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Alt 21.12.2009, 22:09   #1  
Stefan Meduna
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Beiträge: 656
Standard Bonusbeitrag 216: Walter Lehnings Widerstand gegen die Nazis



Der Artikel in SB 216, Seite 26 ist leider nicht vollständig. Wir bitten um Entschuldigung und bilden hier den vollständigen Beitrag ab. Auch in der nächsten SB wird der Artikel zu Ende zu lesen sein.

Walter Lehnings
Widerstand
gegen die Nazis


Fred Decker

Walter Lehning hatte schon früher einmal in Hannover einen Verlag gegründet, den Rotor Verlag. Beinahe wäre es sogar so weit gekom-men, daß unsere gesamten Comics nicht vom “Lehning-Verlag”, sondern vom “Rotor-Verlag” verlegt und vertrieben worden wären. Lehning gab seinem späteren Verlag erst im Januar 1948 (beim Notar Dr. Johannes Hinz in Hannover Münden) den Namen “Walter Lehning Verlag GmbH”. Nach Aussage von Frau Lehning überlegte ihr Mann diesen Schritt sehr lange. Er konnte sich zunächst nicht entscheiden, nahm dann jedoch Ab-stand von der Bezeichnung “Rotor-Verlag”. Lehning hatte in den Kriegsjahren zu schlechte Erfahrung mit seiner ersten Verlagsgründung machen müssen.

Zur Vorgeschichte: Wir schreiben das Jahr 1935 – für Walter Lehning eine sehr dunkle und gefährliche Zeit. Aus verschiedenen Zeugenaussagen wissen wir, dass Lehning ein Problem mit dem Dritten Reich hatte. Vor allem die Behandlung von Juden und Andersdenkenden war ihm suspekt. Lehning selbst, der nie seinen Mund halten konnte, war auch Repressalien ausgesetzt. Dies führte bis zum Hausarrest. In diesem Jahr – Lehning war gerade 31 – gründete er den “Rotor-Verlag Hannover”, der uns bisher völlig unbekannt war. Was dort genau ablief, erzählte mir vor einiger Zeit Frau Lehning, die ihren Mann in jenen Tagen kennengelernt hatte. Walter Lehning übernahm einige kleinere Aufträge, die er in den ihm bekannten Druckereien herstellen ließ. Er lebte mehr schlecht als recht davon.

Irgendwann im Jahre 1935 lernte Walter Lehning dann den unbekannten Schriftsteller Herbert Koppelmann kennen. Lehning und Koppelmann waren verwandte Seelen. Beide waren motiviert von ihrer Ablehnung des herrschenden Regimes. Koppelmann schrieb 1935 den satirischen Roman “Der kleine Jan”. Dieser Roman handelt von einem zehnjährigen Jungen aus Utrecht in Holland in den 20er Jahren. Jan lebt zunächst in zerrütteten Familienverhältnissen und muss daher zu seinen ungeliebten Verwandten nach Köln übersiedeln. Dort verbringt er seine Jugendzeit, die er mit allerlei Streichen ein wenig erträglicher gestaltet. In dem Roman wird das typisch deutsche “Spießertum” karikiert. Streiche ohne Ende... In seiner überspitzten Form regt der Roman zu herzhaftem Lachen an. Wilhelm Busch lässt grüßen. Ephraim Kishon erscheint harmlos, verglichen mit Koppelmanns erstem und einzigem Werk.

Ab hier nicht mehr in der SPRECHBLASE:

Lehning wollte diesen Roman unbedingt auf den Markt bringen. Doch als das fertig gedruckte Buch mit einer Auflage von 10000 Exemplaren an die Buchläden ausgeliefert werden sollte, wurde die gesamte Auflage beschlagnahmt. Es kam sogar zu einer öffentlichen Verbrennung. "Böse" Streiche gegen eine deutsche Familie, das durfte nicht sein. Im Hitler-Deutschland wurde über die Obrigkeit nicht gelacht.

Ein einziges Exemplar vom “kleinen Jan” existiert glücklicherweise doch noch. Frau Lehning hat es vor der Verbrennung gerettet und ich habe es ihr abgekauft. Dieser Roman ist praktisch das verlegerische Erstlingswerk von Walter Lehning, der damit großen Mut bewiesen hatte.

Nicht nur in dieser Hinsicht. Lehning zeigte auch eine gehörige Portion Zivilcourage, indem er mindestens sieben jüdische Mitbürger in den Räumen seines Verlages versteckte. Dass ihm das den Kopf kosten konnte, war ihm nur allzu bewusst. Als sich dann abzeichnete, dass seine Schützlinge in Deutschland nicht überleben würden, schaffte Lehning sie höchstpersönlich in einer Nacht- und Nebel-Aktion nach Hamburg. Mit dem Schiff entkamen alle nach Amerika. Mit einigen dieser Flüchtlinge unterhielt Walter Lehning noch Jahre nach dem Krieg regen Schriftverkehr, wie mir Frau Lehning mitteilte.

Als ich Herrn Matthiesen, dem Handlungsbevollmächtigten der ehemaligen Lehning-Druckerei Clausen und Bosse von Lehnings mutigem Versuch, das Buch “Der kleine Jan” herauszugeben, erzählte, gab er mir spontan einige Adressen von Verlagen, die für eine Wiederveröffentlichung dieses besonderen Werkes in Frage kämen. Ich nahm mit ihnen Kontakt auf, doch bisher war leider kein Ergebnis zu erzielen.



Lehnings Erstlingswerk. Nur ein Exemplar blieb erhalten.

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Geändert von underduck (22.12.2009 um 00:19 Uhr) Grund: Bild eingefügt
Stefan Meduna ist offline  
 

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