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Alt 29.11.2019, 22:13   #285  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 127 und 128
(= Der mächtige Thor 63)

Erscheinungstermin: 1/1979

Originalausgabe:
1) The mighty Thor # 145

Story-Titel:
1) Auf Erden verbannt!

Original-Storytitel:
1) Abandoned on Earth!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



In dieser Ausgabe gibt es ein paar wichtige Weichenstellungen, wenn sie auch nicht schlüssig aus der Story entwickelt werden. Die Zauberer spielen nur noch kurz eine Rolle. Dann werden Thor von Odin seine göttlichen Kräfte genommen. Sein Hammer ist nicht mehr verzaubert, er ist nicht mehr unsterblich. (Wobei: War er das je?) Allerdings behält er seine übermenschliche körperliche Kraft. Außerdem wird er von Balder und Sif getrennt, die auf Odins Befehl schnurstracks nach Asgard zurückkehren, während er auf der Erde bleibt – deshalb hat er auch Odins Zorn erregt, was zu seiner Degradierung führte. Als nur noch starker Kerl kommt Thor in Kontakt mit dem Zirkus des Schreckens, der gerade einen solchen Kraftmeier sucht.

Alle diese Veränderungen rühren von Odins Befehl her, daß Thor, Sif und Balder unverzüglich nach Asgard zurückkehren sollen. Interessanterweise entscheidet sich Thor bereits dafür, auf der Erde zu bleiben, als Odins Kampf mit dem dritten Zauberer noch wogt. Er begründet das damit, daß er schon so lange auf der Erde gelebt hat. Man fragt sich dennoch: Was hält ihn hier? Jane Foster ist weg, und man erinnert sich, daß sich die Menschen vor seinem Kampf mit Herkules, als er schon einmal die Hälfte seiner Kräfte verloren hatte, rasch von ihm abgewendet hatten. Sif dagegen, seine neue große Liebe, geht nach Asgard. Da hätte es eher nahegelegen, daß Thor mitgeht.

Doch sei’s drum. Mit dieser Vorgeschichte soll Thor wieder mal auf „Normalmaß“ gestutzt werden, um seine Auseinandersetzungen spannender, ihren Ausgang knapper zu machen. Bemerkenswert finde ich dazwischen Odins Zornausbruch: Er bezeichnet sich als „rächenden Herrscher“, „der Zorn eures Fürsten dauert ewig, und sein Urteil ist zerschmetternd“. Zuvor hat er sich als gerecht und gnädig charakterisiert, aber allzu weit ist es damit wohl nicht her. Eine widersprüchliche, zum Jähzorn neigende Persönlichkeit also, wenn auch nur Ausführender eines dramaturgischen Schachzugs der Marvel-Macher. Die Anklänge an den jüdisch-christlichen Gott lassen daran denken, daß vielleicht Jack Kirby hinter dieser Volte steckt.

Tags darauf wird Thor bewußtlos in Don Blakes Praxis gefunden. Begegnungen mit dem Hausmeister und mit Menschen im Aufzug illustrieren nicht ungeschickt, daß Thor sich nun wieder an das Leben auf Erden gewöhnen muß. So hatte er sich das offenbar nicht vorgestellt. Nun kommt gleich der Zirkus ins Spiel. Für einen Coup suchen der Zirkusdirektor und seine Leute einen Muskelmann, der einen goldenen Bullen (man denkt an das goldene Kalb der Israeliten) heben und 20 Meter weit tragen kann. Thor bewirbt sich um den Job – mit seinen langen Haaren kommt er wohl als begnadeter Arzt nicht mehr in Frage. Vom Zirkus des Schreckens hat er noch nie gehört. Gleich als er in ziviler Kleidung das Zirkusareal betritt, gerät er mit dem Schoßtier von Lady Python in Konflikt. Er knäult die Schlange einfach zusammen. Aber auch die Zirkuscrew hält es anscheinend nicht für denkbar, daß sie es mit dem echten Thor zu tun hat. Aber er soll den Bullen zur Probe stemmen. Der Zirkusdirektor hypnotisiert Thor vorsichtshalber (was er beim vorherigen Kandidaten nicht getan hatte). Thor besteht – wie nicht anders zu erwarten – die Probe. Am Ende verrät der Direktor uns Lesern noch, daß Thor sterben wird, sobald er seine Aufgabe erfüllt hat.

Wäre die Story nicht so offensichtlich konstruiert, könnte sie mir ganz gut gefallen. Der Zirkus des Schreckens ist immer wieder eingesetzt worden, um Helden – vom Hulk über Spider-Man bis zu den Rächern – aus dem Konzept zu bringen, wenngleich dazugehört, daß der Plan des Zirkusdirektors immer an einer Kleinigkeit scheitert. Es ist aber stets eine recht launige Truppe. So hat diese „Thor“-Folge ihre spannenden und auch witzigen Momente, aber heute merke ich beim Lesen doch sehr deutlich, wie die Rahmenbedingungen gewaltsam manipuliert werden, um einen weniger mächtigen Thor zu bekommen, der härter kämpfen muß, beziehungsweise der auch mit eine Nummer kleineren Gegnern seine Mühe haben wird.

Geändert von Peter L. Opmann (05.12.2019 um 20:20 Uhr)
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