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Alt 30.10.2021, 15:13   #70  
Ralph
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Ich sehe das Ganze etwas lockerer. Für mich ist jeder Run (und auch jede Serie) irgendwo eine eigene Geschichte, ein eigenes Universum, aus dem sich nachfolgende Autoren bzw. Autoren parallel laufender Serien genau das rausgreifen, was sie behalten wollen, und der Rest wird umgedeutet, umgeschrieben oder schlicht unter den Teppich gekehrt. Und wenn eine Story innerhalb des Runs in die Zukunft geht, gehört sie für mich dann eben zu dieser Version ganz legitim dazu - und wenn sich der nächste Autor was Neues ausdenkt, ist es eben genau das: die nächste Version.

Nur so funktioniert das Ganze doch überhaupt, bei all den Widersprüchen und Wiederholungen, insbesondere auch zwischen verschiedenen Serien. Klar, angeblich ist das alles Kanon, aber versucht man, es wirklich in eine klar definiterte Reihenfolge zu bringen, geht einem schnell die Puste aus. Man sollte es als das betrachten, was es ist: ein gigantischer Spielplatz. Jeder macht mit seinem Charakter, was er will, und der nächste übernimmt, was gefällt, und streicht, was nicht in den Kram passt.

Aber das ist - wie gesagt - nur meine eigene Sichtweise (die keinerlei Einfluss darauf hat, wie genau ich Vergangenheitsrecherche beim Übersetzen nehme).

Ich weiß, dass Kanon vielen Lesern sehr wichtig ist (und das gilt ja für sehr viele Fandoms dort draußen). Aber es wird für jedes Universum irgendwann schwierig, dem eigenen Kanon nicht zu wiedersprechen - ob mit Zukunftsstorys oder ohne. Natürlich stellt ein umfangreicher Kanon einen großartigen Fundus an Ideen dar - er kann aber auch massiv dabei einschränken, neue Ideen zu entwickeln. Darum wird er ja bei vielen Franchises irgendwann über den Haufen geworfen, und man einigt sich darauf, wieder von vorn zu beginnen - und behält nur den Kern der Originalgeschichte, aus dem man dann etwas Neues macht. Das stößt insbesondere bei Altfans, die einem Franchise lange die Treue gehalten haben - und es damit am Leben erhielten - selten auf Gegenliebe, schafft aber auch Grundlage für ein neues Publikum und damit frisches Blut für die Zukunft - aber eben auch neue inhaltliche Ausrichtungen.

Die DC-Filme gehen ja auch immer wieder neue Wege. Zwar wünschen sich viele Fans ein in sich stimmiges Filmuniversum wie das MCU auch für DC, aber im Grunde erlaubt die Unbefangenheit erst echte Kunst, weil so jeder Macher seine eigene Version umsetzen kann. Burton, Nolan und Snyder haben sehr unterschiedliche Batman-Wege beschritten, und nicht jeder mag jede Umsetzung, aber so ist eben für jeden irgendwann mal was dabei.

Und so sehe ich das auch bei den Comics. Wer sich als Leser sehr eng an den Kanon klammert, ärgert sich natürlich darüber, wenn ein Autor mal völlig am Rad dreht. Wer aber jeden Run mit Abstand und für sich betrachtet - und in dem Wissen, dass in zwanzig Jahren sowieso wieder alles anders ist - kann diese Sonderwege vielleicht sogar als willkommene Abwechslung genießen.

Aber - um den Kreis zu schließen - dazu gehört, dass man den ganzen Run eines Autors als Gesamtkunstwerk betrachtet. Und für mich wird Kings Run erst mit BM/CW abgeschlossen - und der Teil, der in der Zukunft spielt, gehört für mich definitiv dazu.

Geändert von Ralph (30.10.2021 um 16:52 Uhr)
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