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Alt 06.02.2009, 15:00   #28  
Peter_Wiechmann
am 11.01.2020 verstorben
 
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Des langen Ritts zweite Etappe


Um es kurz in Erinnerung zu bringen:

Ich möchte hier aufweisen, dass ich eigentlich von Kinddesbeinen an auf dem Weg nach Westen – ins Land der Pioniere, Indsmen und Trapper - war und dass der jetzt gleich folgende Rückblick auf all die (unterwegs links und rechts des langen Trails hinterlassenen) Western-Beiträge aus meiner Feder verblüffen.

In erster In erster Linie mich selbst – denn ich fühlte mich eigentlich immer recht gleichgewichtig auch allen anderen Stoffen verbunden, aus denen die narrativen Träume zu Luft, Land und Wasser gewebt sind:

Ritter - Piraten – Landsknechte – Tramps - Revoluzzer (como Pancho Villa) ... und die fantastischen Gestalten aus den Anderswelten undsoweiterundnochmehr ...

Aber nun geht es um den Wilden Westen und deshalb wird jetzt ein Roundup meiner selbst inszenierten Treffs mit Western-Mythen, West-Männern und Revolverladys abgehalten.

In erster Linie zur Unterhaltung treuer Leser dieses leider oft genug lückenhaft geführten Tagebuchs und zu meiner eigenen Überraschung:




1949: Los ging es ganz normal mit Karl May. Rund vierundsechzig der grünen Bände im vorgezogenen Pocketformat.
Etliche zwanzig davon brachte mit meine Tante Gustel auf Raten in die Isolierstation des Krankenhauses, wo ich wegen Diphterie in Quarantäne weggeschlossen war. Zusammen mit zwei munteren Mädchen im gleichen Zimmer – ich zehn, die Girls 17 – welche nächtens mit amerikanischen GI’s am Gitterfenster schnäbelten und dem schlaftrunkenen Mitwisser mit Chewinggum und Mars das Maul stopften. Den jungen Damen las ich tagsüber Old Shatter- und Old Firehand vor. Und als es nach Wochen wieder nach Hause ging, wurden die Karl Mays verheizt! ... Ansteckungsgefahr!
Nie erfuhr ich, wie Tante Gustel letztlich mit der Leihbücherei klar kam!




1956: Traven war an der Reihe. Rebellion der Gehenkten und so. Os Cangaceiros und Grande Sertao in der Abteilung Brasil-Western.

Der Entschluss des Schülers Wiechmann reifte, endlich etwas für die Ewigkeit zu tun.
Heißt: Das erste Buch schreiben. Thema: Samuel Colt! Als erstes ließ ich mir von meinem Freund Finni – Klassenbester in Kunst – den Titel zeichnen. Ein Coltrevolver ganz in der Frontansicht. Lauf und Trommel direkt auf den Beschauer gerichtet.
Das klappte perspektivisch nicht ganz überzeugend. Finni kippte das Schießeisen etwas zur Seite und jetzt fand es Beifall beim angehenden Autor und beim Künstler gleichermaßen.

Geschrieben wurde das Buch – oder besser gesagt: die wichtigsten Kapitel davon –
neun Jahre später. Bei Kauka ... in LUPOmodern. Aber dazu kommen wir noch.




Vorher war ich rasender Reporter bei der Bundeswehr und brachte zusammen mit drei weiteren Gefreiten (ihres Zeichens Schriftsetzer wie ich) ein respektables Wochenmagazin heraus ... das wir teilweise sogar in der Druckerei durch Eigenleistung druckfertig machen durften.

Nein, dort hinterließ ich - ausser einem im Schlachthof für die Dekoration einer Cowboy-Bar in Koblenz "organisierten" Ochsenschädel - keine anderen Western-Tracks!

Aber dann in der Kaufhalle. Dort brachte ich die Hauszeitung für 10.000 Mitarbeiter heraus und da war dann High Noon für meine Erfindung des ‚Kaufboy McFavorit’.
Favorit war eine Eigenmarke der Kaufhalle und ich ließ zur Unterhaltung von mir, der Geschäftsleitung und vor allem der Mitarbeiter Kaufboy McFavorit durch meine Zeitschrift reiten.



Und dann also saß ich bei Kauka im Grünwalder FF-Schloss. Die ersten zwei Ausgaben von LUPO waren erschienen – unter maßgeblicher Pinsel- und Federführung von Florian Julino und der Chefredakteurin Jolan Sohn.

Mir dachte Rolf Kauka die Rolle des agent provocateur zu. Ich sollte dem Heft eine neue Richtung geben. Mehr Magazin und so. Das stimmte mich zuversichtlich, denn von Comics hatte ich nicht den leisesten Schimmer. Meine ersten blasenfüllenden Gehversuche führten zu Schweißausbrüchen. (Nicht nur bei mir!)
Aber so langsam wurde ich sattelfest in meinem mönchszellengroßen Verlies namens Büro und in meinen neuen Verantwortlichkeiten als schnell ernannter Chefredakteur, welchselbiger sein Heft in erster Amtshandlung gleich einen neuen Titel verpasste und es in LUPO-modern umtaufte.

Und dann holte ich die alte Idee der Colt-Story aus dem Hut und hackte sie in eine der drei funktionierenden Schreibmaschinen des Verlages.

Ohne die optische Umsetzung meiner Szenarien von Florian Julino wäre der kleinen Serie schnell die Luft ausgegangen. Aber so gewann sie sogar die Lesergunst und ich konnte stolz die erste Fan-Post abheften.

Meister-Grafiker Julino ist es zu verdanken, dass die Serie nicht aus dem Rahmen des Comic-Magazins fiel. Er ignorierte mein mühsam zusammengesuchtes Fotomaterial aus den alten Frontier-Times, den Schnappschüssen der Outlaws, Gunslinger und kriminellen Lawmen.

Er zeichnete alles neu! Fotogetreu, aber mit grafischen Effekten. Selbst die Parade-Colts für irgendwelche Potentaten feierten an seinem Zeichentisch Wiederaufertehung auf Papier. Attraktiver als in ihrer stahlschimmernden Wirklichkeit.

Und nebenbei schloss ich meine langwährende Freundschaft mit Lucky Luke. Ich gab ihm wohl so nach und nach in 25 und mehr albumlangen Storys die deutsche Sprache. Gab dem Roß in naiver Unverfrorenheit den Namen Rosa ... in Anspielung auf Rosinante – ließ aber dem Reiter zum Glück den von Morris zugedachten.

Soweit für diesmal – so long bis zur nächsten Etappe des langen Ritts.



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