Thema: Pecos Bill
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Alt 03.05.2012, 12:18   #34  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Auch der Humor kommt in der Serie nicht zu kurz: im Comic ist es, wie im Buch, allerdings ein recht derber. Hier sorgt kein kindlicher Sidekik mit seinen Albernheiten für die Lacher und blamiert die Erwachsenen; in der Buch-Vorlage spielen die Cowboys Stutzern aus der Stadt schon mal böse Streiche und ihre Sprache untereinander strotzt vor Übertreibungen und Angebereien. Diesen Part übernimmt im Comic David Crockett, der doch eigentlich bei The Alamo (4) gefallen war, wie alle Verteidiger der mexikanischen Übermacht zum Opfer fielen. Als dies in Heft Nr. 4 zur Sprache kommt, erklärt David Crockett rundheraus sein Überleben mit dem Einschreiten Pecos Bills, der ihn schwer verwundet aus dem Kampfgebiet rettete. Da Pecos Bill für die Cowboys real ist, wissen sie nicht, wie weit sie dieser Erzählung trauen können. David Crockett ist für sie nur ein verlotterter schmieriger Aufschneider, dem, zumindest in den ersten Heften, ständig ein Fliegenschwarm um den fettigen Haarschopf schwirrt. Trotz seiner Großspurigkeit ist er einer der besten und treusten Freunde des großen Texaners und ficht mit ihm manchen harten Kampf gegen grausame Sklavenhalter, schurkige Indianer und mexikanische Banditen aus.




Das große Bild ist aus dem Heft Nr.2 und zeigt Davy Crockett im Kreise der Cowboys am abendlichen Lagerfeuer. Es soll im Heft der Eindruck erweckt werden, als ob Davy die Pecos Bill Story erzählt, aber rasch wird der wunderliche Cowboy in das Geschehen mit einbezogen.

In der nächsten Sequenz, im Heft Nr. 4, erzählt Davy Crockett den misstrauischen Zuhörern weshalb er bei Alamo überlebt hat, obwohl doch eigentlich die Truppen General Santa Annas keine Gefangenen gemacht haben. Gleichzeitig schildert er noch wundersamere Abenteuer des Größten aller Cowboys, dem es zu verdanken sei, dass Texas ein wasserreicher Staat geworden ist.




In der obigen Abbildung aus demselben Heft wie vorher sind noch schön die Fliegen zu sehen, die den Kopf Davy Crocketts umschwirren. Es war den Zeichnern nach einiger Zeit wahrscheinlich zu mühsam, ständig das Gewimmel zu zeichnen …

A pro po Indianer, sie kommen im Buchtext nur am Rande vor, eigentlich werden sie kaum wahrgenommen. Das liegt wahrscheinlich an der Entstehungszeit des Mythos, 1916 bis 1923, da waren die Indianer im öffentlichen Bewusstsein kaum mehr präsent. Es gibt zwar die Automarke Pontiac, nach dem berühmtesten Häuptling der Ottawa (5), die größte Stadt Floridas Miami trägt den Namen eines Algonkin-Indianerstammes und viele Bundesstaaten der USA tragen indianische Namen (6).Die Indianer aber selbst lebten in ihren Reservationen noch höchstens als beiseitegeschobene Requisiten bei der „Eroberung“ des Wilden Westens durch die Amerikaner. In der Comicserie spielen sie tragende Rollen, einer der besten Freunde Pecos Bills ist der bereits oben erwähnte Navajo Weiße Feder.




Weiße Feder erklärt Mary Morgan in der Zeichensprache der Indianer die Geschichte von Texas und Pecos Bill. Trotz teilweise gravierender Unterschiede in der gesprochenen Sprache, konnten sich die meisten Nordamerikanischen Indianerstämme untereinander in der Zeichensprache verständigen (Heft 3). Auf der nächsten Seite erzählt er der staunenden Mary von Pecos Bill und den Tieren, deren Sprache er versteht und gelegentlich um Unterstützung gegen seine Feinde bittet.

Im Heft 6, rechts, erkennt Weiße Feder, dass er Pecos Bill versehentlich für einen Feind gehalten hat und greift nun energisch zu dessen Unterstützung ein.


Wie die Angehörigen der verschiedenen mitspielenden Rassen geben sie manches Mal den Part des Bösen ab und ein anderes Mal sind sie Freunde, oder Verbündete des Texaners. „Gut“ und „Böse“ sind ziemlich gleichmäßig auf die handelnden Rassen verteilt. Nur die Mexikaner kommen beim grummelnden Davy Crockett nicht gut weg, aber nach seinen Erfahrungen - Stichwort „Alamo“ - kann man dies schon nachvollziehen.





Beide Abbildungen sind aus dem Heft Nr. 5.


Wir sehen meist sehr prächtige und detailliert gezeichnete Indianer, die Kleidung ist reich verziert wiedergegeben. Ihre Umgebung und Waffen sind wirklichkeitsgetreu gezeichnet und in der Regel auch der Kopfschmuck. Höchstens bei den Titelbildern übertrieben die Koloristen bei Mondial, den manche Feder ist komplett bunt, z. B. lila eingefärbt. Trotz allem waren die Indianerdarstellungen vor allem der ersten Mondadori Serie bei Mondial eine wahre Augenweide. Selten habe ich so farbenprächtige Bilder in einer Westernserie gesehen, wie in diesen Pecos Bill Heften. Selbst die späteren Abbildungen kamen an die Farbenpracht, gepaart mit prachtvoller Ausgereiftheit nie wieder heran.

Die Handlungsorte stimmen recht oft mit der realen Geografie überein. So ist z. B. der in Heft 36 genannte Caddo See im Osten von Texas, an der Grenze zu Louisiana zu finden. Eine Geschichte, die vorgibt auf den Wurzeln einer mythischen Überlieferung, aber zugleich geschriebener Vergangenheit zu basieren, benötigt natürlich reale Zutaten von Geschichte, Geografie und Kultur der Protagonisten und der Landschaft in der sie spielt. Dies hebt den Pecos Bill wohltuend von vielen Wild West Erzählungen ab. "Der Kleine Sheriff" (7) lebt und übt sein Amt in der fiktiven Prairiestadt aus, die in den Weiten der amerikanischen Prärie gegründet steht. Auch das Fort Coulver der Nevada-Ranger mit Captain Micki (8) steht im Nirgendwo der Wüsteneien Nevadas. Tom Mix, Hopalong Cassidy, die Aufzählung ließe sich beliebig fortführen, alles Serien mit weitgehend fiktiven Handlungsorten (9).




Auf den Rückseiten der Hefte gab es einige Male wissenswertes aus dem Wilden Westen. Überwiegend gab es indianisches, so die Zeichensprache, Bildbedeutungen und, wie oben abgebildet, etwas zur Wohnkultur (Heft5). Zu sehen ist Mesa Verde in Colorado, heute eine Ruinenstadt. In mir weckten solche Abbildungen natürlich den dringenden Wunsch, dort hin zu reisen, um vor Ort diese Zeugnisse zu erkunden – rund fünfundzwanzig Jahre hat es bis zur Realisierung gedauert und ich war nicht enttäuscht.




In späteren Heften gab es auf der Rückseite ganzseitige Illustrationen von Akteuren der Serie: hier sehen wir im Heft32 Mary Morgan; zum Glück ist nur das Pferd ziemlich unproportional gezeichnet …

(4) Bei der Missionsstation The Alamo hielten1836 beim Unabhängigkeitskampf der Texaner 257 Verteidiger 13 Tage lang 7000 Mexikaner auf und ermöglichten es Sam Houston im Hinterland seine Armee zu organisieren. 189 Gefallene sind namentlich bekannt. Während der endgültigen Erstürmung kamen anscheinend nicht alle Texaner und Freunde (wie Jim Bowie und Davy „David“ Crockett) sofort ums Leben, sondern wurden gefangen genommen. General Santa Anna, der mexikanische Befehlshaber ließ sie aber sofort erschießen. Der Kampfruf „Remember the Alamo“ ist glorifizierend in die amerikanische Geschichte eingegangen und gilt für Opferbereitschaft, Heldenmut und sich für eine gerechte Sache bis zum bitteren Ende einsetzen.

(5) Der Stammesname musste auch für die Hauptstadt Kanadas herhalten.

(6) Z.B. Connecticut, was „nahe dem langen Fluss“ (dem Connecticut River) bedeutet.

(7) Der Kleine Sheriff, eine überaus erfolgreiche italienische Comicserie, die ebenfalls im Mondial und Pabel Verlag mit achtundachtzig Heften erschien und noch in fünfzig Tarzan-Pabel Ausgaben fortgesetzt wurde.

(8) Wild West, die am längsten laufende Comicserie des Semrau Verlages mit einhundert neunundsechzig Heften, davon sechsundsechzig Piccolos, natürlich aus Italien importiert.

(9) Damit hier kein falscher Eindruck entsteht, ich habe und liebe alle vorgenannten Serien, aber der Pecos Bill hat für mich ein besonderes Flair, das wegen des besonderen Inhaltes, der Farben und auch durch seine Lokalisierungs- und Zuordnungsmöglichkeiten entstanden ist.


Fortsetzung folgt …
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