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09.09.2014, 22:29 | #1 |
Operator 50er Jahre
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Nachfolgend zeige ich meine Auswahl an Mark Twain – Comics, wie ich sie erlebt habe, was ich heutzutage darin sehe und feststelle, sowie ich zu meinem Erstaunen gefunden habe was es noch so alles an gezeichneten Umsetzungen gibt.
In der US-Reihe „Classic Illustrated“ (bis Nummer 34 „Classic Comics“) durfte Mark Twain natürlich nicht fehlen. Die Nummer 19 erschien für 10 Cent im April 1944, sie war „Huckleberry Finn“ gewidmet, das Cover war gezeichnet, den Inhalt – 60 Seiten - gestaltete Zansky. Auf dem Titelbild rudern Huck und Jim kniend in ihrem Boot und werden von einem Dampfer aus mit Gewehrenbeschossen, eine ziemlich dramatische Szene also, zumal im Hintergrund zuckende Blitze ein Unwetter ankündigen. Als Gag ist der Name des Ruderbootes am Bug zu lesen, „Mark Twain“. Im September 1952 brachte der Rudl Verlag Frankfurt den deutschen Ableger der „Classic Illustrated“ als „Illustrierte Klassiker“ heraus. Wie bekannt, gab es nicht mehr als 8 Hefte, die sogar nur 5 Originalausgaben beinhalteten. Die ersten beiden Nummern („Der letzte der Mohikaner“ und „Die Schatzinsel“) hatten einen Umfang von 52 Seiten und entsprachen damit wohl weitgehend dem Comicteil der Originale. Sie erschienen 2x im Monat, kosteten 90Pfennig, womit sie noch teurer waren als die Micky Maus. Das war damals entschieden zu viel, also teilte man in der Redaktion einfach die Vorlagen und brachte sie auf 2 Nummern verteilt zum reduzierten Preis von 60 Pfennig. Jetzt kostete ein komplettes Abenteuer 1,20 DM, aber dem Leser/Kunden wurde so eine Ermäßigung vorgegaukelt. Betroffen davon waren „Huckleberry Finn“ (Nr. 3 & 4), „Robin Hood“ (Nr.5 & 6), sowie die sogenannten Erlebnisse des Millionenschwindlers „Marco Polo“ (Nr.7 & 8). Danach gab der Rudl Verlag auf (Juni 1953), die „Illustrierten Klassiker“ erschienen erst wieder ab April 1956. Nebenbei, ab der Ausgabe 31 nennt das Impressum den Bildschriften Verlag Hamburg-Wandsbek, Neumann Reichardt Str. 33. Das ist bei mir beinahe um die Ecke ein großer Gewerbekomplex, in dem Firmen kommen und gehen und keine Spuren hinterlassen … Das alles gehört nicht zum ursprünglichen Thema, aber ist schließlich nicht uninteressant. Das Titelbild entspricht inhaltlich dem der US-Ausgabe, mit der Einschränkung, das aus dem Ruderboot ein Floß geworden ist. Die IK sind ja oft neu gezeichnet worden, auch die Titelbilder unterlagen Neuinterpretationen, aber die IK-Version von Rudl ist mir nicht untergekommen, sie scheint ein Eigengewächs zu sein. Genau wie das Covermotiv des zweiten Teils, der Nr. 4. Geschaffen hat beides womöglich E.J.K. Strahl oder Lothar Linkert, auf den ich tippe. Linkert ist bekannt für einige „Abenteuer der Weltgeschichte“-Hefte vom Regenten, bzw. Lehning Verlag. Da die Seitenzahl der Originalstory für zwei Hefte der deutschen IK nicht ausreichte, lies man Linkert die Kurzgeschichte von Mark Twain in Comicform umsetzen, mit dieser in den USA landesweit bekannt geworden ist: „Der berühmte springende Frosch von Calaveras County“ (siehe oben). Ist dies die einzige Comic-Version dieser Geschichte, ist sie überhaupt in den USA oder sonst wo bekannt geworden (im europäischen Druckverbund), bisher habe ich nichts darüber gefunden. Auch im Huckleberry Finn-Heft der 2. deutschen IK-Reihe ist sie nicht noch einmal mit abgedruckt. Die Story als solche werde ich nicht erzählen, sie ist bekannt (?). Äh, ganz kurz: Huck Finn flüchtet nach seinen Erlebnissen mit „Tom Sawyer“ vor dem strengen Regiment der Witwe Douglas und seinem versoffenen und gewalttätigen Vater. Gleichzeitig soll der Negersklave Jim verkauft werden und sucht deshalb ebenfalls das Weite. Beide treffen sich zufällig am Mississippi und setzen ihre Flucht vor der aus ihrer Sicht trübsinnigen Zukunft fort. Zum Schluss hat´s fast ein Happy end, Jim wird freigelassen, Huck wird adoptiert. Allerdings soll aus ihm ein „richtiger kleiner Gentleman gemacht werden … Über die Jahre hinweg hat sich die Szene in meinen Erinnerungen festgesetzt, in der sich Huck als Mädchen verkleidet, diesen Mummenschanz nur sehr stümperhaft ausführt, weswegen er überführt wird. Die Ballonfahrt mit Tom und Jim (siehe oben) wird dann für ihn ein weiterer Versuch der drohenden Erwachsenenrealität zu entfliehen (Peter Pan versuchte dies ab 1902 ebenfalls). Der Druck ist schlicht mangelhaft, unscharf, die Farben absolut nicht deckungsgleich, dass Handlettering – immerhin – nur in Großbuchstaben, geht so. Die Zeichnungen sind ansprechend, eigentlich, sie verschwinden leider meist unter der Farbsoße. Einige Infos über Mark Twain, wie in den IK üblich, runden die beiden Hefte ab. Der Rudl-IK-Nachdruck von Hethke ist besser gedruckt, wie es sich halt gehört, leider auf schneeweißem Papier, womit jegliches nostalgische Flair verloren geht. Fortsetzung folgt… |
09.09.2014, 22:44 | #2 |
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Wenn ich mir die Signatur im letzten Panel ansehe, scheint Lothar Linkert als Zeichner ein guter Tipp von dir zu sein.
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10.09.2014, 09:36 | #3 |
Operator 50er Jahre
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"LoLi" ist Lothar Linkert, habe ich vergessen zu erwähnen. Wegen der Signatur hatte ich grade diese Bilder ausgewählt.
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10.09.2014, 15:31 | #4 |
Moderator Preisfindung
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Für mich ist das nicht der Name des Bootes, sondern einfach die Nennung des Autors der Romanvorlage; das Ruderboot dürfte kaum "By Mark Twain" heißen.
Ansonsten mal wieder Klasse Recherche von dir! Wenn man weiß, wo man ist, kann man sein, wo man will... (alter Fliegerspruch) |
10.09.2014, 21:43 | #5 |
Operator 50er Jahre
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Ist mir schon klar, dass der Kahn nicht "by Mark Twain" heißt, sollte von mir ein Gag auf den Gag des Titelbildes sein - ansonsten, "danke!" für das Lob.
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12.09.2014, 07:34 | #6 |
Operator 50er Jahre
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Wie schon beim "Sternchen" geschrieben, geht es morgen in den Urlaub. Deshalb habe ich einen weiteren Beitrag für "Mark Twain" nicht hinbekommen. Die Fortsetzung wird also eine Weile auf sich warten lassen ...
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12.09.2014, 10:06 | #7 |
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Schade !
Ich wünsch Euch beiden einen wunderschönen Urlaub, meiner steht erst in einer Woche an ! Gruß, Nils |
30.09.2014, 22:03 | #8 |
Operator 50er Jahre
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Das ist das Titelbild der IK-Ausgabe Nr. 19 vom Verlag Internationale Klassiker GmbH, Hamburg. Vom bsv-Verlag ist in der ersten Auflage also noch keine Rede. Das amerikanische Pendant hat einen Platz im Museum in Hartford / Connecticut, das direkt neben seinem dortigen Wohnhaus errichtet wurde. Foto: Brigitte Döhler Hier ist die Vitrine zu sehen, in der die amerikanische Classic Illustrated – Ausgabe untergebracht ist. Filmbilder aus einer frühen Huckleberry Finn – Verfilmung hängen darüber. Dieser Film ist m. W. n. nicht in Deutschland erschienen!? Wie bekannt, sind im langen Veröffentlichungszeitraum der US-Reihe Inhalte und Titelbilder des Öfteren neu gezeichnet, bzw. gemalt worden. Das hat man hier auch gemacht: aus der dramatischen Titelszene ist ein fröhliches, wunderschön gemaltes Bild geworden, das einen lächelnden Jungen (Huckleberry Finn) auf einem Floß zeigt. Der Sklave Jim ist abhanden gekommen. Möglicherweise ist die Comichatz und der darauf folgende Comic-Code schuld an diesem inhaltlichen Umschwung. Als Beispiel für die Neuzeichnungen des Comicteils habe ich die Szene ausgewählt, die schon weiter oben abgebildet worden ist, in der Huck´s Verkleidung als Mädchen durchschaut wird. In der romankonformen Comic-Erstfassung sind es seine >>falschen<< mädchenhaften Bewegungen, jetzt, wo der Gesamtgeschichte auch weniger Platz eingeräumt wird, lediglich sein stümperhaftes Auftreten. Nichts mehr von einer Ratte, nach der geworfen wird. Hier ist allerdings sogar die erste Comic-Fassung nicht ganz korrekt, dort nimmt die Dame des Hauses erkennbar einen Holzscheit aus dem Kamin, Mark Twain schrieb etwas von einem Stück Blei als Wurfgeschoß. Wie auch immer, der neu gezeichnete Huckleberry Finn kommt glatter daher, die soziale Lage der Menschen vor dem Bürgerkrieg scheint eher der Zeit nach diesem angepasst zu sein. Trotz der Farborgien sind die Häuser und die Menschen der Urfassung erkennbar in einem desolateren und einfacheren Zustand, als in der Neufassung. Das es aber noch schlimmer geht, werden wir in zwei weiteren Comicversionen sehen. |
01.10.2014, 22:59 | #9 | ||
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Zitat:
Zitat:
Mein Favorit unter Twains Werken war ja immer "Prinz und Bettelknabe." Geändert von Stefan Meduna (01.10.2014 um 23:06 Uhr) |
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02.10.2014, 09:57 | #10 |
Moderator Stripforum
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Im Zuge meines Sternchen-Thread habe ich gestern Sternchen 1955: 20 (15. Mai 1955) gescannt. Enthalten ist ein Artikel über eine Tom Sawyer Verfilmung.
Vielleicht kann Detlef ganaueres zu dieser Vefilmung schreiben, auf die Schnelle konnte ich diese nicht Zuordnen. _______________________ Grüße aus der Bibliothek |
02.10.2014, 12:38 | #11 |
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Das sind Szenen aus der Tom Sawyer MGM-Verfilmung von 1938.
Es war die erste Farbfilm-Version des Stoffes. Hier ein Szenenfoto in Farbe > http://rbowser.tripod.com/tom-pirate-1938.bmp was im Sternchen schwarz/weiß zu sehen ist. |
06.10.2014, 08:13 | #12 |
Operator 50er Jahre
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Unter der Nummer #17 habe ich das Filmprogramm abgebildet.
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06.10.2014, 22:12 | #13 |
Operator 50er Jahre
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Bastei Sonderband: ab 1970 (-1973) Das ist das Titelbild des Bastei Sonderbandes Nr.30 Huckleberry Finn. Die Zeichnungen sind einerseits recht einfach, zudem gegenüber den IK weiter >>modernisiert<<, die Frisuren, vor allem der Frauen und Mädchen, würden auch in unserer Gegenwart nicht weiter auffallen. Die Farben sind bunt, für einen Comic, an dem Kinder und Jugendliche Gefallen finden sollen, recht ordentlich (mir sagen sie nicht zu, aber ich bin auch nicht die Zielgruppe). Als Bildbeispiel habe ich natürlich die Selbe Szene rausgesucht, wie bisher. Sie ist noch kürzer geworden, inhaltlich macht sie noch weniger her. Der Text im Kasten des ersten Bildes hätte mich auch ohne das Titelbild gleich zu Bastei als Verlag geführt. „Haha! (…)“ ist eine beliebte Standartformel gewesen, in meiner Phantom-Abteilung habe ich gelegentlich darauf hingewiesen. Fernseh-Comic-Sonderheft Nr.1: 1982, Condor Verlag. Hier ist das Reisemotiv von Huck als Titelbild gewählt, wie er fröhlich auf einem Floß den Fluss entlang stakt, obwohl seine Fahrt eine Flucht ist. In diesem Heft ist das abgebildete Umfeld ebenfalls modern, zu modern dargestellt. Die Gebäude wirken nicht mehr pionierhaft, was zu der Zeit und dem Handlungsort von Huck Finn durchaus noch der Fall war. Der Mississippi war noch Grenzregion, die massenhafte Besiedlung des >>Wilden Westen<< hatte noch nicht eingesetzt. Die Zeichnungen selber sind ganz passabel, zeigen gelegentlich technische Mängel in den Darstellungen. Als Illustration habe ich erneut die bekannte Szene ausgewählt. Sie ist erneut kürzer geworden, beschränkt sich nur noch auf einige kurze Sätze, dann sucht Huck das Weite. Auffällig sind im ganzen Text die drei Punkte, die am Ende vieler, vieler Sätze stehen, egal ob in der Rede oder in Textboxen. Die gewählte Maschinenschrift zeigte im größten Teil des Textes Wortfetzen, die der geneigte Leser im Geiste wohl selbst ausfüllen sollte, das ist banal, simpel. Die Story ist sehr ausführlich dargestellt, in diesem Heft aber nicht zu Ende erzählt. Es fehlen die Theaterszenen und das vorerst versöhnliche „happy end“ des Romans. Soweit mir bekannt gibt es keine Comic-Fortsetzung. „Huckleberry Finn“, nicht nur ein literarische Abenteuer in Buchform, auch die vorliegenden Umsetzungen in bildlicher Darstellung sind abenteuerlich. Sicherlich ist es schwer – was eigentlich aber für jegliche Adaption in ein anderes Medium gilt – aus einem anspruchsvollen Text eine Kind gerechte Umsetzung zu fabrizieren. Und das dürfte der eigentliche Knackpunkt sein: Zu früh, zu schnell sind aus Huck´s Abenteuer – und nicht nur diesen – Kinderliteratur geworden. Das gilt natürlich auch für Tom Sawyer, der nächsten Comicvorstellung in diesem Theater. |
28.10.2014, 08:53 | #14 |
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Dann gibt es noch "O'Boys"
Ein alter Huck Finn erzählt seine Lebensgeschichte. http://www.lettern.de/rethirault_ob.htm |
29.10.2014, 22:14 | #15 |
Operator 50er Jahre
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Prinz und Bettelknabe
Zum Nachfolger des englischen Königs Heinrich Vlll (der mit den sechs Frauen) wurde der erst neunjährige Eduard (Edward) und verstarb bereits mit fünfzehn Jahren. Ein Regentschaftsrat begleitete die kurze >>Amtszeit<< Eduards, die noch nicht einmal besonders friedlich verlief (ein verlorener Krieg gegen Schottland), aber dem englischen Protestantismus zum endgültigen Durchbruch verhalf. Nach dem Tode Eduards vermutete man im Volk eine Verschwörung und glaubte nur zu gerne einigen Betrügern, die sich als Eduard ausgaben. Daraus ergab sich wie von selbst der Stoff für Romane. Mark Twain schrieb nach einer seiner Europareisen den Roman „The Prince and the Pauper“ (1881), der aus diesem Mythos eine Verwechslungsgeschichte machte. Erst 1956 gab es die deutsche Erstveröffentlichung „Der Prinz und der Bettelknabe“, etwa zeitgleich mit dem hier abgebildeten IK. Dieses Heft, die Nummer 18, erschien innerhalb dieser Reihe als erste Mark Twain-Comicadaption, noch vor Huckleberry Finn, wenn auch nur eine Ausgabe zuvor. Im Heft wurde, wie üblich, auf den Autoren eingegangen, etwas über ihn erzählt, aber das Titelbild verschweigt ihn wieder einmal (was für die IK ziemlich unüblich ist, denn grade mit bekannten Namen sollte doch geworben werden). Der Comic ist schlecht gedruckt, jedenfalls meiner, die Farben und die Zeichnungen sind guter Durchschnitt – nur das gemalte Titelbild ist natürlich grandios. |
31.10.2014, 00:32 | #16 |
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Alles klar, bin ich der falschen Fährte gefolgt...
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31.10.2014, 11:16 | #17 |
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Das ist das Pseudonym von Juan Rafart Roldan.
Und hier, aus der Reihe "Infantile Klassiker". |
31.10.2014, 13:07 | #18 |
Operator 50er Jahre
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Geändert von underduck (31.10.2014 um 21:12 Uhr) Grund: Bild eingefügt |
31.10.2014, 16:09 | #19 |
Moderator Deutsche Comicforschung
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Der Mann war gut und gar nicht "infantil".
eckrt |
31.10.2014, 16:26 | #20 |
Moderatorin Internationale Comics
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Um den Zeichner Raf geht es ja auch nicht.
Irgend jemand aus dem Verlag Plan S.L. hat die gesamte Reihe dummerweise "Clasicos infantiles" getauft. felix da cat und Detlef Lorenz goutieren das sarkastisch mit einer gehörigen Portion Ironie. |
31.10.2014, 21:45 | #21 |
Moderator Deutsche Comicforschung
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Was anderes war es bei mir auch nicht.
eckrt |
12.11.2014, 09:13 | #22 |
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Moin Detlef,
schön das ich auch etwas hierzu beitragen konnte. Auch wenn ich diese Umsetzung als solche nicht mehr wirklich "auf dem Schirm" hatte, freut es mich das sie Dir wohl gefallen hat. Gruß, Nils |
18.11.2014, 13:50 | #23 |
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Tom Sawyer und kein Ende:
"Tom Sawyers abenteuerliche Ballonfahrt, erzählt von Huck Finn" Ein weiterer (Comic-) Tom Sawyer ist mir zusätzlich in den Sinn gekommen. Der Roman ist weiter oben schon einmal erwähnt worden, hier >>unten<< habe ich ihn aber als Comicfassung beinahe übersehen. Dabei gibt es einiges über die Bastei-Ausgabe innerhalb der „Berühmte Geschichten“ – Serie zu berichten (Nummer 25, ca. 1971). Aber der Reihe nach: Zum Zwecke der Unterschiede der Romanfassung und des Comics zeige ich das Titelbild der – deutschen - Buchausgabe hier noch einmal … und als Vergleich dazu das Bastei Heft: Interessanter Weise zeigen die beiden Titelbilder >>zufällig<< die Selbe Szene: die 3 unfreiwilligen Ballonfahrer über den Pyramiden. Das Gefährt des Bastei-Heftes zeigt einen normalen mit Gas gefüllten Ballon, der den Launen des Windes ausgesetzt ist. Wie sie damit ihren Standort nach ihren Wünschen dirigieren konnten, ist und bleibt unklar. Gezeigt und erwähnt wird jeweils der Einstieg in die Gondel, die Aeronautiker sprechen über ihr nächstes Ziel, z. B. Kairo und schwupps flog der Ballon dorthin. Zum Schluss auch noch in die Gegenrichtung über den Atlantik zurück nach Amerika!? Im Gegensatz dazu hier die Abbildung aus einer Buchillustration, die ein völlig anders konstruiertes Gefährt zeigt. Es gleicht eher einem fliegenden Schiff, mit Kabinen, zusätzlichen Segeln und einem dampfgetriebenen Propeller als Anrieb. So hat es Twain beschrieben, als er den Roman 1892 in Bad Nauheim schrieb, wo er sich mit seiner Familie auf einer Deutschlandreise grade aufhielt. Mit diesem Gefährt wären beliebige Richtungsänderungen durchaus vorstellbar, wenn auch die Schiffskonstruktion viel zu schwer und Windanfällig sein dürfte. Im Comic fiel der Professor, der den Ballon konstruierte, ins Meer (wie im Buch). Er wird von einem zufällig vorbeidampfenden Schiff gerettet, der Romantext lässt ihn auf nimmer Wiedersehen in den stürmischen Wellen verschwinden. Zum Schluss des Comics gibt es ein großes Wiedersehensfest, Tante Polly hat einen Apfelkuchen gebacken und die Dorfbewohner glauben den Jungs ihre Geschichte. Twain hat das pessimistischer geschrieben, Jim: „Master Tom, sie (Tante Polly) ist auf der Veranda und hält oben im Himmel Ausschau nach dir, und sie geht da nich mehr weg, bis sie dich zu fassen kriegt. Das gibt noch Ärger, Master Tom, und das is mal klar.“ Noch drastischer steht es in der Buch-Ausgabe von 1921: „Massa Tom, Tante Polly stehen vor die Haustür un haben ihr Aug oben an die Himmel, un sie sag´, sie rühren sich nix vom Fleck, bis Massa Tom wieder da sein. Das geben eine nasse Jahr, Massa Tom, warrhaftig!“ Die Comicfassung an sich ist weichgespült. Wahrscheinlich glaubte man in der Redaktion, den jugendlichen Lesern einen verharmlosenden Inhalt mit einem echten Happy end vorsetzen zu müssen, ihr Gemüt könnte ja sonst Schaden nehmen – das des Lesers, nehme ich mal an. Ansonsten ist die Bastei-Ausgabe ordentlich gezeichnet, etwas zu glatt, aber annehmbar. |
21.11.2014, 17:23 | #24 |
Operator 50er Jahre
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Querkopf Wilson, Wilson der Spinner, Knallkopf Wilson, Wilson - der Wirrkopf
Das sind alles deutsche Titel des 1894 entstandenen Romans Pudd´nhead Wilson. Twain schrieb diesen Roman kurz nach seinem finanziellen Desaster mit der innovativen und erhofften erfolgreichen Beteiligung an einer neuartigen Setz- und Druckmaschine. Er steckte immer neues Geld in die Konstruktion, die sich am Ende aber als Fass ohne Boden erwies. War er naiv genug, sich ausnehmen zu lassen? Nein, Samuel Clemens war ein Technik-Narr, er war mit Nicola Tesla*, dem genialen aber finanziell erfolglosen (sic!) Erfinder befreundet, schrieb als erster Autor ein Buch-Manuskript mit der Schreibmaschine, benutzte, ebenfalls als einer der ersten, das Diktaphone und beschrieb 1900 in dem Roman „Aus der London Times von 1904“ ein Fernseh-Telefon! Die Comicveröffentlichung innerhalb der deutschen IK-Reihe (Nr. 87, US-IK Nr. 93) erhielt den Titel „Wilson – der Wirrkopf“. Inhaltlich ist es ein von einer Protagonistin absichtlich herbeigeführtes Verwechslungsdrama. Zwei Babys, eines einer farbigen Sklavin und das andere ihres >>Herren<<, das sie als Amme betreute, wurden von ihr absichtlich vertauscht. Beide entwickeln sich sehr unterschiedlich, das bisherige Sklavenkind drangsaliert seinen Milchbruder, wird später exzessiver Trinker und Spieler und begeht schließlich an seinem vermeintlichen (Erb-)Onkel einen Mord. Er wäre beinahe damit durchgekommen (weil er sich während der Tat als Frau verkleidete), wenn nicht David Wilson (zuvor genannt Pudd´nhead Wilson) die Tat mittels des einige Jahre zuvor (1888) von Francis Galton** erfundenen Fingerabdruckvergleichsverfahrens gelöst hätte. Der Schlusstext der hier abgebildeten letzten Seite lobte die Befreiung des unfreiwilligen Sklaven und er „trat sein Erbe mit ruhiger Sicherheit an, so dass man den echten Driscoll in ihm erkannte.“ Wesentlich realistischer schildert es Mark Twain (in der Robert-Lutz-Verlag- Ausgabe von 1923) im „Querkopf Wilson“: „Der echte Erbe war jetzt reich und frei, befand sich aber in einer äußerst unbehaglichen Lage. Er konnte weder lesen, noch schreiben und sprach nichts als den unverfälschtesten Negerdialekt aus dem Sklavenquartier. Sein Gang, seine Haltung, alle seine Bewegungen und Stellungen waren ungeschlacht und gewöhnlich, sein Wesen – das eines Sklaven…“ usw. Auch der Schlusssatz im Comic, dass der Verurteilte als nunmehriger Sklave auf eine Plantage verkauft wird, ist zwar im Grundsatz richtig, aber es fehlt ihm ein wichtiger Hinweis. Twain stellt die Strafe nämlich, sicherlich der damaligen Rechtsprechung folgend, so dar – kurz zusammenfasst - dass Chambers zwar für den überführten Mord zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde, aber: „(…) Alle waren der Meinung, dass, wenn ´Tom` ein freier Weißer gewesen wäre, es ohne Zweifel gerecht sein würde, die Strafe über ihn zu verhängen – kein Mensch hätte einen Verlust dadurch gehabt. Aber einen wertvollen Sklaven auf Lebenszeit einzusperren – das war etwas ganz anderes. Als der Gouverneur die Sachlage begriffen hatte, begnadigte er `Tom´ auf der Stelle, und die Gläubiger (des Ermordeten, den `Tom´ beerbt hatte) verkauften ihn nach dem Süden `flussabwärts´.“ (um wenigstens etwas ihrem Geld wieder zurück zu bekommen). Auch diese Redaktion war wohl um das Seelenheil der jugendlichen Leser besorgt und wollte ihnen anscheinend nicht die ganze Perfidität des Sklavenhaltersystems zumuten. Die Zeichnungen von Kiefer, die Farben, der Druck sind für den IK-Standard durchaus gelungen. *Tesla gilt als Erfinder des Wechselstroms, der sich gegenüber dem von Edison bevorzugten Gleichstrom durchsetzte. ** Francis Galton war ein Cousin von Charles Darwin und gilt auch als Begründer der – unseligen – Eugenik, die die unumstößliche Unterschiedlichkeit der menschlichen Rassen propagiert. In den 1850er Jahren bereiste er zusammen mit dem Schweden Anderson das damalige noch weitgehend unbekannte Südwestafrika. Nach Anderson ist heutzutage der Haupteingang des Etoscha National Parks benannt – war letztes Jahr im Urlaub unvergleichlich schön da. |
26.11.2014, 09:55 | #25 | |
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Zitat:
Es ist gar nicht mal unwahrscheinlich, dass Twain die Idee von seinem französischen Kollegen abgeschaut hat (die Kurzgeschichte erschien 1889 erstmals in den USA, illustriert; siehe die Abbildung links oben). Der eigentlich sehr fortschrittsgläubige Verne war mit seiner Zukunftsvision allerdings vorsichtig. Seine Story spielt im Jahr 2889! Nun, so lange mussten wir ja nicht warten ... |
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