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Alt 01.03.2010, 11:11   #921  
michidiers
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Detlef: Mal sehen, wenn mir nochmals ein Illustrierter Klassiker über den Weg läuft, dann werde ich natürlich wieder zuschlagen.

Oh, fast vergessen:


„Signal to noise“

von Neil Gaiman/Dave Mckean

Inhalt: Nachdem ihm ein tödlicher Tumor diagnostiziert wurde, plant ein erfolgreicher Filmregisseur einen letzten Film, der nie aufgeführt werden soll. Den sicheren Tod erwartend, entsteht in den Gedanken des Regisseurs das Screenplay, die Rollenbesetzung und der Plot des Filmes. Der Film handelt von einem bevorstehenden Weltuntergang. Im Jahre 999 n. Chr. haben sich in der Nacht zur Jahrtausendwende die Bewohner eines abgelegenen mitteleuropäischen Dorfes zusammengefunden, um das drohende Armageddon zu erwarten.

Bei dieser beängstigenden Lektüre erwartet den Leser nicht gerade ein einfacher Stoff. Neil Gaiman und Dave Mckean schaffen eine erzählerisch und graphisch beunruhigende Reise in die Tiefen der Seele eines sterbenden Menschens. Sie gehen dabei fast an die Grenzen des im Medium Comic darstellbaren.

Mckeen benutzt eine Mixtur aus Collagen und Geflechten von Zeichnungen, Fotos und computergenerierten Grafiken um die von Neil Gaiman meisterlich verfassten Gedanken des sterbenden Filmemachers auf den Leser wirken zu lassen. Man scheint fast zu meinen, dass die verstörenden Informationen aus den Gedanken des Protagonisten sich kaleidoskopartig über die Augen direkt in das Gehirn des Lesers festsetzen. Wahrlich meisterlich und mein persönlicher Höhepunkt der Story ist dabei die Darstellung der vier Reiter der Apokalypse. Jedem einzelnen ist eine volle Seite gewidmet. Mckean bedient sich dabei bei den Elementen der antiken Kunst, beim Kubismus, beim Expressionismus und bei biblischen Stichen. Wer diese vier Bilder, jedes ein Meisterwerk für sich, einmal gesehen hat wird diese wohl nie mehr aus seinem Gedächtnis verlieren.

Um „Signal to noise“ etwas näher zu verstehen, hilft ein Exkurs in die Welt der Technik. Mit „Signal to noise“ ist die Relation zwischen dem Empfang eines Signals zu dem mit diesem stets einhergehenden Hintergrundrauschen gemeint. Wir kennen es alle von der Sendersuche im Radio. Und das ist sicherlich auch ein Schlüssel zum Verständnis des Werkes. Alles was wir aufnehmen an Signalen aus unserer Umwelt, seien sie optisch oder akustisch, hinter allem kann etwas unbekanntes, etwas bedrohliches stecken, was uns zu verschlingen droht. Gaiman und Mckean packen diese Botschaft in zwei parallel verlaufende Handlungen. Einerseits das, was das Umfeld und der Betrachter offen sehen (der langsame Tod des Protaonisten) und dahinter versteckt der Film, der in den Gedanken des Sterbenden langsam eine bedrohliche Gestalt annimmt.

Ob mir das meine vielen Fragen, die mir nach der Lektüre aufkamen, auch tatsächlich beantwortet, lasse ich einmal im Raume stehen. Der bleibende Rest an Fragen sollte dann jenem Quäntchen Unergründlichkeit geschuldet sein, das zu jedem guten Kunstwerk gehört.

Geändert von michidiers (01.03.2010 um 11:23 Uhr)
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