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Alt 29.01.2023, 14:34   #676  
Servalan
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Für "Christiane F." war ich noch zu jung, den Film durfte ich also gar nicht sehen.
Woran ich mich gut erinnere, ist die allgegenwärtige Werbung für den Film. Stills aus der Verfilmung waren nach meinem Empfinden in fast jeder Zeitung und Zeitschrift zu finden, sodaß ich einiges mitbekommen habe, ohne es zu wollen. Vielleicht habe ich das erste Mal Eichingers Händchen für gelungenes Marketing erleben können, das ich vorher nur von Blockbustern aus den USA kannte.

Junkie-Biographien haben mich eher abgeschreckt denn gereizt, das war einfach nicht meine Welt. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mir sowas angetan habe. Meine prägenden Kinoerlebnisse waren "Trainspotting" (1996) von Danny Boyle und "A Scanner Darkly" (2006) von Richard Linklater, das mich vor allem wegen der Rotoskopaufnahmen gereizt hat.
Im Rahmen der fast soziologisch-psychologischen Schilderung von Baltimores Drogenmilieu in der Fernsehserie "The Wire" (2002-2008) hat mich das Schicksal des Informanten Reginald „Bubbles“ Cousins erschüttert. Vor diesem großen Panorama sind natürlich feinere Details möglich: Wenn Bubbles bei einem Narcotics Anonymus-Treffen davon schwärmt, wie er den Kick der Droge feiert, während er gleichzeitig weiß, daß sie seinen Tod bedeutet, finde ich das eine gelungene Ambivalenz. Einerseits erlaubt sie dem Publikum, das Verhalten des Süchtigen nachzuvollziehen, während der Konsum keineswegs verharmlost wird.

Selbst wenn ein Film oder eine Serie dokumentarische Mittel einsetzt, es bleibt Kino und damit Storytelling. Etliche Dinge im wahren Leben haben keinen echten Anfang und kein echtes Ende, von Höhepunkten ganz zu schweigen ... das sind grausame Märchen für Erwachsene.
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Alt 29.01.2023, 14:56   #677  
Peter L. Opmann
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Linklaters Verfilmung von "A Scanner darkly" wäre auch was für eine Besprechung hier (abgesehen davon, daß sie nicht alt genug ist). Aber mich hat der Film nicht überzeugt. Das Buch hat sehr starke Bilder in meinem Kopf erzeugt, und ich habe auch angenommen, daß Philip K. Dick über sich und seine Freunde schreibt (die er ja am Ende alle aufzählt - meist mit dem Zusatz "verstorben" versehen). Im Film taucht Dick aber nicht auf. Und vieles habe ich mir ganz anders vorgestellt. Der "Jedermann-Anzug" kann meiner Meinung nach in einem Film - auch wenn es ein verkappter Zeichentrickfilm ist - gar nicht dargestellt werden.

Aber filmtechnisch ist "A Scanner darkly" zweifellos interessant.
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Alt 29.01.2023, 15:08   #678  
Marvel Boy
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Ich fand A Scanner Darkly sehr gut aber da fehlt mir wiederum der Vergleich zum Buch.

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Alt 29.01.2023, 15:10   #679  
pecush
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Bahnhof Zoo habe ich zigfach gesehen und gelesen.
Eines der ersten Male müsste in der Schule gewesen sein, unsere Lehrerin spulte die Sexszenen vor, den Entzug sahen wir komplett.
Hat mich das abgeschreckt?
Ich denke nein. Meine Drogenerfahrungen liegen bei 0, wenn ich vom Alkohol mal absehen. Aber eher, weil ich nicht enden wollte, wie ein paar Bekannte.
Abenteuerlust hat der Film bei mir aber auch nicht ausgelöst.
Eher Interesse am Thema.
Und er ist super gedreht, mit toller Musik und klasse Bildern.
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Alt 29.01.2023, 15:33   #680  
Peter L. Opmann
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Mal sehen, ob sich hier noch wer meldet und sagt: "Mich hat ;Christiane F.' total auf Dogen gebracht."
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Alt 29.01.2023, 16:34   #681  
Phantom
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Ich habe den Film in der Schule gesehen. Warum wurde der uns gezeigt? Weiß ich nicht mehr, vielleicht als Vorbereitung auf die obligatorische Berlin-Fahrt. Dann müsste ich 15 oder 16 gewesen sein. In diesem Alter waren Mädchen, Sex, Drogen für mich völlig außer Reichweite. Ich war gut behütetes Einzelkind und total uncool, ich wollte in der Schule alles lernen, die Freizeit bestand aus Mathematik-Aufgaben für Schülerwettbewerbe, Disney-Comics (Gladstone fing gerade an) und Krimis.

Ich weiß noch, dass ich den Film völlig uninteressant fand. Warum sollte ich mich mit Leuten abgeben, die ihr Leben in den Sand setzen? Kein bisschen wirkte die Darstellung von Drogen in dem Film auf mich positiv. Ich hatte aber auch die Beweggründe der Personen überhaupt nicht verstanden; mir war damals völlig unklar, warum man von zu Hause ausziehen wollen sollte (da konnte man doch ungestört Comics lesen und über Mathematik-Aufgaben nachdenken) oder warum man sich mit irgendwelchen Drogen kaputt machen möchte.

Ich war eben damals total unreif. 20 Jahre später habe ich den Film dann noch einmal gesehen; klar, ein bisschen mehr Verständnis für die Personen hatte ich dann schon, aber so richtig gepackt hat mich der Film auch dann nicht. Ich habe da wohl eine zu beschränkte Erfahrung; weder habe ich jemals Lust auf Drogen verspürt (ich habe auch keine einzige Zigarette in meinem Leben geraucht), noch wurde mir da jemals etwas angeboten noch ist in meinem Bekannten- oder Verwandtenkreis irgendjemand drogensüchtig geworden (mal von Zigaretten abgesehen).
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Alt 29.01.2023, 16:54   #682  
Peter L. Opmann
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Bei mir war der Film in der Schule überhaupt kein Thema. Auch nicht in der Schülerzeitung (die erschien von 1978 bis 1984 mit immerhin 25 Ausgaben). Das Thema war uns - und auch dem Lehrkörper - wohl zu heiß.

Um Drogen zu kaufen, war ich 1981 sicher zu jung - ich hatte einfach kein Geld und war damit für Dealer uninteressant. Auf den Partys, auf denen ich war, gab es Drogen jedenfalls nicht an jeder Ecke. Die Leute, die auch mal einen Joint rauchten, waren etwa fünf Jahre älter als ich.

Einmal habe ich mich mit Freunden im Wald auf die Suche nach psychoaktiven Pilzen gemacht. Ein paar von denen haben das, was sie gefunden haben, dann auch irgendwie konsumiert, aber ich habe davon dann nichts weiteres gehört.
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Alt 30.01.2023, 06:29   #683  
Peter L. Opmann
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Wenn ich an meine Schulzeit und Jugendprobleme denke, liegt es für mich nahe, mich nun mit „Klassenfeind“ (1983) von Peter Stein zu beschäftigen. Ich muß allerdings sagen: Diesen Film habe ich erst ein paar Jahre später im Fernsehen gesehen, und er weist eine Menge Unterschiede zu „Christiane F.“ auf. Was ich an dem Film wirklich schätze, ist seine Eröffnungssequenz, gedreht von Kameramann Robby Müller und unterlegt mit dem Sex-Pistols-Song „Pretty Vacant“. Die Kamera umkreist eine Schule in Berlin, einen typischen Waschbetonbau, dem man sofort ansieht, daß Schule hier eine Qual ist. Die Kamera fährt auf den Eingang zu, und wir sehen eine Lehrerin aus der Schule fliehen, die offensichtlich von ihren Schülern absolut entnervt worden ist. Dann heftet sich die Kamera an die Fersen eines Schülers mit Lederjacke, der die Frau wohl verfolgt hat und nun in seinen Klassenraum zurücksprintet. Er schließt die Tür, wir sehen eine Handvoll Schüler in Rocker- oder Punkerkluft, und der Rest des Films spielt sich dann in diesem Raum ab.

Halten wir zunächst fest, wie sich „Klassenfeind“ von dem Uli-Edel-Werk unterscheidet. Wie man sich denken kann, basiert der Film auf einem Theaterstück, und zwar einem englischen Stück von Nigel Williams – da gibt es nur das Klassenzimmer. Stein hat das Stück zunächst an der Berliner Schaubühne inszeniert und dann verfilmt. Das Theater ahmt also Schule nach, und eine zugespitzte Situation wird konstruiert. In England war das Schulsystem (jedenfalls die öffentlichen Schulen) in den 70er Jahren viel desolater als bei uns. Die Schüler in „Klassenfeind“ haben alle ihre Lehrer durch Aufsässigkeit und auch Gewalt vergrault und warten nun vergeblich auf einen neuen. Nach einer Weile beginnen sie aus lauter Langeweile, sich vorläufig gegenseitig zu unterrichten – zum Beispiel erklärt einer, wie Buletten gemacht werden. In den jämmerlichen Versuchen, Wissen oder Fertigkeiten zu vermitteln, erkennt man die prekäre soziale Lage dieser Jugendlichen und ihre Perspektivlosigkeit. Am Ende geht ihnen selbst auf, daß die Gesellschaft sie schon längst abgeschrieben hat.

Das wird natürlich nicht von Schülern gespielt, sondern von versierten Theaterschauspielern (Udo Samel, Ernst Stölzner, Stefan Reck und andere), die mindestens zehn Jahre älter sind als die Figuren, die sie darstellen. Das Geschehen abstrahiert sehr von der Wirklichkeit, obwohl die Schauspielerleistungen das, was herausgearbeitet werden soll, sehr genau treffen. Aber hier kann sich kein Jugendlicher mit irgendjemandem identifizieren; ihnen macht dieser Film vermutlich etwa so viel Spaß wie der „Faust“-Film mit Gustaf Gründgens. In „Leben wie im Kino“ von Horst Schäfer und Dieter Baake heißt es: „Trotz künstlerischer Hochleistungen kam ,Klassenfeind‘ bei den jugendlichen Kinozuschauern nicht gut an.“ Zuschauerzahlen habe ich nicht gefunden.

Obwohl ich die Punk-Attitüde mag, die an meiner Schule in Ansätzen auch zu beobachten war, habe ich selbst Mühe, mich auf die gedankliche Konstruktion des Films einzulassen. Warum hocken diese Schüler überhaupt in ihrem Klassenraum und verschwinden nicht gleich? Warum bestehen sie faktisch so verbissen darauf, Bildung vermittelt zu bekommen, wenn sie das doch so hassen? Da steckt doch noch unterschwellig eine Menge Bürgerlichkeit in ihnen. Man nimmt ihnen damit ihre Aggressivität nicht ab. Übrigens gibt es in dieser Klasse nur einen Alibi-Türken (Spitzname: Kebab); da hat sich seit 1983 noch einiges verändert. Eine Parallele zu „Christiane F.“ sehe ich insofern, als man auch Stein Ernsthaftigkeit und ehrliches Bemühen unterstellen kann, sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Kurz vorher kam Mark Lesters „Die Klasse von 1984“ ins Kino, wo die Gewalt in „Klassenfeind“ locker überboten und das Thema Schule skrupellos spekulativ ausgeschlachtet wurde.
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Alt 30.01.2023, 06:51   #684  
Marvel Boy
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Nie gehört von dem Film.
Scheint aber auch nicht schade drum.

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Alt 30.01.2023, 07:11   #685  
Peter L. Opmann
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Bei youtube gab's lange Zeit auch nichts, aber gestern habe ich gesehen, daß man zwei längere Stücke von "Klassenfeind" sehen kann. Nur der Auftakt mit "Pretty Vacant" fehlt leider.

Mir fällt dazu noch ein, daß ich zu Schulzeiten nur so ungefähr ahnte, was Punk ist. Viele Sänger und Bands gaben sich um 1980 einen Punk-Anstrich (ich denke etwa an "Straßenfieber" von Udo Lindenberg), aber richtige Punk-Platten bekam man eigentlich nur per Mailoder, und ich hatte nie viel Geld für Schallplatten.

Um 1990 gab es im "Zündfunk" eine Sendung über eine neue Punkwelle, und der Moderator sagte zum Schluß: "Eben rief noch ein Hörer an und sagte, das Ganze habe es schon mal gegeben. Na, das wäre wirklich ein Ding!"
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Alt 30.01.2023, 12:49   #686  
Nante
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Ich habe beide Filme nie gesehen. Auch wenn zumindest über "Christiane F" auch in der DDR berichtet wurde. (Es entsprach ja so wunderschön allem, wovor uns die "Mauer" schützte.) Ob er aber im DDR-Fernsehen lief? Keine Ahnung. Aber das, um das es ging, war damals für uns einfach außerhalb jeder Vorstellung. Die einzige DDR-Droge war der Alkohol und da gab es auch so schon genug Filme, die seine Auswirkungen zeigten.

Und "Klassenkampf" klingt wie die böse und "typisch deutsche" Variante vom "Breakfast Club".

Solche Theaterverfilmungen sind immer ein Risiko. Ich kann mich an ein sowjetisches Theaterstück ca 1984 erinnern, in dem es um einen Insassen einer Strafkolonie für Jugendliche ging und wie er dahin gekommen war. War auch harter Stoff für damals aber es wirkte nur auf der Bühne. Verfilmt hätte man sicher auch nur den Kopf geschüttelt und gesagt: "Was soll der Quatsch?"

Aus der gleichen Zeit und auch in die gleiche Kerbe hauend, wenn auch noch abgehobener, dafür lustiger und am Ende zumindest etwas optimistischer war "Teachers" mit Nick Nolte.
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Alt 30.01.2023, 13:33   #687  
Peter L. Opmann
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Ah, der Film hieß bei uns "Die Aufsässigen". Er kommt in dem oben erwähnten Buch "Leben wie im Kino" auch vor: "Hillers bittere Satire auf schulische Mißstände in den Vereinigten Staaten ist auf andere Verhältnisse übertragbar. Mit der Musik von Joe Cocker, ZZ Top, Freddie Mercury und anderen und den Stars Nick Nolte und Ralph Macchio besitzt der Film das richtige Feeling und Identifikationsfiguren für Erwachsene und Jugendliche."

Schulbildung wurde dann grundsätzlich in "Der Club der toten Dichter" hinterfragt; über diesen Film will ich auch mal was schreiben.

Nachtrag: "Klassenfeind" ist kein abgefilmtes Theater; diese Gefahr hat Stein schon gesehen, und Robby Müller hat da hervorragende Arbeit geleistet. Obwohl sich alles in einem Klassenraum abspielt, ist das sehr dynamisch gemacht. Was sich nicht vermeiden läßt, ist, daß es ein Theaterstück bleibt.
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Alt 31.01.2023, 06:46   #688  
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Zur Abwechslung mal wieder ein konventioneller Spannungsfilm, aber einer, der Filmgeschichte geschrieben hat: „King Kong und die weiße Frau“ (1933) von Ernest B. Schoedsack und Merian C. Cooper. Den wollte ich mir ja schon lange vornehmen, aber ich hatte mich ja entschlossen, Franchises erstmal beiseitezulassen, und „King Kong“ steht am Anfang einer ziemlich langen Reihe von Fortsetzungen. Aber „King Kongs Sohn“ von 1933 und „Mighty Joe Young“ von 1949 sind mit dem Original nicht zu vergleichen, und ansonsten wurde der Riesenaffe zu einer belanglosen Horrorfigur oder gab nur seinen Namen her. In jüngerer Zeit gab es dann Remakes. Das kann man also, meine ich, alles beiseitelassen. Außerdem fiel mir jetzt auf, daß es in Kürze 90 Jahre her ist, daß „King Kong“ in USA seine Uraufführung hatte (2. März 1933 – in Deutschland dauerte es wegen Zensur-Querelen bis zum 1. Dezember, bis der Film zu sehen war).

„King Kong“ stand wohl am Anfang des Monsterfilm-Genres, obwohl es schon lange vorher Filme gab, die sich bewegende Dinosaurier zeigten. Aber ich denke, erst mit „Jurassic Park“ setzten sich Saurier als Monster richtig durch. Den Schock, den „King Kong“ beim zeitgenössischen Publikum auslöste, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Die Dinosaurier hatte der Kinobesucher schon vorher aus Distanz beim Jagen und Töten beobachtet, aber King Kong griff direkt in Zugwaggons und sogar in seine Wohnung hinein. Mir kam auch in den Sinn: Erst als die nötigen überzeugenden Special Effects (von Willis O’Brien) zur Verfügung standen, konnte das Genre entstehen – wie das bei den Superheldenfilmen war.

Am Drehbuch wirkte Edgar Wallace mit, auch wenn er noch während der Vorarbeiten starb. Ich habe mir „King Kong“ im letzten Jahr nochmal angesehen. Der Film ist ja „nur“ 100 Minuten lang, und da hat es mich überrascht, wie lange eigentlich nicht viel passiert. Wir erfahren von der geplanten Expedition zur Schädelinsel, und dunkel ist von der Legende von Kong die Rede. Fay Wray wird umständlich als Model für Filmaufnahmen engagiert, und dann gibt es auch noch einige Szenen von der Schiffsreise zur Insel und den ersten Eindrücken der Expedition. Erst werden also in aller Ruhe die wichtigsten Charaktere vorgestellt. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, wann Kong erstmals auftaucht, aber es dauert ziemlich lange. Und dann ist der Film plötzlich vollgestopft mit Action (Schoedsack drehte die konventionellen Abschnitte des Films, Cooper die Monsterszenen).

Es dürfte bekannt sein, daß Wray Inselbewohnern in die Hände fällt, die sie in der Nähe ihres Dorfs, jenseits eines mächtigen Schutzwalls irgendeinem Gott opfern wollen. Und dann holt sich Kong die Frau, die wegen ihrer blonden Haare wohl auch seine Neugier erregt. Den Schock seines Anblicks kann man zu einem gewissen Grad heute noch empfinden, wobei das Schreien der weißen Frau sicher seinen Teil dazu beiträgt. Wichtig ist aber auch, wie Kong seine Beute untersucht und daß man zunächst nicht weiß, ob er sie gleich zerreißt oder was sonst passieren könnte (natürlich kann er nicht sprechen). Dann schleppt er die Frau, die er sehr vorsichtig behandelt, in den Dschungel. Die Männer folgen – auch in dem Bewußtsein, die Sensation ihres Lebens vor Augen zu haben – in sicherer Entfernung.

Nun beginnt der zweite Abschnitt der Insel-Handlung, die ebenfalls ziemlich bekannt sein dürfte. Kong muß sich gegen mehrere Dinosaurier und andere Bestien durchsetzen. Die Schiffsbesatzung wird von ihm von einem Baumstamm geschüttelt, auf dem sie eine Schlucht überqueren wollen. Bruce Cabot und Robert Armstrong bleiben jedoch auf Kongs Spur und retten Wray schließlich aus seiner Berghöhle. Nun verfolgt der Affe das Trio zurück zum Dorf, reißt die Mauer ein und verwüstet die Hütten. Die übriggebliebene Crew flieht jedoch auf ein Boot und betäubt Kong mit Gas. In Ketten wird der Riesenaffe nach New York verfrachtet und dort als „achtes Weltwunder“ ausgestellt. Als er der Presse präsentiert wird, befreit er sich wiederum von seinen Fesseln, greift sich Wray und turnt durch die Stadt, wobei er viel Zerstörung anrichtet, bis er schließlich das Empire State Building erklimmt. Dort wird er schließlich von Jagdfliegern verwundet und stürzt herunter. Armstrong diktiert den Reportern noch eine Schlagzeile in die Blocks: „Er hat das Mädel zu sehr geliebt.“

Daß man in „King Kong“ heute gern eine symbolische Verarbeitung des Verhältnisses von Mann und Frau sieht, will ich nur nebenbei erwähnen. Aber für mich zeigt sich, daß der Bösewicht großen Anteil an der Wirkung eines Krimis, Thrillers, Action- oder Monsterfilms hat. Kong ist kein reines (Un-)Tier, sondern er hat gleichsam menschliche Gefühle und drückt sie auch aus. Die Wandlung von der Schreckensgestalt zum Sympathieträger vollzieht sich allerdings recht langsam. Das ist auch nötig, damit der Nervenkitzel aufrechterhalten bleibt. Am Ende bangt der Zuschauer aber mit Kong, während der versucht, sich in der fremden Umgebung der Metropole NY zurechtzufinden. Das heißt, es ist auch ein zivilisationskritischer Film. Im Dschungel der Schädelinsel sind wir befremdet und geängstigt, aber am Ende verstehen wir, warum Kong Häuser und Straßenbahnen demoliert und eine sensationslüsterne Menge auseinandertreibt. Die Schiffsbesatzung unter Robert Armstrong hat nichts anderes im Sinn, als ihr exotisches Reiseziel und alles, was sie dort findet, kommerziell auszubeuten. Die Natur ist trotz ihrer Gefahren doch der bessere, stimmigere Ort.
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Alt 31.01.2023, 07:00   #689  
Marvel Boy
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Endlich mal was wo ich Buch und Film kenne. Das Buch hab ich aber erst nach dem Film gelesen. Beides ist lange her. Der Film hat mich damals sehr beeindruckt, ein geniales Werk das so maches teure computeranimierte Filmchen heutzutage locker an die Wand spielt.

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Alt 31.01.2023, 07:05   #690  
Peter L. Opmann
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Von dem Buch weiß ich nichts. Für "King Kong" gab es ein Originaldrehbuch.

Ah, man sieht: Immer, wenn es einen neuen Film gab, kam auch eine Novelization auf den Markt.

1932 von Delos W. Lovelace
1976 von Helmut Kassodo
2005 von Joe DeVito und Brad Strickland
2011 von Klaus Fehling

2017 noch eine kuriose Version: "King Kong in Wien".
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.01.2023, 07:10   #691  
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Ja, am Anfang wurde wohl die Spannung hochgetrieben. Vielleicht war das Budget und auch die Möglichkeiten mit verhältnismäßig kurzer 'Monsterzeit' erschöpft und die legte man dann natürlich ans Ende.

So konnte man in aller Ruhe die verschiedenen Charaktere entwickeln.

Es war schon ein Ereignis, als ich den Film zum ersten Mal im Fernsehen gesehen habe. Alleine schon die Expedition durch den Dschungel war schon sehr spannend. Zu dieser Zeit eigentlich nur mit den Tarzan Filmen zu vergleichen.
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Alt 31.01.2023, 07:15   #692  
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Die Produktionsgeschichte wäre auch interessant. Es war wieder mal ein Film, der ein Studio retten mußte, nämlich RKO. Ist in diesem Fall gelungen, aber RKO wurde nicht bekannt für Horror- und Monsterfilme.

Ich habe gelesen, daß an den Special Effects nicht gespart wurde. Aber Schoedsack hatte den Vorteil, die normalen Dialogszenen sehr ökonomisch drehen zu können, weshalb manche sagen, daß man erkennt, welcher Regisseur für welche Teile des Films verantwortlich war. Außerdem wurde in den Kulissen gleich noch ein zweiter Horrorfilm gedreht: "Graf Zaroff - Genie des Bösen" (den ich leider nicht gesehen habe).
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Alt 31.01.2023, 07:53   #693  
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Wenn's schon mal aufgebaut ist. Sehr effektiv und ökonomisch.

Die Geschichte ist ein sehr zentrales Thema: Einen unerfüllte Liebe. Wurde unzählige Male verfilmt, z.B in 'Der Glöckner von Notre Dame', hier allerdings mit einem großen Monster.

Für mich ist das die reine, platonische Liebe wobei ich der Meinung , dass die Szene am Wasserfall (Kong versucht Wray auszuziehen) mehr für die Zuschauer gedreht wurde, um etwas Erotik in den Film zu bringen.
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Alt 31.01.2023, 08:26   #694  
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In der Liebe Kongs zur weißen Frau steckt aber eine Unlogik.

Ihm werden offenbar in gewissen Abständen Frauen geopfert. Was macht er eigentlich mit denen? Weder tötet noch verspeist er sie, sondern die müssen irgendwo weiter hinten in seiner Höhle hausen. Baut sich Kong sowas wie eine Figurensammlung auf?

Etwas stimmiger wäre es, wenn Kong nur Fay Wray abgreifen würde. Sie ist eben weiß und hat blonde Haare, was genügen würde, um sein Interesse zu erwecken. Eine sexuelle Beziehung kann ich mir aber auch da nur schwer vorstellen...
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Alt 31.01.2023, 08:36   #695  
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Der Regisseur wusste schon, warum er darauf nicht näher eingegangen ist.
Er nahm nur das Motiv, das auch schon bei Perseus in der griechischen Mythologie vorkommt, um eine spannende Kulisse zu zaubern.
Das ist ihm auch sehr gut gelungen.
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Alt 31.01.2023, 09:52   #696  
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Gedacht war das vermutlich von den Drehbuchautoren anders. Normalerweise tötet Kong wohl seine Opfer schon, nur bei Fay Wray entschied er sich, sie lieber als "Riesenspielzeug" (Adelbert von Chamisso) zu behalten. Das war wohl Liebe auf den ersten Blick - aber sicher kein typisches Tier-Verhalten.
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Alt 31.01.2023, 10:05   #697  
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Ohne Wray wäre die Story ja denkbar kurz ausgefallen. Es ist schon besser, dass er sie hat leben lassen.
Auch in der Figurensammlung hätte ich sie mir nicht vorstellen können.

Es ist schon ein toller Twist gewesen, Kong nach Amerika zu holen.
Der Großstadtdschungel (feindliche, fremde Umgebung) stellt schon einen großen Kontrast zu der Heimat von Kong da.
Insgesamt kann man wohl sagen, dass Kong an gebrochenem Herzen ebenso starb, wie an den Kugeln der Flugzeuge.
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Alt 31.01.2023, 10:37   #698  
Servalan
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Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Mir kam auch in den Sinn: Erst als die nötigen überzeugenden Special Effects (von Willis O’Brien) zur Verfügung standen, konnte das Genre entstehen – wie das bei den Superheldenfilmen war.
Das dürfte wohl die hinreichende Bedingung gewesen, wie es in der Mathematik heißt. Die notwendige Bedingung liegt aus meiner Sicht in der Tatsache, daß sich wenige Jahre zuvor der Tonfilm durchgesetzt hatte und in den Kinos als Standard gelten konnte.

Wenn die akustische Ebene fehlt, verlieren Filme häufig ihre Wucht. Und mit dem Mickymousing hatte Disney den Einsatz der Töne für den maximalen Impact optimitiert. Er hatte bewiesen, daß Timing überzeugend möglich ist.
Einer Freundin und mir ist das bei Slasherfilmen aufgefallen, die ja häufig mit Infraschall arbeiten, der bei einer Fernsehausstrahlung wegfällt. Ton wird meist von den Laien unterschätzt, dabei sorgt der bei Filmen dafür, daß die Wirkung so richtig in die Magengrube geht.
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Alt 31.01.2023, 11:22   #699  
Peter L. Opmann
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Auch wenn ich den Stummfilm sehr mag, gebe ich zu, daß "King Kong" tatsächlich sehr von seinem Gebrüll (rückwärts gespielte Aufnahmen von Löwen- und Tigerlauten) und dem Schreien von Fay Wray lebt.

Auch die Filmmusik ist einen Hinweis wert: Max Steiner komponierte einen der ersten sinfonischen Soundtracks, der über weite Strecken des Films zu hören ist. Eine sehr dramatische Musik.
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Alt 31.01.2023, 11:57   #700  
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Die emotionalste Szene war für mich die, als Kong Wray auf dem Empire State Building wegschiebt (gegen ihren Willen), so dass sie außer Gefahr ist.
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