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Alt 13.02.2012, 13:44   #1944  
michidiers
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DER AUFSCHUB



von Jean Pierre Gibrat

Mittelfrankreich 1944, der Krieg scheint noch weit entfernt von dem kleinen Dorf bei Cambeyrac in der Auvergne entfernt zu sein. Durch eine glückliche Fügung des Schicksals kann sich Julien dem Arbeitsdienst in Deutschland entziehen. In seinem Versteck in einer verlassenen Dachstube ist er nun aber zum Nichtstun verdammt, für Abwechslung sorgt nur der heimliche Blick auf den Dorfplatz. Die Monotonie der Tage wird aber eines Tages abrupt beendet, als er seine alte Liebe Cecile plötzlich entdeckt.

Richtig gute Bücher, Filme oder Comics erkenne ich immer daran, wenn ich einen Tag danach noch immer daran denke und dass meine Gedanken immer wieder zu dem Gelesenen zurückkehren. Bei diesem Album war es nach längerer Zeit einmal wieder bei einem Comic der Fall. Ich komme gedanklich davon nicht los...

Woran mag es hier gelegen haben? Sind es die schönen Zeichnungen, die die reizende Landschaft, die kleinen Dörfer und das Leben in der von 1944 von deutschen Truppen besetzte Auvergnie so herorragend einfangen? Ist es die wunderhübsche Cecile? Oder weil es eine schicksalshafte Liebesgeschichte inmitten von Tod und Angst ist?

Ich glaube, es sind die Fragen die sich mir danach stellten und die diesen Band so besonders macht. Julien konnte sich seinem Schicksal anfangs mit viel Glück entziehen. Was ist aber, wenn das Schicksal dich wieder einholt? Was bedeutet der Tod einer Person, wenn ganz Europa von Toten übersäht ist? Manche kämpfen, um einen Krieg zu gewinnen und mache wie Julian kämpfen, nur um Zeit zu gewinnen. Ist tatsächlich derjenige glücklicher, der weiss, warum und wofür er stirbt gegenüber demjenigen, der für nichts stirbt. Beides kostet den gleichen Preis, das kostbare Leben.

Im Nachwort bringt es eine gewisse Rebecca Manzoni auf den Punkt: “Man behält die Figuren der Geschichte in Erinnerung, wegen ihrer Einstellung dem Leben gegenüber, “DieVernüftigen überleben, die Leidenschaftlichen haben gelebt!”

Die Zeichnugen wirken so intensiv, dass sich einige wohl für immer in mein Gehirn eingebrannt haben müssen. Gibrats Talent, die Miniken und vor allem die Gestiken und Körperhaltungen seiner Figuren einzufangen, ist einmalig. Wohl für immer in meinem Kopf wird das Bild eines Widerstandskämpfers aus der Story sein, der bei seiner Verhaftung, den Tod vor Augen habend, einen letzten kurzen Blick in Richtug des heimlich zuschauenden Julien hinter dem Dachfenster wirft. Einfach einmalig, diese Kunst, da bildete sich tatsächlich bei mir Gänsehaut. Übrigens: Gefühle wühlt die Geschichte sicher auch bei dem gröbsten Klotz von Leser auf, das tragische Ende läßt sicher niemanden kalt.

Mit 30 Euro ist der Hardcoverband mit 120 Seiten nicht gerade billig. Aber gute Kunst hat seinen Preis. Und überhaupt, wer hat schon jemals solch eine bezaubernde Frau in einem Comic gesehen:

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