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Alt 19.08.2016, 14:30   #95  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard Literarisches Schreiben studieren? Lohnt sich das?

Die meisten Verlage beklagen sich über unverlangt eingesandte Manuskripte.
Grundsätzlich sind die Plätze sind für belletristische Beiträge begrenzt, und wer veröffentlichen will, muß zunächst andere von seiner oder ihrer Qualität überzeugen. Das gelingt nicht immer.
Außerdem ist das Niveau mittlerweile recht hoch, weswegen auch hochwertige Manuskripte durch das Raster fallen. Es gibt eben weniger aussichtsreiche Plätze auf dem Buchmarkt als Kandidaten für den Slot.

Wer Tante G. suchen läßt oder sich durch Zeitschriften und Anthologien schmökert, stolpert früher oder später auf Anzeigen, in denen ein Fernstudium beworben wird. Mir kam diese aufdringliche Werbung immer suspekt vor, denn wenn die wirklich so gut gewesen wären, wie sie behaupten, hätten sie diese Masche nicht nötig gehabt. In dem Fall hätten sie nämlich mit den Namen derjenigen werben können, denen der Durchbruch zumindest zeitweise gelungen ist.

Im deutschsprachigen Raum gibt es einige feine Studiengänge, an denen literarisches Schreiben studiert werden kann (Universitäten Leipzig, Hildesheim, Wien und Bern). Manche der dort unterrichtenden Professoren wie zum Beispiel Hanns-Josef Ortheil sind gut im Literaturbetrieb verankert, und etliche der Studierenden ernten ihren Lorbeer bei renommierten Wettbewerben wie dem Open-Mike in Berlin oder dem Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt.
Ansonsten wird an Hochschulen Kreatives Schreiben gelehrt, damit wissenschaftliche Texte für ein interessiertes Publikum lesbar werden und bleiben - wie die Vorbilder aus dem angelsächsischen Unibetrieb.

Mein Studium der Neueren Deutschen Literatur (sprich nach Goethe) und Medien (also plus Kino und Fernsehen) hat mir in einigen Bereichen die Augen geöffnet. Das war allerdings ein Nebeneffekt. Dieses Fach kann auch jemand studieren, der keine Gedichte, Erzählungen oder Dramen verfaßt (das sind die meisten).

Wer wirklich mit Herzblut schreibt und von der Materie nicht lassen kann, hat heute eigentlich alle Mittel, um sich die Kenntnisse und Fähigkeiten selbst anzueignen. Allein dauert das natürlich länger als im Studium, und Tutoren oder Mentoren können über den einen oder anderen Frust weghelfen oder trösten. Aber sich selbst motivieren zu können, das ist unerläßlich.

Nach meiner Studienordnung mußte ich insgesamt drei Fächer belegen. Durch die Kombination ergänzten sich Methoden und Herangehensweisen, so daß sich ein größeres Ganzes ergab. Das Wissen aus dem einen Fach kommentiert das Wissen aus den beiden anderen.

Im Grunde beschränkt sich das Prinzip Literatur studieren auf folgende Punkte:
  • Verschaffe dir einen Überblick über das, was du tun willst. Was gibt es schon? Wie hat sich Literatur im Laufe der Geschichte gewandelt?
  • Blicke über den Tellerrand hinaus: Ohne gewisse geschichtliche Kenntnisse, lassen sich bestimmte Entwicklungen nicht verstehen. Wie ticken Menschen im allgemeinen? Wie verhalten sie sich in bestimmten Situationen?
  • Jeder Mensch hat bestimmte Neigungen. Such dir ein spezielles Thema heraus und arbeite dich in die Materie ein. Mach dich ein halbes Jahr zum Experten für eine bestimmte Fragestellung.
  • Eigne dir über drei bis fünf Jahre mindestens drei solcher Expertenthemen an. Bleibe dort auf dem Laufenden. Unterhalte dich mit Fachleuten, lies Fachliteratur und verfolge aufmerksam, wie sich das Fach verändert.
Diese selbstgestellte Aufgabe regt an, hält das Hirn jung und liefert en passant auch reichlich Ideen für Geschichten, die geschrieben werden wollen.

Geändert von Servalan (25.08.2016 um 20:21 Uhr)
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