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Alt 15.02.2011, 00:31   #55  
Servalan
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Zwei Theaterstücke aus dem alten England der Queen Elizabeth (der ersten!), also der Zeit Shakespeares (Mitte bis Ende des 16. Jahrhunderts):
The Spanish Tragedy von Thomas Kyd - einer der Blockbuster um 1588 (auch bekannt als Jeronimo) und
Arden of Feversham vermutlich von Thomas Kyd oder/und William Shakespeare - darüber streiten noch die Gelehrten.
Beide habe ich einem Band aus der Everyman Library gelesen, die sich Pre-Shakespearean Tragedies widmet. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ging es darum, die Tragödie zu popularisieren, womit diese Stücke gewissermaßen die Vorläufer der Pop(ulär)kultur sind.

The Spanish Tragedy besitzt starke Ähnlichkeit mit Hamlet, zumal hier der Haushofmeister Hieronimo (der Namensgeber des anderen Titels) im Mittelpunkt steht, der seinen ermordeten Sohn Horatio (sic!) rächt. Das Drama trägt sich am Spanischen Königshof zu, kurz nach der Eroberung Portugals, das nicht nur zu Tributzahlungen gezwungen wurde. Dreh- und Angelpunkt ist die schöne Bellimperia, die mit Don Andrea verbandelt war, aber der wurde im Krieg gemeuchelt und sinnt aus dem Zwischenreich auf Rache. Wegen der Staatsräson wird die wieder freie Bellimperia mit Lorenzo verkuppelt, dem Neffen des Spanischen Königs; heimlich liebt sie allerdings Horatio. Horatio und Lorenzo haben in einem Duell während des Krieges den portugiesischen Kronprinzen gefangengesetzt, weshalb ihnen der Spanische König zu Dank verpflichtet ist. Lorenzo paßt auf die Geisel auf, weshalb sich der Kronprinz prompt in Bellimperia verliebt. Und schon beginnt das Morden (und Selbstmorden). Der lästige Horatio wird im Garten seines Vaters gemeuchelt und an einem Baum aufgeknüpft, doch Hieronimo läßt sich nicht täuschen. Er benutzt ein Theaterstück, das er vor ewigen Zeiten geschrieben hat, als Köder, um die Mörder in seine Intrige einzubinden. Das Theaterstück soll zur Feier der Verlobung zwischen Bellimperia und den Kronprinzen am Königshof als Puppenspiel aufgeführt werden. Dabei kommt es zum blutigen Showdown. - Fließt sich flüssig, die Charaktere sind überzeugend gezeichnet und die Dramaturgie kann mitreißen, obwohl sie manchmal etwas ruckelt.
9.0/10.0

Arden of Feversham ist die Dramatisierung eines realen Mordfalls aus dem frühen 16. Jahrhundert, ein Teil der damaligen Populärkultur. Der Händler Thomas Arden wurde zwar erst vor kurzem mit einem Lehen des Königs bedacht, ist aber eher ein melancholischer Charakter, den sein Freund Franklin aufzuheitern versucht. Aber Arden hat gute Gründe mißtrauisch zu sein, denn er eigentlich ist er (außer seinem treuen Franklin) allen anderen bloß im Weg. Sein Rivale Mosbie hat ein Verhältnis mit Alice Arden, dessen Dienerin Susannah ist Mosbies Schwester, und in die ist Ardens Diener verknallt. Als Arden und Franklin zu einer Geschäftsreise nach London aufbricht, plant die Intriganten ihn im Trubel der Stadt zu ermorden. Dazu werden die berüchtigten Kriegsveteranen und Schwerkriminellen Black Will und Shakebag verdingt. Leider kommt kurz vor dem tödlichen Überfall dreimal was dazwischen, so daß Arden schließlich im eigenen Haus ermordet wird. Alice hat erhebliche Schwierigkeiten, das Blut zu beseitigen, und frischer Schnee sorgt dafür, daß die Spuren rasch zu den Schuldigen führen.
Ein wahres Kleinod, eine Art Fargo im historischen Gewand, das ich mir sehr gut als Film oder Comic vorstellen könnte. Sprachlich soll der Text dem verwendeten Vokabular Shakespeares gleichen, mir kam er allerdings leichter vor.
10.0/10.0
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