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03.10.2014, 21:06 | #1 |
Moderatorin Internationale Comics
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Comics ökonomisch betrachtet
Der französischen Comicbranche scheint es mittlerweile (trotz aller Bestseller) dermaßen mies zu gehen, daß sich die Unruhe der letzten Monate zu einem wahren Aufstand hochgeschaukelt hat, der mittlerweile die Spitzen in Wirtschaft und Politik erreicht hat.
Falls es so etwas wie einen Anfang gegeben hat, einen Anlaß, der den ganzen Prozeß in Gang gesetzt hat, dann war es die Ankündigung zweier Comicautoren, sich aus dem Geschäft zu verabschieden: Am 27. Mai 2014 verkündeten der Zeichner Bruno Maïorana (Garulfo, D), 48, und der Szenarist Frank Bonifay (La trilogie noire, Zoo, La Compagnie des Glaces), 55, ihren Entschluß über ihre Facebook-Seiten. Sie beklagen sich über ein Dumping, das die Branche ins Prekariat dränge, über überzogene Ansprüche von Verlegern und Redakteuren, an geplatzte Aufträge, sobald die Wirtschaft verkühlt sei, kurzum die Zustände würden immer fürchterlicher. Als Beleg wurde auf den Dokumentarfilm Sous les Bulles von Maiana Bidegain verwiesen, der schon 2013 auf dem Festival in Angoulême gezeigt wurde, und als DVD erhältlich ist. 2. Akt 1. Szene: Am 10. Juni nutzt die Comicgewerkschaft SNAC den Anlaß für einen offenen Brief an die Kulturministerin Aurélie Filipetti zum selben Thema, der Reformen einklagt, der die Lebensumstände der Kreativen verbessert. Falls das nicht geschähe, drohten der Branche nach dem September 2014 gemeinsame Aktionen der Comickreativen. In dieser Phase unterschrieben 748 Künstler den offenen Brief. 2. Akt 2. Szene: 21. Juni. 403 weitere Comickreative haben den offenen Brief unterzeichnet, so daß insgesamt 1151 Personen das Vorhaben teilen, darunter Preisträger aus Angoulême wie Zep, Max Cabanes und Boucq. Wer die letzten Jahrgänge der ACBD-Reporte kennt, kann abschätzen, daß sich damit der Löwenanteil der Professionellen engagiert hat. 3. Akt: Seit dem 26. Juni wird nun verhandelt ... http://www.toutenbd.com/article.php3?id_article=5218 (27. Mai) http://www.toutenbd.com/article.php3?id_article=5241 (10. Juni) http://www.toutenbd.com/article.php3?id_article=5255 (21. Juni) |
04.10.2014, 17:52 | #2 |
Mitglied
Beiträge: 4.983
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Dazu hat der Lucky Luke Zeichner Achdé ebenfalls etwas in seinem Blog veröffentlicht >
http://gribouillachde.blogspot.de/20...tre-de-la.html Die Franzosen haben wenigstens eine Comic-Zeichner-Gewerkschaft. Was haben wir? |
14.10.2014, 10:12 | #3 | |
Moderator ICOM
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Zitat:
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14.10.2014, 10:14 | #4 |
Mitglied
Beiträge: 4.983
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14.10.2014, 18:41 | #5 |
Moderator Deutsche Comicforschung
Ort: Leipzig
Beiträge: 2.732
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Ich habe gehört, von Mittwoch 14 Uhr bis Donnerstag früh sollen alle Comiczeichner streiken. Das gibt sicher wieder ein großes Durcheinander. Stellt euch rechtzeitig darauf ein!
eckrt |
14.10.2014, 20:49 | #6 | |
Mitglied
Beiträge: 4.983
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Zitat:
Es ist ja klar dass du als Verleger kein Interesse daran hast die Zeichner+Texter organisiert zu sehen. |
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17.10.2014, 07:21 | #7 |
Moderator NUFF!
Ort: im Norden
Beiträge: 11.441
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04.10.2014, 18:12 | #8 |
Nachrichten
Beiträge: 20.774
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In einer gerechten Welt würden Comiczeichner wie Lufthansa-Piloten behandelt werden.
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17.10.2014, 08:46 | #9 |
Nachrichten
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Das hat nicht mit Kinderkram zu tun. Auch Arbeiter in der Spielzeugfabrik können streiken.
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17.10.2014, 11:56 | #10 |
Moderator Preisfindung
Ort: OWL
Beiträge: 17.342
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Früher wäre in diesem Fall "Holz & Kunststoff" zuständig gewesen, heute die IG Metall.
Wo sind denn Comiczeichner und Autoren allgemein organisiert? Mehr als ein Westfale kann der Mensch nicht werden! Geändert von FrankDrake (17.10.2014 um 16:35 Uhr) |
17.10.2014, 13:34 | #11 |
Mitglied
Beiträge: 4.983
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Also die Profis die ich kenne sind Mitglieder bei ver.di, im Bereich Publizistik & Kunst sowie in der Illustratoren Organisation e.V.
Die Problematik bei den französischen Kollegen dürfte sein, dass es dort keine Künstler-Sozial-Kasse gibt wie bei uns. Die KSK in Deutschland übernimmt die Hälfte der Krankenkassen- und Rentenbeiträge bei freien Berufen (ähnlich dem Arbeitgeber-Anteil bei Angestellten). |
20.10.2014, 12:14 | #12 |
Moderatorin Internationale Comics
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Tit for tat
Die amerikanische Szene hat sich anders organisiert.
Solange sie aktiv sind, kommen die Kreativen über die Runden - aber der kleinste Zwischenfall kann zu existenzgefährdenden Kosten führen. Dann reagiert die Community relativ schnell und versucht dem Kollegen oder der Kollegin zu helfen. Über Spenden oder karikatative Auktionen wird die entsprechende Summe dann innerhalb weniger Wochen aufgetrieben - oder nicht. Besonders Berufsanfänger sind gefährdet, wenn teure Krankheitskosten entstehen (Zähne, schwere Verletzungen) oder sie Opfer von Naturkatastrophen werden. Soweit ich es beurteilen kann, wird in der Szene Solidarität untereinander erwartet. Schließlich ist niemand davor gefeit, nie krank zu werden oder in eine Notlage zu geraten. |
10.11.2014, 11:45 | #13 | |
Moderatorin Internationale Comics
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The Hero Initiative
Aber sie hat sich organisiert: Seit Ende 2000 gibt es The Hero Initiative (gegründet als A.C.T.O.R., A Commitment To Our Roots) in Los Angeles, die Comickünstlern beispringt, wenn sie finanziell in Not geraten. Meist geht es um medizinische Notfälle oder andere Verluste, die ersetzt werden, damit das Leben der Veteranen weitergehen kann.
Zitat:
Unter den Nutznießern der Hero Initiative finden sich illustre Namen wie Gene Colan, Steve Gerber, Russ Heath, Ralph Reese und Josh Medors. |
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21.10.2014, 06:54 | #14 | |
Moderator ICOM
Beiträge: 3.006
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Zitat:
Die steht allerdings nicht in der französischen Wikipedia (oder es fehlt zumindest eine Weiterleitung). |
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28.10.2014, 15:38 | #15 | |
Moderatorin Internationale Comics
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Comics in Belgien
Der Bericht ist mittlerweile zwei Jahre alt, dennoch finde ich ihn wegen der Zahlen aufschlußreich. Leider wird nirgendwo eine Quelle angegeben, die sich nachprüfen läßt. Ich nehme an, die Interviewten haben diese Daten genannt, und dann sind die im Raum stehen geblieben.
Quelle: Albert Möller: Europas Comic-Hauptstadt Brüssel. In Belgien sind die gezeichneten Geschichten genauso Kulturgut wie Pommes und Schokolade, Weltzeit-Beitrag vom 23.07.2012 http://www.deutschlandradiokultur.de...icle_id=216183 Zitat:
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22.11.2014, 09:52 | #16 | |
Moderatorin Internationale Comics
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SnacAttack in Montreuil
Zitat:
Für die Eröffnung wird eine gemeinsame Fotosession geplant, bei der alle Demonstanten im selben T-Shirt erscheinen sollen. Wer dazu keine offizielle Einladung besitzt, kann sich direkt an BD Snac wenden. http://www.syndicatbd.org/category/actus/ |
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29.11.2014, 14:35 | #17 |
Moderatorin Internationale Comics
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"(Auf-)Marsch der Comicautoren" in Angoulême
Im Fokus der Mobilisation der Comicgewerkschaft BD Snac befindet sich natürlich der 42. Comicsalon in Angoulême (29. Januar bis 1. Februar 2015): Unter dem Motto "Ohne Autoren keine Comics. Macht mit!" lautet das Planziel, durch den Aufmarsch von 1200 Autoren die bestehende Kritik in die Medien (jenseits der Comicfachpresse und der Medienkritik) zu bringen, um öffentliche Unterstützung in einem allgemein gesellschaftlichen Rahmen zu finden.
Zu diesem Zweck haben sie sich Bill Wattersons Plakat für das Großereignis angeeignet und zeigen bloß dessen leere Panels. |
26.12.2014, 18:25 | #18 |
Moderatorin Internationale Comics
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In den Tagen zwischen den Jahren erscheint der Jahresbericht über die frankophone Comicbranche, herausgegeben vom ACBD. Je nach Lage der Werktage findet die Pressekonferenz dazu entweder kurz vor Weihnachten oder in den letzten Tagen des Jahres statt. Speerspitze des Verbandes ist der meinungsfreudige Gilles Ratier, der sicher auch diesmal eine Meinung vertreten wird. Meines Erachtens wird er sich vor dem gespannten Verhältnis zwischen den einzelnen Gruppen (Kreative, Verlage, Handel und Presse) nicht drücken können. Ich bin gespannt, welche Position er vertreten wird.
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29.12.2014, 13:17 | #19 |
Nachrichten
Beiträge: 20.774
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03.01.2015, 14:55 | #20 |
Moderatorin Internationale Comics
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Die niederländisch-flämische Sicht des Comicmarktes 2014 von Stripspeciaalzaak. Dabei berücksichtigen sie den Rapport Ratier des ACBD über den frankophonen Markt.
http://www.stripspeciaalzaak.be/Stri...hp#Jaarrapport Der Belletristik-Verlag De Bezige Bij (eine Abteilung des Medienkonzerns WPG, zu dem auch der Comicverlag Standaard Uitgeverij gehört) teilt mit, daß die durchschnittliche Auflage eines Romans bei 700 bis 800 Exemplaren liegt. Für Standaard Uitgeverij werden Comics erst ab einer Auflage von 20.000 Exemplaren rentabel. Geändert von Servalan (03.01.2015 um 15:07 Uhr) |
04.01.2015, 01:16 | #21 |
Moderatorin Internationale Comics
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Im Januar 2010* wurde die Crowdfunding-Plattform Editions Sandawe (Lasne, Brabant in Belgien) für den frankophonen Markt gegründet, deren eingeworbene Beträge seither deutlich gestiegen sind:
24. Dezember 2012 - 500.000 € 29. Dezember 2014 - 1.245.530 € Die erste gedruckte Veröffentlichung erschien am 24. August 2011: Jean-Marc Allais / Serge Perrotin: Il Pennello. Nach einer anderen Quelle erschien als erstes Album von E411 / Zidrou: Maître Corbaque", n°1: Que Justice soit (mal) faite ! schon im Februar 2011. *Laut der französischen Wikipédia im November 2009. |
04.01.2015, 13:54 | #22 | |
Moderatorin Internationale Comics
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Einer für alle, alle für einen
Unter Druck befindet sich hingegen ein Bereich des Merchandising, nämlich die kleinen Firmen, die Resin-Figuren nach Comicfiguren gestalten. Im frankophonen Bereich sind das die Firmen Artoyz in Paris und Leblon-Delienne in Neufchâtel en Bray, Normandie. So sagt Michel Rouah, der Geschäftsführer von Artoyz:
Zitat:
Laurent Buob, der Geschäftsführer, legte sofort Widerspruch ein. Artoyz sprang in die Bresche und legte als Vermittlungsangebot einen Businessplan über drei Jahre vor, bestehend aus 50.000 € Löhnen für die Angestellten und 150.000 € Investitionen im vorgeschlagenen Zeitraum. Rouah veröffentlichte sein Kommuniqué auf dem Artoyz-Blog und wies darauf hin, daß der Kleinbetrieb zum Kulturellen Erbe gehöre und entsprechenden Schutz genießen solle. Am 27. Dezember 2014 schlug das Handelsgericht in Dieppe das Angebot aus unerfindlichen Gründen aus und ordnete die Liquidation an. Noch am selben Tag startete Rouah eine Petition, für die er mindestens 5.000 Unterschriften benötigt - der Stand momentan: 1552. Quellen: Artoyz Le Figaro (2. Januar 2015) actuabd AVAAZ.org - Pétitions Citoyennes |
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06.01.2015, 15:05 | #23 |
Moderatorin Internationale Comics
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Der Jahresbericht aus Québec
Sogar für den übersichtlichen Comicmarkt im kanadischen Québec existiert ein Marktreport nach dem Vorbild des Rapport Ratier des ACBD: Rapport Viau de la BD québécoise.
Die akutelle Ausgabe heißt 2014 : L’année de la diversité (Mém9ire), die 22 Seiten lassen sich online lesen. Danach erschienen in Québec 168 Comics, 23 weitere von Autoren aus Québec wurden anderswo herausgebracht (Frankreich, Belgien, USA). |
04.02.2015, 11:46 | #24 |
Comiczeichner
Ort: Düsseldorf
Beiträge: 380
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... wobei natürlich auch die Verleger von Comics für den Pressegrosso/ der Massenware aus Italien, Japan und den USA in den letzten Jahren vermehrt klagen über Umsatzeinbußen und Auflagenrückgang. Doch solche 'dunklen Zeiten' gab es z.B. in den USA schon vorher - und auch dort haben sich Comics als Massenmedium wieder etablieren können.
Solange diese großen Märkte zusammen mit dem franko- belgischen weiter funktionieren (und produzieren) wird auch der - zu gefühlt aus 90% Lizenzen bestehende - deutsche Comics- Markt weiter bestehen. Und (vielleicht überteuerte/ sterbenslangweilige) Graphic Novels in den Regalen der Buchhandlungen sind bestimmt nicht der Untergang der Comics in Deutschland ... |
04.02.2015, 11:55 | #25 |
Nachrichten
Beiträge: 20.774
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Einen großen Teil der Graphic Novels könnte man verkaufen, indem man nur über Thema und Inhalt spricht. Ohne ein einziges Bild davon zu zeigen.
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