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Alt 04.08.2019, 20:44   #128  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 68 und 69
(= Der mächtige Thor 34)

Erscheinungstermin: 10/1976

Originalausgabe:
1) Journey into Mystery # 116

Story-Titel:
1) Zweikampf der Götter!

Original-Storytitel:
1) The Trial of the Gods!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



Der Charakter der Serie hat sich nun völlig geändert. Durch den Wettkampf von Thor und Loki, der wie ein Gottesurteil einen Gerichtsspruch ersetzen soll, wird hier nicht eine in sich geschlossene Episode erzählt, sondern es werden die Voraussetzungen für Verwicklungen geschaffen, die noch viele Ausgaben später eine Rolle spielen werden. Offenbar war aber Stan Lee hier selbst noch nicht klar, daß er in eine lange Fortsetzungsgeschichte einstieg, denn darauf fehlt jeder Hinweis.

Odin bestimmt, daß Thor und Loki ohne Waffen nach Skornheim (ein Name, der in der germanischen Mythologie so offenbar nicht auftaucht) gebracht werden. Diese äußerst feindliche Umwelt kann laut Odin (beziehungsweise laut Marvel) auch einem Gott den Tod bringen. Wer von dort als erster nach Asgard zurückkehrt, hat das Gottesurteil für sich entschieden. Ob dieser Ort nun mythologisch korrekt ist oder nicht, dieser Kampf ist recht geschickt angelegt, denn Thor und Loki werden nicht so sehr gegeneinander kämpfen (was wir schon öfter gesehen haben), sondern gegen die vielen Gefahren von Skornheim, und Loki bekommt so erneut Gelegenheit, zu Tricks zu greifen.

Er hat nämlich, verborgen unter seiner Kleidung, Nornensteine mitgenommen (und damit das Verbot, Waffen mit sich zu führen, in gewissem Sinn mißachtet). Mit den Steinen zeigt er Thor zunächst, daß er die Zauberin und den Henker losgeschickt hat, Jane zu enführen, was freilich keine allzu originelle Taktik ist. Aber so bringt er Thor aus der Fassung, was dazu beiträgt, daß Thor in Treibsand versinkt. Er kann sich befreien, doch Loki hat einen Vorsprung gewonnen. Die Nornensteine helfen dem Gott des Bösen auch, eine Dornenwucherung zu durchqueren; mit ihnen kann er sich nämlich entmaterialisieren. Thor hingegen schützt sich mit seinem Umhang und bahnt sich mit schierer Kraft einen Weg durch das Gestrüpp.

Thor hat Loki eingeholt, aber er bekommt kaum Gelegenheit, ihn niederzuringen, denn ein riesiges Gladiatorenwesen namens Yagg tritt den beiden Göttern gegenüber, bereit, sie zu vernichten. Thors Freund Balder wendet sich inzwischen an Odin, der gerade ein Bad nimmt und eigentlich nicht gestört werden will. Er weist den Göttervater darauf hin, daß Loki falsch spielt, indem er Jane Foster bedroht. Odin hält bekanntlich wenig von der Frau, erlaubt Balder jedoch, sie vor der Zauberin und dem Henker zu beschützen. Diese Szene bauen Lee und Kirby munter aus. Zunächst wollen New Yorker Passanten die Zauberin und den Henker davon abhalten, sich an Jane Foster zu vergreifen. Dann wird auch ein Mitglied von Rick Jones‘ Teenagerbrigade auf die Gefahr aufmerksam und versucht, die Rächer, den Dämon und die Fantastischen Vier zu alarmieren – allerdings vergeblich; alle sind gerade beschäftigt. Immerhin: Hier wird das Marvel-Universum effektvoll aufgefächert. Dann aber taucht Balder auf. Indessen hat Thor Yagg besiegt. Loki ist ihm wieder enteilt, durchquert eine todbringende Wüste und sieht sich mit gefährlichen fleischfressenden Pflanzen konfrontiert. Seine Nornensteine schützen ihn jedoch. Thor folgt ihm und kommt wieder bis auf Sichtweite an ihn heran. Als Loki über einen mit Feuer gefüllten Abgrund springt, klammert sich Thor an ihm fest. Er ist aber geschwächt; so kann Loki ihn endgültig wegstoßen und die Barriere zu Asgard als erster durchqueren. Thor muß erkennen, daß Loki den Wettkampf gewonnen hat. Aber dies ist natürlich noch nicht das Ende.

Es gibt wieder ein paar seltsame Ungereimtheiten in dieser Story. Ein Gottesurteil haben einst Menschen benutzt, wenn eine Entscheidung für sie schwer zu treffen war. Warum aber sollten Götter zu einem Gottesurteil greifen? Daß niemand überprüft, ob Loki wirklich unbewaffnet ist, läßt die Asen ziemlich blöd dastehen. Und daß Odin nicht bemerkt, daß Loki Thor durch das Kidnapping von Jane Foster unter Druck setzt, stellt seiner Allwissenheit auch kein besonders gutes Zeugnis aus. Schließlich: Warum bricht Odin den Kampf nicht ab, nachdem Lokis Falschspiel aufgedeckt worden ist? All diese Fehler begünstigen aber eine ziemlich spannende Story. Ein klarer Minuspunkt ist für mich allerdings das Artwork des neuen Inkers Vince Colletta. Obwohl er ja schon einige Ausgaben lang die „Tales of Asgard“ geinkt hat, hat er immer wieder Mühe, die Figuren wiedererkennbar herauszuarbeiten. Er ist auch offenbar nicht in der Lage, Jack Kirbys Bleistiftzeichnungen hier und da noch zu verbessern, sondern sie werden allenfalls schlechter. Die Ausgabe punktet also für mich nicht als solche, sondern nur, weil sie den Auftakt zu einer, wie ich erwarte, gelungenen Saga bildet.

Anmerkung: "Die Spinne" habe ich ja schon komplett gelesen, deshalb verzichte ich auf die gesamten Angaben zu "Spinne" # 68 und 69. Siehe dort. Ich tue außerdem so, als ginge die Reihe "Thor" hier mit # 34 (und den folgenden) weiter.
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