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Alt 28.09.2017, 17:34   #3810  
Peter L. Opmann
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Wiederholen wir die Rechenübung vom letzten Mal. Hier sind es nur noch 69 Panels, also knapp dreieinhalb pro Seite. Die Handlung muß also ziemlich grobschnittig sein, und das bestätigt sich. Hier beginnt nach längerer Zeit mal wieder ein Zweiteiler, den Lee und Kirby freilich ein paar Jahre früher wohl in einer Ausgabe untergebracht hätten. Aber dies soll keine Kritik sein – die Fantastischen Vier sind einfach viel bombastischer geworden als in der Anfangszeit, und das paßt zu der Story, die hier erzählt wird. Allerdings stört mich etwas, was mir beim ersten Lesen vermutlich nicht aufgefallen ist: Die Handlungsfäden werden gewaltsam zusammengezwungen, das finde ich heute nicht mehr überzeugend.

Crystal, die sich letztes Mal ziemlich selbstbewußt selbst zum Mitglied der FV erklärt hat, hat nun einen Sinneswandel hinter sich: Sie muß ihr Volk, die Nichtmenschen, um Erlaubnis fragen. Noch wissen wir nicht, wie sie zur Großen Zuflucht gelangen will, da klärt sich die Frage des Reisewegs schon von selbst. Schoßhund materialisiert sich, offenbar bereit, Crystal dorthin zu teleportieren. Aber etwas stimmt nicht – hinter dem Riesenhund drängt sich eine Riesenhorde Alpha-Primitiver durch den „Interdimensionenschirm“, der ihn ins Baxter Building gebracht hat. Die FV sind völlig überrascht. Während sie früher mit den hirnlosen Kämpfern relativ problemlos fertiggeworden sind, heißt es jetzt: Widerstand zwecklos! Auch wenn sich Johnny nicht wieder von seiner Geliebten trennen will – sie schnappen sich Crystal und verschwinden mit ihr dorthin, wo sie hergekommen sind. Die FV bleiben hilflos zurück.

Jetzt sehen wir, daß die Geschichte sich ganz anders entwickelt. Crystal ist auf Befehl von Maximus, dem wahn- und größenwahnsinnigen Bruder von Black Bolt, entführt worden. Er hat es irgendwie geschafft, die Hauptfiguren der Nichtmenschen, sein Bruderherz, Gorgon, Karnak, Medusa und Triton, zu überwältigen. Die Männer stecken in einem „Kraftfeld-Gefängnis“, Medusa hat keine Kontrolle mehr über ihr Haar. Crystal hat Maximus deshalb in sein Reich geholt, damit ihm auch von ihrer Seite keine Gefahr drohen kann. Maximus will, wie sich das für einen Irren gehört, mit Hilfe einer „Hypno-Kanone“ die Herrschaft über die Erde antreten.

Die FV, genauer gesagt Reed, Ding und die Fackel, haben sich inzwischen in eine Rakete (vermutlich ihr Pogoplane) geworfen und sind Crystal hinterhergedüst. Sie ergehen sich in Spekulationen, was in der Großen Zuflucht passiert sein könnte. Als sie sie erreichen, stürzen sie durch eine Falltür und stehen – wieder mal – einem Kampf-Androiden gegenüber, an dem sie diesmal ganz schön zu kauen haben. Mit einem Blick auf die bedrohliche, wenn auch noch nicht abgefeuerte Hypno-Kanone endet die Episode im Cliffhanger – die Fortsetzung heißt: „Wird die Menschheit überleben?“ Dabei hat Ding dem Androiden schon zuvor erklärt: „Du liest wohl keine Marvels, Konservenbüchse, sonst wüßtest du, daß die FV immer gewinnen!“

Ich erzähle die Geschichte in etwas ironischem Ton, aber das ist schon ziemlich gut gemacht, sieht man einmal darüber hinweg, daß es am Anfang durcheinandergeht: Will Crystal zurück zu den Nichtmenschen, oder wird sie gegen ihren Willen dorthin entführt? Die Story ist immerhin so spannend, daß man sich mit dieser Frage nicht lange aufhält. Einerseits ist die Erzählweise fast unerträglich pathetisch, andererseits wird das in der richtigen Dosierung durch Humor und Sprüche konterkariert. Als sich der wie immer neunmalklug daherredende Reed wegen einer lähmenden Flüssigkeit an seinen Beinen nicht mehr bewegen kann, kommentiert das Ding trocken: „Wenn sie deinen Mund erreicht, spende ich was für die Wohlfahrt.“ (Der Bonmot gefällt mir genauso gut wie Michidiers.) Trotz der Holprigkeiten zu Beginn ist auch geschickt erzählt, wie Crystal und die FV nach und nach entdecken, daß Maximus wieder die Kontrolle übernommen hat. Und das ist etwas, das einen Stammleser der Serie schon schockieren kann.

Jack Kirby, dessen Zeichnungen wie immer von Joe Sinnott verschönert werden, weiß mit seinen großen Panels seinerseits eine Menge anzufangen. Eine so atemberaubende Ansicht der Großen Zuflucht wie auf dem Cover von FV # 43 gelingt ihm hier nicht noch einmal, aber der erste Blick auf den thronenden Maximus in einem absolut futuristischen, dabei angemessen fürstlichen Gewand ist vom Feinsten. Auch die Nichtmenschen in ihrem Kraftfeld-Gefängnis sehen sehr beeindruckend aus. Das Cover hat mich schon als Junge etwas irritiert, denn da inkt sehr wahrscheinlich nicht Sinnott. Es ist auf jeden Fall das Original-Cover, aber wer da auf so ungewöhnliche Weise Tusche aufgetragen hat, konnte ich nicht ermitteln.
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