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Alt 17.03.2016, 13:06   #73  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard Suchst du die Geschichte? Oder sucht die Geschichte dich? II

Zitat:
Zitat von G.Nem. Beitrag anzeigen
Doch, ab einem gewissem Punkt im Leben musst du. Wenn es in dir ist.
Rein theoretisch lassen sich zwei verschiedene Ansätze unterscheiden. Ich spreche bewußt von Ansätzen, weil in der Praxis beide Methoden ineinander übergehen können. Teilweise hängt das von der Intensität, dem Aufwand und der verwendeten Zeit ab, welcher Ansatz wann und wo bei wem den Ton angibt.

A) Die systematische Recherche

Wenn ich mir den Zugang zu einem neuen Wissensgebiet erarbeiten muß, bleibt mir nur die systematische Recherche. Denn ich muß Fachtermin wie Vokabeln büffeln, mir grundlegende Gedanken und Methoden aneignen sowie ein fundiertes Grundwissen verinnerlichen.
Gerade zu Beginn eines solchen Unterfangen sind Mentoren oder Tutoren hilfreich. Basis-Handbücher und Nachschlagewerke für Berufsanfänger stehen häufig in den Regalen der Buchkaufhäuser, wo sie sich durchblättern lassen. Ringvorlesungen an Universitäten bieten vergleichbare Einblicke in verschiedene Studienfächer.
Die ersten Referate vor der Schulklasse fordern als erste die Fähigkeiten heraus. Dabei geht es darum, sich selbst mit dem Stoff so vertraut zu machen, daß es gelingt, ihn in eigenen Worten an Dritte zu vermitteln.

Wer sich mehrere solcher Gebiete erobert hat, dem stellen irgendwann offene Fragen. Obwohl bestimmte Details für das Referat, den Artikel oder das Manuskript keine Rolle spielen, möchte ich die Antwort wissen. Das liegt möglicherweise daran, daß ich dieses Thema weiterhin verfolgen möchte oder mich gewisse Antworten verstören können.

Denn manchmal verlangt eine Geschichte ein Wissen, das heute obsolet ist. Ein gutes Beispiel dafür sind veraltete Heilmethoden: Über etliche Jahrhunderte war die sogenannte Säftelehre im Schwange. Krankheiten wurden den vier antiken Temperamenten und ihren entsprechenden Körpersäften (Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle) zugeordnet.
In einem historischen Roman muß eine glaubwürdige Medikus-Figur aus heutiger Sicht falsch handeln und seinen Patienten, wie es die Mode verlangt, zur Ader lassen - obwohl er damit den Zustand verschlechtert.

B) Allgemeine Neugier: Ständige Recherche

Je länger und je intensiver ich mich mit etwas beschäftige, desto vertrauter wird mir der Stoff. Das menschliche Gehirn denkt assoziativ, nicht logisch. Und häufig genutzte Verschaltungen in den Synapsen wachsen sich zu gebüschartigen Clustern aus.

Häufig überschneiden sich eigentlich grundverschiedene Disziplinen (wie Medizin und Geschichte im Beispiel oben). Im Gegensatz zum festen Curriculum während des Studiums gibt es im Selbststudium keinen verbindlichen Fahrplan.
Vielmehr führen Antworten zu neuen Fragen.

Durch die ständige Recherche lese ich eigentlich immer und überall etwas. Vorlesungen und Fachbücher ziehe ich dabei populärwissenschaftlichen Zeitschriften vor. Ab und zu wird ein Abgleich mit dem aktuellen Kenntnisstand eines Sachgebiets nötig, denn in unregelmäßigen Abständen können sich einzelne Disziplinen komplett verändern. Was gestern üblich war, gilt heute als veraltet.
Der Fachbegriff dafür lautet Paradigmenwechsel.

Im Laufe der Zeit gewinnt dieser Prozeß eine eigene Dynamik, die sich der bewußten Kontrolle entzieht. Unbewußt denkt das Hirn weiter, verknüpft dieses mit jenem und etwas anderen - und irgendwann überfällt mich die Idee für eine Geschichte oder ich sehe eine Szene vor meinem inneren Auge, die ich unbedingt zu Papier bringen muß.

Geändert von Servalan (19.03.2016 um 16:17 Uhr)
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