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Alt 06.01.2020, 19:55   #374  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 137 / (Marvel Deutschland) 138 und 139
(= Der mächtige Thor 68)

Erscheinungstermin: 5/1979 / 1998

Originalausgabe:
1) Thor # 150

Story-Titel:
1) Selbst im Tod…

Original-Storytitel:
1) Even in Death…

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



Thor ist tot; seine Freunde Balder und Sif können ihm nicht mehr helfen. Die Williams-Ära endet an einem Punkt, der den denkbar extremsten Cliffhanger abgibt. Dabei hat die Redaktion zum Abschluß nur so viel von der anstehenden Thor-Story abgedruckt, wie eben möglich war – zwölf Seiten. Hätte ich damals die restlichen vier Seiten des Hefts noch lesen können, hätte die Geschichte ganz anders ausgesehen. Zwar ist nun der Vernichter, die ultimative Waffe Odins, aufgetaucht, doch ist Thor wieder am Leben, indem sein Geist einfach wieder in seinen Körper schlüpft. Warum das die Totengöttin Hela zuläßt und wie das nach Thors Ableben überhaupt möglich ist, bleibt mir schleierhaft. Ich hätte es reizvoller gefunden, wenn Thor wenigstens ein paar Ausgaben lang ein Geist geblieben wäre. Das hätte mal eine ganz andere Perspektive für das Epos bedeutet. Aber vermutlich hätten dann die Macher von „Casper, dem freundlichen Geist“ Einspruch erhoben.

Der Zerstörer stellt gleichsam amtlich fest, daß Thor tot ist: kein Pulsschlag mehr. Er verläßt das Schlachtfeld. Dann taucht Hela auf, um Thor für immer ausruhen zu lassen. Doch dessen „Astralleib“ erhebt sich; er will mit ihr reden, was sie „unziemlich“ findet. Balder ist noch unterwegs ins Nornenreich, um Odins Kristallkugel zurückzuholen. Das wollen Loki und die Nornenkönigin verhindern, Die Trolle entführen Sif (mal wieder) und nehmen Balder gefangen. So scheint auch die Chance, daß Odin noch eingreifen könnte, dahin zu sein. Thor macht Hela inzwischen klar, daß „noch ein Funke Leben“ in ihm ist. Sie läßt ihn ziehen. Thor folgt dem Zerstörer, der bereits dabei ist, eine Gruppe Polizisten aufzumischen. Er will eingreifen, doch in seiner Geistgestalt kann er nichts tun. Die anderen bemerken seine Anwesenheit nicht einmal.

Sif ist Gefangene der Nornenkönigin und fleht sie an, sich ihrer Mission nicht in den Weg zu stellen. Die Königin macht ihr klar, daß sie diese Mission kennt, Thor aber bereits verstorben ist. Sif wiederspricht: Sie spürt, daß noch ein Funke Leben in ihm ist. Da macht ihr Lokis Komplizin einen wahnwitzigen Vorschlag: Sif soll Thor im Körper des Vernichters (siehe „Thor“ # 36 und 37) vor dem Zerstörer (also dem „Wrecker“) retten. In ihrer Verzweiflung willigt Sif ein. Sie denkt nicht daran, daß der Vernichter nicht sprechen kann und sie daher Mühe haben wird, sich Thor verständlich zu machen. Lee und Kirby scheinen ihrerseits nicht daran gedacht zu haben, daß der Vernichter damals unter einem asiatischen Tempel begraben worden war. Wie ihn die Nornenkönigin so schnell aus dem Ärmel schütteln konnte, bleibt wohl ihr Geheimnis.

Die letzten Ereignisse konnten bei Williams nicht mehr mitverfolgt werden. Vor allem aber entging dem Leser damals eine unerwartete Wendung: Thor, der immer noch als Geist umherwabert und so dem Zerstörer auf den Fersen ist, beschließt, in seinen Körper zurückzukehren – in der Hoffnung, daß der sich erholen wird. Das heißt, das Herz müßte nach vielen Minuten doch wieder zu schlagen beginnen. Doch, was soll ich sagen: Es klappt. Thor lebt wieder! Da taucht der Vernichter auf und macht mit dem Brecheisenmann kurzen Prozeß. Sif winkt Thor in Gestalt des Vernichters. Aber der kann sich nicht vorstellen, daß dieses Wesen ihm eine freundliche Geste zeigt. Er stürmt los, selbstverständlich mit weiter stark dezimierten Kräften, um den Vernichter zu besiegen.

Diese Geschichte kann ich nur so beurteilen, wie ich sie gelesen habe: Bis zum Ende der Williams-Veröffentlichung ist sie von großer Dramatik, ja, einer gewissen Tragik. Die restlichen vier Seiten, die Williams nicht mehr drucken konnte, erscheinen mir dagegen läppisch, an der Grenze zur Selbstparodie. Immerhin – ich muß zugeben, daß Lee und Kirby sich Mühe geben, für neue Verwicklungen zu sorgen. Doch wie ich oben schon sagte: Viel reizvoller wäre gewesen, wenn Thor wirklich tot gewesen wäre – zumindest für zwei oder drei Ausgaben. Abbitte muß ich Vince Colletta leisten. Zwar hatte ich schon festgestellt, daß der Inker zunehmend an Routine gewinnt, aber in dem klareren, differenzierteren Druck bei Marvel Deutschland sieht sein gesamtes Inking deutlich besser aus. Ich würde nur dabei bleiben: An die Ergebnisse eines Chic Stone oder Joe Sinnott reicht er nicht heran.

Letzte Bemerkung: Körperwechsel scheint zu dieser Zeit (etwa 1967) im Hause Marvel ein beliebtes Thema gewesen zu sein. Spontan fällt mir der Körpertausch von Dr. Doom und dem Dämon ein, und beim Eisernen (in der Gene-Colan-Zeit) hat es sowas auch mal gegeben. Außerdem denke ich noch an das "Monster von Frankenstein" (vermutlich in "Monsters unleashed"), wo einmal die Gehirne eines Menschen und einer Maus ausgewechselt werden; das war allerdings einige Jahre später.


Geändert von underduck (06.01.2020 um 20:22 Uhr) Grund: Coverfoto eingefügt
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