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Alt 19.07.2015, 15:18   #52  
Servalan
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Zum nächsten Band derselben Reihe:

Edward de Capoulet-Junac: Pallas oder die Heimsuchung (st 1136 PB 149 - 1985, die Originalausgabe erschien 1967)

Innerhalb der Science-Fiction dürfte es sich dabei um einen Geheimtip handeln, während das breite Publikum den Titel wahrscheinlich überhaupt nicht einordnen kann. Die Literatur über das Werk und den Autor sind spärlich, allerdings neigen sich die Meinungen dabei zu Extremen. Für Martin Iwoleit rangiert das schmale französische Bändchen unter den 10 besten SF-Romanen (in einer Liga mit Stanisław Lem, Philip K. Dick, den Strugatzki-Brüdern und Arthur C. Clarke). Lem, hat den Band wahrscheinlich von Franz Rottensteiner bekommen, weil der Hausherr des Quarber Merkur gewisse Ähnlichkeiten mit Lems eigenem Stil erkannt hatte. Leider mißfiel Lem der Titel, und in Phantastik und Futurologie verreißt er diese gute SF nach Strich und Faden, bis buchstäblich nichts mehr davon übrigbleibt.

Die Story läßt sich rasch nacherzählen: Oktopusähnliche Aliens besetzen die Erde und entführen Erdbewohner. Zu den Entführten gehört auch der Erzähler und seine Cousine, die beide gerade erwachsen geworden sind. Der Band erzählt nun, wie es ihm auf dem fremden Planeten Pallas erging. Weil Menschen mit den vier Meter großen Aliens nicht kommunizieren können, laufen Kontaktversuche ins Leere. Die massenhaft Verschleppten versuchen, den Sinn und Zweck ihrer Entführung herausfinden, kommen jedoch von einem Rätsel zum nächsten. Fluchtversuche und Aufstände laufen ins Leere, und die nächste Generation richtet sich auf ihre Weise auf ein Leben an der Seite der Palladier ein.

Vor kurzem wurde in der französischen Wikipedia spekuliert, ob sich hinter dem Pseudonym ein berühmter Politiker verstecken könnte. Im Gespräch war dabei Jean-Pierre Soisson, zuerst Bürgermeister von Auxerre, später bekleidete er ranghohe Posten in der nationalen Politik. In Südfrankreich existiert nämlich eine Gemeinde Capoulet-et-Junac. Das Original erschien nämlich an prominenter Stelle in einer Reihe, die SF in Frankreich an Unis und unter Jugendlichen populär gemacht hat: als Band 100 von "Pré-sence du futur".

Besonders an dem autoritätsgläubigen Menschenbild wird deutlich, daß der Band in der Zeit vor '68 (und erst recht vor Métal Hurlant) verhaftet ist. Beim Lesen dachte ich weniger an Lem, sondern eher an einen ausgeuferten Frederic Brown. Beiläufig werden etliche Zitate, Anspielungen, wissenschaftliche und politische Theorien eingestreut, wodurch sich ein dichter Text ergibt, der nicht geschwätzig ist.
Für mich hatte der Roman einen gewissen Reiz, allerdings sind einige Kapitel der Entwicklung recht absehbar. Manches erinnert an dabei an Jonathan Swift, anderes an René Laloux.

Gesamtnote: 7.5/10.0

Geändert von Servalan (19.07.2015 um 15:28 Uhr)
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