Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 26.12.2018, 18:32   #452  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.558
Spinne (Williams) 101

Erscheinungstermin: 1/1978

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 100
2) Mighty Thor # 132

Story-Titel:
1) Spinne oder Mensch?
2) ohne Titel (Rigel – wo selbst Götter sich fürchten!)

Original-Storytitel:
1) The Spider or the Man?
2) Rigel, where Gods may fear to tread!

Zeichnungen:
1) Gil Kane / Frank Giacoia
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Dies ist also die US-„Spinne“ # 100. Mein Urteil darüber schwankt. Von der Tradition, bei dieser Gelegenheit den Titelhelden gegen eine Legion seiner spektakulärsten Gegner antreten zu lassen, halte ich nichts. Es ist aber hier verhältnismäßig gut gelungen. Stan Lee stellt das Ganze gleich offen als Traum dar, was hilft, die Story zu schlucken. Im Detail sehe ich jedoch einige Ungereimtheiten. Gil Kane und Frank Giacoia machen grafisch das beste daraus. Der Comic ist ansprechend umgesetzt; die ausgewählten fünf Superschurken lassen sich auf dem begrenzten Raum gerade noch halbwegs eindrucksvoll inszenieren. Peter, Tante May, Betty Brant und auch Gwen sehen aber wiederum nicht immer so aus, wie man sie kennt. (Gwen hat freilich ihr Aussehen seit ihren ersten Auftritten schon mehrmals deutlich geändert.) Hervorheben muß ich auch das Cover von John Romita mit einer absolut ikonischen Spinne und einer Ansammlung ihrer Freunde und Feinde in Negativdruck.

Eingebettet ist die Parade der Schurken in diesem Heft in eine typische Grübelei der Spinne über ihre Motivation, ihre Ethik und ihr Leben an sich. Der Anfang ist jedoch überraschenderweise ganz konventionell. Die Spinne patrouilliert durch New York; es scheint nichts los zu sein, bis sie Zeuge eines Banküberfalls wird. Nachdem sie die Gangster unschädlich gemacht hat, stellt sie fest, daß eine solche Aktion sie nicht mehr zufriedenstellt. Sie kommt zu dem Schluß, daß die Superheldenarbeit Peter Parker davon abhält, sein Leben zu leben. Zuhause holt Peter seinen Chemiebaukasten hervor und entwickelt ein Serum, das die Veränderungen, die ihn zur Spinne machten, rückgängig machen soll. Ein Test ist angeblich nicht möglich – Peter schluckt die Flüssigkeit und legt sich hin. Der Traum beginnt mit einem kurzen Rückblick auf die wichtigsten Stationen der bisherigen Serie. Dann hört die Spinne eine seltsame Stimme, die sie nicht identifizieren kann. Und schon wird sie hinterrücks vom Geier angegriffen. Nach wenigen Panels ist er erledigt, aber sofort betritt die Echse die Szene. Sie läßt die Spinne eingewickelt in ihr Netz zurück. Woher die Stimme kommt, ist noch immer unklar. Stan Lee erwähnt noch einmal vorsorglich, daß es sich um einen Traum handelt.

Nun wird die Spinne vom Grünen Kobold beschossen. Er endet ähnlich wie der Geier: Mit einem kräftigen Tritt entledigt sich die Spinne ihres Erzfeindes, der steuerlos auf seinem fliegenden Besen davonknattert. Die Spinne bemerkt, daß sie Schmerzen in der Seite hat, was nicht auf einen ihrer Kämpfe zurückzuführen ist. Bevor sie darüber länger nachdenken kann, langt Doktor Octopus mit seinen Armen nach ihr. Der Kampf ist wieder kurz: Die Spinne schleudert Ock gegen eine Mauer. Als die Spinne weiter versucht, die Stimme zu lokalisieren, findet sie sich im Schatten des Kingpin wieder (er ist übrigens der einzige Bösewicht, der nicht aus der Ditko-Phase stammt). Erneut gelingt es ihr, den Mafiaboß k.o. zu schlagen. Endlich wird klar, wem die Stimme gehört: Es ist Captain Stacy, der als Erscheinung im Himmel sichtbar wird. Stacy ist nun endlich verständlich, und er richtet ihr mutmaßlich eine Botschaft des Verlags aus: Die Spinne darf nicht verschwinden. Nebenbei verrät er noch – allerdings nur im Traum -, daß er immer wußte, daß Peter Parker sich hinter der Spinne verbarg. Peter erwacht, und geblieben von dem Traum sind ihm die Schmerzen in der Seite. Er zieht sein Sweatshirt aus und entdeckt, daß ihm vier zusätzliche Arme gewachsen sind. Er ist durch sein Serum einer Spinne also noch ähnlicher geworden. Es ist aber klar, daß es so für ihn noch schwieriger wird, seine Geheimidentität zu wahren. Die Redaktion fügt sicherheitshalber den Hinweis an: „Dies ist keine Spinnerei, das versprechen wir euch! Die Spinne ist wach! Sie hat sechs Arme!“

Die Storylinie mit den zusätzlichen Armen, die sich nun ein paar Ausgaben lang fortsetzt, hat mich schon als Jungen nicht überzeugt. Für mich wäre es besser gewesen, wenn Peter Parker seine Bemühungen fortgesetzt hätte, Gwen und gegebenenfalls auch Tante May ernsthaft zu erklären, daß er Superkräfte besitzt. Wie er die überschüssigen Arme loswird, hat mich dagegen weniger interessiert. Auf jeden Fall: Das Jubiläumsheft hinterläßt auch heute bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Der Traum ist natürlich ein ideales Vehikel, um Lee zu ersparen, irgendetwas erklären zu müssen. Das einzige, was erklärt wird, ist die Panne mit den Armen, nämlich durch ein mißglücktes Experiment. Lee verläßt den Pfad, die Spinne mit möglichst viel realem Alltag zu konfrontieren. Als nächstes bekommt es die Spinne sogar mit einem Vampir zu tun.

Ganz interessant noch: Eine redaktionelle Seite mit weiteren Marvel-Neuerscheinungen in USA. Möglicherweise wußte man bei Williams auch nicht so genau, womit man es bei den neuen Titeln jeweils zu tun hatte. „Black Panther“ bekam damals seine eigene Serie. Eine neue Figur war „Human Fly“, von der ich selbst nicht so viel gehört habe. „Marvel Super Action“ war, wenn ich mich nicht irre, eine reine Nachdruck-Reihe, beginnend mit „Captain America“ # 100. Schließlich werden noch zwei Filmcomics vorgestellt: „Godzilla“ und „Star Wars“. Howard Chaykin hat mir selbst mal erzählt, daß er diese Serie zeichnete, bevor „Star Wars“ ins Kino kam, und auch keine Ahnung hatte, wie erfolgreich der Film und in seinem Schlepptau auch die Comicserie wurde. „Godzilla“, gezeichnet von Herb Trimpe, dürfte dagegen eher kurzlebig gewesen sein.

Letzte Anmerkung: Noch einmal kehrt eine Lego-Anzeige auf das Backcover zurück; das US-Jubiläum war offenbar ein Argument, die Werbung zu schalten.



Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:39 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten