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Alt 04.09.2019, 15:12   #192  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 88 und 89
(= Der mächtige Thor 44)

Erscheinungstermin: 7/1977

Originalausgabe:
1) The mighty Thor # 126

Story-Titel:
1) Wen die Götter vernichten…!

Original-Storytitel:
1) Whom the Gods would destroy!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



Jetzt ist klar, warum mir das letzte Heft wie eine Übergangsausgabe vorkam. Denn nun beginnt die neue Heftreihe „The mighty Thor“ und löst das bisherige Magazin „Journey into Mystery" ab – allerdings nur halbherzig. Heute, da Superheldenserien häufiger neu gestartet werden, als man sein Hemd wechselt, erscheint es kurios, daß die Redaktion damals davor zurückschreckte, mit „Thor“ # 1 zu starten, sondern die Zählung von JiM fortsetzte. Zudem bleibt die Magazinstruktur erhalten, das heißt, „Thor“ muß sich weiter mit 16 Seiten begnügen, hinzu kommen wie gehabt fünf Seiten „Tales of Asgard“. Etwas seltsam mutet auch an, daß Herkules zum Gaststar dieser Startnummer gemacht wird. Herkules ist wie Thor eine mythologische Figur (entnommen den altgriechischen Götter- und Heldensagen), aber keine Marvel-Figur. Naheliegender wäre gewesen, einen bewährten alten Feind Thors zu wählen oder auch einen spektakulären neuen Superschurken zu kreieren. Herkules spielte zwar im Folgenden eine gewisse Rolle im Marvel-Universum (wurde Rächer-Mitglied und dann Mitglied der Champions), konnte aber keine richtige Marvel-Figur werden, weil jeder Verlag in seinen Comics einen Herkules auftreten lassen konnte, was DC auch ausgiebig getan hat.

Thor und Herkules geraten wegen Jane Foster aneinander. Zwölf Seiten dieser Episode sind dem Kampf gewidmet, bei dem die Kontrahenten sich nicht nur gegenseitig beharken, unter anderem auf einer fahrenden U-Bahn, sondern auch einen Truck zusammenfalten und ein Hochhaus umstürzen. Aus heutiger Sicht sind das recht bescheidene Proben ihrer ungeheuren Kraft, Jack Kirby zoomt sie jedoch in der Regel so nahe heran (wie man schon beim Cover sieht), daß sich die Körperlichkeit des Duells deutlich vermittelt.

Zwischendurch sehen wir Odin nachdenken, wie er Thor für seinen letzten Ungehorsam (er kehrte eigenmächtig auf die Erde zurück, um Jane Foster wiederzusehen) am besten bestrafen kann. Als Ratgeber dient dem entschlußschwachen Göttervater ein gewisser Seidring aus dem Kronrat (kommt in der gemanischen Mythologie wohl nicht vor), der ihn dahingehend beeinflußt, daß er keine Gnade zeigen sollte. Weil ihm nichts Besseres einfällt, halbiert er Thors Kraft, wie er das in Ausgabe # 19 schon einmal getan hat, obwohl er weiß, daß Thor gerade gegen Herkules kämpft. Die Folge: Thor kann nun mit Herkules nicht mehr mithalten, versucht noch, eine massive Baumaschine auf den Olympioniken zu schleudern, schafft es aber nicht mehr. Herkules will den Kampf gegen seinen unterlegenen Gegner abbrechen, was Thor nicht hinzunehmen gedenkt, und so schlägt Herkules ihn schließlich k.o.

Ganz schön finde ich die Schilderung, wie die New Yorker, die Augenzeugen des Zweikampfs geworden sind, sich sofort auf die Seite von Herkules schlagen, ihn hochleben lassen und den besiegten Thor keines Blickes mehr würdigen. Bestenfalls haben sie noch ein bißchen Spott für ihn übrig („sein Donner hört sich mehr wie ein Gepiepse an“). Lee und Kirby lassen aber die bisher völlig vernachlässigte Melodramatik am Ende zu ihrem Recht kommen. Der gedemütigte Thor will nun auch Jane Foster zurückweisen, die allein bei ihm geblieben ist. Sie versichert ihm jedoch, daß sie nur ihn liebt. Und zu allem Überfluß mischt sich auch Odin ein, der Jane auffordert, Thor in dieser schweren Stunde beizustehen. Ergibt zwar keinen Sinn, geht aber richtig ans Herz.

Für meinen aktuellen Geschmack ist diese Story zu actionbetont. Wenngleich Jack Kirby das natürlich hervorragend und wuchtig inszeniert. Für das erste reine „Thor“-Heft ist sie jedoch schon das Richtige. Das Verhalten von Odin, aber auch Jane ist nicht ganz schlüssig und rührt den Leser doch an. Herkules ist mir zu sehr bloßes Mittel zum Zweck, Thor einmal eine empfindliche Niederlage beizubringen, und die Verminderung seiner Kraft ist nicht mehr sehr originell. Wie es weitergeht, bleibt offen. Vielleicht wußte es Stan Lee selbst noch nicht. Offene Handlungsfäden gibt es im Moment keine mehr, sieht man davon ab, daß Thor irgendwie rehabilitiert werden und weiter um seine Liebe zu Jane bei Odin kämpfen muß.


Geändert von underduck (04.09.2019 um 19:07 Uhr) Grund: Cover eingefügt
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