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Alt 04.09.2017, 16:01   #101  
eck@rt
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Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Gehört nicht beides zusammen, die Spaß an der Freude und der Anspruch?
Nun gut, um diesen 4-Mann/Frau-Thread weiterzuführen: Der Spaß dessen, der vor einem "Kunstwerk" steht und (aufgrund seiner Vorbildung oder der ästhetischen und intellektuellen Dimensionen des Werks) seine Freude hat, hat überhaupt nichts mit "Anspruch" zu tun. Anspruch ist untrennbar mit Wert und Wertigkeit verbunden, und da bewegen wir uns wieder in ein Feld, dass den "Kunstliebhaber" ignoriert und auf den Kunstmarkt und dessen verlängerten Arm, das Feuilleton (im weitesten Sinne), abzielt.

eckrt
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Alt 04.09.2017, 16:09   #102  
Peter L. Opmann
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@ Eckart:

Wert ist aber nicht nur Geldwert.

Wahrscheinlich hinkt der Vergleich, aber als Kinogänger habe ich es immer geschätzt, wenn ich in einer Vorstellung mit nur einer Handvoll anderer Leute zusammen saß. Da hatte ich das Gefühl, daß ich mich vermutlich nicht "unter Niveau" unterhalte. Für diesen Effekt hätte ich aber nicht eine doppelt so teure Eintrittskarte wie der gemeine "Star Wars"-Gucker gekauft.
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Alt 04.09.2017, 16:24   #103  
Servalan
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Die große Klammer habe ich für den Umgang mit Kunst im weitesten Sinne benutzt. Und wenn sich in Sachen Kunst alle einig wären, das wäre doch sterbenslangweilig. Ab und zu mal ein riesiger Skandal über Fälschungen oder neue Zuordnungen bekannter Werke sorgen für ein Risiko, das die Kunst lebendig hält.

Als ich mein Studium begann, mußte ich mich gehörig anstrengen, um mal den Begriff Provenienz aufzuschnappen. Heute ist er sogar dem Publikum des kleinsten Käseblatts geläufig, das das Feuilleton eher halbherzig behandelt.
Durch die Provenienz kommt die Unsicherheit wieder ins Spiel. Solange es sich um die junge und jüngste Künstlerszene vor Ort handelt und das Werk nicht direkt aus dem Atelier oder den Haus-und-Hof-Galeristen gehandelt wird, kannst du unbesehen zugreifen.
Sonst brauchst du aber Experten, damit dir keiner Hehlerware unterjubelt. Nun ja, Expertisen lassen sich auch fälschen ...

Außerdem gehe ich davon aus, daß einige reiche Spekulanten sich schon gezielt ihre Objekte suchen: Etliche Millionen geben diese Leute keineswegs für ein x-beliebiges Kunstwerk aus. Denn um strategisch den Wert zu steigern, muß es zum Beispiel als Leihgabe bei berühmten Ausstellungen einsetzbar sein.
Taktisch läßt sich einiges manipulieren, aber Zocker können danebenliegen.
Wenn solch ein Geschäft in die Binsen geht, kann der Spott unterhaltsam sein.

Geändert von Servalan (04.09.2017 um 17:29 Uhr)
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Alt 04.09.2017, 19:06   #104  
eck@rt
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Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Und wenn sich in Sachen Kunst alle einig wären, das wäre doch sterbenslangweilig.
Niemals werden sich über "Kunst" alle einig sein. Da stimme ich dir zu; darum geht es aber nicht. Es geht darum, das "Kunst" nicht einfach da ist, wie ein Glas oder ein Tisch, sondern dass "Kunst" gemacht wird von Leuten, die ein Interesse daran haben, dass gerade die Art von Kunst etwas wert ist, an der sie was verdienen. Diese Leute haben über ihr Netzwerk Einfluss darauf, dass auch Menschen außerhalb ihres engen Zirkels solche Dinge als "Kunst" wahrnehmen - sei es, weil sie gesellschaftllch "dazugehören wollen", sei es, weil sie einfach ihren sie beeinflussenden Medien oder Stimmen gehorchen oder weil sie glauben, vom Kunstbetrieb profitieren zu können.

Vergesst es, vergesst, was man euch beigebracht hat: Es gibt keine Kunst! Kunst noch künstlicher als Kunsthonig!

eckrt
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Alt 04.09.2017, 23:02   #105  
G.Nem.
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Zitat:
Zitat von eck@rt Beitrag anzeigen
(...) sondern dass "Kunst" gemacht wird von Leuten, die ein Interesse daran haben, dass gerade die Art von Kunst etwas wert ist, an der sie was verdienen. Diese Leute haben über ihr Netzwerk Einfluss darauf, (...)
Kann ich nur voll und ganz bestätigen!

Zitat:
Zitat von eck@rt Beitrag anzeigen
(...)Vergesst es, vergesst, was man euch beigebracht hat: Es gibt keine Kunst! Kunst noch künstlicher als Kunsthonig!
Jetzt werd' nicht poetisch Ede, die Pinke kommt!
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Alt 05.09.2017, 09:25   #106  
eck@rt
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Her mit der Pinke! Schön wär's.

eckrt
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Alt 05.09.2017, 13:31   #107  
G.Nem.
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Zitat:
Zitat von eck@rt Beitrag anzeigen
Her mit der Pinke!
Die Kunst ist, sich ein Netzwerk zu suchen und die dort gewünschte "Kunst" zu liefern. Ambesten du beginnst mit der Namensfindung deines Stils – also beispielsweise Magnanim-Art. Dann erfindest du die Bild-Sprache dazu, also deine Handschrift und bedienst das Netzwerk mit Aktionen.
Also z.B. Bemalung eines weiblichen Akt-Modells im Magnanim-Stil an einem spektakulären Ort (Schlachthof, Friedhof usw).
Und die erste Pinke rollt schon.
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Alt 06.09.2017, 13:02   #108  
Servalan
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Also hat sich im Grunde seit den Kunst- und Wunderkammern der hohen Herrschaften kaum etwas geändert. Das gleiche Prinzip funktioniert heute nur eine Spur subtiler: Hauptache, das Pack und der Pöbel bleiben draußen.
(Und "Zwerge", "Riesen" und andere "Freaks" werden heute auch nicht mehr gesammelt, weil das unter das Verdikt des Politisch Unkorrekten fällt. Dafür gibt es heute Performance und Happenings von Marina Abramović & Co.)

Wer sich auskennt, kann aber grobe Prinzipien erkennen, die es leichter machen, in die richtigen Netzwerke aufgenommen zu werden:
  • Wer den richtigen Status (und genug Kleingeld) hat, kann über Raum und Zeit verfügen. Also sind möglichst große, sperrige, schwere und nur mit Mühe zu konservierende Kunstwerke von Vorteil - wie zum Beispiel Jan Fabres riesige Gewänder aus tausenden Chitinpanzern von toten Insekten.
    Ioerg B. hat sich Zeit seines Lebens geärgert, daß sein Buddy Raffael Rheinsberg berühmt geworden ist und er den wahren Durchbruch nie geschafft hat. Beide stammen aus der Hausbesetzerszene der 1970er. Ioerg B. hat mit seinen Körpersäften gemalt (einige Bilder hängen im Club 68 in Kiel).
    Raffael Rheinsbergs Kunstwerke kommen dem Prinzip der Alchemie ziemlich nah. Er hat Material vor Ort gesammelt und riesige Skulpturen daraus arrangiert, die wegen ihrer Größe schon in Richtung Land Art gingen: Ein Vermögen aus dem Nichts zu erschaffen, so ein Traum schmeichelt jedem Yuppie. Selbst wenn das den Kleinbürgern gefällt, die Dimension sorgt dafür, daß das Handtuchgrundstück in Suburbia viel zu klein ist, um es dort aufzustellen.
  • Eine möglichst aufwendige Produktion sorgt per se für eine limitierte Auflage. Hier fällt mir Tomma Abts ein: Obwohl ihre Werke für den Markt eigentlich Kleinformate sind, sorgt die langwierige Entstehung dafür, daß sich nur Wenige ein Werk von ihr leisten können.

Geändert von Servalan (08.12.2017 um 00:49 Uhr)
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Alt 06.09.2017, 16:24   #109  
Peter L. Opmann
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Tja, vielleicht muß ich mich aus dieser Diskussion verabschieden.

Ich betrachte Kunst aus der Perspektive des Konsumenten, habe damit auch eine idealistischere Sicht und sehe darin nicht nur ein Mittel zum Geldverdienen. Mir geht's eher um Erfahrungen, die ich mit Kunst mache. Und sehr vieles kann man sich ja gratis oder zu kleinem Eintrittspreis ansehen.

Nur insofern ist mir auch wichtig, was Kunst ist und was nicht. Ich find's schon interessant, wenn Kunst bestimmte Leute provoziert oder schockiert - oder auch Verachtung hervorruft. Wobei man berücksichtigen muß: Die meisten Leute erreicht Kunst wohl gar nicht.
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Alt 06.09.2017, 17:37   #110  
Servalan
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Bei eck@rt schwanke ich noch, aber wir übrigen schauen nur von außen auf die Kunst. Insofern würde ich es bedauern, wenn du dich verabschiedest.

Jeder kann hier seine eigene Sicht einbringen.
Mittlerweile hat doch fast jedes Museum ein Bistro. Bei Vernissagen oder Finissagen können Leute unverbindlich am Büffet plaudern ... dieser Thread ist gewissermaßen der Tresen oder die Bar des Unterforums.
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Alt 06.09.2017, 17:55   #111  
G.Nem.
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Tja, vielleicht muß ich mich aus dieser Diskussion verabschieden. (...)
Wieso denn das? Ich finde es grade wunderbar sich hier 'im Grünen' einfach zwanglos über Kunst austauschen zu können. Bleib doch einfach da! Genau wie am Tresen in unserer Stamm-Künstlerkneipe ... oder so.

Und vielleicht sollten wir's um die Kunst im Comic erweitern.
Zum Beispiel hier die Austro-Szene unter >
http://alternativecomicsaut.tumblr.com
Die meisten Sachen dort erschließen sich mir null.
Für mich eine willkürliche Aneinanderreihung von Illustrationen mit Texten.
Sie lösen bei mir keinerlei Emotionen oder Nachdenkprozesse aus.
Sind das überhaupt Comics?
Ausserdem frage ich mich, ob's nur mir damit so geht.
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Alt 06.09.2017, 18:52   #112  
Peter L. Opmann
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War nicht als Drohung gemeint, aber wenn's hauptsächlich darum geht, wie Kunstwerke Geld einbringen, kann ich dazu nichts beitragen. Mit meinen Kunstwerken habe ich höchstens mal knapp dreistellige Beträge eingenommen (war, wenn ich's recht bedenke, dazu noch zu D-Mark-Zeiten). Tja, und das waren Comics oder Illustrationen - auf jeden Fall Gebrauchsgrafik.
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Alt 06.09.2017, 19:36   #113  
Servalan
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Mit den richtigen Connections werden sogar Künstler als Genie gefeiert, die nur in der Imagination existieren. Mir fällt da Nat Tate ein, auf den viele Leute hereingefallen sind.
William Boyds "Roman" Nat Tate: An American Artist 1928–1960 erschien im Juni 1998 in der renommiuerten Edition Stemmle, und weil das in der richtigen Reihe geschah, hielten etliche Leute aus der Schickeria das Teil für eine echte Biographie. Die begleitende Ausstellung fand übrigens am 1. April statt - und da ist niemand stutzig geworden.
Neben Gore Vidal und David Bowie beteiligten sich Picasso-Biograph John Richardson und die Herausgebers des Magazins Modern Painters, Karen Wright, an dem Streich. Schon der Name ist eine Verballhornung aus dem Kunstinstitutionen National Gallery und Tate Gallery.
2011 wurde sogar ein Nat-Tate-Gemälde bei Southeby's versteigert. Das stammte natürlich von William Boyd, der seine Einnahme einer gemeinnützigen Institution spendete: der Artists' General Benevolent Institution (das britische Gegenstück im weitesten Sinne zur Künstlersozialkasse).

Wenn es um Pinkepinke geht, liegen die Grenzen zur Hochstapelei, Schwindel und Betrug ziemlich nahe ... (seufz)
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Alt 06.09.2017, 20:56   #114  
eck@rt
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Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Bei eck@rt schwanke ich noch
Hoppla, wie das denn??

eckrt
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Alt 06.09.2017, 22:10   #115  
Servalan
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Zum einen forschst du schon ziemlich lange. In Museen, Archiven, Bibliotheken und anderen Forschungs- oder Bildungsstätten wirst du durch längere Kontakte sicher die eine oder andere Anekdote aufgeschnappt haben. Und wenn du dort Vertraute gewinnen konntest (also Leute, die dir vertrauen, und denen du vertrauen kannst), hattest du sicher mal eine Gelegenheit hinter die Kulissen des Betriebs zu schauen.
Die meisten wissen bestimmt, daß Museen in der Regel nur zehn Prozent ihres Bestands ausstellen. Der Rest wird sicher und platzsparend gelagert, damit bei der nächsten Ausstellung auch was Neues gezeigt werden kann, ohne das Budget zu strapazieren. Wenn dort jemand ins Quasseln kommt ...

Außerdem hast du eine Dissertationsschrift veröffentlicht.
Schon als Studentin wurden von mir Exkursionen gefordert. Je weiter jemand in die Materie einsteigt, umso mehr kostenlose zusätzliche Arbeit wird von den Universitäten eingefordert. Ich denke da an Volontariate oder Hospitanzen bei künstlerischen Institutionen - oder täusche ich mich in der Hinsicht?

Geändert von Servalan (07.09.2017 um 13:27 Uhr)
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Alt 07.09.2017, 16:25   #116  
Peter L. Opmann
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Ich lese gerade im Nachruf auf Holger Czukay (Krautrock-Musiker):

Künstlerische Freiheit, also keinen Gedanken daran verschwenden müssen, ob seine Hervorbringungen erfolgreich werden oder nicht, erwirbt man dadurch, daß man eine reiche Frau heiratet.

Was er aber angeblich dann doch nicht gemacht hat.
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Alt 07.09.2017, 16:31   #117  
underduck
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Hab ich auch mehrfach nicht gemacht!
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Alt 07.11.2017, 15:12   #118  
Servalan
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Was ist eigentlich dran am Klischee vom verrückten Künstler?
Zu den Namen, die in den Threads "Kunst machen in Filmen und Serien" sowie "Kunst machen in Comics", mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder auftauchen, gehören der klassische Exzentriker Salvador Dalí, das verkannte Genie Vincent Van Gogh und die tragische Liebhaberin Frida Kahlo.

Als ich noch studierte, habe ich mich schon gefragt, welche Rolle die Verpackung im Kunstmarkt spielt. Schöne Gemälde und Skulpturen oder andere eindrucksvolle Werke reichen bei weitem nicht aus, um den Durchbruch zu schaffen.
Gut, sie sind notwendig - aber keineswegs hinreichend.

Das Kunstwerk muß entsprechend präsentiert werden, und dazu zählt das Drumherum: Wie verhält sich der Künstler oder die Künstlerin im Betrieb, auf Vernissagen oder Finissagen? Mit welchem kunsttheoretischen Brimborium werden die Werke präsentiert? Hat der Meister sogar eine eigene Theorie, die sich als Slogan nutzen läßt (Beuys: Jeder Mensch ist ein Künstler)?
Sorgt die Biographie für Glamour oder Street Credibility? Und dafür werden Zeugen gebraucht: Freunde und Bekannte, Kuratoren und Galeristen, Prominente aus anderen Schichten der Gesellschaft.

Heute beliebte Kunstformen wie Performance und Happening spielen mit diesem Register und verschieben es um eine Ebene auf die Metaebene. Diese Kunstformen beschränken sich aus meiner Sicht auf das Extra der Verpackung, das in Reinkultur zelebriert wird.

Geändert von Servalan (09.11.2017 um 15:29 Uhr)
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Alt 09.11.2017, 15:43   #119  
Servalan
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Standard Erwischt! Der nächste Kunstskandal (Teil 283)

Ab und zu lohnt sich das Ausmisten.
Wenn der gesamte künstlerische Wert sich an einem bestimmten Detail der eigenen Biographie bemißt, hängt der Status in der Kunstwelt am seidenen Faden. Und die Binsenweisheit, daß früher oder später die Wahrheit ans Licht kommt, scheint sich zu bewahrheiten.

Aktuell wird das gerade am Fall der Recklinghäuser Künsterlin Rosemarie Koczÿ (1939 - 2007) durchexerziert zu werden.
Zitat:
Die 1939 geborene Künstlerin hatte stets behauptet, Jüdin zu sein. 1942 sei sie als Dreijährige in ein Konzentrationslager deportiert worden. (...)
Doch das war nur eine Lüge, die jetzt von der Stadt Recklinghausen und der Kunsthalle Recklinghausen im Rahmen einer aktuell laufenden Ausstellung aufgedeckt wurde. (...)
Am Mittwoch soll ab 18 Uhr in der Kunsthalle Recklinghausen erstmals öffentlich über die gefälschte Biografie von Koczÿ diskutiert werden.
Mir gefällt die Idee einer öffentlichen Diskussion. Die Sache unter den Teppich zu kehren und so zu tun, als wäre nichts gewesen, halte ich für eine falsche Strategie.

Authentizität und Street Credibility ... mir schwirrt da ein philosophischer Sinnspruch im Kopf herum: "Alle Kreter lügen, sagte der Kreter." Warum nur?
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Alt 09.11.2017, 16:08   #120  
eck@rt
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mir schwirrt da ein philosophischer Sinnspruch im Kopf herum: "Alle Kreter lügen, sagte der Kreter." Warum nur?
Dänen lügen nicht, sagt Otto.

eckrt
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Alt 31.12.2017, 22:11   #121  
Servalan
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Nö, das finde ich nicht, allerdings fällt mir gerade nichts ein, das alle gut finden.

Wie ich aber schon sagte, ich glaube daran, dass Kunst allein Konvention ist. Voraussetzung ist, dass jemand das "Kunstwerk" zum Kunstwerk erklärt und dass der geneigte Betrachter qua eigener Voraussetzung (Bildung, Indoktrination) "empfindet", das er vor einem Kunstwerk steht.

Unter dieser Voraussetzung kann auch etwas "Kunst" sein, wenn nur ganz wenige es gut finden.
Solange noch Gerhard Richter unter uns weilt, stellt eine zu gute Resonanz einen Anlaß dar, sein eigenes Kunstwerk augenblicklich zu zerstören. Dabei ist es schnurz, ob dieses Urteil nun vom Künstler selbst, einem Kuratoren, einem Kritiker oder aus dem allgemeinen Publikum kommt. Wenn ein Kunstwerk eingängig, gefällig und verständlich ist, stellt das aus Richters Sicht ein Ausschlußkriterium dar.
Und der gute Gerhard Richter gehört ja seit Jahren zu den internationalen Superstars der Kunstszene. Manchmal legt er es sogar darauf an, daß sich sein Publikum unwohl fühlt: Die sollten froh sein, wenn sie den Raum mit seinen Porträts im kalten Licht verlassen, sagt er in Gerhard Richter - Painting.

"Jedes Bild ist der Todfeind des anderen", so ein weiteres Zitat von ihm.
Danach reduziert jede Kunstgeschichte jeweils auf ein einziges Werk.
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Alt 17.11.2019, 18:36   #122  
Servalan
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Standard Seltsame Menschen im Kunstbetrieb

Der Spruch "Die ganze Welt ist ein Irrenhaus, aber hier ist die Zentrale!" hängt sicher als Aufkleber an vielen Arbeitsplätzen. Ich spreche hier von Sachen, die mir selbst passiert sind.

Vor einigen Jahren hatte ich ein Jahrespraktikum am Kommunalen Kino, und Botengänge gehören zu den üblichen Tätigkeiten für Praktikanten. Der, um den es geht, hatte es aber in sich.
Eine kieler Galeristin hatte dem Koki eine Kiste mit Filmen zukommen lassen, die in einem Programm gezeigt wurden. Allerdings passierte zehn bis zwölf Wochen danach nichts. Die Galeristin holte das Konvolut nicht ab, also wurde ich beauftragt, die Kiste zurück in die Galerie zu bringen. Ich dachte mir nichts dabei und hielt das für einen gewöhnlichen Auftrag.
Bis die Galeristin mich vor verschlossener Tür stehen ließ. Ich ging deshalb unverrichteter Dinge wieder ins Koki. Die Chefin des Koki versuchte den Kuddelmuddel telefonisch zu klären. Dadurch erfuhr sie, daß die Galeristin erwartete, die Chefin höchstpersönlich sollte ihr die Filme übergeben. (Ich fand das Ansinnen, gelinde gesagt, etwas weltfremd.)
Mit dem Auftrag hudelte das Koki noch drei bis vier Stunden hin und her. Dann endlich fand sich eine Angestellte der Phantom-Galeristin, die mir die Tür öffnete und mich die Kiste abgeben ließ.
Die Galeristin hatte ihren Betrieb bloß in einer popeligen Landeshauptstadt in der deutschen Provinz. Weder besaß sie ein Starimage in Berlin noch in New York, London, Paris, Dubai oder Shanghai. Ihr Verhalten empfand ich als äußerst seltsam. In ihrer Kunstblase hielt sie sich für etwas Besseres und verachtete gewöhnliche Menschen, auf die sie von oben herabschaute.

Kennt jemand ähnliche Anekdoten aus dem Kunstbetrieb?

Geändert von Servalan (17.11.2019 um 18:41 Uhr)
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Alt 17.11.2019, 20:21   #123  
Peter L. Opmann
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Mit der Galerie-Szene kenne ich mich nicht aus. Es klingt schon so, als ob diese Galeristin einen an der Murmel hatte. Aber man sollte vielleicht trotzdem vorsichtig sein. Vielleicht hatte sie einen plausiblen Grund dafür zu erwarten, daß die Kinochefin persönlich bei ihr vorbei kommt, oder sie hatte falsche Vorstellungen, die sie aber entschuldigen.

Ich habe ein paar schlechte Erfahrungen mit Stars gemacht, glücklicherweise nicht allzu viele. Ich erinnere mich spontan, daß ich mal ein Interview mit Nina Hagen führen wollte. Sie war damals Ehrengast eines Kinderfilmfestivals in meiner Stadt; sie hat damals auch in einem neuerschienenen Kinderfilm mitgewirkt.

Sie hielt Hof im Kinocafé - ich kann es nicht anders sagen. Das Problem war aber vor allem, daß sie alle Fragen, die ich ihr stellte, miß- oder überhaupt nicht verstand und meist kompletten Schwachsinn von sich gab. Eine Kurzmeldung, die ich (damals Agenturjournalist) über das denkwürdige Gespräch geschrieben habe, hat es trotzdem in die Welt am Sonntag geschafft. Aber ich finde das unprofessionell - dann hätte sie lieber sagen sollen, daß sie keine Lust hat, ein Interview zu geben. Ich räume gern ein, daß ich vermutlich nicht perfekt vorbereitet war und ihr mit meinen Fragen auf die Nerven gegangen sein könnte - trotzdem!
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.11.2019, 18:49   #124  
Servalan
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Die Galeristin war eher die Ausnahme, was meine Erfahrung mit Leuten aus dem Kunstbetrieb betrifft. Viele Künstler, die ich kennenlernen durfte, waren auf eine liebenswerte Weise schräg und seltsam.

Ioerg B. (1953 - 2008) gehörte zur Kieler Kunstszene, einige seiner Werke hängen im Club 68 und der Chef des Restaurants war einer seiner Förderer. Als ich Ioerg B. kennenlernte, wohnte er in der Schwentineschule, eine Art kleine Künstlerkommune. Laut Bebauungsplan der Stadt Kiel sollte die Schwentineschule abgerissen werden, um eine Straße zu verbreitern. Die Künstler haben natürlich Rabatz gemacht, über Wochen und Monate wurde die Schwentineschule kulturell bespielt.
Eines Tages hatte Ioerg B. ein Gemälde verkauft, sofort lud er alle Leute aus seiner näheren Umgebung ein, mit ihm zu feiern. Sonst hatte er es nicht so dicke, aber in seiner Laune war er so aufgelegt, das ihn Geld nicht scherte. Zufällig war ich mit dabei und fühlte mich, als würde ich nassauern.

Geändert von Servalan (21.11.2019 um 22:19 Uhr)
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Alt 21.11.2019, 20:20   #125  
Peter L. Opmann
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Ich würde sagen, ein Künstlerklischee. Der arme Künstler, der so oft wie möglich sein Leben in ein Fest verwandeln will.

Ich mag zwar die kommerziellen Leute nicht so besonders, die sich und ihre Kunst vermarkten können. Aber bei Joerg B. vermisse ich ein bißchen die Haltung: Geld und Erfolg sind mir nicht so wichtig.

Hauptsächlich habe ich es mit regionalen Künstlern (Malern, Musikern, Autoren etc.) zu tun, und die sind meist nicht so abgedreht.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
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