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Alt 10.04.2018, 16:21   #87  
Servalan
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W. Somerset Maugham's The Moon and Sixpence | Der Besessene von Tahiti (USA 1942, David L. Loew - Albert Lewin. Inc. für Favorite Film Productions der United Artists), Drehbuch: Albert Lewin nach dem Roman The Moon and Sixpence | Silbermond und Kupfermünze (1919) von William Somerset Maugham, Regie: Albert Lewin, Skulpturen: Nina Saemundsson, Gemälde: Dolya Goutman, Wissenschaftliche Beratung: Barbara Gray, 89 min teilweise schwarzweiß, FSK: 12

Somerset Maugham ließ sich bei seinem Künstlerroman vom Leben Paul Gauguins (1848 - 1903) inspirieren und landete einen Bestseller, den etliche Studios sofort verfilmen wollten. Weil die Sittenwächter des Hays Code | Production Code schon in der Drehbuchphase Schwierigkeiten bereiteten, hing das Projekt lange in der "Produktionshölle" fest. 1941 erwarben David L. Loew und Albert Lewin die Rechte von MGM und finanzierten mit einer unabhängigen Studio-Produktion einen der ersten Filme ihrer gemeinsamen Produktionsfirma.
Die Musik von Dmitri Tionkin wurde für den Oscar nominiert, und Der Besessene von Tahiti rangiert unter den Top 10 des Jahrgangs 1942. In den deutschen und österreichischen Kinos lief die Verfilmung kriegsbedingt mit erheblicher Verzögerung, nämlich erst 1955.
Somerset Maugham war mit der Umsetzung seines Romans zufrieden.

Eine erste Bearbeitung des Roman gab es schon 1925 für das New Theatre in London. 1951 und 1959 wurde der Roman für den US-Sender NBC neu verfilmt. 1957 feierte eine Opernfassung im Sadler's Wells Theatre, London, Premiere; die Musik stammte von John Gardner und das Libretto von Patrick Terry.
Bezeichnenderweise ging Kameramann John F. Seitz bei den Nominierungen leer aus, obwohl das ausgefeilte Farbkonzept das konversationsreiche Biopic im Rückblick aus der Masse heraushebt: Die ersten Episoden sind in hartem Schwarzweiß, erst in der letzten halben Stunde auf Tahiti mildert ein Sepia (wie in alten Fotos) den Blick. Den Höhepunkt bilden zwei kurze Einstellungen in Farbe, die Charles Stricklands von ihm ausgemalte Hütte und einen Brand zeigen.

Vor dem Hintergrund der #MeToo-Debatte wirft der Stoff eine ziemlich steile These auf, die einem Bauchschmerzen bereiten kann: Künstlerische Genies brechen nicht nur bürgerliche Konventionen, sie sind nicht fähig, gegenüber sich selbst und anderen Kompromisse einzugehen. Deshalb verursachen sie Leid und gehen letztlich an sich selbst zugrunde.

Als der saturierte Erfolgsschriftsteller Geoffrey Wolfe eines Tages in der Zeitung liest, daß der Kunstkenner und Sammler Joseph Steen bei einer Auktion bei Christie's Charles Stricklands Gemälde "Woman of Samaria" für 3.500 Pfund erwarb, erinnert er sich an den Künstler. Nach einem längeren Selbstgespräch entschließt sich Wolfe, ein Buch über das Leben des Künstlers zu schreiben.
Wolfe lebt auf großem Fuße und bewegt sich in der höheren Gesellschaft Londons. Manchmal übernimmt er aus Gefälligkeit kleinere Aufträge, die diskret bleiben sollen. Ende des 19. Jahrhunderts wendet sich Mrs. Stickland an ihn, weil ihr Mann, ein erfolgreicher Mann, sie nach 17 Jahren plötzlich verlassen hat. Wolfe findet Strickland in einer ärmlichen Mansarde in Paris.
In einem Café gesteht ihm Strickland, zeit seines Lebens habe er immer nur Malen wollen. Sein Vater habe das für brotlose Kunst gehalten und ihn zu einer Karriere als Geschäftsmann bedrängt, aber nun könne er nicht mehr. Deshalb sei er ausgestiegen. Seine verlassene Frau bricht über der Nachricht zusammen: Mit einer Geliebten hätte sie konkurrieren könnte, mit der Idee der Kunst kann sie das jedoch nicht.

Sieben Jahre später zieht Wolfe von London nach Paris um, weil er eine Luftveränderung braucht. Dort freundet er sich mit dem kindlichen Maler Dirk Stroeve an, der zwar selbst leidlich über Runden kommt, aber einen untrüglichen Blick für die Talente anderer hat. Stroeve schwärmt von Strickland als einem Genie, obwohl der am Hungertuch nagt. Der verwilderte und verwahrloste Strickland schlägt sich als Plakatierer, Anstreicher und Touristenführer durch.
Bald darauf erkrankt Strickland, den Stroeve in seinem Atelier pflegen will, damit er nicht umkommt. Blanche Stroeve erkennt in Strickland etwas Finsteres und Verderbliches, weshalb sie auf ihren Mann vergeblich einredet. Dank Dirk Stroeves Pflege springt Strickland dem Tod von der Schippe, und später malen Stroeve und Strickland gemeinsam im Atelier.


Der Stoff zeigt eine gewisse Nähe zu Monsterfilmen. Die Verfilmung beginnt mit einem Insert, das vorgibt, Strickland für sein rücksichtsloses Verhalten nicht verteidigen zu wollen. (Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten!)
Während der sympathische Holländer Dirk Stroeve ein munterer, freundlicher Kleinbürger bleibt, verändert der Kunsttrieb Genies wie Strickland schubweise, so daß eine neue Persönlichkeit entsteht. Nach seiner Flucht aus London verwandelt sich der brave Dr. Jekyll des Börsenmaklers zunächst in einen egoistischen Mr. Hyde.

Geändert von Servalan (24.03.2024 um 10:47 Uhr)
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