Thema: Filmklassiker
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Alt 30.04.2024, 06:07   #2050  
Peter L. Opmann
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Zuerst dachte ich, ich hätte hier etwas Ähnliches vor mir wie „Das letzte Wochenende“ von René Clair. Aber Jules Dassin ist gewissermaßen das Gegenteil von Clair: ein Amerikaner, der wegen McCarthys Kommunistenjagd nach Europa gehen mußte. Leider kenne ich weder sein Big-Caper-Movie „Rififi“ noch das folgende „Sonntags nie“. Hier bespreche ich nun „Topkapi“ (1964), der allgemein als Persiflage auf „Rififi“ gilt. Ich kann diese Gaunerkomödie nur mit einer neueren Variante, Steven Soderberghs „Ocean’s Eleven“, vergleichen. Dabei zeigt sich jedoch, warum „Topkapi“ eher eine Parodie ist. Die Bande, die in den Sultanspalast von Istanbul eindringt, um einen smaragdbesetzten Dolch zu stehlen, besteht nicht aus Super-Könnern wie bei Soderbergh, sondern aus Spezialisten, die ab und zu Mist bauen. Darin liegt die Komik. „Topkapi“ wurde anläßlich des Todes von Melina Mercouri (also 1994) wiederholt, die in dem Film eine frühe starke Frau verkörpert.

Mercouri trommelt die Gauner zusammen. Jeder, der mitmacht, muß für die Polizei ein unbeschriebenes Blatt sein, und dadurch bekommt sie nicht die besten Leute. Durch ihren Sex-Appeal schafft sie es, alle Teilnehmer zu motivieren, aber ihre Liebe gilt eigentlich nur dem größten Smaragd auf dem Dolch, der unschätzbaren Wert besitzt. Maximilian Schell (zu dieser Zeit noch ziemlich jungenhaft) arbeitet für sie den Plan aus. Robert Morley ist der Techniker, der die Alarmanlage analysiert und für Dunkelheit während des Einbruchs sorgt. Gilles Segal ist ein Akrobat, der den Dolch angeln soll, ohne daß der Alarm losgeht, und Jess Hahn läßt ihn an einem Seil vom Dach des Palasts herunter. Unfreiwillig spielt Peter Ustinov bei dem Coup eine große Rolle. Er soll für die Bande eigentlich nur ein Auto in die Türkei überführen, in dem sich die Einbruchswerkzeuge befinden. Dabei geht er aber der Polizei ins Netz. Die denkt freilich, ein Attentat sei geplant, und macht Ustinov zu ihrem Spion, um die Absichten der angeblichen Terroristen aufzudecken.

Als Hahn seine Hände verletzt, muß Schell seinen Plan ändern. Nun muß Ustinov am Seil ziehen, obwohl er nicht schwindelfrei ist. Dabei enthüllt er, daß er eigentlich ein Polizeispitzel ist, und so kann die Bande dafür sorgen, daß die Polizei trotz Beschattung von der Aktion nichts mitbekommt. Auf dem Palastdach hat Ustinov ein paar Slapstickeinlagen, die ein bißchen an Oliver Hardy in „Liberty“ oder „Hog wild“ erinnern. Die Bande muß verhindern, daß das Palastdach vom Licht eines nahen Leuchtturms erhellt wird. Zu diesem Zweck spielt Mercury mit dem Leuchtturmwärter ein Brettspiel, während Morley die Leuchtturmlampe sich langsamer drehen läßt. Der Coup gelingt, aber durch eine übersehene Kleinigkeit geht der Alarm dennoch los. Da die Polizei den Gaunern ohnehin schon auf der Spur ist, wandern sie kurz darauf ins Gefängnis. Mercouri plant nun unverdrossen, nach ihrer Entlassung aus dem Kreml die Romanow-Diamanten zu klauen.

Dem Film liegt der Roman „Im ersten Morgenlicht“ von Eric Ambler zugrunde. Im Vergleich zu „Ocean’s Eleven“ ist der Einbruchsplan in „Topkapi“ recht simpel. Zur Spannung, ob alles klappen wird, kommt hier eine ordentliche Portion Komik hinzu, weil schon in der Vorbereitung manches schief geht, einiges improvisiert werden muß und die Einbrecher auf ihre Aufgaben nicht optimal vorbereitet sind. Die Hauptfiguren werden prägnant dargestellt (natürlich sind sie nur Typen, und zum Teil komische dazu), und dadurch wird der Film ziemlich anrührend. Die Aufmerksamkeit wird nicht auf die komplizierte Umsetzung des Einbruchsplans gelenkt, sondern auf die scharf charakterisierten Figuren. Übrigens spielt Akim Tamiroff einen etwas schmierigen türkischen Koch, der zwar für die Handlung nur bedingt wichtig ist, aber Tamiroff chargiert, daß es eine Freude ist. Ich denke, die Figurenzeichnung ist der große Vorzug dieser Komödie, die ich als kurzweiliger als die objektive Filmlänge (von knapp zwei Stunden) empfunden habe. Solche Typen gibt es auch in „Ocean’s Eleven“, aber sie treten als absolute Spezialisten auf – darauf kann Dassin verzichten. „Topkapi“ war übrigens ein großer Publikumserfolg, und Ustinov gewann den Oscar als bester Nebendarsteller.

Seit vielen Jahren warnen mich Freunde davor, daß die Farben bei meinen VHS-Cassetten verblassen werden. Das habe ich aber bisher nur selten festgestellt. Hier könnte das passiert sein. Die Farben dieses zweifellos sehr bunten Films flimmern ständig, sind mal greller und mal matter. Es kann allerdings sein, daß der Film von Anfang an nicht gut aufgenommen war. Ich habe zu dieser Zeit (1990er Jahre) meinen Videorekorder teilweise nur mit einer kleinen Zimmerantenne betrieben. Ich weiß nicht mehr, ob die Farben deshalb von Anfang an schlecht waren oder doch im Lauf der Zeit gelitten haben – auch diesen Film habe ich schon lange nicht mehr gesehen.
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