Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 28.05.2018, 08:46   #129  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.507
Spinne (Williams) 27

Erscheinungstermin: 2/1975

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 25
2) Tales to Astonish # 94

Story-Titel:
1) Gefangen von J. Jonah Jameson!
2) Hilflos, in den Händen Dragorrs

Original-Storytitel:
1) Captured by J. Jonah Jameson!
2) Helpless, at the Hands of Dragorr!

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Bill Everett

Text:
1) Stan Lee
2) Roy Thomas



Dieses Heft fällt für mich etwas aus dem Rahmen. Ich kenne es seit etwa 1977/78 aus einem Superband, und mir ist damals eigentlich nichts Besonderes daran aufgefallen. Schlecht fand ich den Band nicht, aber irgendwann um 2000 habe ich ihn nochmal gelesen und fand plötzlich, daß das ein außerordentlich komödiantisches Kabinettstück ist. Die Spinne kämpft wieder gegen einen Roboter, aber dieser Roboter trägt das Gesicht von J. Jonah Jameson und gehorcht dessen Befehlen. Jameson spielt also hier erstmals eine tragende Rolle, und ich sah in ihm plötzlich eine komische Figur beinahe Molièreschen Zuschnitts (kann man das so sagen?).

Die Splashpage ist bei Ditko (auch schon in den vorherigen Ausgaben) zu dieser Zeit eine Art Titelseite. Hier werden die Hauptfiguren in Vignetten gezeigt, und man sieht die Spinne vor dem Roboter mit JJJs Visage flüchten. Interessant ist der Hinweis, den Plot der Story habe Steve Ditko erträumt. Das ist mindestens der zweite Hinsweis darauf, daß Stan Lee jedenfalls nicht allein für die Story verantwortlich ist. Von Streit um die Urheberschaft der Geschichten war das Duo Lee/Ditko damals noch weit entfernt.

Es geht wieder mal mit einer stinknormalen Einbrecherbande los, die Peter Parker beobachtet. Er will sich gerade in die Spinne verwandeln, da sieht er einen Polizisten in der Nähe. Also macht er ihn per Spinnensignal auf die Bande aufmerksam und konzentriert sich stattdessen aufs Knipsen der Szene. Die Fotos will er anschließend an JJJ verhökern. Der ist wenig geneigt, sie zu nehmen. Da Peter dringend Geld braucht, preist er sie gnadenlos an: Was für eine Blamage für die Spinne – bevor sie eingreifen kann, erledigt die Polizei bereits die Sache! Jonah beißt an („Gut, daß ich drauf gekommen bin!“). Das empört Betty Brant. Obwohl sie sonst die Spinne wohl nicht weniger haßt als der Bugle-Verleger, findet sie hier, daß Peter sie ungerecht behandelt.

Ihre Auseinandersetzung wird unterbrochen, denn Konstrukteur Schmidt will Jameson seinen neuen Roboter vorführen. JJJ wehrt ab: Mit einem Roboter ist er schon einmal reingefallen („Spinne“ # 8). Aber Peter schmeichelt sich nochmal bei ihm ein: Falls die Spinnenjagd ein Fehlschlag wird, verliere er nichts, aber andernfalls winke ihm Ruhm! Und wieder spricht Jonahs Eitelkeit an: „Vielleicht war ich voreilig!“ Schmidt demonstriert die Fangkünste seines Roboters ausgerechnet an Peter. Er hat sich selbst doppelt reingelegt: Betty ist wieder sauer, und er hat einen sehr gefährlichen Gegner am Hals.

Der Konflikt mit Flash Thompson wegen Peters Nachhilfestunden für Liz Allen schwelt an der Highschool weiter. Aber plötzlich taucht der Roboter auf, und Peter nimmt Reißaus, Flash natürlich hinter ihm her, und dahinter folgt Liz, die annimmt, Peter fliehe vor Flash. Jetzt folgt eine eher konventionelle Verfolgungsjagd zwischen Spinne und Roboter, wobei sie sich aber permanent dafür verwünscht, daß sie selbst die Probleme verschuldet hat. Und Jonah am Steuerpult des Roboters triumphiert („Den Tag werde ich zum Nationalfeiertag machen!“). Der erste Feind der Spinne mit den Sprüchen von Jonah Jameson!

Liz und vor allem Betty versuchen derweil, die Spinnenjagd zu sabotieren. Betty will dem Roboter den Stecker ziehen, aber JJJ scheucht sie aus seinem Büro, bevor sie es schafft. Jetzt will sie von Peter, daß er Jonah dazu bringt, die Aktion zu beenden. Aber wo steckt er? Das interessiert auch Liz, die fürchtet, daß Peter von Flash verprügelt wird. Beide Frauen, die sich gegenseitig spontan unsympathisch sind, tauchen bei Tante May auf und erleben eine böse Überraschung: Da sitzt schon Mary-Jane Watson (first appearance!) und wartet auf Peter. Wir Leser können ihr Gesicht vorerst nicht erkennen, aber ihr Aussehen scheint atemberaubend zu sein.

Die Spinne ist inzwischen müde geworden. Sie stellt sich dem Roboter und gerät in seine Fangarme, denen er offenbar nicht entwischen kann. Jonah sieht sich schon als Sieger. Er erklettert mit Schmidt das Hochhausdach, wo die Spinne gefangen worden ist, und zieht ihr die Maske vom Gesicht. Aber da ist gar kein Gesicht. Peter Parker bewegt das Spinnenkostüm an Marionettenfäden (okay, das würde in Wirklichkeit sicher nicht funktionieren, aber das wollen wir mal so stehen lassen). Er hat nämlich in letzter Minute den Aus-Knopf des Roboters gefunden (wie in „Spinne“ # 8). JJJ hat wieder mal das Nachsehen. Zum Schluß hat nochmal Tante May einen Auftritt: Sie hat Peters Zimmer aufgeräumt und dabei ein Spinnenkostüm gefunden. Wie soll Peter das erklären? Er will Tante May ja auch nicht anlügen. Aber er kann behaupten: Dieses Kostüm habe er noch nie getragen. Tante May hat nicht angenommen, daß er die Spinne ist; damit er mit dem Kostüm aber „keinen Unsinn anstellt“, nimmt sie es unter Verschluß. Irgendwie scheint es aber doch das eine Kostüm zu sein, das er besitzt – wie soll er nun wieder zur Spinne werden?

Okay, an Molière kommt diese kleine Geschichte natürlich nicht heran, aber sie wird doch wesentlich von komischen Figuren und Verwicklungen getragen. Selbst am Kampf gegen den Roboter ist das Auffälligste, daß er auf einem Bildschirm Jonahs Gesicht trägt und über eine Sprechanlage dessen Sprüche verbreitet. Und Peter ist hier kein makelloser Held, sondern begeht tatsächlich eine große Dummheit, indem er Jonah überredet, den Roboter auf die Spinne anzusetzen. Interessant, daß auch „Spinne“ # 8 einen komödiantischen Zug hatte. Steve Ditko setzt die emotionalen Verwicklungen ziemlich meisterhaft in Szene: die Entrüstung der Frauen, die eitle Überheblichkeit von Jonah, die dumpfe Wut von Flash, die Speichelleckerei und anschließende Reue von Peter. Gut auch das Cover: ganz fokussiert auf die Spinne und den Roboter mit Jonahs Gesicht, ohne irgendwelche Hintergründe.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten