09.08.2016, 16:03 | #1 |
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Vom Schreiben zum Verfilmen
Am Wochenende bin ich in einem öffentlichen Bücherregal (wo man Bücher reinstellen und sich kostenlos rausnehmen kann) auf ein ganz interessantes Buch gestoßen: "Das Hollywood Geschäft" von William Goldman. Ich wollte dies erst unter "Vom Schreiben zum Veröffentlichen" vermerken, aber es paßt dort nicht richtig hin.
Das Buch, 1986 bei Bastei Lübbe veröffentlicht, enthält unter anderem eine Anleitung, wie man ein Drehbuch schreibt. Sehr praxisorientiert. Goldman nimmt sich eine eigene alte Kurzgeschichte vor und verarbeitet sie zu einem Drehbuch. Er doziert nicht, er demonstriert, wie es gemacht wird. Ansonsten ist das Buch - nun ja - veraltet. Es geht tatsächlich ums Hollywood-Geschäft, basierend auf den Erfahrungen des Jahres 1981, als die Studios ungewöhnlich viele Flops produzierten. Es war eine andere Zeit; Goldman ist noch davon überzeugt, daß es nichts bringt, Sequels von "Star Wars" oder ähnlichen Boxoffice-Hits zu drehen. Er setzt noch auf die Kreativität von Drehbuchautoren, die neue Erfolgsformeln finden werden. Nebenbei erklärt er, daß es Autorenfilme (der allerneueste Trend!) möglicherweise tatsächlich geben mag, sie aber in USA niemals funktionieren können. Ich glaube, damals wurde gerade ein amerikanisches Remake von "Außer Atem" mit Richard Gere in der Hauptrolle gedreht. Abgesehen von solchen Bonmots steckt das Buch voller Anekdoten über Drehbuchkonferenzen und Dreharbeiten. Goldman plaudert aus dem Nähkästchen. Es ist sicher nicht das Standardwerk, aber höchst amüsant zu lesen. |
10.08.2016, 12:56 | #2 |
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Lillian Ross: Film. Eine Geschichte aus Hollywood (Greno 10|20 Band 32)
Originaltitel: Picture, Greno Verlag 1987, Rineheart 1952, erschien ursprünglich als Artikelserie im The New Yorker, 332 Seiten Wenn ich der englischen Wikipedia glauben darf, weilt die hochbetagte Dame (stolze 97 oder 98 Jährchen) noch unter uns Lebenden. Lillian Ross hat von 1945 bis zu ihrer Rente für das renommierte Magazin The New Yorker vor allem Artikel, Rezensionen und Interviews über das Filmgeschäft geschrieben. Letztes Jahr erschien ein Buch über ihre Erfahrungen in der Redaktion, Reporting Always: Writing for The New Yorker (Scribner 2015). Die Reportagereihe sollte wohl eine Art Fortbildung für die damals junge Journalistin werden. Sie sollte mal hinter die Kulissen schauen, um sich mit den Gepflogenheiten der Branche vertraut zu machen. Denn das Thema bildet die Verfilmung von Stephen Cranes Bürgerkriegsroman The Red Badge of Courage / Die rote Tapferkeitsmedaille durch John Huston (MGM 1951). Der Antikriegsfilm des damals berühmten Regisseurs John Huston (Der Schatz der Sierra Madre, Die Spur des Falken, African Queen) erwies sich als Flop, weshalb das Studio die erste Fassung radikal kürzen ließ. Für einen Blick hinter die Kulissen ist das ein Glücksfall. Ross bleibt die ganze Zeit über dicht an Huston und der Filmcrew. Sie bereitet ihr Material durch etliche Dialoge für das Publikum auf, wodurch die Atmosphäre der späten 1940er, frühen 1950er Jahre spürbar wird. Stilistisch ist das weniger ein Making-of als ein eigenständiges Werk. Über die Graue Eminenz D.W. Griffiths werden die Parallelen zwischen einem militärischen Feldzug und dem Großunternehmen Filmemachen betont. Die Aufnahmen unter freien Himmel und im Studio sind eine Materialschlacht, bei der Schützengräben ausgehoben werden, Massen von Pferden und Komparsen koordiniert und choreographiert werden. Bis die letzte Klappe fällt, macht Huston die Nächte durch, um das Drehbuch mit den Autoren zu diskutieren und neue Fassungen zu erarbeiten. Das alte Hollywood der Studios war harte Knochenarbeit. Lohnt sich. Geändert von Servalan (27.12.2016 um 19:54 Uhr) |
10.08.2016, 15:58 | #3 |
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Friedrich Knilli, Knut Hickethier und Wolf Dieter Lützen (Hrsg.): Literatur in den Massenmedien - Demontage von Dichtung? (Reihe Hanser Medien RH 221), Carl Hanser Verlag 1976, 214 Seiten, Preis: 14,80 DM
Die blaue Reihe aus dem Hanser Verlag galt in den 1970er Jahren so ziemlich als das Beste, was es zum Thema gibt. Die Preise lagen allerdings im höheren Bereich, weshalb ich sie mir von meinem bescheidenen Taschengeld nicht leisten konnte. Zugelegt habe ich mir den Band später Second Hand während meines Studiums. Knilli und Hickethier haben in der alten Bundesrepublik Film und Fernsehen in die klassische Literaturwissenschaft geschmuggelt und so über einige Jahrzehnte das Fach Medienwissenschaft im deutschen Unibetrieb etabliert. Höhepunkte der blauen Hanser-Reihe waren die Monographien über wichtige Regisseure, aber das Thema Literaturverfilmungen mußten natürlich auch verhandelt werden, und da kam niemand ums Fernsehen herum. Entsprechend breit finden sich NDR, WDR und ZDF in den gewählten Stoffen wieder. Daß der Film in der gehobenen und höheren Kultur als Parvenü scheel angesehen wurde, zeigt sich deutlich in den vermittelten Vorurteilen:
Amüsant finde ich die Schlußfolgerung von Jens Malte Fischer, der de Sades Die 120 Tage von Sodom für unverfilmbar hält. Damit die Verfilmung für das Publikum eine vergleichbar verstörende Zumutung wird wie für die gequälten Figuren, meint er, müsse eine Verfilmung auch 120 Tage nonstop dauern ... Geändert von Servalan (10.08.2016 um 16:12 Uhr) |
10.08.2016, 16:28 | #4 |
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Schön, daß dieser Thread offenbar als sinnvoll und fortsetzungswürdig angesehen wird.
Ich habe mich mit Film nicht wissenschaftlich beschäftigt. Von 1985 bis etwa 1994 habe ich mich - mitunter - als Filmkritiker betätigt, und weil ich eine Zeitlang mit dem Gedanken spielte, diese Arbeit zu intensivieren, habe ich mir auch eine kursorische Filmbibliothek zugelegt. Ich habe hier sozusagen das Gegenbuch gegen den Drehbuchautor William Goldman, der behauptete, Autorenfilme seien ein Unsinn: Barbara Bronnen/Corinna Brocher: Die Filmemacher. Der neue deutsche Film nach Oberhausen. Gütersloh 1973 Es handelt sich um lauter Interviews, und zwar mit Werner Herzog, Jean-Marie Straub, Vlado Kristl, George Moorse, Volker Schlöndorff, Manar Gosov, Edgar Reitz, Peter Schamoni, Johannes Schaaf, Volker Vogeler, Werner Schroeter, Rainer Werner Fassbinder, Reinhard Hauff, Peter Lilienthal, Uwe Brandner, Christian Ziewer/Klaus Wiese, Alexander Kluge. Leider sind keine Filmemacherinnen vertreten. Es fehlen Leute wie Klaus Lemke oder May Spils. Trotzdem fand ich die Interviews teilweise sehr aufschlußreich und interessant. |
16.08.2016, 13:51 | #5 |
Moderatorin Internationale Comics
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Was fallen dir (oder anderen, die hier mitlesen) denn für Titel ein?
Gelungene Literaturverfilmungen, die auf gelungenen Vorlagen basieren, fallen mir schon einige ein. Das sind mehr ein halbes Dutzend, aber insgesamt bleibt das Feld recht übersichtlich. Geschmäcker sind verschieden, deshalb gehe ich davon aus, daß wir nicht immer einer Meinung sind - "und das ist auch gut so!" Hier mein erster Vorschlag:
Jedesmal wenn ich das Buch durchblättere und die Zeilen überfliege, erfaßt mich der Sog und ich bin wieder in der Geschichte. Der Film liegt um Klassen über den besten Stahlnetz- oder Dragnet-Folgen. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, fand ich ihn verstörender als Psycho. Wie tief sich der Stoff mittlerweile ins Bewußtsein verankert hat, zeigen ja die Werke, die über Capote und die Killer entstanden sind: der Film mit Philip Seymour Hoffman und Catherine Keener von 2005, der von 2006 mit Toby Jones und Sandra Bullock, die Graphic Novel von Oni Press und die Fernseh-Miniserie von 1996 mit Sam Neill und Anthony Edwards ... Geändert von Servalan (17.08.2016 um 14:40 Uhr) |
16.08.2016, 19:38 | #6 |
Moderatorin Internationale Comics
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Am 15. September läuft tschick nach Wolfgang Herrndorfs Bestseller in den deutschen Kinos an (Trailer 1, Teaser Trailer ).
Fatih Akin hat den vergnüglichen Lesestoff als wilde Mischung zwischen Jack Kerouac und J.D. Salinger verfilmt. Der Roman gehört zum Besten, was in den letzten Jahrzehnten an deutschsprachiger Literatur entstanden ist. Beim Casting scheint Akin das richtige Händchen gehabt zu haben. Trotzdem mußte ich bei dem Tschick-Darsteller an Hark Bohms Filme mit dem jungen Tayfun Bademsoy denken (Indianerjunge Tschetan zum Beispiel). Auf jeden Fall wünsche ich tschick ein großes Publikum. Geändert von Servalan (16.08.2016 um 21:23 Uhr) |
19.08.2016, 05:46 | #7 | ||
Moderator ICOM
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Zitat:
Zitat:
Wenn der Bereich "Verfilmen" auch als Intention reicht, würde ich "Das Handbuch zum Drehbuch" von Syd Field empfehlen. Darin werden auch Passagen aus den Drehbüchern zu "China Town" und "Die Sensationsreporterin"/"Absence of Malice") abgedruckt, die man also mit dem fertigen Film vergleichen kann. "Die Sensationsreporterin" hab ich kürzlich wieder gesehen und fand ihn eher langweilig. Geändert von Mick Baxter (19.08.2016 um 06:06 Uhr) |
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19.08.2016, 11:50 | #8 |
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Der dritte mann ist ein sonderfall. Das ist nicht ein verfilmtes buch, sondern es gab ein Original Drehbuch von Graham greene. Und hinterher hat er aus diesem Drehbuch noch eine Art kurzroman gemacht.
Tschuldigung für die katastrophale rechtschreibung. Ich tippe auf einem geliehenen handy. |
19.08.2016, 11:59 | #9 |
Moderatorin Internationale Comics
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Das nicht fertige Drehbuch sehe ich als vor allem bei Studioregisseuren als Trick, sich einen Freiraum zu schaffen und zu erhalten. Außerdem kann ich mir vorstellen, daß sich die Crew und die Besetzung dadurch entspannter fühlen. Denn in diesem Fall honoriert der Regisseur ihre Beiträge und verteidigt sie indirekt gegen die Produktion.
Einerseits gibt es wohl die Perfektionisten, die mit ihren Ergebnissen nie zufrieden sind und immer wieder etwas finden, das unbedingt noch mit in den Film muß. Die merkwürdige Stille um Meisterregisseur Orson Welles fällt in dieses Schema: Der hat ja nicht Däumchen gedreht, sondern ein Filmprojekt nach dem nächsten gestemmt - aber keines erreichte das Publikum. Diese Phase wurde erst posthum gewürdigt. Auf der anderen Seite dürfte dieses Verhalten zutiefst menschlich sein. Soweit ich das mitbekommen habe, läuft das mit den Abschlußarbeiten an der Universität genau so. Die Copyshops klagen über diese Praxis, beißen aber notgedrungen in den sauren Apfel ... Einer Kommilitonin im Fach Soziologie habe ich mal geholfen. Am Montag in aller Herrgottsfrühe sollte sie ihre Arbeit abgeben. Vom Freitag davor bis zur letzten Minute haben wir das Wochenende durchgemacht: hier korrigiert, da ergänzt und dort etwas umgestellt oder hervorgehoben. Geändert von Servalan (07.01.2022 um 23:54 Uhr) |
19.08.2016, 14:38 | #10 |
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Manche Filme hätte Orson welles sicher liebend gern fertiggestellt. Aber in Hollywood hatte er es sich mit allen Studios verscherzt, und in Europa konnte er für das, was er wollte, nicht genug Geld auftreiben.
(Mann, ich will meine Tastatur zurück!) |
19.08.2016, 15:01 | #11 | |
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Zitat:
Die Serie floppte zwar, aber die ITV/Masterpiece-WGBH-Serie Mr Selfridge erzählt eine ähnliche Geschichte über die Anfänge der Kaufhäuser. Diese Serie basiert auf einem anderen Buch, nämlich der Biographie von Lindy Woodhead: Shopping, Seduction & Mr Selfridge (Random House 2013). Der Pionier in dieser Hinsicht dürfte Rainer Werner Fassbnder mit seiner inzwischen legendären Verfilmung von Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz (S. Fischer Verlag 1929) durch Bavaria und RAI für den WDR 1980 gewesen sein. Über 14 Folgen lief die Serie insgesamt 930 Minuten (15 1/2 Stunden) lang. 2007 lief die restaurierte Fassung auf der 57. Berlinale, gleichzeitig erschien auch eine DVD-Box. Geändert von Servalan (19.08.2016 um 23:13 Uhr) |
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20.08.2016, 18:05 | #12 | ||
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Alfred Hitchcock soll mal gesagt haben, nur aus einem mittelmäßigen Buch könne er einen guten Film machen. Das Originalzitat dazu habe ich mal für einen Blogartikel gesucht, aber leider nie gefunden. Macht aber Sinn, wenn man drüber nachdenkt:
Ein literarisch hochwertiges Buch lebt von der Sprache. Es ist umso literarischer, je mehr es von der Sprache lebt. Die ist aber das Unverfilmbarste daran. Das muss man beim Umsetzen in einen Film erstmal alles rausschmeißen und versuchen, in eine abfilmbare Handlung zu übertragen. Was bleibt, kann ein guter Film sein, aber wenn, dann auf Kosten dessen, was am Original literarisch war. Mehr noch: Ein guter Film lebt ebenfalls von der Sprache, aber die Sprache ist eine andere, nämlich die der filmischen Ausdrucksmittel. Je besser ein Film in der Anwendung dieser Mittel sein will, desto weniger darf er sich von der literarischen Vorlage ausbremsen lassen. Was ich gefunden habe, ist das folgende Zitat (aus "Truffaut - Hitchcock", dem großen Interviewband): Zitat:
Zitat:
Im Moment gibt es ja die Tendenz, Bücher eher fürs Fernsehen zu adaptieren als fürs Kino, weil man sie da länger machen kann. Ich finde das nicht so richtig überzeugend, denn vieles ist mir dann zu lang(weilig) und eben nicht sehr gelungen ins Filmische übersetzt. Richtet sich aber, glaube ich, eh mehr an Buch- als Film- oder Fernsehfans. |
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20.08.2016, 21:38 | #13 |
Moderator ICOM
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Also ähnlich wie "Es geschah am hellichten Tag"/"Das Versprechen", wobei Dürrenmatts Drehbuch noch überarbeitet wurde (während Greene tatsächlich der alleinige Autor war). Dafür wurde die Roman-Adaption erneut (und zwar mehrfach) verfilmt, zuletzt von Sean Penn.
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21.08.2016, 12:42 | #14 | ||
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Zitat:
Zugegeben, Volker Schlöndorff hat sich eine Rosine aus Marcel Prousts Meistewrwerk herausgepickt und Eine Liebe von Swann (1984) in die Kinos gebracht. John Hustons letzter Film war eine Adaption einer Geschichte aus James Joyce's Kurzgeschichtenzyklus Dubliners, nämlich Die Toten / The Dead (1987). Experimentellere Umsetzungen wie der deutsch-britische Episodenfilm Maldoror (2000) nach Lautréamont kommen überhaupt nicht in den regulären Vertrieb, so daß nur ein kleiner Kreis davon weiß. ... alles weitere verbietet die Ehrfurcht. An eine Filmfassung von Joyces Großwerken Ulysses oder Finnegan's Wake kann ich mich jedenfalls nicht erinnern. In Sachen Jean Paul oder Arno Schmidt bemerke ich nur Funkstille. Und die Kinoversionen von Moby Dick beschränken sich auf die Standards einer Abenteuergeschichte, die sich mit den Mitteln von Hollywood umsetzen läßt und ein größes Publikum erreichen kann. Besonders in den Genres Krimi und Science Fiction finden sich etliche fabelhafte Adaptionen in Anthologieserien (zum Beispiel Alfred Hitchcock presents, Twilight Zone oder Outer Limits). Die Kurzgeschichten von Poe, O. Henry oder Roald Dahl drängen sich da geradezu auf. In länger laufenden Serien könnten einzelne Episoden versteckt sein, die sich als modernisierte Verfilmungen auffassen lassen: Ein gutes Beispiel ist meinem Empfinden nach Homicide Staffel 4 Episode 7: "Heartbeat" (1995). Bei dem Fall werden drei Elemente kombiniert: zum einen, daß Poe in Baltimore gelebt und geschrieben hat, sowie seine Kurgeschichten "Das verräterische Herz" (1843) und "Das Fass Amontillado" (1846). Zitat:
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29.08.2016, 12:32 | #15 |
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Heute läuft im ZDF die sechsteilige BBC/AMC-Serie The Night Manager nach dem Roman von John Le Carré an. Gesendet wird jedes Mal eine Doppelfolge.
Von der scheinen beide Seiten profitiert zu haben, wahrscheinlich weil der Stoff des über 20 Jahre alten Romans stark bearbeitet und aktualisiert worden ist. Die Serie lief schon auf internationalen Filmfestivals und kann eine lange Liste an Emmy-Nominierungen vorweisen. Im Gegensatz zum notorisch verstimmten Alan Moore gefällt John Le Carré die Serienversion. Und Tom Hiddleston wird wegen seiner Rolle nicht nur als Nachfolger von Daniel Craig als 007 James Bond gehandelt, vielmehr hat er Gefallen an John Le Carré gefunden und den Autor für sich entdeckt. Alle zufrieden - mich macht das neugierig. |
29.08.2016, 14:11 | #16 |
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Hat Alan Moore mit dieser Serie etwas zu tun, oder führst Du ihn nur an als jemanden, der Bearbeitungen seiner Stoffe nicht mag?
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29.08.2016, 14:35 | #17 |
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Alan Moore hat mir als generelles Beispiel für Autoren gedient, die fast unmöglich zufrieden zu stellen sind.
Ob die einzelnen Autorinnen und Autoren sich mit ihren Adaptionen anfreunden können, scheint mir sehr stark vom Temperament abhängig. John le Carré hat gewiß hohe Ansprüche, aber er akzeptiert die Grenzen seiner literarischen Kunst und geht pragmatisch mit Film oder Fernsehen um. Moore erregt sich leicht und sieht bei jeder Änderung seine ursprüngliche Idee verraten. Wie leicht das geht, mußte zuletzt die öffentliche Bibliothek in seiner Heimatstadt Northampton erfahren. Die hat er vorgeführt, weil da etwas nicht exakt so lief, wie sich der Magier das vorgestellt hat. Ob das Publikum und die Kritik das so sehen wie die Autoren, ist wieder eine andere Sache. Die eigenen und die fremden Urteile müssen nicht unbedingt übereinstimmen. |
29.08.2016, 15:28 | #18 |
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Zu Moores Ehrenrettung muss man aber auch sagen, so doll waren die meisten "seiner" Verfilmungen nicht.
Le Carré hatte da mehr Glück. "Dame, König, As, Spion" und "The Constant Gardener" und sogar der olle "Spion, der aus der Kälte kam" haben alle diesen langsamen und unprätentiösen Aufbau, der seine Romane auszeichnet. Keine Ahnung, wie viel sie weggelasseen haben - ich habe alle drei nicht gelesen und den "Schneider von Panama", den ich als Buch habe, nicht verfilmt gesehen. Sie wirkten aber alle sehr Le-Carré-ish. |
29.08.2016, 15:32 | #19 | |
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Genauer habe ich die Beziehung zwischen Buchvorlage und Filmbearbeitung einmal im Fall von Philip K. Dicks "Do Androids dream of Electric Sheep?" verfolgt, woraus Ridley Scott einen SF-Film gemacht hat.
Dick-Biograf Lawrence Sutin: Zitat:
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29.08.2016, 15:44 | #20 |
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31.08.2016, 10:19 | #21 |
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Stimmt. Wo gehobelt wird, fallen Späne.
Ich frage mich, woran das liegt? Entweder daran, daß sich Dschingis Bowakow irgendwann ziemlich rar gemacht hat - oder an Tayfun Bademsoys Dauerpräsenz auf der Mattscheibe. - Na ja, ich meinte Dschingis Bowakow. Le Carrés The Night Manager hat mir gefallen. Allerdings hat mich Tom Hiddleston in seinem Auftreten an Daniel Craigs James Bond 007 erinnert. Die große Frage wird wohl sein: Bleibt Jonathan einer von den Guten? Oder wechselt er die Seiten? Olivia Colmans Rolle weckt bei mir Erinnerungen an George Smiley in König, Dame, As, Spion. Und das Zermatt-Kapitel war eine superleckere Hommage an Alfred Hitchcocks Ashenden-Verfilmung in den Schweizer Alpen. |
06.09.2016, 00:20 | #22 |
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Bloß mal wieder eine spinnerte Idee von mir:
Mittlerweile haben Premium-Fernsehserien Kino-Blockbustern den Rang abgelaufen oder sind knapp davor. Wäre ich an der Stelle von Michael G. Wilson und Barbara Broccoli könnte ich mir nach dem 25. Kinofilm einen Stabwechsel der besonderen Art vorstellen: Ein Wechsel des Hauptdarstellers bei James Bond 007 wäre nämlich eine prima Steilvorlage für einen Formatwechsel: Statt alle zwei Jahre einen Kinofilm von gut zweieinhalb Stunden gäbe es dann alle drei oder vier Jahre eine Staffel von sechs oder acht einstündigen Folgen. |
13.09.2016, 16:16 | #23 |
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Ein Sonderfall in dieser Hinsicht ist sicher das Subgenre des Nordic Noir (des Krimis aus Skandinavien).
Meine Grundkenntnisse über Krimis habe ich mir damals über die Anthologien von Mary Hottinger (Morde, Mehr Morde und Noch mehr Morde) und Graham Greene (Spionageschichten) verschafft. Dann kam ein glücklicher Umstand hinzu: Als ich mich für die zehnbändige Serie über den Stockholmer Kommissar Martin Beck von Maj Sjöwall und Per Wählöö interessierte, erschien gerade eine Kassette mit allen Bänden plus einem Booklet. Der linke Journalist Per Wahlöö war zu dem Zeitpunkt schon tot, also gab es bloß ein interview mit seiner "Witwe" Maj Sjöwall (die Ähnlichkeiten zu Stieg Larsson und Eva Gabrielsson sind frappierend). Einerseits war sie froh, daß ihre Charaktere Martin Beck und Gunvald Larsson auf dem Bildschirm ein jüngeres Publikum fanden, andererseits beklagt sie, die Filme wären immer gewalttätiger geworden. Durch die Fernsehserie Beck wird Sjöwall/Wahlöös Urkrimi immer wieder auf den neuesten Stand gebracht. Manche Folgen sind genial ("Spår i mörker | Todesengel"), manche einfach nur Durchschnitt. Im Original heißt das Gesamtwerk "Roman über ein Verbrechen", und von dort führt der Weg fast direkt zu Kommissarin Lund – Das Verbrechen. Die Serie entstand zuerst für das Fernsehen, dann erst kam der Roman. Abgesehen von der Atmosphäre, die einen kräftigen Schuß Gore, Splatter und Horror enthält (da muß ich Maj Sjöwall zustimmen), gibt es bestimmte Plots, die zum Beispiel immer wieder aufgegriffen und neu formuliert werden. Als erstes fällt mir das Mädchen ein, das naiv und abgebrüht zugleich, eine Bank um eine beträchtliche Summe erleichtert. Das Mädchen kommt damit nicht nur durch, sondern gewinnt die Sympathien des Publikums und/oder anderer Figuren - solche Fälle gibt es bei Sjöwall/Wahlöö, bei Arne Dahl und bei Stieg Larsson ... So eindeutig ist die Richtung nicht mehr: Es kann auch vom Film bzw. der Serie zum Buch gehen. Der Lund-Roman wurde ja als eigenständiges Werk mit gewisser literarischer Höhe in den Feuilletons bewertet - im Gegensatz zu den "Büchern zum Film", die als minderwertige Merchandisingprodukte gelten. Geändert von Servalan (13.09.2016 um 19:57 Uhr) |
17.09.2016, 16:09 | #24 |
Moderatorin Internationale Comics
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Mein zweiter Vorschlug für gelungene Filme nach gelungenen Büchern:
Je stärker Redmond Berry versucht, sein Glück zu erzwingen und in der Gesellschaft aufzusteigen, umso mehr Hohn und Spott erntet er. Wer sich näher mit Kubrick bechäftigt hat, sieht deutlich, wie ähnlich Barry Lyndon den anderen Antihelden aus den 1970er Jahren ist: Alex aus Clockwork Orange oder Jack Torrance aus Shining. Thackerays folgender Roman, Vanity Fair / Jahrmarkt der Eitelkeit (1847/48), dürfte zwar berühmter sein, aber in Barry Lyndon kehrt er die eitle Selbstdarstellung erfolgreicher Leute aus der höheren Gesellschaft bitterböse radikal gegen den Strich. Er entlarvt die Muster, mit denen Menschen sich selbst und andere belügen - und wenn eine Menge Pech dazu kommt, wird die Mischung explosiv. Der Journalist Thackeray liebte seine Frau Isabella über alles, doch die fiel nach der Geburt ihres dritten gemeinsamen Kindes 1840 in Depressionen. Nach mehreren Selbstmordversuchen Isabellas suchte er professionelle Hilfe und brachte sie in ein geschlossenes Heim. Obwohl Isabellas Konstitution verfiel und sie schwächelte, überlebte sie ihren Gatten um 30 Jahre. Wie tief verletzt Thackeray über diese ungerechte Welt gewesen sein muß, das wird heute noch in seinen besten Werken deutlich. Geändert von Servalan (18.09.2016 um 17:37 Uhr) |
18.09.2016, 17:36 | #25 |
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