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Alt 13.08.2018, 11:23   #268  
Peter L. Opmann
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Ein paar Bemerkungen über das Stan-Lee-Interview möchte ich nun gesondert ablassen. Zu meiner Überraschung habe ich nämlich festgestellt, daß der zweite Teil in der „Spinne" gar nicht auftauchte. Die Redaktion ging offenbar davon aus, daß die Leser sich tatsächlich alle oder zumindest einen Großteil der Titel einer Monatsproduktion kaufen, was auf mich jedenfalls nicht zutraf. Ich habe den zweiten Teil nun in „Thor“ # 25 gelesen.

Die Fragen sind mit „H“ gekennzeichnet; ich tippe mal auf Hartmut Huff, der offenbar in New York war und Meister Lee persönlich interviewen durfte. Das Interview war als Auftakt der Porträt-Reihe von Marvel-Zeichnern gedacht, was der Aussage zu entnehmen ist, man wolle das Versprechen einlösen, „alles Wissenswerte“ über Autoren, Zeichner und Verleger zu bringen. Folgende Porträts wurden ab der 26. Produktion gebracht: John Romita, John Buscema, Kirsten Isele, Roy Thomas, Jack Kirby, Neal Adams, Gene Colan, Marie Severin und Bill Everett.

Zurück zu Stan Lee. In der siebten Produktion gab es bereits einen Artikel mit dem Titel „Wer ist Stan Lee?“ Hier nun soll er eigentlich nicht vorgestellt werden, weshalb das Interview auch nicht so recht zu der Porträt-Reihe paßt. Was Hartmut Huff vorhatte, ist seiner ersten Frage zu entnehmen: „Wie steht es um die Comic-Szene von heute?“ Als erstes fällt auf, daß da vom „Goldenen Comiczeitalter“ die Rede ist, das Lee für die Marvels ab 1961 in Anspruch nimmt. Entweder war da der Begriff „Silver Age“ noch nicht eingeführt, oder Huff kannte ihn nicht. Lieblingsfiguren hat Lee nach eigenem Bekunden nicht, nennt dann aber doch die Spinne und den Silberstürmer.

Damit sind wir schon beim zweiten Teil des Interviews, das etwas länger ausfällt. Lee soll sich nun zur Comicszene in Deutschland äußern, die er garantiert nicht kannte. Er tut auch nicht so, als ob, zeigt sich nur überzeugt davon, daß Comics ein ur-amerikanisches Medium sind, aber Zeichner in anderen Ländern sie nachahmen und ebenfalls Profis werden. Das könnte auch in Deutschland passieren. Zur Frage, ob Comics Kunst sind, äußert er sich vorsichtig, meint dann aber, daß es bei Kunst hauptsächlich um Kommunikation geht und er Comics gern benutzt, um mit anderen Leuten darüber zu reden. Die offene Abschlußfrage („Hast du deinen deutschen Lesern etwas zu sagen?“) nutzt Lee, um das Credo zu wiederholen, das auch von der Williams-Redaktion immer wieder angestimmt wird: Comics sind Unterhaltung, auch wenn sie vielleicht ein bißchen zum Denken anregen können. Er wolle aber vor allem Freude und Entspannung bereiten.

Ein routiniertes Gespräch, in dem es Huff nicht gelingt, seinen Gesprächspartner aus der Reserve zu locken. Vielleicht hatte er die Schere im Kopf, indem er daran dachte, daß das Interview letztlich vor allem eins sein soll: Werbung für Williams. Die anschließenden Zeichner-Porträts fand ich gelungener, denn bei aller Kürze brachten sie manches Wissenswerte über die Leute. Selbst über bekannte Namen wie John Buscema oder Neal Adams wußte man damals ja kaum etwas.
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