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Alt 16.02.2015, 14:09   #36  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Eigentlich ist das bei jedem Medium so, daß das Publikum mitgehen muß, um das Werk in allen Einzelheiten zu genießen.
Historisch betrachtet, stimme ich Harry Morgan zu: Bücher aus 100% sind eine relativ neumodische Erfindung, irgendein Zierat wurde bis vor wenigen Jahrhunderten immer hineingeschmuggelt. Die Vergötzung des reinen Textes hängt meiner Meinung nach eher mit dem bürgerlichen Nützlichkeitskult zusammen und setzt sich im 18./19. Jahrhundert durch. Die Reclam-Hefte sind insofern der letzte Ausläufer der Bildverachtung, mit dem Generationen von Pennälern gequält werden.
Was Bilder nutzte, galt seither als minderwertig: Lektüre für Kinder und Analphabeten, für Dienstboten und Ungebildete. Jedenfalls nichts, womit sich jemand profilieren kann, ohne seinen hehren Status anzukratzen.
Das Buch wird gelobt und gefördert, weil dieser Mechanismus offensichtlich ist.

Bei jedem Medium muß sich das Publikum aus einer Folge von Einzelheiten eine Geschichte basteln. Wer jedoch glaubt, die beiden Teile Text und Bild im Comic leicht voneinander trennen zu können, irrt sich. Was sich als Text im Comic lesen läßt, enthält meist visuelle Anteile (Größe der Schrift, Verzerrungen usw.), auch außerhalb der Sprechblase. Und was gesehen wird, kann zu Text werden, beispielsweise in den Anfangspanels von Will Eisners Spirit.

Ziemlich haarig, die Sache ...
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