775 drangen 80 Kolonisten in das Fort Ticonderoga ein und überwältigten die Besatzung (die wegen des bisher nicht offiziell erklärten Kriegszustandes keine Wachen aufgestellt hatte). Die Kanonen sowie die Munition und das Pulver kam den Aufständischen zugute, da sie so gut wie keine Artillerie vorweisen konnten.






So sieht das Fort Ticonderoga tatsächlich aus, Bood schien kein Referenzmaterial zur Verfügung gehabt zu haben. Ansonsten hatte er über die Vorgänge eingehend recherchiert, was aber selbst in der Nicht-Google-Zeit zu diesem Thema nicht so schwierig gewesen sein dürfte.

Im folgenden finden sich im Heft stark gerafft die Abläufe der Schlachten, die Niederlagen und Siege der Kontrahenten. Es werden die „Hessischen Söldner“ erwähnt, die Rolle von Steubens, einem preußischen General, der die Revolutionsarmee reorganisierte und letztlich auch die erst heimliche, dann offene Hilfe der Franzosen (und Spanier), die sich für die Verluste Kanadas (und Menorcas) revanchieren zu gedachten.





Als die Engländer New York eroberten, drängten sie Washingtons Leute bis zum Delaware River zurück. Dort gelingt es diesen, sich trotz des Winters über den Fluss zu retten, sonst wäre es wahrscheinlich um den Erfolg des Unabhängigkeitskampfes schlecht ausgegangen.





Bood kopierte hier das berühmte Gemälde von Emanuel Leutze, 1851. Leider wird das nicht erklärt, aber dazu stand wohl nicht der Platz zur Verfügung.

Insgesamt versuchte Bood die zeitlichen Abläufe, die sechs Jahre lang dauerten. in einem Heft unterzubringen … ist natürlich ein von vorn herein hoffnungsloses Unterfangen (wie schon des Öfteren in dieser Heftreihe). Es gelang ihm trotzdem, verständlich die wichtigsten Ereignisse vor den Augen des Lesers abzuspulen.

Am 19. September 1781 kam es bei Yorktown / Virginia zu einem letzten Gefecht. Die Engländer landeten noch einmal 8000 Soldaten und hofften auf einen Überraschungseffekt. Sie hatten sich verkalkuliert, die Amerikaner griffen überraschend an und vernichteten – was für ein schreckliches Wort in diesem Zusammenhang - nach gut einer Stunde die letzte Einheit der Engländer auf amerikanischem Boden.

Das Heft endet auf der letzten Comic-Seite mit der am 30. November 1782 erfolgten Unterzeichnung des Friedensvertrages, in dem den 13 Kolonien die völlige Unabhängigkeit vom britischen Mutterland bestätigt wurde. Nicht nur dieses Gebiet verloren die Engländer, auch das restliche Territorium bis zum Mississippi überließen sie den US-Amerikanern (Florida und Menorca kamen an Spanien zurück).

Erst am 17. September 1787 einigten sich die Vertreter der Unionsstaaten auf eine Verfassung und wiederum weitere zwei Jahre später wurde George Washington von den Wahlmännern zum ersten Präsidenten der USA gewählt. Die Gründe für den langen Zeitraum für die Ausarbeitung der Verfassung lag u.a. in der Menschenrechtssituation der Sklaven. Die Südstaaten drohten damals schon mit einer Sezession, wenn ihre Sklavenhalterwirtschaft nicht toleriert werden würde. Als Kompromiss wurden die Sklaven zum Teil (!?) als Bevölkerungsanteil mitgezählt, was sich auf die Anzahl der Wahlmänner niederschlug. Dieser „Geburtsfehler“ der USA sollte wenige Jahrzehnte später in einem erbitterten Bürgerkrieg münden, der ein weiteres Thema in der Heftreihe der Abenteuer der Weltgeschichte wird.

Die Heftseiten 3 und 4 beinhalten in reiner Textform das Leben und Wirken von Georg Washington für die USA. Auch dieser Artikel ist recht gut recherchiert und schildert, manchmal recht pathetisch, sein Leben.
Auf den Seiten 29 bis 31wird eine Erzählung über ein „Wettrennen auf dem Mississippi“ von Charles Sealsfield vorgestellt. Sie hat mit dem Thema des Heftes nichts zu tun, außer dass sie in den USA spielt.

Interessanter dagegen ist der halbseitige Artikel auf der Seite 32, der Betsy Ross vorstellte, die die erste Flagge der USA zusammen nähte.

Das folgende Heft, auf der 3. Umschlagseite vorgestellt, behandelt einen Aufstand der Unterprivilegierten, den der Bauern im Heiligen Römischen Reich des 16. Jahrhunderts.

Die letzte Seite zeigt diesmal einen englischen Infanteristen um 1776, von Hansrudi Wäscher für die Peligom-Reklame gezeichnet.

*Bis auf einige winzige Inseln, bei Neufundland gelegen, die noch heute französisches Territorium sind.

Siehe zu diesen Ereignissen auch Heft 57 „Die Guillotine regiert“. Im Grunde hätte ich beide Hefte nebeneinander abhandeln können, sie eng sind die geschichtlichen Abläufe miteinander verwoben. Deshalb auch die von mir gewählte Einleitung über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

**Die neuzeitliche „Tea Party-Gesellschaft“ sperrt sich vehement gegen sozialen Fortschritt, so z.B. eine Grundkrankenversicherung für die verarmte Bevölkerung. Auch ist sie gegen Steuererhöhungen, aber nur für den finanziell privilegierten kleinen Anteil der Gesamteinwohner. Das gehört hier zwar nicht hin, aber es zeigt doch auf, wie Grundwerte und das nicht nur in den USA, durch das Kapital und deren willfährige Politiker zugrunde gerichtet werden können.

***In Nova Scotia (neben New Brunswick / Prinz Edward Island) wurden Überlegungen verworfen, sich am Unabhängigkeitskrieg zu beteiligen. Die Mehrheit der Bevölkerung war einfach dagegen.
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Alt 23.10.2016, 09:27   #170  
Detlef Lorenz
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Nummer 42


Die Trommel ruft, Der Grosse Bauernkrieg







Im 15. Jahrhundert verschlechterte sich in Europa die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Bevölkerung. Höhere Abgaben, Frondienste an den Adel und den Klerus, der die Existenz des „gemeinen Mannes“ immer bedrohlicher werden ließ. Damit wurde der nicht herrschaftsfähige Teil der Bevölkerung bezeichnet, zu der nicht nur die Bauern, sondern auch Teile der städtischen Bewohner, Bergleute, Köhler, also alle vom Adel und Klerus abhängigen gehörten. Zur allgemeinen Lage kam hinzu, dass das niedere Rittertum auf seinen kleinen Besitztümern langsam verarmte – im Verhältnis zu den großen Fürsten gesehen – und ihren wirtschaftlichen Verlust als Raubritter auszugleichen versuchten. Auch darunter hatten in erster Linie die Bauern zu leiden, da sie für die Ritter die leichteste Beute waren.








Einige lokale Ereignisse des ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts läuteten die „erste deutsche Revolution“ ein, wie sie nicht ganz zu Unrecht von Engels und Marx bezeichnet wurde. Das damals noch zum Reich gehörende Elsass erlebte in den 1490er Jahren die ersten Aufstände. Einigen militärischen Erfolgen, wie das Schleifen, Niederbrennen von Burgen, Klöster und natürlich der Tod der verhassten Grundherren, folgte der unvermeidliche brutale und erfolgreiche Gegenschlag des Adels. Danach war erst einmal „Grabesruhe“ in Mitteleuropa. Im Untergrund rumorte es aber weiterhin, Freiburg sollte 1512 ein Ziel der unterdrückten Bauern sein. Verrat verhinderte dieses Vorhaben, die Rädelsführer wurden gejagt, geköpft, gevierteilt, die Schwurhände abgehakt udgl. mehr, der Phantasie waren auch damals keine Grenzen gesetzt.

Schon 1514 kam es in Württemberg zu einem neuen Gemetzel, das ging so weiter, bis 1524/26. Das war der Zeitraum, der als „Deutscher Bauerkrieg“ in die Geschichtsbücher einging. Allerdings nicht sofort, sondern jeweils, wie die politische Lage es für nötig hielt. So wurde Thomas Münzer von der DDR-Geschichtsschreibung als Anführer gegen die Fürsten und geistlichen Würdenträger angesehen, die für sie ein frühes Großkapital und Besitzer von Produktionsmittel (Landwirtschaft, Bergbau, Verhüttungswesen, Werftindustrie) darstellten. Die westdeutsche Historiografie tat sich da wesentlich schwerer, kam aber auch nicht umhin, den Bauerkrieg als Volksaufstand gegen seine Ausbeuter festzuschreiben. Thomas Münzer, der im Mai 1525 gefangen genommen (und „natürlich“ vor seiner Hinrichtung die widerwärtigsten Folterungen ertragen musste), wurde im selben Monat hingerichtet. Damit endeten die meisten Aufstände, erst Jahrhunderte später sollte der Bauernstand, der immerhin für unser täglich Brot sorgt, durch Agrarsubventionen ein erträgliches Auskommen erreichen (wie auch immer man zur EU-Agrarpolitik stehen mag).








Im Text der oben abgebildeten Seite wird sehr deutlich auf die negative Rolle der Ritter, Fürsten, Klosterherrn für das damals alltägliche Leben der „niederen“ Stände eingegangen, dass heutzutage für uns unglaublich hart zugegangen sein muss. Ich fand diese klaren Worte überraschend drastisch, habe ich doch bisher in den Abenteurern der Weltgeschichte fiel von heroischen Taten, aufopferungsvollen Männer – und Frauen – gelesen, die für ihre Anführer jubelnd in den Tod gingen und gegen den „Feind“ gnadenlos vorgingen (den sie zuvor noch nie gesehen hatten und der ihnen auch nie was angetan hatte).

Charlie Bood erzählt einzelne Episoden aus den Aufständen, verhehlt auch nicht die Grausamkeiten beider Seiten (der ausgeplünderten und verzweifelten Bauern, sowie der herrsch- und rachsüchtigen Adligen / Klerus), schildert in randvollen Textboxen die Geschehnisse, die sich über mehrere Jahrzehnte hinzogen. Ein Heft, das zum Nachdenken anregt.

Auf der dritten und vierten Seite erfolgt als Einleitung ein Artikel über das dörfliche Leben im 15. und 16. Jahrhundert. Der letzte Absatz, in dem über die sich steigenden Eingriffe des Adels in das bisher ziemlich freie Bauerntum geschildert wird, leitet zum Comicteil über. Wer den Text verfasst hat, ist nicht erkennbar, er ist ohne Namenszug.

Noch immer sind alle Hefte nachbestellbar (ein heutzutage paradiesischer Zustand). Die Vorschau weist auf das nächste Heft hin, das Klaus Störtebeker gewidmet ist.






Auf der letzten Umschlagseite ist diesmal ein Landsknecht mit einem riesigen Schwert, dessen Klinge Wellenförmig geschmiedet ist, von Hansrudi Wäscher dargestellt.
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.10.2016, 10:32   #171  
Detlef Lorenz
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Zwischenbilanz, die 2.

Um ein Haar hätte ich wegen einer Unaufmerksamkeit meinerseits einen Haltepunkt der Serie verpasst: drei Hefte lang, von Nummer 39 bis 41 habe ich vergessen die Nummerierung vorn anzustellen (keiner hat´s gemerkt …). Nun, die Geschichte von den Bauernerhebungen des Spätmittelalters bedeutet für die Reihe Halbzeit. Noch ein Mal so viel Hefte gibt es vorzustellen, zu besprechen, abzubilden und gelegentlich eure Kommentare zu lesen. Trotz der vorhandenen und beschriebenen Mängel gefallen mir „Die Abenteuer der Weltgeschichte“ von ihrer Art, der Aufmachung und der Präsentation her noch immer. Ich werde sie und das kann ich jetzt schon konstatieren, mit der Nummer 84 wieder einsortieren und nicht entsorgen*. Für mich haben sie einen nostalgischen Wert, immerhin habe ich Geschichte, eines meiner wichtigen Interessensgebiete, sehr früh in Bild und Wort vermittelt bekommen … wenn auch gelegentliche falsche Informationen in späteren Jahren einer Revidierung bedurfte.

Charly Bood´s Engagement wirkt sich – für mich – positiv aus. Das Zeichner-Wechsel-Dich-Spiel der ersten fast drei Dutzend Hefte brachten kein klares Bild in der grafischen Darstellung. Natürlich, wer Bood nicht mag oder grade so erduldet, hätte sicherlich einen anderen Zeichner in Dauerpräsenz gehabt. Blumentritt und Wäscher wären dann meine Favoriten gewesen. Es wurde verlagsseitig anders entschieden. Der Schwede ist sicherlich nicht die 3. Wahl, der Erfolg der vorliegenden Hefte gab Lehning mal wieder recht – zumindest da funktionierte sein Herausgeberinstinkt** noch. Nun auf zur Talfahrt, denn wir sind hier über den Gipfel hinüber.

*Momentan lese ich verstärkt alte Serie um zu testen, wie und ob sie mir nach wie vor gefallen. Beim absoluten Nichtgefallen kommt natürlich noch ein gewisser Faktor ins Spiel: Erinnerungswert oder nicht einmal der…
**Mein Rechtschreibprogram bot mir zu diesem Wort allen Ernstes „Herausgeberin stinkt“ an …
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Alt 28.10.2016, 01:39   #172  
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http://www.ingo-schwedler.de/armin-d...nderband-nr-9/
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Alt 28.10.2016, 11:09   #173  
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siehe #162.
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Alt 17.11.2016, 23:08   #174  
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Nummer 43


Schrecken der Meere, Klaus Störtebeker, der grosse Seeräuber







Die vorliegende Geschichte spielt sich Ende des 14ten Jahrhunderts – mit einem kleinen Ausblick auf das 15te Jahrhundert - ab. Sie beginnt in der Ostsee und endet in der Nordsee, bzw. in Hamburg auf dem Richtplatz Grasbrook (wahrscheinlich). Die Klammer bezieht sich auf die Titelfigur des Heftes: Klaus Störtebeker. 1401 soll er dort nämlich hingerichtet, in diesem Fall geköpft, worden sein. So ganz sicher ist das nicht, aber warum sollte dieser letzte Akt in seinem Leben gesichert sein, wenn noch nicht einmal feststeht, ob es ihn so, wie erzählt wird, überhaupt gegeben hat. Schon bei der Geburt fängt es an – wann auch sonst , manche sagen dies geschah 1360 in Wismar, andere behaupten in Rotenburg/Verden. Mit dem Namen des späteren „Seeräubers“ gibt es ebensolche Unklarheiten. Nicolaus Störtebeker, Johann Störtebeker (aus Danzig), um nur 2 zu nennen.








Die Anrainerstaaten der Ostsee versuchten sich zu dieser Zeit einen möglichst großen Kuchen vom Handel zu sichern. Dänemark, Mecklenburg, die Hansestädte, auch Schweden, sie alle rangen mit unterschiedlichem Erfolg um die Vormachtstellung. Als die dänische Königin Margarete Schweden unterwarf und sich nur Stockholm widersetzte, belagerte sie es vom Land und zur See aus. Die Mecklenburger versuchten sich nun als Blockadebrecher und boten Kaperbriefe für tollkühne Seeleute an. Diese mussten zwar die Schiffe und Mannschaften selber stellen, erhielten aber politischen und militärischen Schutz (ähnlich wie später Freibeuter wie Francis Drake). Zu ihnen gehörte auch unser Klaus Störtebeker. Margarete gab irgendwann die Belagerung auf, der schwedische König dankte ab, beide Länder waren längere Zeit in Personalunion miteinander verbunden und die Viktualienbrüder (auch: Vitalienbrüder, Likedeeler) verloren ihren gesicherten Brotjob. Daraufhin wandten sie sich nach Visby, der reichen Hafenstadt auf Gotland*. Sie eroberten es, aber der im Baltikum herrschende Deutsche Ordensstaat (siehe Heft 28) vertrieb die Seeräuber.









Daraufhin machten sie die Nordsee unsicher, raubten Küstenstädte (Bergen) aus, kaperten Hansekoggen, kurz, sie störten nicht unerheblich die „Pfeffersäcke“. Die Hamburger rüsteten eine Flotte aus, dessen Flaggschiff „Bunte Kuh“ hieß. Vor Helgoland, dem Stützpunkt der Seeräuber, kam es zur Schlacht. Sie ging für die Piraten verloren und die meisten wurden in Hamburg hingerichtet. Auch dabei kam es natürlich zur Legendenbildung, denn ein Seeräuber verliert nicht einfach so seinen Kopf auf dem Richtblock. Der Hamburger Senat versprach allen Mitgefangenen die Freiheit, an denen der kopflose Störtebeker noch vorbei zu torkeln vermochte. Angeblich sollen es elf Männer gewesen sein, aber natürlich wurden auch sie hingerichtet. Nun gibt es in der englischen Geschichte einen Vorgang, der aussagt, 1413 wurde ein Johann Stortebeker durch den König Heinrich V. beauftragt, englischen Handelsschiffen Gleitschutz zu bieten. Da dieser Name schon früher aufgetaucht ist (auch hier im Artikel), kann man sich schon fragen, wer wurde 1401 geköpft … Weshalb es aber nun überhaupt ein Denkmal des Seeräubers gerade in Hamburg und anderswo auch, gibt, erschließt sich mir nicht. Dann könnte man auch gleich Attila ähnlich ehren -**


Schön schaurige Geschichten um den „Schrecken der Meere“; was wahr ist, kann sich jeder selber ausdenken. Ein auf dem Grasbrook 1878 gefundener Schädel wird Störtebeker zugeschrieben. Er wurde sogar 2010 aus dem Museum für Hamburgische Geschichte gestohlen, tauchte aber gut ein Jahr später wieder auf. Die Legende hat den Viktualienbrüdern gar Robin Hood vergleichbare Handlungsweisen angedichtet, aber dieses dürfte höchstens für die Mannschaft untereinander gegolten haben. Diese genossen ein gewisses Mitspracherecht, wie es den Menschen damals absolut verwehrt wurde. Deshalb wird es wohl massenhaft Literatur über die Piraten geben, in denen sie recht wohlwollend behandelt werden. Dazu zählen auch „Störtebeker – Festspiele“, z. B. in Ralswiek auf Rügen. Im vorliegenden Heft wird die Geschichte um Klaus Störtebeker den damaligen Erkenntnissen, bzw. das, was gerade jugendliche Leser gerne hören und sehen wollten erzählt. Dazu zählt hauptsächlich die unreflektierte Annahme, dass es diesen Burschen überhaupt gegeben hat. Die schon auf dem Titelbild gezeigte „Totenkopfflagge“, der sogenannte „Jolly Roger“, taucht dagegen gesichert erst um 1700 auf. Auch das zählt zu den sich verselbstständigenden Legendenbildungen, die irgendwann Allgemeingut und fester Bestandteil der Geschichte werden. Ansonsten ist das alles flott zu lesen. Ein einleitender Artikel über „Die Seeschlachten der Wikinger-Zeit“, eine Landkarte der Handlungsorte auf den Mittelseiten und der komplette Text des „Störtebeker-Liedes“ am Schluss der Erzählung runden das Heft ab.

Die erste Zeile lautet übrigens:
„Der mächtigste König des Luftreviers ist des Sturmes gewaltiger Aar.“
22 Zeilen später endet es mit:
„Hoch Störtebeker, unser Kapitän!“

Diesmal fehlt auf der letzten Umschlagseite die Klebstoff-Reklame.

*Wie mir ein in Deutschland weilender Schwede einmal erzählte, nennt sich dort die Polizei „Gotland Yard“.
**Weshalb ich grade Atilla erwähne? Er gibt die Titelfigur des kommenden Heftes ab.
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2016, 01:50   #175  
Hinnerk
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Zitat:
Zitat von Detlef Lorenz Beitrag anzeigen
Die Legende hat den Viktualienbrüdern gar Robin Hood vergleichbare Handlungsweisen angedichtet, aber dieses dürfte höchstens für die Mannschaft untereinander gegolten haben.
Deswegen hießen sie ja auch Likedeeler!
Den ganzen Störtebeker-Krempel habe ich in der Grundschule noch im Fach Sach- und Heimatkunde lernen dürfen.
Hinnerk ist offline   Mit Zitat antworten
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