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Alt 15.03.2023, 20:54   #1  
God_W.
Captain Rezi
 
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Standard Die Haie von Lagos (Matthias Schultheiss)

Die Haie von Lagos – Gesamtausgabe 1



Die Haie von Lagos scheint ja ein ganz schön beliebter Klassiker zu sein und Matthias Schultheiss, den ich bis dato noch nicht kannte, gehört wohl zu den typischen „Propheten im eigenen Land“, war er in Frankreich doch ungleich früher bekannt und erfolgreich, denn in seiner norddeutschen Heimat. Mittlerweile wurde der aus den 80ern stammende erste Zyklus in drei Alben nicht nur durch einen zweiten, ebenfalls dreibändigen Zyklus ergänzt, erschienen 2014-2020, sondern Splitter hat auch die Gesamtausgabe neu aufgelegt. Der erste Zyklus hat also eine weitere Auflage erfahren, diesmal mit neuem Cover, wobei sich Käufer der Erstausgabe nicht über geschmälerten Sammlerwert ärgern müssen, denn da fand ich das Cover deutlich hübscher als bei der Neuauflage, die ich besitze, und im Anschluss gab es dann den neuen, zweiten Zyklus zum ersten mal als Gesamtausgabe, welche die drei aktuelleren Alben vereint. Da unsere Urlaubspläne uns dieses Jahr mal wieder nach Afrika führen, wenn auch nicht nach Nigeria, hatte ich zur Einstimmung doch Lust mal wieder Comics mit Geschichten vom sogenannten „Schwarzen Kontinent“ zu lesen, also los.

1985 in Lagos, einem von Korruption und Piraterie heimgesuchten Land im Westen Afrikas. Ein Weißer mit steiler Frisur treibt sich in den Bordellen der ärmeren Küstengegenden herum und behandelt die Prostituierten wie den letzten Dreck. Sein Name ist Lambert und irgendwie fühlt er sich nicht gut, ist in der Birne nicht ganz klar, doch bevor er sich über Weiteres klar werden kann wird er von einem Trupp Einheimischer entführt. Die Jungs wollen Informationen, die Lambert augenscheinlich nicht hat, doch das scheint niemand zu glauben, was zu sadistischen Foltermethoden führt. Gezwungen bei einer Vergewaltigung zuzusehen wird im Anschluss Lamberts erregiertes Gemächt, was ja auch schon Einiges über den Typen aussagt, und das zugehörige Skrotum mit dem Schlagstock malträtiert.

Schon auf diesen ersten Seiten wird eines glasklar, zartbesaitete Gemüter haben in „Lagos“ nichts verloren, sondern werden umgehend den Haien zum Fraß vorgeworfen. Autor und Zeichner Schultheiss bringt in starken, teils archaischen Bildern schonungslos auch die unangenehmsten Details auf die Seiten, lotet menschliche Abgründe aus und treibt seine Story um Patrick Lambert gnadenlos voran, denn dem gelingt es, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, seinen Häschern zu entkommen und arbeitet fortan mit brutalster Konsequenz daran der Anführer der erbarmungslosen Piratentruppe von Lagos zu werden und dabei die korrupte Polizei auszustechen. Von historisch verklärter Seeräuber-Romantik keine Spur, hier geht es ungeschönt und richtig heftig zur Sache, der Hauptcharakter ist ein mehr und mehr psychotischer, unsympathischer Soziopath und allgemein ist nahezu die ganze Welt an der Küste Nigerias verbrecherisch, korrupt und Respekt vor menschlichem Leben ist nicht vorhanden.

Wie gesagt ist das Artwork schon markant und speziell, aber insgesamt äußerst gelungen! Teilweise werden geradezu wunderschöne Gemälde geboten, dann wieder düstere Straßenecken oder detaillierte Gewaltausbrüche. Umgebung, Wasser, Schiffe, vor allem auch Farbgebung bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen ist wunderbar, Personen und Gesichter dafür eher minimalistisch, manchmal fast schon breiig. Auf alle Fälle wird optisch Einiges geboten und für alle, die mit schonungslosen Geschichten ohne jedweden Humor oder Wohlfühlfaktor klarkommen, liegt dieser Dreiteiler schon nahe am Meisterwerk und bekommt von mir eine klare Leseempfehlung. Als Schmankerl legt Splitter noch einen schicken Kunstdruck mit dem Cover der ersten Gesamtausgabe bei.

9/10

VG, God_W.
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Alt 24.03.2023, 23:12   #2  
God_W.
Captain Rezi
 
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Die Haie von Lagos – Gesamtausgabe 2



Das Ende des ersten Zyklus hätte man so stehen lassen können, doch Matthias Schultheiss ließ die Geschichte offenbar nicht los, weshalb er 14 Jahre nach dem dritten Album der ersten Trilogie nach Westafrika zurückkehrte, und den zweiten Zyklus startete, der die Erzählung endgültig beschließen sollte. Wer den zweiten Zyklus noch nicht gelesen hat, das aber noch auf der Agenda hat, der sollte den nächsten Absatz überspringen, der könnte leichte Spoiler enthalten.

Genau wie der erste dereinst beginnt auch der zweite Zyklus mit einer heftigen Folterszene, nur dass der einstmals Gefolterte diesmal der Folterer ist. Doch bevor wir in der Story zu diesem Punkt gelangen steht erstmal eine lange Rückblende an, die für Lambert 44 Tage zuvor mit einer atemlosen Flucht vor amerikanischen und französischen Geheimdiensten beginnt, welche sich zu einem heftigen Survival-Trip auf hoher See entwickelt, bevor sich unser „Psycho-Lambert“ schwer versehrt zurück ins Leben kämpft, und sich gezwungenermaßen von einem mächtigen Chinesen anheuern lassen muss, um wieder die Leitung einer kleinen Gruppe von Piraten zu übernehmen.

Wer denkt, dass sich Lambert lange mit der Lakaienrolle zufriedengibt, der kennt den Mann schlecht. So beginnt er zwischen allerlei internationalen Geheimdiensten, Korrupten Konzernen, Mafiavereinigungen, Superreichen Scheichs, Terrorzellen und anderen Piraten sich ein neues Imperium aufzubauen. Doch stets schweben die Geister der Vergangenheit über ihm und der Kampf mit seiner Psyche und seinem inneren Selbst ist wohl der Schwierigste, den es zu bestehen gilt.

Ich muss sagen dieser zweite Zyklus der Haie von Lagos war für mich ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits fand ich das einleitende „Survival-Album“ erzählerisch massiv stark. Im späteren Verlauf war die geschickt konstruierte Story ziemlich cool und Lamberts Kampf mit seinen eigenen Dämonen ein Highlight. Es gab allerdings auch viele klischeebehaftete Momente und am Ende wurde der Autor leider zu gefühlsduselig. Zugunsten einer Sentimentalität und vielleicht auch eigenen Wünschen und Sehnsüchten, die man im Alter entwickelt, wurde die harte Kompromisslosigkeit, welche die Reihe im Grunde auszeichnet, über Bord geworfen.

Dazu kommen starke Mängel am Artwork, welches für mich sehr digital anmutet. Da gibt es weiterhin grandiose Szenen und Gemälde, leider nur wenige, aber die breiig, schwammigen Gesichter, die ich schon beim ersten Zyklus bemängelte sind noch schlimmer geworden und auch sonst gibt es viele große Szenen, die sehr verschwommen und unsauber gezeichnet daherkommen. Dazu gibt es enorm „pixelige“ Szenen und Hintergründe, die einfach roh und unfertig wirken. Vermutlich soll das ein besonderes Stilmittel sein, welches ich einfach nur furchtbar finde. Wenn nicht ist da wirklich was schiefgelaufen. Hier ein paar Beispiele dazu:

Insgesamt ein guter Zyklus und ein versöhnlicher Abschluss der Reihe, der leider die unausweichliche, kalte und unbarmherzige Endgültigkeit vermissen lässt, die der Thematik meines Erachtens besser zu Gesicht gestanden hätte.

7/10

VG, God_W.
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haie, haie von lagos, lagos, matthias, schultheiss


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