Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 05.12.2019, 20:16   #295  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.554
Die Spinne (Williams) 129 und 130
(= Der mächtige Thor 64)

Erscheinungstermin: 2/1979

Originalausgabe:
1) Thor # 146

Story-Titel:
1) …wenn der Donner fort ist!

Original-Storytitel:
1) …if the Thunder be gone!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



Im Film hat sich für diese Art von Geschichten der Begriff Big-Caper-Movie eingebürgert. Eine Gaunerbande überlistet mit jeweils besonderen, oft akrobatischen Fähigkeiten die Sicherheitsvorkehrungen einer Schatzkammer und stiehlt – was niemand für möglich gehalten hätte – die Wertsachen. Vor einigen Jahren lebte dieses Genre mit dem Remake „Ocean’s Eleven“ und ein paar Fortsetzungen noch einmal auf. Der Zirkus des Schreckens ist für eine solche Geschichte gut geeignet. Der Zirkuscombo fehlt nur ein Mann, der den schweren Schatz (einen goldenen Stier) wegtragen kann. Wobei man dafür natürlich einen Hydraulikkran oder ähnliches verwenden könnte. Thor ist zwar, von Odin des Großteils seiner Kräfte beraubt, ziemlich orientierungslos, wird aber zusätzlich vom Zirkusdirektor hypnotisiert, bevor er den Job übernimmt, denn er gehört ja immer noch zu den Guten und würde sich sonst an einem solchen Coup sicher nicht beteiligen. Man sieht, bei dieser Geschichte stimmt wieder das eine oder andere nicht. Aber interessanterweise kann ich mich an sie ganz gut erinnern; sie hat also ihre Wirkung auf mich als 13- oder 14jährigen nicht verfehlt.

Zunächst wird Thor vom Zirkus mit einem Kostüm ausgestattet, das seinem Kampfanzug stark ähnelt. Bisher war er mit Jeans und T-Shirt herumgelaufen. Lady Python ist von ihm sichtlich angetan und versucht, hinter sein Geheimnis zu kommen. Aber Thor schweigt. Dann wird er in die Zirkusvorstellung integriert. Und der Zirkusdirektor sorgt dafür, daß das hypnotisierte Publikum meint, den echten Thor vor sich zu haben, zu dem auch sein verzauberter Hammer zurückkehrt. Anschließend macht sich die Truppe bereit, den goldenen Stier zu stehlen. Die Polizei wird von Clown und Akrobaten abgelenkt, während Lady Python und der Kanonenkugel-Mann ins Museum eindringen. Thor nimmt den Stier auf die Schultern und trägt ihn weg. Durch einen großen Magnet wird ein Stück Wand weggerissen, damit Thor die Beute zu einem Lkw bringen kann.

Die Polizei merkt nun, was gespielt wird, und schießt. (Nebenbei bemerkt löst die Polizei in diesem Comic nur ausnahmsweise Probleme einmal nicht durch Waffengebrauch.) Durch Kugeln, die von dem Stier abprallen, erwacht Thor aus seiner Trance und merkt, was er gerade tut. Er ist unschlüssig: Soll er sich wie ein gemeiner Verbrecher ergeben oder die Cops bekämpfen? An dieser Stelle bricht die Episode ab. Vorher wird aber noch die Spannung gesteigert: Lady Python wird unter dem goldenen Stier eingeklemmt und ruft Thor zu Hilfe. Balder und Sif verfolgen die Szene von Asgard aus durch ein „verzaubertes Prisma“. Sie wollen Thor helfen, sind aber durch Odins Befehl im Reich der Asen festgehalten. Odin selbst weiß auch, was vorgeht. Er entscheidet sich, seinem Sohn wegen dessen Ungehorsam nicht zu helfen.

Lee und Kirby benutzen hier ein sehr wirkungsvolles und erfolgreiches Storymuster. Auch wenn es bei ihnen strenggenommen gar keinen Big Caper gibt. Hier werden keine Alarmanlagen listig ausgeschaltet und keine Wächter trickreich getäuscht. Die Zirkusleute verschaffen sich recht gewaltsam Zugang zum goldenen Stier – dabei zeichnet sich der Big Caper eigentlich dadurch aus, daß auf Gewalt verzichtet wird und die Einbrecher stattdessen mit Köpfchen arbeiten. Fragt sich zudem, warum der Zirkusdirektor bei dem Einbruch nicht seine Hypnose-Kraft einsetzt – natürlich wäre dann der Einsatz seiner Leute überflüssig. Immerhin: Das Muster bleibt grob erkennbar und tut beim Leser seine Wirkung. Enttäuschend finde ich jedoch insbesondere, daß Thor nicht auf Abwege geraten darf. Das wäre doch wirklich mal etwas Ungewöhnliches gewesen. In anderen Marvel-Serien hat es Helden auf der schiefen Bahn glaube ich auch in den 1960er Jahren bereits gegeben.


Geändert von underduck (05.12.2019 um 20:36 Uhr) Grund: Foto vom Cover eingefügt
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten