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Alt 15.03.2018, 16:30   #1  
Servalan
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Die mexikanische Serie Vidas Ilustres (Ediciones Recreativas s.a. de c.v. / Editorial Novaro 1956 - 1974) bietet schon eine interessante Mischung. Die meisten Ausgaben sind Comicbiographien berühmter Persönlichkeiten von Napoleon und Alexander dem Großen über Plinius und Pasteur bis zu Pablo Picasso und Frank Lloyd Wright, kompakt auf 32 Seiten. Die letzten Ausgaben ab Heft 314 sind allerdings Illustrierte Klassiker | Obras Immortales.

In der Spätphase wurden ältere Ausgaben nicht nur einfach nachgedruckt. Nein, in den 1970ern erhielten besondere Persönlichkeiten Comicbiographien, die sich teilweise über acht Hefte erstrecken (8 x 32 Seiten = 256 Seiten) - und das entspricht schon einer handelsüblichen Graphic Novel.
- Honoré de Balzac (Nummern 219-226, 8 Hefte)
- Napoleon Bonaparte (Nummern 227-230, 4 Hefte)
- Frédéric Chopin (Nummern 231-234, 4 Hefte)

Neben Monty Wedds Comicbiographien australischer Buschranger in den 1970ern und 1980ern finden sich etliche weiße Flecken, besonders abseits der klassischen Comichochburgen.
Jedenfalls gab es das Konzept der Graphic-Novel-Comicbiographie schon Jahrzehnte, bevor es sich zu einem Marktsegment entwickelt hat. Über solche scheinbaren Kuriosa stoplern natürlich eher hartnäckige Fans als Forscher, die sich auf handliche Sekundärliteratur verlassen ...

Bin gespannt, was sich als nächstes anfindet.
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Alt 29.04.2020, 16:47   #2  
Servalan
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Die Diskussion geht weiter. Im Moment wird ein gewisses Fazit gezogen, zu dem der deutsche Historiker und Kulturwissenschaftler Alexander Dunst einen einflußreichen Beitrag in dem linken Kulturmagazin Jacobin geleistet hat. Sein englischsprachiger Artikel "Graphic Novels Are Comic Books, But Gentrified" erschien am 31. Dezember 2019. Unsere französischen Kollegen in Comicfachmagazinen wie bei actuabd reagieren darauf mit einer dreiteiligen Beitragsserie, von der gerade der erste Teil online gestellt wurde.

Dunsts Fazit lautet: Graphic Novel sind Comics, aber eben ästhetisch gentrifizert. Ihre Zielgruppe ist das gebildete, finanziell gut gepolsterte Publikum der bürgerlichen Mittelschicht, nicht mehr das Genrepublikum von Jugendlichen oder Leuten aus der Arbeiter- und Unterschicht. Der höhere Preis gegenüber Heften und Alben macht die Graphic Novels zu einem ästhetischen Statussymbol.
Ähnliches läuft in der Literatur mit dem Science Fiction-Genre ab, dort unter dem Label Speculative Fiction; und im Fernsehen mit den anspruchsvollen Fernsehserien, Stichworte HBO und Game of Thrones. Kostengünstig und einfach so zum Vergnügen für jeden, der mal Lust auf solche Unterhaltung hat, ist damit nicht mehr.
Graphic Novels sind im Buchhandel der Comic-Mainstream; Superhelden und klassische 48cc-Alben fristen eher ein Nischendasein und haben sich nie so wirklich beim breiten Publikum durchsetzen können.
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Alt 29.04.2020, 18:17   #3  
Ringmeister
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Zitat:
Zitat von Servalan Beitrag anzeigen
Ihre Zielgruppe ist das gebildete, finanziell gut gepolsterte Publikum der bürgerlichen Mittelschicht, nicht mehr das Genrepublikum von Jugendlichen oder Leuten aus der Arbeiter- und Unterschicht. Der höhere Preis gegenüber Heften und Alben macht die Graphic Novels zu einem ästhetischen Statussymbol.
Die meisten Graphic Novels haben einen deutlich niedrigeren Seitenpreis als Alben; und die Meinung, die Leserschaft bestimmter Comics auf bestimmte Gesellschaftsklassen zu reduzieren, ist doch schon längst überholt...

Und Jacobin ist genauso wenig ein Kulturmagazin wie z.B. die "Zeit" oder "FAZ"; nur weil es ein Feuilleton gibt.
Zitat Wikipedia: "...explizit werden sozialistische Perspektiven auf Wirtschaft, Politik und kulturelle Zusammenhänge entfaltet. Der Aufbau einer sozialistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten sei das Ziel und Grund für die Existenz der Zeitung..."

Wenn man weiß, wo man ist, kann man sein, wo man will... (alter Fliegerspruch)

Geändert von Ringmeister (29.04.2020 um 18:24 Uhr)
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Alt 29.04.2020, 20:28   #4  
Servalan
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Es kommt auf die Menge der Seiten an, und bei den Graphic Novels gibt es bei einigen 400 bis 600 Seiten am Stück. Rein theoretisch sind Alben und Hefte natürlich billiger (da stimme ich dir zu), aber kaum jemand bezahlt seine Graphic Novels in Raten.
Die Comics von den Kiosken und aus den Bahnhofsbuchhandlungen wurden von den jungen und jüngsten Kunden selbst vom eigenen Taschengeld gekauft, aber zu der Zeit gab es Comics im Laden um die Ecke. Wer heute seine Graphic Novels vom Taschengeld kauft, muß erstens den Comicfachhandel oder einen Buchladen aufsuchen und die entsprechende Summe zum Kauf dabei haben. Die Spontaneität ist dabei hopps gegangen.

Vielleicht wird andersherum ein Schuh daraus: Comics für Kinder gibt es, die sind aber nicht so allgegenwärtig wie damals, als wir groß geworden sind. Und mit weiten Teilen der Graphic Novels wären Kinder und Jugendliche schlicht überfordert, also lassen sie die Finger davon. Die interessieren andere Dinge ... Comics kommen da eher unter ferner liefen vor.

Dr. Alexander Dunst ist Anglist und Amerikanist, also ein Geisteswissenschaftler aus dem Elfenbeinturm, sicher kein Fan. Deshalb bin ich auf die folgenden Beiträge bei actuabd gespannt. Gentrifizierung ist an der Uni ein Thema, vielleicht ist Dunst dabei in einen Honigtopf gestolpert.
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