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Alt 19.10.2020, 22:18   #176  
Anton
Kolumnist
 
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Beim Lesen all Eurer Beiträge hier habe ich mich nun auch gefragt, wodurch und wann ich herangeführt worden bin an die Gebrannten?

Ich entstamme einem anderen Kulturkreis, als Ihr alle hier. In meiner Heimat (Slowenien) besitzt jeder mit einem eigenen Grundstück etliche Obstbäume und allerlei Büsche mit gesundem Obst, das Verwendung findet beim Erstellen von Trinkbarem.

Durch bloßes Pressen entstehen allerlei Säfte und verschiedene Moste, meistens ohne jeglichen Zusatz an Zucker. Diese können normal getrunken, fachgerecht vergoren oder weiter verarbeitet werden, je nach vorhandener Menge. Durch Destillation erhält man leichte Branntweine, meistens mit etwa 35 Umdrehungen. Bei Einsatz guter richtig gereifter Früchte lohnt sich ein zweiter Brand, der dann schon an die 55 % erzielt.

Da nicht nur eine Sorte in Angriff genommen wird, sondern deren viele, entstehen so Obstler, Kirschwasser, Pflaumen-, Apfel- und Birnenschnaps in Einheiten zu je mindestens 16 Litern, also jeweils zwei komplette Brände.

Der Obstler hat quasi keinen eigenen Geschmack, bzw. nur einen schwachen, und deshalb wird dieser herangenommen als Träger verschiedener angesetzter Branntweine. Ebenso ist er gut für die Herstellung von allerlei Likören. Das war das Betätigungsfeld der Frauen in den Wintertagen.

Wir hatten insgesamt etwa 300 Apfelbäume und 50 Bäume mit verschiedenen Birnen, auch edle, zudem noch Weinreben, die ausgereicht haben, um jährlich zweieinhalb- bis dreitausend Liter Wein zu erstellen. Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren und Brombeeren, Quitten, Holunder, Schlehen, Kiwi und Khaki wuchsen in vielen Sträuchern ums Haus herum, und wurden gepflückt, wenn sie reif wurden. Auf den eigenen Wiesen und Waldgrundstücken konnten die meisten Kräuter gesammelt werden, damit die Herstellung allerlei Heiltinkturen in Angriff genommen werden konnte.

Die hier aufgeführten Obstsorten wurden übers ganze Jahr hinweg verarbeitet. Alkoholika gab es neben Apfelmost und Fasswein somit ständig in Mengen von einiges über 100 Liter. Verbrauchte man eine Sorte, wurde diese recht bald wieder in Angriff genommen, damit es bei Bedarf zu keinen Engpässen kam.

Da ich mit dieser Arbeit schon als Kind fortwährend in Berührung kam, kann ich nicht sagen, wann ich meinen ersten Schluck Schnaps gekippt habe. Das Herstellen der Schäpse, also das Brennen, beaufsichtigte ein Arbeiter aus der Werkstatt meines Vaters. Und dieser hatte eine helle Freude daran, mich zum Probieren zu überreden. Natürlich verschluckte ich mich daran. Ich hustete und spuckte die scharfe Flüssigkeit unkontrolliert aus mir heraus. Ich kämpfte um Luft, zusätzlich dazu kamen mir die Tränen. Er aber lachte nur, das war für ihn eine Art Erziehung.

Bewusst die Qualität einzelner Brände zu bestimmen habe ich im Alter von etwa 18 Jahren begonnen. Dabei erkannte ich recht schnell, dass mir eine Sorte eher zusagte, als eine andere. Damit die Sorte nicht in Vergessenheit geriet, wurden verschiedene bejahende Kriterien aufgeschrieben, im Gegenzug für das Ablehnen dann die hierfür negativen Eigenschaften.

Mit den Jahren lernte ich eben Hersteller kennen, die mir richtig zusagten. Und eigenartigerweise waren nicht immer die teuren Getränke diejenigen, die ich am meisten mochte. Manchmal stachen einzelne mit ihrem Geschmack aber so stark aus der Masse aller Anbieter heraus, dass sie wirklich in Erinnerung blieben.
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