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Alt 03.11.2017, 20:15   #72  
Peter L. Opmann
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Ich hatte jetzt länger keine Zeit zum Filme-Gucken. Aber ich schreibe mal was über einen Film, den ich kürzlich nach sehr langer Zeit wieder gesehen habe:

www.filmstarts.de/kritiken/3510.html

Auf DVD konnte ich ihn ewig nicht finden. Letztlich habe ich ihn mir von einem Freund im Internet bestellen lassen, aber das war, anders als er meinte, auch nicht so einfach. Jetzt habe ich eine spanische DVD, die natürlich auch eine deutsche und englische Tonspur hat. Den Film hat Marilyn Monroe damals selbst produziert. Sie wollte sich damit von Hollywood unabhängig machen, aber sie hatte nicht den erhofften Erfolg. Also kehrte sie danach zu den Studios zurück.

Es ist also kein Zufall, daß der Film im alten Europa spielt und daß die männliche Hauptrolle und Regie Sir Laurence Olivier hat, ein klassischer englischer Theaterschauspieler. Das war es, wo Marilyn Monroe hinwollte, und es zeigt sich, daß das nicht ihre Welt war, obwohl der Film in meinen Augen sehr gut gelungen ist.

Nicht ganz einfach, den Inhalt zu erzählen. Olivier spielt einen Prinzregenten irgendeines Balkanstaats, der in London einer Krönungszeremonie beiwohnt und dabei mit einer Menge Intrigen in seinem eigenen Reich zu kämpfen hat, in die auch sein Sohn, der eigentliche Thronanwärter, verwickelt ist. Mit Monroe, einer ordinären Revuetänzerin, will er nur einen „netten Abend“ verbringen, aber sie mischt sich – man möchte beinahe sagen: dummdreist – in sein Leben ein und läßt sich auch nicht wieder abwimmeln. Sie sagt Olivier auf den Kopf zu, daß er gar nicht richtig lebt, sondern ganz in seiner Diplomatie erstarrt ist, und das macht Eindruck auf ihn. Eigentlich ist sie eher auf der Seite des rebellischen jungen Prinzen, aber sie arbeitet doch zielstrebig daran, den Vater zu verändern. Der läßt aber nicht so schnell von seinen Machtspielchen ab. Olivier ist einerseits ganz steif und zeremoniell, andererseits klug genug, um zu erkennen, was Monroe da mit ihm anstellt und daß er von ihrer Gesellschaft auch menschlich profitieren könnte. Das Ende bleibt ein wenig offen – man kann sich aussuchen, ob man da ein Happy End sich anbahnen sieht oder der Alptraum einer Tänzerin, die sich in die hohe Politik einmischt, dann endlich vorbei ist.

Man sieht hier den schroffen Gegensatz eines Schauspielers, der seine Bühnenkunst zelebriert (Olivier) und eines Filmstars, der nur Spontaneität, Timing und Charme dagegensetzen kann (Monroe). Aber genau das entspricht ja dem Wesen der Figuren. In diesem Aufeinanderprall von Europa und USA siegen letztlich die naiven USA. Aber man sieht sehr schön das komplizierte, in sinnlosen Ritualen erstarrte alte Europa, und daß sich die Geschichte in monarchischen Kreisen abspielt, also in einer inzwischen doch halbwegs untergegangenen Welt, tut dem keinen Abbruch.

Über die Dreharbeiten zu diesem Film gibt es inzwischen einen eigenen Film: „My Week with Marilyn“, den ich ebenfalls faszinierend finde. Es war damals schon ziemlich mühsam, mit Marilyn Monroe zu arbeiten, die sehr nervös, einsam, tablettenabhängig und unter dem Einfluß von Paula Strasberg war und Laurence Olivier in den Wahnsinn trieb. Billy Wilder, der den nächsten Film mit ihr drehte, sagte ja, mit ihr zu filmen, sei schlimmer, als beim Zahnarzt auf dem Stuhl zu liegen. Aber er wußte, daß er mit ihr dennoch einen wunderbaren Film bekam. Für mich ist „Der Prinz und die Tänzerin“ eine ihrer besten Leistungen, wobei es mir schwerfallen würde, ihren besten Film zu küren – es gibt mehrere sehr, sehr gute.
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