Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 15.03.2020, 18:12   #113  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.522
Die Fantastischen Vier # 22



Es kommt wohl auf den Blickwinkel an. Für mich ist Williams-FV # 22 ein großer Schritt nach vorne. Die Serie gewinnt Profil; man bekommt eine erste Ahnung von den Möglichkeiten, die noch in ihr stecken. Natürlich ist diese Episode im Vergleich zu FV-Storys aus den späten 60er Jahren (oder womit man sie vergleichen will) immer noch weniger spektakulär, vielleicht auch weniger spannend. Die Zeichnungen sind nicht schlecht – ich finde sogar, Jack Kirby hat sich dem Anlaß entsprechend besonders angestrengt. Das Inking von George Roussos ist der Schwachpunkt. Locker mit dem Pinsel zu inken, ist auch nicht per se schlecht, aber da ist dann doch vieles zu schlampig hingeworfen. Beim Cover, das wohl auch Roussos geinkt hat (dafür spricht die Steinstruktur bei Ding), sieht das schon deutlich besser aus. Vor allem die Hulk-Pose finde ich eindrucksvoll.

Ich habe dieses Heft relativ früh gelesen. Nicht bei Erscheinen, aber in einem der ersten Superbände, die ich mir zugelegt habe. Daher kann ich wohl dieses Abenteuer nicht objektiv beurteilen – es hat mir mit 12 oder 13 Jahren großen Spaß gemacht. Da ich die meisten vorher erschienenen Bände nicht kannte, habe ich die Geschichte aber nicht richtig einordnen können. Das geschieht in gewissem Sinn erst jetzt beim Wiederlesen.

Ob Lee und Kirby den Lesern bewußt etwas Besonderes bieten wollten, weiß ich nicht. Immerhin ist das in USA die Ausgabe # 25. Mich überrascht, daß die Story gekürzt ist. Denn es sind ja bei Williams 22 Seiten; da waren die vorherigen Storys schon kürzer. Die Geschichte beginnt mit einer Familienszene: Reed hat ein Mittelchen zusammengerührt, mit dem er Ding wieder dauerhaft in Ben Grimm zurückverwandeln kann. Der Konflikt ist nicht sehr glaubwürdig. Reed behauptet, er habe das Rezept nur zufällig gefunden und könne es nicht noch einmal herstellen (?). Ding wehrt ab, Alicia liebe ihn nur in Form des Steinmonsters (??).

Gut, daß schon auf Seite 3 bedenkliche Nachrichten vom Hulk dazwischenkommen. Hier bleibt etwas unklar, ob die FV zu der Überzeugung gelangen, sie müßten eingreifen, oder ob sie dem Hulk nur zufällig über den Weg laufen. Der ist jedenfalls nach New York eingefallen und droht, alles kurz und klein zu schlagen (er ist noch nicht der grenzdebile Stammler, als den wir ihn da parallel schon in den „Hulk“-Heften erlebten). In diesem Moment erleidet Reed einen Schwächeanfall. Das bedeutet, was ich damals nicht wußte, er kann sich in diesem Fall keine brillante Strategie einfallen lassen, um den Hulk zu stoppen. Fackel und Unsichtbare machen ein paar hilflose Versuche, den grünen Goliath aufzuhalten. Dann bleibt nur noch Ding, um sich ihm in den Weg zu stellen.

Ich finde den Kampf Hulk gegen Ding sehr schön inszeniert und choreografiert. Ich glaube, beide sind noch nicht so unendlich stark wie später. Wenn sie ein zehnstöckiges Haus zum Schwanken bringen, ist ihre Kraft schon beinahe erschöpft. Dadurch wird das Duell aber variantenreicher. Da wird ein Bus zerrissen, Lastwagenräder werden geworfen, und Ding versetzt Hulk einen Hochspannungs-Stromstoß. Kurzzeitig verlagert sich die Klopperei ins Wasser. Schließlich fesselt Ding seinen Gegner mit einem Metalltau, das als Brückenaufhängung diente. Aber Hulk ist zu stark. Während Ding nahezu am Ende ist, sprengt Hulk diese Fessel fast mühelos und schlägt es k.o. Ding berappelt sich wieder und macht sich sozusagen zur zweiten Runde bereit.

Eigentlich haben wir es hier mit keiner richtigen Fortsetzungsgeschichte zu tun. Für sich genommen ist der Kampf beendet. Ding schickt Hulk nur die düstere Drohung hinterher, nun müsse er ihn töten, wenn er ihn wirklich schaffen wolle. Aber ein echter Cliffhanger ist das nicht. Die Verlage sahen sich zu dieser Zeit noch gezwungen, in einem Heft eine abgeschlossene Geschichte zu bringen.

Was das Ganze für mich richtig unterhaltsam macht, sind die vielen Sprüche von Ding. Es muß pausenlos reden, um sich selbst aufzubauen und vielleicht auch seine Angst zu bekämpfen. Anfangs sieht sich Ding im Vorteil, weil es kleiner und wendiger ist als der Hulk. Aber es ist irgendwie schnell klar, daß Ding unterlegen ist. Aber nicht, was sein Mundwerk betrifft! Kostproben: „Kommst du dir mit deinem unsozialen Verhalten nicht reichlich dämlich vor?“; „Unter Blutarmut leidet er also nicht.“; „Wo ist deine vielberedete Kraft?“ – „Vielleicht hab‘ ich die im anderen Anzug? He! Mit der Hand fass‘ ich immer die Pizza an!“; „Hinter mir isser nich! Was hat er nu vor? Vielleicht koft er sich Wasserskier?? Nu kieke mal eener an! Da is‘ mein kleener Sonnenschein ja wieder!!“ – Und der Klassiker: „Wie sagte meine liebe alte Tante Petunia so richtig? Du stirbst nur einmal!“ Okay, das liest sich in meinem Alter nicht mehr ganz so amüsant wie damals, aber gut finde ich die Dialoge immer noch.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten