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Alt 06.09.2019, 16:36   #193  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 90 und 91
(= Der mächtige Thor 45)

Erscheinungstermin: 8/1977

Originalausgabe:
1) The mighty Thor # 127

Story-Titel:
1) Der Hammer und die Katastrophe!

Original-Storytitel:
1) The Hammer and the Holocaust!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



Lee und Kirby kriegen die Kurve und setzen zumindest das Intrigenspiel in Asgard fort, wenngleich Loki und sein Kumpel Absorber von der Bildfläche verschwunden sind, und auch das Drama um den abhanden gekommenen Nornenstein abgeschlossen ist. Etwas untergegangen ist der Umstand, daß Thor seiner Geliebten Jane Foster enthüllt hat, daß er mit Donald Blake identisch ist. Außer daß Odin das mißbilligt, hat das bisher keine besonderen Konsequenzen gehabt. Insbesondere Jane hat dieses Geständnis relativ gleichmütig geschluckt. Sie ist sogar fest entschlossen, unverbrüchlich zu Thor zu stehen, auch wenn alle Menschen sich nach seiner Niederlage gegen Herkules von ihm abgewandt haben. Thor indes ist das gar nicht recht. Er verläßt sie – vorerst -, um in Ruhe über seine Situation nachdenken zu können.

Ein neuer Aspekt kommt durch das Hollywood-Studio ins Spiel, das sich für Herkules interessiert hat (siehe vorige Ausgabe). Wir erleben jetzt, daß es von einem seltsamen Typen namens Pluto geleitet wird, der über magische Fähigkeiten verfügt und uns enthüllt, daß er Herkules eine Falle stellen will. Währenddessen beobachtet Odin den sinnenden Thor, und nun reut es ihn, daß er ihm die Hälfte seiner Kraft weggenommen hat, denn er hat sich auch in seiner Niederlage stets nobel verhalten. Dabei hat Odin allerdings offenbar vergessen (beginnende Altersdemenz?), daß er seine Odinkraft dem Berater Seidring verliehen hat, um die Bestrafung auszuführen. Seidring zeigt aber jetzt, daß er ein doppeltes Spiel spielt und diese Macht nicht wieder herzugeben gewillt ist. Er zwingt Odin in die Knie und ruft sich zum neuen Herrscher von Asgard aus.

Thor hat inzwischen seine Meinung geändert. War er letztes Mal noch gegen Odins Willen zur Erde zurückgekehrt, will er ihm nun in Asgard gegenübertreten. Dabei bemerkt er die Zerstörungen, die Seidring im Ringen und die Herrschaft angerichtet hat. Pluto bereitet weiter seine Falle für Herkules vor. Eine noch namenlose, atemberaubend schöne Frau ist Teil seines Plans. (Nebenbei: Jack Kirby hat sowas tatsächlich auch draufgehabt und es dennoch geschafft, diese femmes fatales absolut jugendfrei zu zeichnen.) Thor begegnet nun Seidring und muß feststellen, daß er gegen die Odinkraft nicht ankommt. Mit letzter Kraft eilt er in jenen Saal, wo Odins Schwert aufbewahrt wird – ein Schwert enormer Größe, das, wenn es bewegt wird, den ganzen Kosmos untergehen lassen kann. Thor pokert mit Seidring: Er droht, das Schwert in Gang zu setzen, wenn Seidring sich nicht ergibt. Und Seidring gibt sich in diesem Nervenkrieg schließlich geschlagen und gibt die Odin-Kraft zurück. Thor ist am Schwertknauf ohnmächtig geworden. Odin nimmt ihn auf seine Arme und trägt ihn hinaus. Im nächsten Heft wird sich das Geschehen wieder auf die Erde verlagern, zu Herkules und Pluto.

Ist "Holocaust" im amerikanischen Englisch eigentlich bedeutungsgleich mit "Weltuntergang"? Hab' mal eben nachgesehen: Das Wort bedeutet tatsächlich "vollständig verbrannt" und wird hier nur auf die Judenvernichtung durch die Nazis angewandt. "Shoah" würde "Katastrophe" bedeuten, was als deutsche Übersetzung für diesen Thor-Titel gewählt wurde. In Deutschland würde es sich zweifellos verbieten, irgendeine Comicstory mit dem Holocaust in Verbindung zu bringen.

Diese Episode hat mich als Jungen durchaus gepackt. Heute bleibe ich mehr an Logiklücken hängen: Wenn Odin über zwei Kraftquellen verfügt, warum hat sich Seiding dann nicht gleich des Odin-Schwerts bemächtigt? Warum liegt dieses Odin-Schwert eigentlich unbewacht und ungesichert in irgendeinem Saal von Asgard herum? Warum läßt sich Seidring bluffen? Hätte Thor wirklich das Ende der Welt in Kauf genommen, um ihn zu stoppen? Außerdem: Warum weist Thor Jane ab, nachdem er ja extra auf die Erde gekommen war, um sie wiederzusehen? Und warum kehrt er dann doch schnell nach Asgard zurück (abgesehen davon, daß er natürlich gebraucht wird, um Seidring aufzuhalten)? Ich muß aber gestehen, daß es Lee und Kirby immerhin schaffen, daß man als Leser nicht allzu viel über solche Widersprüche und Fehler nachdenkt. Die Story ist trotzdem spannend erzählt. Bei der Grafik fällt auf, daß Collettas dünne Tuschelinien diesmal im Extremfall überhaupt nicht reproduziert werden (siehe „Spinne“ # 91, Seite 30 links unten).


Geändert von Peter L. Opmann (07.09.2019 um 09:37 Uhr)
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